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Mahnverfahren: Widerspruch und Gebühr gemäß KV Nr. 1210

Landgericht Bautzen

Az.: 3 T 59/01

Beschluss vom 09.07.2001


In der Kostensache wegen Beschwerde gegen Kostenansatz hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen am 09.07.2001 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu l wird die Kostenrechnung der Landesjustizkasse Chemnitz vom 01.09.2000 Mahnsache (Amtsgericht – Kassenzeichen XXX) aufgehoben.

Gründe:

Die gemäß § 5 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.

1. In der Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob bei vorausgegangenem Mahnverfahren und von vornherein beantragter Abgabe der Sache in das Streitverfahren für den Fall des Widerspruchs die Gebühr gemäß KV Nr. 1210 bereits mit der Einlegung des Widerspruchs entsteht oder erst nach Abgabe mit Anhängigkeit der Sache beim Streitgericht.

a) Nach der erstgenannten Auffassung wird der bereits im Mahnantrag gestellte Antrag auf Abgabe der Sache in das Streitverfahren im Fall der Widerspruchseinlegung durch diese unbedingt; die Gerichtsgebühr für das streitige Verfahren wird deshalb gemäß § 61 i. V. m. §§ 49 und 15 GKG ab diesem Zeitpunkt als fällig angesehen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 30. Auflage, KV 1210, Rdnr. 5; OLG Hamburg, MDR 1998, 1121; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1077; OLG Düsseldorf, JurBüro 1997, 145; Meyer, JurBüro 1998, 117; Saiten, MDR, 1997, 612) .

b) Demgegenüber sieht die Gegenmeinung das Streitverfahren erst mit Abgabe durch das Mahngericht und Eingang beim Streitgericht als anhängig geworden an, so dass bei Nichteinzahlung des vom Mahngericht angeforderten Vorschusses keine weitere Gebührenschuld fällig wird (vgl. OLG Stuttgart, JurBüro 1999, 422, OLG München, NJW-RR 1998, 504; LG Memmingen, JurBüro 1997, 434; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Auflage, § 688, Rdnr. 20; Liebheit, NJW 2000, 2235; Bracker, MDR _1998, 139; Zimmermann, JurBüro 1997, 230).

c) Die Kammer schließt sich der zweiten Auffassung an. Die Gebühren gemäß KV Nr. 1210, die sich ausweislich der amtlichen Überschrift im Kostenverzeichnis auf das „Prozessverfahren erster Instanz“ beziehen, sollen den zusätzlichen Aufwand des Prozessgerichts abgelten. Die Gebühren für das Mahnverfahren sind dagegen unter dieser Überschrift in KV Nr. 1100 geregelt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass das Mahnverfahren bis zur Abgabe ins Streitverfahren fortdauert und dass das Streitverfahren erst mit der Anhängigkeit beim Streitgericht beginnt (vgl. BGHZ 103, 20; BGH NJW-RR 1995, 1336; Zöller-Vollkommer a. a. O., § 696, Rdnr. 5; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Auflage, § 696, Rdnr. 7). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes „Kostenrecht ist Folgerecht“ (vgl. Zimmermann, JurBüro 1997, 230) ist deshalb davon auszugehen, dass eine Gebühr für ein streitiges Verfahren nicht früher entstehen kann, als das streitige Verfahren überhaupt eingeleitet wird, zumal sich die Zuständigkeit des Gerichts, für dessen Inanspruchnahme die Gebühren zu zahlen sind, nach dem Zeitpunkt der Abgabe gemäß § 696 Abs. l Satz 4 ZPO richtet (vgl. Liebheit, NJW 2000, 2235, 2238).

Der Umstand, dass in der Position KV Nr. 1211 die Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens der Rücknahme der Klage gleichgestellt ist, rechtfertigt nicht den Gegenschluss, dass der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens die allgemeine Verfahrensgebühr auslöst. Vielmehr lassen Wortlaut und systematische Stellung dieser Regelung lediglich den Schluss zu, dass bei einer Rücknahme des Antrags – erst – im Prozessverfahren die dort geregelte gebührenrechtliche Folge eintritt (vgl. OLG Stuttgart, JurBüro 1999, 422, 423; LG Stuttgart, NJW-RR 1998, 647, 648; Zimmermann, JurBüro 1997, 230, 231). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 61 GKG. Der vorliegende Fall ist in § 61 GKG nicht erwähnt. Da die Gebühr nach KV Nr. 1210 erst mit der Abgabe der Mahnsache an das Streitgericht entsteht, kann sie nicht früher – mit Eingang des Widerspruchs – fällig werden; eine Gebühr, die noch nicht entstanden ist, kann nicht fällig werden. Soweit vorgebracht wird, dass die §§ 61 Halbs. l, 49 GKG als lex specialis gegenüber § 696 Abs. l ZPO anzusehen seien und eine „kostenrechtliche Anhängigkeit“ gegründen würden (vgl. Meyer, JurBüro 1998, 117), kann dem nicht gefolgt werden. Das Institut einer „kostenrechtlichen Anhängigkeit“ ist dem Gesetz fremd (vgl. OLG Bamberg, NJW-RR 2001, 574, 575; Liebheit, NJW 2000, 2235, 2238) . Die Regelung in § 65 Abs. l Satz 2 GKG enthält keine eigenständige gebührenrechtliche Anspruchsgrundlage. Sie ist nur als Verpflichtung zur Vorauszahlung zu verstehen und nicht als Ausdruck einer bereits ab Widerspruch eintretenden Fälligkeit (vgl. OLG Stuttgart, JurBüro 1999, 422, 423). Auch die Vorschrift des § 32 Abs. 4 KostVfg steht der getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Denn es handelt sich hierbei um eine reine Justizverwaltungsvorschrift, die die Bestimmungen des GKG nicht überlagern kann (vgl. Zimmermann, JurBüro 1997, 230, 231).

Die Gegenmeinung führt darüber hinaus zu dem unbilligen Ergebnis, dass trotz unterbliebener Abgabe Gebühren nach KV Nrn. 1210, 1211 auch für nie anhängig gewordene (§ 696 Abs. l Satz 4 ZPO) Streitverfahren abgerechnet würden. Diese Folge widerspricht dem allgemeinen kostenrechtlichen Grundsatz, dass Gerichtgebühren die Tätigkeit des Gerichts abgelten sollen (vgl. auch Zöller-Vollkommer, a. a. O., vor § 688, Rdnr. 20; Zimmermann, JurBüro 1997, 230, 231).

Schließen sprechen für die hier vertretene Auffassung Sinn und Zweck des Mahnverfahrens und Gründe der Prozessökonomie. Der Gesetzgeber hat das Mahnverfahren, um eine rasche Abwicklung an sich unproblematischer Fälle zu ermöglichen (vgl. Münchkomm ZPO Holch, 2. Aufl., Vorb. § 688, Rdnr. 11), bewusst kostenmäßig privilegiert. Es würde dieser Zielsetzung widersprechen, wenn ein Antragsteller bereits alleine durch die Stellung des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens befürchten müsste, mit denselben Gerichtsgebühren wie bei Einreichung einer Klage belastet zu werden (vgl. LG Stuttgart, NJW-RR 1998, 647, 648; LG Memmingen, JurBüro 1997, 434, 435). Außerdem wäre zu befürchten, dass eine nachträgliche Inanspruchnahme eines Antragstellers überhaupt erst zum Prozessverfahren führen könnte, sollte zwischen den Parteien des Mahnverfahrens Streit über.die Verteilung dieser Kosten entstehen (vgl. hierzu LG Stuttgart, NJW-RR 1998, 647, 648; Zimmermann, JurBüro 1997, 230, 231) .

Die Kostenbeamtin des Amtsgerichts hat hiernach zu Unrecht eine 1,0 Gebühr gemäß KV Nrn. 1201, 1202 (jetzt KV Nrn. 1210, 1211 gemäß Art. 2 Abs. l GvKostRNeuOG vom 19.04.2001 – BGBl I S. 623) unter Anrechnung der 0,5 Gebühr für das Mahnverfahren angesetzt und nachgefordert, nachdem das Mahnverfahren infolge Nichtzahlung des gemäß § 65 GKG angeforderten Vorschusses nicht weiter betrieben worden war. Der angefochtene Kostenansatz war demgemäß aufzuheben.

2. Die VM, Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).

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