Oberlandesgericht Hamm
Az: I-20 U 191/11
Beschluss vom 09.11.2011
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Denn ihre Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die angefochtene Entscheidung trifft in Begründung und Ergebnis zu. Weder begründen konkrete Anhaltspunkte i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im angefochtenen Urteil noch beruht das Urteil auf einer Rechtsverletzung.
Die Klägerin ist Versicherer für Unternehmens- und Spezialrisiken. Bei ihr unterhält der Luftsportverein G e.V., dessen (einfaches) Vereinsmitglied der Beklagte seit 1972 ist, eine Kaskoversicherung für die von ihm gehaltenen Luftfahrzeuge, u.a. das einmotorige Leichtflugzeug Piper mit dem amtlichen Zulassungskennzeichen D, das bei einem von dem Beklagten am 02.04.2010 um 11.59 Uhr auf dem Verkehrslandeplatz D als verantwortlichem Luftfahrzeugführer durchgeführten Landemanöver nicht unerheblich beschädigt worden ist. Aus Anlass dieses Schadensfalls, den die Klägerin gegenüber dem Luftsportverein G e.V. unter Abzug der vereinbarten Selbstbeteiligung mit 16.266,55 € reguliert hat, macht die Klägerin mit der Behauptung einer grob fahrlässigen Schadensverursachung durch den Beklagten gegen diesen Ersatzansprüche aus übergegangenem Recht nach Ziffer 14.1 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen AMU 400/02 geltend. Danach geht ein Ersatzanspruch, der dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zusteht, auf den Versicherer über, soweit er (der Versicherer) den Schaden ersetzt.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass der Beklagte nicht „Dritter“ im Sinne der – mit § 86 Abs. 1 VVG inhaltsgleichen – Ziffer 14.1 AMU 400/02 ist.
I. Zu Unrecht rügt die Klägerin mit ihrer Berufung, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts der Beklagte sehr wohl „Dritter“ im Sinne der – mit § 86 Abs. 1 VVG inhaltsgleichen – Ziffer 14.1 AMU 400/02 sei.
Richtig ist, dass der hier in Rede stehende Anspruchsübergang nach Ziffer 14.1 AMU 400/0 in Übereinstimmung mit § 86 Abs. 1 VVG voraussetzt, dass dem Versicherungsnehmer aus Anlass des Schadensfalls ein Ersatzanspruch gegen einen „Dritten“ zusteht. Dritter in diesem Sinne ist – im Grundsatz – jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder (Mit-) Versicherter ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2008, IV ZR 89/07, Zitat nach juris, Tz 8 m.w.N. = VersR 2008, 634 [BGH 05.03.2008 – IV ZR 89/07]; Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., § 86 VVG, Rn 13 m.w.N.).
Zwar trifft es im Ansatz zu, dass der Fahrzeugführer in der Kaskoversicherung – anders als in der Haftpflichtversicherung – grundsätzlich nicht zu den mitversicherten Personen gehört (vgl. Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrzeugversicherung 18. Aufl., § 86 VVG, Rn 16 zur identischen Problemstellung bei der Kfz-Kaskoversicherung). Denn im Ausgangspunkt ist die hier in Rede stehende Kaskoversicherung eine reine Sachversicherung, da sie die Beschädigung, Zerstörung und den Verlust des Luftfahrzeugs umfasst (vgl. Ziff. 9 AMU 400/02). Versichert ist daher regelmäßig (nur) das Interesse des rechtlichen Eigentümers an der Erhaltung der Sache (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2008, IV ZR 89/07, Zitat nach juris, Tz 11 m.w.N. = VersR 2008, 634 [BGH 05.03.2008 – IV ZR 89/07] – zur Kfz-Kaskoversicherung). Der Beklagte hatte indes, worauf die Berufung zu Recht hinweist, kein Eigentum an dem beschädigten Luftfahrzeug.
Allerdings kann – der Bundesgerichtshof hat mit dem vorstehend bereits zitierten Urteil vom 05.03.2008 (IV ZR 89/07, Zitat nach juris, dort Tz 17 = VersR 2008, 634 [BGH 05.03.2008 – IV ZR 89/07]) seine anders lautende frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben – in eine Sachversicherung über das Sacherhaltungsinteresse hinaus zusätzlich auch das Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigten Nichteigentümers einbezogen werden, aufgrund seiner Haftung gegenüber dem Eigentümer nicht wegen Beschädigung oder Verlustes der Sache in Anspruch genommen zu werden. Dabei ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, welche Interessen die Parteien als versichert vereinbart haben (BGH aaO., Tz 18). Für die Fahrzeugversicherung hat der Bundesgerichtshof diese Frage dahin geklärt, dass – in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung – auch bei juristischen Personen (und nicht nur, wie zuvor angenommen, lediglich bei Personengesellschaften) das Sachersatzinteresse der Gesellschafter und Geschäftsführer mitversichert ist, die gesellschaftsintern dazu berufen sind, das versicherte Fahrzeug zu nutzen (BGH aaO., Tz 15 u. 22). Nichts anderes kann angesichts der rechtlich identischen Grundkonstellation bei der Luftfahrzeugversicherung gelten.
Der Beklagte ist unter Anlegung der vom Bundesgerichtshof in der v.g. Entscheidung aufgestellten, auf den Fall der Luftfahrzeugkaskoversicherung übertragbaren Maßstäbe daher nicht „Dritter“ im Sinne der Ziffer 14.1 AMU 400/0 (vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen: BGH aaO., Tz 23ff):
– Als Vereinsmitglied war der Beklagte zum Zeitpunkt des Schadensfalls „Gesellschafter“ einer juristischen Person.
– Ihm war das in Rede stehende Luftfahrzeug auch im Einvernehmen mit dem Versicherungsnehmer, i.e. dem Luftsportverein G e.V. zur privaten Nutzung überlassen.
– Für die Klägerin als Versicherer war angesichts der rechtlichen Struktur ihres Versicherungsnehmers bei Abschluss des Versicherungsvertrages auch erkennbar, dass dieser seine Eigentümerbefugnisse nicht selbst ausüben und allein über natürliche Personen tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Luftfahrzeuge haben konnte. Das versicherte Risiko hat sich für sie dadurch also nicht erhöht, denn es stand von Anbeginn außer Frage, dass die Luftfahrzeuge nicht von dem Versicherungsnehmer selbst, sondern nur von den vereinsintern dazu berufenen natürlichen Personen in Betrieb genommen werden konnten, die statt des Vereins Umgang mit der jeweiligen Sache hatten.
– Dem Verein als Versicherungsnehmer war zudem, wie sich dem Versicherer ebenfalls ohne weiteres erschließt, daran gelegen, nicht in haftungsrechtliche Auseinandersetzungen mit ihren eigenen Mitgliedern und Organen verwickelt zu werden, auf die er zur Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft angewiesen ist, wenn die diesen anvertrauten Luftfahrzeuge beschädigt oder zerstört werden. Das jeweilige Vereinsmitglied kann aufgrund seines Innenverhältnisses zum Verein, der ihm den Besitz an dem Luftfahrzeug vermittelt, seinerseits die berechtigte Erwartung hegen, dass ihm der Schutz der abgeschlossenen Kaskoversicherung zugute kommt, um nicht im Falle einer Beschädigung der Sache Regressansprüchen ausgesetzt, sondern umfassend vor einer Inanspruchnahme geschützt zu sein. Das gilt umso mehr, als die Versicherungsprämie aus den Mitteln des Vereins entrichtet wird, die Vereinsmitglieder die Prämie im wirtschaftlichen Sinne im Ergebnis also tragen.
Dieser innergesellschaftlichen Interessenlage lässt sich, wie im Fall der Kfz-Kaskoversicherung (vgl. BGH aaO., Tz 25), nur durch einen Einschluss des Sachersatzinteresses der Mitglieder und Organe des Vereins, die mit der Sache bestimmungsgemäß in Berührung kommen, in die Luftfahrzeugversicherung gerecht werden.
Dem steht entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht Ziffer 14.3 AMU 400/02 entgegen, wonach der Versicherer Regress nicht in jedem Fall, sondern nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadenverursachung nimmt, wenn Dritter im Sinne der Ziffer 14.1 AMU 400/02 „ein nach dem Vertrag als berechtigt genannter Luftfahrzeugführer“ ist. Denn ein „nach dem Vertrag als berechtigt genannter Luftfahrzeugführer“ kann nicht nur, wie die Klägerin meint, ein Vereinsmitglied, sondern auch ein nicht vereinsangehöriger Mieter oder Luftfahrzeugführer sein, der das Luftfahrzeug mit Einverständnis des Vereins nutzt. Eine Einschränkung der Nutzungsbefugnis auf Vereinsmitglieder findet sich weder im Versicherungsschein selbst, der ausdrücklich „private und geschäftliche Reiseflüge, Schulung inkl. Anfängerschulung“ durch „mehrere ungenannte Piloten“ in den Versicherungsschutz einbezieht, noch in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (i.e. AMU 400/02). Die Klausel in Ziffer 14.3 AMU 400/02 macht also auch dann noch Sinn, wenn Vereinsmitglieder nicht als „Dritte“ im Sinne der Ziffer 14.1 AMU 400/02 angesehen werden. Wollte der Versicherer dem Versicherungsnehmer einen entsprechenden Schutz im Einzelfall nicht zuteil werden lassen, müsste er dies im Übrigen ausdrücklich offen legen (vgl. BGH aaO., Tz 25).
II. Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
Hinweise
Die Berufung ist durch Beschluss vom 04.01.2012 zurückgewiesen worden.