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Mahnbescheid – Hemmung der Verjährung

OLG Brandenburg

Az: 12 U 1/09

Urteil vom 27.08.2009


Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.11.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Cottbus, Az. 2 O 108/07, abgeändert.

Der Beklagte zu 2.) wird als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1.) verurteilt, an die Klägerin 24.967,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 zu zahlen.

Der Beklagte zu 1.) wird – in Höhe eines Betrages von 24.967,44 € als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2.) – verurteilt, an die Klägerin 31.559,66 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien wie folgt: von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 10%, der Beklagte zu 1.) 50 % und der Beklagte zu 2.) 40 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte zu 1.) 50 % und der Beklagte zu 2.) 40 %. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2.) zu 20 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin als Einzugsstelle für Sozialversicherungsbeiträge begehrt von den Beklagten Schadensersatz wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB. Die Beklagten waren Mitglieder des Vorstands des I… e.V. (im Folgenden: Gemeinschuldner), über dessen Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 07.05.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, und bei dem die Arbeitnehmer, für die die Klägerin für die Zeit vom 01.07.2003 bis 31.12.2003 Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag beansprucht, beschäftigt waren. Wegen der Einzelheiten zum Sachverhalt wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Der Tatbestand ist jedoch dahin zu berichtigen, dass beide Beklagte die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin für den betreffenden Zeitraum nach anfänglichem Bestreiten unstreitig gestellt haben. Des Weiteren ergibt sich aus dem von der Klägerin überreichten Auszug aus dem Vereinsregister nicht, dass der Beklagte zu 2.) mit Wirkung vom 09.12.2003 aus dem Vorstand des Gemeinschuldners ausgeschieden ist. Vielmehr ist in diesem als Datum des Ausscheidens der 28.01.2004 benannt; jedoch folgt aus der Vereinsregisteranmeldung vom 10.12.2003, dass die Mitgliederversammlung des Gemeinschuldners vom 09.12.2003 den Beklagten zu 2.) als Vorstandsmitglied abberufen hatte. Hinsichtlich der von der Klägerin beanspruchten Arbeitnehmerentgelte wird auf die Aufstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 22.02.2008 (Bl. 150 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat zur Begründung der Verjährungshemmung die Ansicht vertreten, die streitgegenständliche Forderung sei im Mahnbescheid auch deshalb hinreichend bezeichnet worden, da diese zuvor unstreitig mit Schreiben vom 23.11.2006 gegenüber den Beklagten geltend gemacht worden sei. In Reaktion hierauf habe der Beklagte zu 1.), vertreten durch Rechtsanwalt M… (dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2.)), mit Schreiben vom 01.12.2006 – insoweit ebenfalls unstreitig – um Mitteilung der einzelnen Beitragsmonate gebeten. Daraufhin habe die Klägerin dem Beklagten zu 1.) mit Schreiben vom 01.12.2006 unter Beifügung von Auszügen aus der Insolvenzakte des Amtsgerichts Dresden die Forderung näher aufgeschlüsselt. Der Beklagte zu 2.) habe mit Schreiben vom 06.12.2006 lediglich erklärt, für die Forderung nicht zu haften.

Die Beklagten haben gegen die Aufstellung der Klägerin zu den beanspruchten Arbeitnehmerentgelten eingewandt, die Beträge der Tabellen ergäben nicht den geltend gemachten Klagebetrag; die für die einzelnen Arbeitnehmer dargestellten Beschäftigungszeiträume stimmten teilweise nicht mit den Zeiträumen überein, für die Schadensersatz beansprucht werde. Zudem seien in einigen Monaten mehrfach Beträge aufgeführt, was sich bei der Aufstellung für einzelne Personen nicht erschließe.

Hinsichtlich der Frage der Individualisierung des Mahnbescheids haben die Beklagten die Auffassung vertreten, es sei auch zu berücksichtigen, dass der Gemeinschuldner unstreitig über sieben Betriebsteile bzw. Zweigstellen sowie einen Hauptsitz verfügt habe, zeitweise bis zu 2.300 Mitarbeiter bei ihm beschäftigt gewesen seien, der Beklagte zu 2.) neben der Tätigkeit bei dem Gemeinschuldner unstreitig Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglied von drei weiteren Gesellschaften gewesen sei und die Klägerin für 36 Mitarbeiter aus fünf Niederlassungen des Gemeinschuldners Ansprüche geltend mache. Zudem sei zu beachten, dass die Klägerin auf ihre Anträge vom 29.12.2006 unstreitig unter dem 10.01.2007 zwei weitere Mahnbescheide erwirkt habe, die nicht streitgegenständliche Forderungen gegen den Beklagten zu 2.) beträfen und in denen die Forderung ebenfalls mit „vorenthaltener Arbeitnehmeranteil am Gesamtversicherungsbeitrag“, von denen ein Mahnbescheid den teilweise identischen Zeitraum 01.07.2003 bis 31.08.2003 umfasst habe, bezeichnet worden sei. Die Bezeichnung der Forderung lasse zudem nicht auf einen Schadensersatzanspruch schließen, vielmehr sei danach Gegenstand der Anspruch auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Schuldner hierfür sei jedoch der Arbeitgeber. Auch sei die im Mahnbescheid gewählte Singularform nicht mit der mit der Klage geltend gemachten Mehrzahl von Beitragsmonaten in Übereinstimmung zu bringen. Hier handele es sich bereits um unterschiedliche Streitgegenstände. Schließlich sei auch der Arbeitgeber nicht benannt worden. Dass die Beklagten als Vorstand in Anspruch genommen würden, ergebe sich aus dem Mahnbescheid nicht. Die Klägerin habe auch auf das Schreiben des Beklagten zu 2.) vom 06.12.2006, in dem dieser zur Prüfung der gegen ihn erhobenen Forderungen um Aufschlüsselung der Berechnung nach der Anzahl der Beschäftigen mit Namen, den Beschäftigungszeiten, der Arbeitsentgelte und des Beitragssatzes gebeten habe, unstreitig nicht mehr reagiert.

Der Beklagte zu 1.) hat des Weiteren gemeint, eine Haftung scheide bereits deshalb aus, da er lediglich eine repräsentierende Funktion ohne Kontobefugnisse innegehabt habe. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen hätten andere vertretungsberechtigte Personen vorgenommen. Die Haftung des Beklagten zu 2.) sei nach seiner Auffassung jedenfalls hinsichtlich der Monate November und Dezember 2003 ausgeschlossen, da Fälligkeit erst nach der Abberufung als Vorstandsmitglied eingetreten sei und er etwaige Zahlungen nicht mehr habe veranlassen können. Beide Beklagte meinen darüber hinaus, die Beiträge für die Monate Oktober bis Dezember 2003 seien nicht mehr zu entrichten gewesen, da etwaige Zahlungen angesichts des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverwalters am 04.02.2004 durch den Insolvenzverwalter hätten angefochten werden können.

Mit am 10.11.2008 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Forderung sei zum 31.12.2006 verjährt. Die Anspruchsbegründung sei den Beklagten erst nach Ablauf der Verjährungsfrist am 15.05.2007 zugestellt worden. Der auf Antrag vom 29.12.2006 am 15.01.2007 zugestellte Mahnbescheid habe die Verjährung nicht gehemmt, da die Bezeichnung der Forderungen im Mahnbescheid einer hinreichenden Individualisierung nicht genügt habe. Die Angaben im Mahnbescheid hätten auch unter Berücksichtigung der zuvor übersandten Schreiben aus November und Dezember 2006 nicht ausgereicht. Es seien weder Hinweise auf einzelne Arbeitnehmeranteile noch auf Betriebsstätten des Gemeinschuldners, in denen die jeweiligen Arbeitnehmer tätig geworden sein sollten, noch die Höhe der einzelnen Beiträge enthalten. Es sei auch kein Hinweis auf Ausführungen der vorgerichtlichen Schreiben erfolgt. Es fehle auch ein Hinweis auf Schadensersatz und die gesetzlichen Vorschriften, auf die der Anspruch gestützt werde. Auch das Schreiben vom 23.11.2006 reiche nicht aus, da auch in diesem keine Angabe enthalten sei, in welchen Betriebsteilen die einzelnen Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien und in welcher Höhe jeweils Anteile nicht abgeführt worden sein sollten, sodass den Beklagten eine Prüfung nicht möglich gewesen sei. Der Umstand, dass auf Nachfrage der Beklagten konkrete Informationen erfolgt seien, sei von diesen bestritten, ein Beweis von der Klägerin nicht angeboten worden.

Die Klägerin hat gegen das ihr zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 10.12.2008 zugestellte Urteil mit einem per Telefax am 06.01.2009 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit per Telefax am 10.03.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, die zum 31.12.2006 ablaufende Verjährung sei aufgrund des Mahnbescheids gehemmt worden. Jedenfalls verstoße eine Berufung der Beklagten auf Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Hierzu bezieht sie sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten. Das Landgericht habe im Rahmen der Hemmung der Verjährung die Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit von Forderungen, die im gerichtlichen Mahnverfahren geltend gemacht würden, übersehen. Eine Zuordnung der mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Forderung sei für die damaligen Antragsgegner ohne Weiteres möglich gewesen. Eine weitergehende Individualisierung sei im automatisierten Mahnverfahren, in dem Anlagen zum Mahnbescheidsantrag nicht eingereicht werden könnten, nicht möglich. Insbesondere sei es auf den entsprechenden Vordrucken nicht möglich, jede einzelne Teilforderung aufzuschlüsseln. Ausreichend sei die Angabe des Grundes der Forderung, was hier geschehen sei. Es habe sich um Schadensersatzansprüche aus der Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung gehandelt und eben nicht lediglich um Sozialversicherungsbeiträge. Die Beklagten wüssten zudem, welche Arbeitnehmer bei ihnen im dargestellten Zeitraum bei der Klägerin versichert gewesen seien. Die Namen seien den Beklagten unmittelbar vor Beantragung des Mahnbescheides benannt worden. Die Frage, in welchen Betriebsteilen die Arbeitnehmer tätig gewesen seien, sei hierbei unerheblich, da sämtliche Betriebsteile dem Gemeinschuldner zugehörig gewesen seien.

Die Kläger beantragt, unter Abänderung des am 10.11.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus, Az.: 2 O 108/07,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 31.695,91 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (15.05.2007) zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil, halten die Angriffe der Berufung für unbegründet und wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie wenden hinsichtlich des Mahnbescheidsantrags nochmals zusammenfassend ein, in diesem habe eine Bezeichnung des Arbeitgebers, der die Arbeitnehmeranteile abzuführen gehabt habe, die Bezeichnung der Arbeitnehmer, für die Beiträge zu zahlen gewesen seien, der Hinweis, dass es sich um Schadensersatzansprüche handele, die Bezeichnung der Beklagten als Geschäftsführer/ Vorstand der betroffenen Firmen sowie ein Bezug auf ein außergerichtliches Schreiben mit konkretisiertem Inhalt zum Mahnbescheid gefehlt. Dies seien Mindestangaben, bei deren Fehlen eine hinreichende Individualisierung der Forderung nicht möglich sei, mithin der Mahnbescheid die Verjährungsfrist nicht gehemmt haben könne. Hinsichtlich des Schreibens der Klägerin vom 01.12.2006 behauptet der Beklagte zu 1.) nunmehr, das Schreiben nicht persönlich zur Kenntnis erhalten zu haben. Schließlich sei auch der Vortrag zu den Arbeitnehmeranteilen nach wie vor nicht nachvollziehbar, die Klage bereits nicht schlüssig.

Die Insolvenzakten des Amtsgerichts Dresden zum Aktenzeichen 550 IN 314/04 sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dresden zum Aktenzeichen 106 Js 43023/04 wurden beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 513, 517, 519 ZPO. Die Klägerin rügt die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts; das Landgericht habe verkannt, dass der Mahnbescheid ausgereicht habe, die Verjährung zu hemmen. Sie macht damit Umstände geltend, wonach die vom Landgericht getroffenen Feststellungen eine andere rechtliche Beurteilung gebieten. Sie stützt ihr Rechtsmittel mithin auf Rechtsverletzungen im Sinne der §§ 513, 546 ZPO, auf denen das Urteil auch beruhen kann. Die Begründung der Berufung ist hinreichend im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO.

2. Die Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorenthaltener Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a Abs. 1 StGB. Der Höhe nach erstreckt sich der Anspruch gegen den Beklagten zu 1.) auf 31.559,66 € und gegen den Beklagten zu 2.), insoweit gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB), auf 24.967,44 €.

a) § 266 a StGB stellt ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Sozialversicherungsträgers bei Nichtabführung einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge dar (BGH NJW 2005, 2546; zitiert nach juris Rn. 9 m.w.N.; Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl. 2009, § 823 Rn. 69).

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b) Die Beklagten, handelnd für den Gemeinschuldner, sind ihrer ihnen nach §§ 22, 23, 28 d SGB IV obliegenden Verpflichtung, bei Fälligkeit die auf die von der Klägerin im Einzelnen benannten und bei dem Gemeinschuldner beschäftigen Arbeitnehmer entfallenden Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag abzuführen, für die Monate Juli bis Dezember 2003 – der Beklagte zu 1.) – bzw. für die Monate Juli bis Oktober 2003 – der Beklagte zu 2.) – schuldhaft nicht nachgekommen.

aa) Soweit die Beklagten monieren, die Klage sei im Hinblick auf die Darstellung der vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile bereits unschlüssig, ist dem nicht zu folgen. Eine Angabe der Entgeltzahlung für die jeweils betroffenen Arbeitnehmer ist bereits nicht erforderlich. Denn für die Schlüssigkeit eines Schadensersatzanspruches genügt die Darlegung der haftungsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 266 a Abs. 1 StGB und des § 823 Abs. 2 BGB sowie der haftungsausfüllenden Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere der Umfang des eingetretenen Schadens. Die Entgeltzahlungen als solche sind hiervon nicht erfasst, wenngleich die Sozialversicherungsbeiträge sich nach diesen richten. Auch ist eine weitere Aufschlüsselung der Sozialversicherungsbeiträge zum einen auf die Bestandteile Kranken-, Pflegepflicht- und Rentenversicherung mit den jeweiligen Beitragssätzen, zum anderen auf die einzelnen Arbeitnehmer nicht erforderlich. Denn der Gemeinschuldner hat nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin entsprechend der Regelung in § 28 a Abs. 1 bis 3 SGB IV die Höhe der auf die betreffenden Arbeitnehmer entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge gemeldet. Vor diesem Hintergrund können sich die Beklagten als zum fraglichen Zeitpunkt vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder nicht mit Erfolg auf die fehlende Aufschlüsselung berufen. Ungeachtet dessen ergeben sich aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dresden zum Aktenzeichen 106 Js 43023/04 (dort Bl. 274) die Beitragssätze der Krankenversicherung (12,9 %), der Rentenversicherung (19,5 %), der Arbeitslosenversicherung (6,5 %) sowie der Pflegeversicherung (1,7 %). Danach ist der Umfang der vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile hinreichend nachvollziehbar.

bb) Die Einwände der Beklagten gegen die Beitragsaufstellung der Klägerin sind lediglich im Hinblick auf den Arbeitnehmer G… berechtigt. Zu beachten ist zunächst, dass entscheidend für die Berechnung der Anteile insgesamt nicht die in den einzelnen Listen in der Spalte „AN-Anteile“ ausgewiesene Summe maßgeblich ist, sondern die im jeweiligen Vorspann zu den Listen genannte Summe. Bei Zusammenrechnung dieser Beträge errechnet sich der Klagebetrag. In den Listen sind zwar teilweise auch Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Januar und Februar 2004 aufgeführt. Diese werden von der Klägerin im Wege der Klage jedoch nicht geltend gemacht. Insoweit ist nicht auf die Angaben zu den einzelnen Arbeitnehmern abzustellen, sondern auf die Zeiträume in den Listen. Denn der bei den Arbeitnehmern genannte Zeitraum bezieht sich offensichtlich auf den gesamten Zeitraum der Beitragspflicht gegenüber der Klägerin. Begründet ist demgegenüber der Einwand der Beklagten, dass für den Arbeitnehmer G… der Beitrag für den Monat Dezember in Höhe von 136,25 € beansprucht wird, obwohl dieser nach den eigenen Angaben der Klägerin nur bis 30.11.2003 bei ihr versichert war. Insoweit ist die Klage unbegründet. Unbeachtlich ist demgegenüber wiederum, dass bei dem Arbeitnehmer G… für Oktober und November zwei unterschiedliche Beiträge in Ansatz gebracht werden, da diese nur im Rahmen der Arbeitgeberanteile Berücksichtigung finden, die jedoch nicht streitgegenständlich sind.

cc) Der Gemeinschuldner hat für die betreffenden Arbeitnehmer in der Zeit ab dem 01.07.2003 keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet, obwohl mindestens bis 30.11.2003 die Nettovergütung an die Arbeitnehmer – was nach der Neufassung des § 266 a StGB im Jahre 2002 allerdings keine Tatbestandsvoraussetzung mehr darstellt (vgl. Fischer, StGB, Kommentar, 56. Aufl. 2009, § 266 a Rn. 1, 12) – ausgezahlt worden ist und der Gemeinschuldner in diesem Zeitraum noch zahlungsfähig war, mithin es diesem noch möglich und zumutbar war, die ihm nach dem Sozialgesetzbuch obliegende Zahlungspflicht zu erfüllen (vgl. hierzu Fischer, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).

dd) Die Beklagten haften als – wie sich aus dem vorgelegten Vereinsregisterauszug (Anlage K 2) ergibt alleinige vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder des Gemeinschuldners über die Zurechnungsnormen der § 14 Abs. 1 Nr. 3 StGB, § 26 Abs. 2 BGB.

(1) Der Beklagte zu 2.) haftet jedoch nicht für die zum 15.12.2003 bzw. 15.01.2004 fällig gewordenen Beiträge für die Monate November und Dezember 2003 in Höhe von 3.798,20 € für den Monat November und 2.794,02 € für den Monat Dezember, mithin in Höhe von insgesamt 6.592,22. Denn hinsichtlich dieser war es ihm objektiv nicht mehr möglich, für den Gemeinschuldner auf die Abführung der Beiträge hinzuwirken. Ungeachtet der Eintragung des Ausscheidens des Beklagten zu 2.) aus dem Vorstand am 28.01.2004 wurde dieser durch die Mitgliederversammlung am 09.12.2003 – und nicht wie die Klägerin in den Raum gestellt hat, durch die Vorstandssitzung – als Vorstandsmitglied abberufen und hatte nach dem 09.12.2003 unstreitig keinerlei Befugnisse mehr, für den Gemeinschuldner zu handeln. Er hätte daher tatsächlich keine Zahlungen mehr veranlassen können, sodass ihm die Erfüllung der dem Gemeinschuldner obliegenden Pflicht, die Beiträge abzuführen, bereits objektiv unmöglich war.

(2) Im Übrigen haben die Beklagten es vorsätzlich unterlassen, die Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag rechtzeitig abzuführen. Für die Verwirklichung des § 266 a StGB, dessen Verschuldensmaßstab auch im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB Anwendung findet (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl. 2009, § 823 Rn. 60), genügt bedingter Vorsatz; d. h. der Arbeitgeber muss die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit kennen und wollen oder wenigstens billigend in Kauf nehmen, dass diese Pflicht nicht erfüllt wird (BGH NJW 1997, 130, 132, 133). Dabei sind die Voraussetzungen erfüllt, wenn der Arbeitgeber trotz Vorstellung der Möglichkeit der Beitragsvorenthaltung diese gebilligt und nicht in dem erforderlichen Maße auf Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger auf Abführung der Arbeitnehmerbeiträge hingewirkt hat (BGH NJW 2001, 969, zitiert nach juris Rn. 14). Die, nachdem die objektive Verletzung des Schutzgesetzes feststeht, darlegungsbelasteten Beklagten (vgl. BGH NJW 1985, 1774) haben nicht dargetan, sich entsprechend verhalten zu haben.

(a) Im Ergebnis unbegründet ist der Einwand des Beklagten zu 1.), er sei nur Repräsentant gewesen, habe keine Kontobefugnis gehabt und die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen sei durch andere vertretungsberechtigte Personen vorgenommen worden. Mitglieder eines mehrgliedrigen Vorstands können sich der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflicht weder durch Zuständigkeitsregelungen noch durch Delegation vollständig entledigen (BGH NJW 2001, 969, zitiert über juris Rn. 17; Fischer, a.a.O., § 266 a Rn. 5). Es bleiben stets Überwachungspflichten, die Veranlassung zum Eingreifen geben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung von der Gesellschaft (oder dem Verein) obliegenden Aufgaben durch den intern zuständigen Geschäftsführer oder Vorstand nicht mehr gewährleistet ist (vgl. BGH, a.a.O.). Dies gilt insbesondere im Falle einer Krisensituation der Gesellschaft oder des Vereins (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 18). Für die Feststellung, inwieweit der Beklagte zu 1.) seiner Überwachungspflicht nachgekommen ist und ob die Handlungspflicht überhaupt auf ein anderes Vorstandsmitglied übergegangen ist, ist bereits nicht ausreichend vorgetragen worden. Der Beklagte zu 1.) hat nicht dargelegt, welche Aufgaben er im Einzelnen hatte, wer die hier fragliche Aufgabe wahrgenommen hat und wie die Vertretungsstrukturen insgesamt waren. Darüber hinaus hat er auch nicht erklärt, ob und wodurch er seinen Überwachungspflichten genügt hat. Soweit der Beklagte zu 1.) in dem fraglichen Zeitraum lediglich annahm, aus seiner fehlenden Verantwortung zur Abführung der Beiträge auch seine fehlende Verantwortung in subjektiver Hinsicht herleiten zu können, ist dies unbeachtlich. Denn für ein vorsätzliches Vorenthalten im Sinne von § 266 a StGB ist nicht das Bewusstsein des Handelnden erforderlich, selbst zum Handeln verpflichtet zu sein. Vielmehr genügt, dass der Täter diejenigen Umstände kennt, die eine Handlungspflicht begründen. Glaubt er, nicht selbst zum Eingreifen verpflichtet zu sein und für die Abführung der Beiträge nicht (weiter) sorgen zu müssen, so unterliegt er keinem Tatbestandsirrtum, sondern einem Verbots- bzw. Gebotsirrtum, der ihn nur bei Unvermeidbarkeit entschuldigt (BGH, a.a.O., Rn. 20; BGHZ 133, 370, 381 f.). Dass ein etwaiger Verbotsirrtum für den Beklagten zu 1.) unvermeidbar gewesen wäre, ist nicht erkennbar.

(b) Darüber hinaus ist auch der Einwand der Insolvenzanfechtbarkeit unbegründet. Zwar kann die Kausalität des Schadens entfallen, wenn die Beiträge im Falle der Zahlung von dem Insolvenzverwalter ohnehin hätten zurückgefordert werden können (BGH NJW 2001, 967 ff., zitiert nach juris Rn. 21; BGH NJW 2005, 2546 ff., zitiert nach juris Rn. 17). Denn eine Privilegierung des Anspruchs auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber anderen Gläubigern besteht nach Einführung der Insolvenzordnung nicht mehr (BGH NJW, 220, 2546, zitiert nach juris Rn. 19, 21). Es fehlt jedoch an den Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung für den fraglichen Zeitraum. Im Hinblick auf den Eigeninsolvenzantrag vom 04.02.2004 käme für die Monate Oktober bis Dezember 2003, für die die Beiträge zum 15.11.2003, 15.12.2003 und 15.01.2004 fällig wurden, grundsätzlich eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO oder nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Betracht. Beide Tatbestände sind indes nicht erfüllt. Der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitert bereits daran, dass der Gemeinschuldner in dem vorgenannten Zeitraum unstreitig noch zahlungsfähig war. Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Inkongruenz der Deckung. Diese liegt vor, wenn die Leistung nicht, nicht in der Art und Weise oder nicht zu diesem Zeitpunkt geschuldet gewesen wäre; auch ist sie zu bejahen, wenn der Schuldner die Zahlung zur Abwendung von aus seiner Sicht unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vornimmt (BGH NJW 2002, 2568). Dies ist vorliegend zu verneinen. Vielmehr hätte die Klägerin nach den Fälligkeitsdaten ohne Weiteres Anspruch auf Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehabt. Auch eine Kenntnis der Benachteiligung anderer Gläubiger durch die Klägerin im Sinne von § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO oder von Umständen, die auf eine Benachteiligung zwingend schließen ließen (§ 131 Abs. 2 S. 1 InsO), ist vorliegend nicht erkennbar. Zwar kennt ein Gläubiger von Ansprüchen auf fortlaufende Zahlungen im Allgemeinen Umstände, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen, wenn er über Monate hinweg nur unvollständige Leistungen erhalten und sich mehrfach veranlasst gesehen hat, mit Nachdruck Insolvenzanträge anzudrohen (Kirchhoff in: MünchKomm, InsO, 2. Aufl. 2008, § 131 Rn. 54). Für letzteres ist vorliegend aber nichts ersichtlich. Nachdem die Klägerin den pauschalen Vortrag des Beklagten zu 1.), die Klägerin hätte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gehabt, bestritten hat, haben die Beklagten ihren Vortrag auch nicht weiter verfolgt oder substantiiert.

c) Der bei der Klägerin entstandene Schaden beruht in oben genannter Höhe auf dem schuldhaften Unterlassen der Beklagten.

3. Der Anspruch ist auch nicht verjährt.

a) Gegenstand der Klage ist ein Schadensersatzanspruch, der nach § 195 BGB der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, mithin in dem Zeitpunkt, in dem er erstmals mit einer Klage hätte geltend gemacht werden können (ständige Rechtsprechung, zuletzt: BGH, Urteil 12.05.2009, Az. VI ZR 294/08; zitiert nach juris Rn. 10). Voraussetzung hierfür ist dabei grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs im Sinne von § 271 BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 199 Rn. 3 m.w.N.). Hierbei ist auf den Anspruch auf Erfüllung der Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge abzustellen. Denn der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266 a StGB kann nicht früher fällig werden, als der diesem zugrunde liegende Erfüllungsanspruch. Die Fälligkeit des Anspruchs auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ergibt sich aus §§ 22, 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV, wonach die Gesamtsozialversicherungsbeiträge zum 15. des Monats fällig werden, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist. Hieraus folgt, dass die Ansprüche für die Monate Juli bis November 2003 noch im Jahre 2003 fällig wurden und demgemäß der Lauf der Verjährungsfrist insoweit zum 31.12.2003 begann. Die Beiträge für den Monat Dezember wurden demgegenüber am 15.01.2004 fällig, wodurch die Verjährung insoweit erst zum Ende des Jahre 2004 begann.

b) Die Verjährung ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtzeitig gehemmt worden.

aa) Soweit mit der Klage Beiträge für den Monat Dezember 2003 geltend gemacht werden, wäre die Verjährungsfrist angesichts des Verjährungsbeginns zum 31.12.2004 erst zum 31.12.2007 abgelaufen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Anspruchsbegründung am 15.05.2007, durch die die Verjährungsfrist jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft gehemmt wurde (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 204 Rn. 18), war diese damit noch nicht abgelaufen und konnte rechtzeitig gehemmt werden. Bei dem Beitragsanspruch für Dezember 2003 handelt es sich auch um eine selbständige Forderung. Denn bei fortgesetzter Unterlassung der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich um wiederholte unerlaubte Handlungen, die je eigene Schadensfolgen zeitigen und dadurch einen Gesamtschaden bewirken; diese erzeugen jeweils einen neuen Ersatzanspruch mit eigenem Lauf der Verjährung (vgl. BGH NJW 1978, 262, zitiert nach juris Rn. 18; NJW 2008, 505, zitiert nach juris Rn. 16).

bb) Hinsichtlich der Beitragsmonate Juli bis November 2003 hat der am 29.12.2006 beantragte, unter dem 10.01.2007 erlassene und am 15.01.2007 zugestellte Mahnbescheid die Verjährung gehemmt.

(1) Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren gehemmt. Gemäß § 167 ZPO tritt die Hemmungswirkung bereits mit dem Zeitpunkt der Antragstellung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Letzteres ist hier zu bejahen, da der Mahnbescheid aufgrund des nicht beanstandeten Mahnbescheidsantrags innerhalb von etwas mehr als zwei Wochen zugestellt wurde, ohne dass eine Verzögerung zu verzeichnen oder diese von der Klägerin zu vertreten gewesen wäre (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 204 Rn. 7). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Streitsache nach Eingang des Widerspruchs nicht alsbald an das Streitgericht abgegeben wurde. Denn auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (§ 696 Abs. 3 ZPO) kommt es für die Frage der Hemmung der Verjährung nicht an (vgl. BGH NJW 1996, 2152, zitiert nach juris Rn. 18).

(2) Die mit dem Mahnbescheid verfolgten Forderungen waren auch hinreichend konkret im Sinne von § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bezeichnet. Voraussetzung für eine Hemmung der Verjährung ist, dass der geltend gemachte Anspruch ausreichend individualisiert ist; eine Substantiierung des Anspruchs ist nicht erforderlich (BGH, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.). Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, dass er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht (BGH, a.a.O. Rn. 20; NJW 2000, 1420, zitiert nach juris Rn. 11; NJW 2009, 56 zitiert nach juris Rn. 18), d.h. der Schuldner muss erkennen können, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird (BGH NJW 1992, 1111, zitiert nach juris Rn. 17; BGH NJW 2007, 1952, zitiert nach juris Rn. 42; NJW 2008, 1220, zitiert nach juris Rn. 18). Kommen bei einem Schadensersatzanspruch mehrere Pflichtverletzungen als Anspruchsgrundlage in Betracht, muss eine hinreichend genaue Zuordnung erfolgen (Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Art und Umfang der erforderlichen Angaben hängen im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH NJW 2009, 56, zitiert nach juris Rn. 18; NJW 2000, 1420, zitiert nach juris Rn. 11 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine hinreichende Individualisierung zu bejahen.

(aa) Unrichtig ist zunächst die Auffassung der Beklagten, dass der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch der Erfüllungsanspruch sei und nicht ein Schadensersatzanspruch und daher unterschiedliche Streitgegenstände vorlägen. Im Mahnbescheid ist der Anspruch als „vorenthaltener Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag“ bezeichnet worden. Die Überschrift des Straftatbestandes des § 266 a StGB lautet „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“; demgegenüber enthält § 28 e Abs. 1 SGB IV vom Wortlaut her – weder in der im Jahre 2003 geltenden Fassung noch in der aktuellen Fassung – keinen Hinweis auf den Arbeitnehmeranteil oder eine Vorenthaltung. Vor diesem Hintergrund ist mit der gewählten Formulierung hinreichend verdeutlicht worden, dass es sich um einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB handelt. Die Bezeichnung der gesetzlichen Vorschriften ist nicht erforderlich, um den Anspruch ausreichend zu konkretisieren.

(bb) Auch wenn eine Pflichtverletzung der Beklagten für jeden einzelnen Beitragsmonat, für den der Arbeitnehmeranteil nicht zum Fälligkeitszeitpunkt abgeführt wurde, anzunehmen ist (s.o.), ist dem Mahnbescheid der zeitliche Umfang der Einzelansprüche hinreichend zu entnehmen. Darin ist ausdrücklich aufgeführt, dass Ansprüche für die Monate Juli bis Dezember 2003 geltend gemacht werden. Dem Mahnbescheid ist weiter zu entnehmen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurden, sodass für beide Beklagte deutlich ersichtlich war, dass sie als Vorstandsmitglied in Anspruch genommen wurden. Der Anspruch war in dem Mahnbescheid daher so genau bezeichnet, dass er Gegenstand eines Vollstreckungstitels hätte sein können.

(cc) Unbeachtlich ist weiter, dass eine Angabe dazu fehlt, welchem Betriebsteil des Gemeinschuldners die Arbeitnehmer, für die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden, zugehörig waren. Denn Arbeitgeber im Sinne des SGB IV war nicht der jeweilige Betriebsteil, sondern der Gemeinschuldner. Eine Zuordnung ist daher lediglich eine Frage des Innenverhältnisses des Gemeinschuldners, mithin auch gegenüber den Beklagten als Vorstandsmitglieder nicht von Relevanz.

(dd) Zwar ist in dem Mahnbescheid nicht aufgeführt, für welche Arbeitnehmer welcher Gesellschaft in welcher Höhe im Einzelnen für welchen Monat Ansprüche geltend gemacht werden. Dies war hier jedoch nicht erforderlich, da sich für beide Beklagte aus den übrigen Umständen ergab, welche Forderungen gegen sie gerichtet wurden.

Denn den Beklagten war eine Überprüfung des Anspruchs aufgrund des vorgerichtlichen Schreibens vom 23.11.2006, das beiden Beklagten unstreitig zugegangen ist, ohne Weiteres möglich. Dieses Schreiben enthielt für sich genommen alle Informationen, die unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen erforderlich waren. Hierin ist der Gemeinschuldner als Arbeitgeber benannt, für dessen Vertretung die Beklagten in Anspruch genommen wurden, die Arbeitnehmer sind im Einzelnen aufgeführt und der Umstand, dass ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB in Verbindung mit § 266 a StGB wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeitragsanteilen geltend gemacht wird, ist ebenso benannt wie die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Beklagten, der Zeitraum, für den die Arbeitnehmeranteile geltend gemacht wurden und die konkrete Höhe des Anspruchs. Für den Fall der Nichtzahlung oder -anerkennung wurde zudem die Einleitung eines Mahnverfahrens in Aussicht gestellt. Der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Betrag war auch identisch mit der in dem Aufforderungsschreiben benannten Summe.

Etwas anderes ergibt sich bezüglich der Haftung des Beklagten zu 2.) auch nicht daraus, dass dieser in dem fraglichen Zeitraum der Abführungspflicht Geschäftsführer von drei weiteren Gesellschaften war und die Klägerin gegen ihn insgesamt drei Mahnbescheide wegen vorenthaltener Arbeitnehmerbeiträge, von denen einer einen teilweise identischen Zeitraum (01.07 bis 31.08.2003) betraf, erwirkte. Denn der Beklagte zu 2.) konnte im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 23.11.2006 aus dem Mahnbescheid erkennen, dass er als Vorstandsmitglied des Gemeinschuldners haftbar gemacht wurde. Dabei ist darauf abzustellen, dass der Beklagte zu 2.) – wie sich sowohl aus dem vorgerichtlichen Schreiben als auch aus dem Mahnbescheid ergab – als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1.) in Anspruch genommen wurde. Der Beklagte zu 1.) war seinerseits jedoch nur Vorstandsmitglied des Gemeinschuldners, er war nicht Geschäftsführer oder Vorstand weiterer Gesellschaften oder Vereine. Auch waren die Beklagten ausweislich des vorgelegten Vereinsregisterauszuges allein Vorstandsmitglieder des Gemeinschuldners, sodass eine Zuordnung über die gemeinsame Inanspruchnahme ohne Weiteres möglich war. Mit den weiteren, gegen den Beklagten zu 2.) gerichteten Mahnbescheiden wurde dieser mit anderen Personen in Anspruch genommen, die jedoch für den fraglichen Zeitraum nicht im Vorstand des Gemeinschuldners tätig waren.

Unerheblich ist weiter, dass auch in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 23.11.2006 für die einzelnen Arbeitnehmer nicht die einzelnen Forderungsbeiträge aufgelistet wurden. Dies gilt für den Beklagten zu 1.) bereits deshalb, weil diesem gegenüber die Forderung mit Schreiben vom 01.12.2006 weiter aufgeschlüsselt wurde. Da der Beklagte zu 1.) zwischenzeitlich auch unstreitig gestellt hat, dass sein damaliger anwaltlicher Bevollmächtigter das Schreiben erhalten hat, ist sein Einwand, er selbst habe das Schreiben nicht zur Kenntnis erhalten, im Hinblick auf die Bevollmächtigung des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2.) und die Vollmachtsanzeige gegenüber der Klägerin unbeachtlich (§ 164 Abs. 3, Abs. 1 BGB). Allerdings konnte auch der Beklagte zu 2.) anhand des Schreibens vom 23.11.2006 im Einzelnen nachvollziehen, weshalb und wofür er in Anspruch genommen wurde.

Soweit sich die Beklagten auf die Urteile des BGH vom 21.10.2008 (XI. Zivilsenat, NJW 2009, 56) und des OLG Köln vom 12.07.2005 (OLGR 2006, 550) berufen haben, rechtfertigt dies eine abweichende Entscheidung nicht. Zwar wird in dem Urteil des OLG Köln (a.a.O., zitiert nach juris Rn. 39) ausgeführt, dass es bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von Einzelforderungen zur Bestimmtheit des Mahnbescheides erforderlich sei, dass Einzelforderungen nach Individualisierungsmerkmalen und Betrag bestimmt sein müssten. Dieses Erfordernis hat der BGH auch bereits in seinem Urteil vom 17.10.2000 (XI. Zivilsenat, NJW 2001, 305, zitiert nach juris Rn. 22) aufgestellt. In den beiden Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen bedurfte es jedoch deshalb einer Aufschlüsselung der Teilforderungen, da eine Individualisierung nach anderen Gesichtspunkten nicht möglich war. Den Urteilen ist nicht zu entnehmen, dass auch in Fällen, in denen eine Individualisierung des Anspruchs und damit eine hinreichende Zuordnung aus anderen Gründen möglich ist, eine betragsmäßige Einzelaufteilung zwingend erforderlich wäre. Denn anderenfalls hätte es in diesen Entscheidungen der Ausführungen zu der Erkennbarkeit des Anspruchs für den Schuldner (s. BGH, a.a.O., Rn. 17 bis 19; OLG Köln, a.a.O., Rn. 39 bis 47) nicht bedurft. Auch in dem Urteil des BGH vom 23.01.2008 (VIII. Zivilsenat, NJW 2008, 1220, zitiert nach juris Rn. 19) wird in erster Linie darauf abgestellt, inwieweit für den Schuldner eine Abgrenzung der Ansprüche möglich ist. Gleiches gilt für das Urteil des BGH vom 21.10.2008 (a.a.O.), das – ohne auf das grundsätzliche Erfordernis einer Bezifferung einzugehen – bereits deshalb nicht vergleichbar ist, als dort aus verschiedenen, nicht im Einzelnen bezifferten Forderungen lediglich ein Teilbetrag geltend gemacht wurde. Letztlich ist auch zu beachten, dass die den vorzitierten Urteilen zugrunde liegenden Ansprüche stets aus einem Vertragsverhältnis resultierten, in dem die Zahlungspflichten des Schuldners von den vertraglichen Regelungen und weiteren Umständen abhängen können. Hier beruhen die Ansprüche jedoch auf einer gesetzlichen Abführungspflicht, wobei die prozentuale Höhe der Beiträge feststeht und aufgrund von Meldungen der Entgeltzahlungen durch den Arbeitgeber – für den hier die Beklagten verantwortlich waren – errechnet wurden. Die Mitarbeiter, für die die Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden sollten, wurden bereits in dem vorgerichtlichen Schreiben im Einzelnen benannt (s.o.).

Auch die von den Beklagten vorgelegten Urteile des Amtsgerichts Aue vom 27.03.2008 (Az. 1 C 0337/07) und des Landgerichts Dresden vom 21.09.2007 (Az. 7 O 1338/07) veranlassen den Senat nicht zu einer abweichenden Entscheidung. Letzteres stellte namentlich darauf ab, dass der dortige Beklagte bei mehreren Firmen tätig war und dort, anders als hier, die in dem vorgerichtlichen Schreiben benannte Forderungssumme mittels mehrerer Mahnbescheide geltend gemacht wurde. In dem dem Urteil des Amtsgerichts Aue zugrunde liegenden Fall war in dem Mahnbescheid eine Gesamtschuldnerschaft mit einer Person genannt, die nicht Geschäftsführer der betreffenden GmbH war.

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, Satz 2, § 709 S. 2 ZPO.

5. Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Frage, ob eine Aufschlüsselung von Einzelansprüchen unter Zusammenfassung in einer Summe nach Individualisierungsmerkmalen und Betrag auch in den Fällen erforderlich ist, in denen nicht lediglich Teilbeträge aus einer Forderung geltend gemacht werden und der Schuldner auch ohne die Benennung der Einzelbeträge hinreichend erkennen kann, woraus und in welchem Umfang der Gläubiger seinen Anspruch herleiten will, ist – soweit ersichtlich – in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bei einer derartigen Fallgestaltung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

6. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 31.695,91 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG.

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