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Lohnzuschläge während des Mutterschutzes nicht steuerfrei

BUNDESFINANZHOF

Az.: VI B 69/08

Beschluss vom 27.5.2009


Leitsätze:

1. Zuschläge für tatsächlich nicht geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die in dem nach § 11 MuSchG gezahlten Mutterschutzlohn enthalten sind, sind nicht nach § 3b EStG steuerfrei (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. § 3b EStG führt auch nicht mittelbar zu einer Diskriminierung von Frauen und begegnet deshalb keinen verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken.


Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offen bleiben, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in einer den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt ist. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

1.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28). Nach diesem Maßstab bedarf die Frage, ob (Schicht-)Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen und nach § 11 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz –MuSchG–) gezahlt werden, nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, keiner erneuten Klärung.

a) Nach § 3b EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für   tatsächlich   geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind. Durch die Steuerfreiheit soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen gewährt werden, die mit dieser Arbeit verbunden sind (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1984 VI R 199/80, BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57); § 3b EStG begünstigt das Entgelt „für“ Arbeiten an besonders ungünstigen Zeiten (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 90/87, BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei § 3b EStG um eine Ausnahmevorschrift, die das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbricht (z.B. BFH-Urteile vom 22. November 1968 VI R 312/66, BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, zu § 34a EStG; vom 7. Juli 2005 IX R 56/04, BFH/NV 2006, 44; vom 22. September 2005 IX R 55/04, BFH/NV 2006, 712; vom 21. Februar 2006 IX R 27/05, BFH/NV 2006, 1274). Neben dem eindeutigen, mit dem Gesetzeszweck übereinstimmenden Wortlaut des § 3b EStG ist auch dessen Ausnahmecharakter ein Grund dafür, dass der BFH eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Vorschrift stets abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH tritt die Steuerfreiheit nur ein, wenn Zahlungen für tatsächlich geleistete Arbeit zu den bezeichneten begünstigten Zeiten erfolgen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293; vom 25. Mai 2005 IX R 72/02, BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725; BFH-Beschluss vom 18. November 2003 VI B 123/03, BFH/NV 2004, 335; jeweils m.w.N.). Deshalb hat sich der BFH durch den Wortlaut des § 3b EStG auch daran gehindert gesehen, die einer werdenden Mutter nach § 11 MuSchG vom Arbeitgeber gezahlten Zuschläge als für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt anzusehen, obwohl die Steuerpflichtige Arbeiten der vorgenannten Art tatsächlich nicht geleistet hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57).

b) Die von den Klägern und Beschwerdeführern aufgeworfene Rechtsfrage bedarf auch im Hinblick auf die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen verfassungs- und europarechtlichen Aspekte keiner erneuten Klärung. Dies ungeachtet dessen, dass die Beschwerde insbesondere die erforderliche Auseinandersetzung mit verfassungsgerichtlicher und europarechtlicher Rechtsprechung (z.B. BFH-Beschluss vom 25. August 2006 VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122) vermissen lässt.

Zwar bietet Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen (vgl. hierzu und zum folgenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2005  1 BvR 774/02, BVerfGE 113, 1, unter B.I.1., m.w.N.). Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern. Durch die Anfügung von Satz 2 in Art. 3 Abs. 2 GG ist ausdrücklich klargestellt worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt. In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen. Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art. 3 Abs. 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung.

Auch ist nach den Absätzen 1 und 2 des in der Beschwerdebegründung genannten Art. 141 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in seiner derzeit gültigen Fassung sicherzustellen, dass Männer und Frauen das gleiche Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit erhalten. Die Nichtbeachtung dieses gemeinschaftsrechtlich geregelten Diskriminierungsverbots führt nicht nur zur Aufhebung etwa entgegenstehender gesetzlicher Regelungen, sondern zu einem unmittelbaren Anspruch auf dessen gerichtliche Durchsetzung (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2000 VII R 18/00, BFHE 193, 234, BStBl II 2001, 263, unter II.2.c, m.w.N.). Weiterhin hat die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 –Richtlinie 76/207/EWG– (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 39, 40) gemäß Art. 1 Abs. 1 das Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG ist geregelt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts –insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand– erfolgen darf. Auch liegt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn die Anwendung einer nationalen Maßnahme, die zwar neutral formuliert ist, tatsächlich wesentlich mehr Frauen als Männer benachteiligt (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 2. Oktober 1997 Rs. C-100/95, Slg. 1997, I-5289, m.w.N.).

Weder nach den genannten verfassungsrechtlichen Maßstäben noch nach primärem oder sekundärem Gemeinschaftsrecht ist es jedoch geboten, die Steuerfreiheit des § 3b EStG über dessen Wortlaut hinaus auf nach § 11 MuSchG weiter zu gewährendes Arbeitsentgelt zu erstrecken, das zwar ursprünglich als Zuschlag für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet worden ist, das aufgrund eines Beschäftigungsverbots nach § 8 MuSchG aber nicht mehr für eine tatsächlich geleistete, nach § 3b EStG begünstigte Arbeit gezahlt wird. Denn als Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit entfaltet § 3b EStG grundsätzlich gleichheitswidrige Wirkung gegenüber allen Arbeitnehmern, deren vergleichbar hoher Arbeitslohn keiner Steuerbegünstigung unterliegt. Dies kann sachlich nur mit einem Ausgleich für tatsächliche Arbeiten zu besonders ungünstigen Zeiten gerechtfertigt werden. Eine unzulässige geschlechtsspezifische Differenzierung ist (auch) der Wirkungsweise des § 3b EStG nicht zu entnehmen. Die Norm versagt nicht nur werdenden Müttern, die den Regelungen des Mutterschutzgesetzes unterfallen, eine Steuerbegünstigung, sondern allen Arbeitnehmern, die aus unterschiedlichsten, in ihrer Person oder in der Sphäre ihres Arbeitgebers liegenden Gründen nach § 3b EStG begünstigte Arbeiten nicht leisten können oder dürfen. Dabei führt die Anwendung des § 3b EStG nicht dazu, dass Männer und Frauen ein unterschiedlich hohes (Netto-)Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit erhalten, denn das maßgebliche Differenzierungskriterium der Norm liegt gerade in der Art der geleisteten Tätigkeit. Dass hierbei faktisch gerade Frauen in besonderer Weise benachteiligt würden, ist nicht ersichtlich, denn der Ausschluss der Steuerfreiheit betrifft keine besonders „frauenspezifischen“ Arbeitsbereiche und Tätigkeiten. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die in der Richtlinie 76/207/EWG insbesondere in Bezug auf Berufszugang und Arbeitsbedingungen geregelten Diskriminierungsverbote vom Regelungsbereich des § 3b EStG unmittelbar oder mittelbar betroffen sind.

c) Der erkennende Senat hält weiterhin daran fest, dass § 3b EStG auch nicht gegen Art. 6 Abs. 4 GG verstößt (BFH-Urteil in BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57).

2.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO abgesehen.

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