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Makler – Aufklärungspflicht über Steuerpflicht von Spekulationsgewinnen

LG Krefeld – Az.: 5 O 387/15 – Urteil vom 04.05.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Maklervertrag wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht.

Die Klägerin war ursprünglich Eigentümerin des Objekts mit der postalischen Anschrift B. P.  9 in L.. Sie erwarb dieses Objekt aufgrund notariellen Kaufvertrages vom 27.01.2004 zu einem Kaufpreis von 170.000,00 EUR (vgl. Bl. 8 ff. d. A.). Die Klägerin wurde sodann auch Anfang 2004 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Die darin befindlichen Wohnungen vermietete die Klägerin.

Mit Makleralleinauftrag vom 15.05.2013 wurde die Beklagte mit der Vermittlung des vorbezeichneten Objekts beauftragt (vgl. Bl. 6 f. d. A.). Dieser Makleralleinauftrag war befristet für die Dauer von 3 Monaten und enthielt keine Verlängerungsoption. Diese wurde bei Abschluss des Vertrages gestrichen. Die Beklagte bewirbt ihre Tätigkeit mit einem Hochglanzflyer. Wegen des Inhalts dieses Flyers wird auf die Prozessakte Bezug genommen (vgl. Bl. 82 f. sowie 97 f. d. A.).

Die Beklagte nahm sodann ihre Vermittlungstätigkeit auf und trat alsbald an die Klägerin heran und teilte mit, dass es zahlreiche Interessenten für das Objekt gäbe. Sie empfahl, das streitgegenständliche Objekt schnellstmöglich zu veräußern.

Die Klägerin teilte mit Aushang vom 27.05.2013 ihren Mietern des streitgegenständlichen Objekts mit, dass sie beabsichtige, das Objekt in Kürze zu verkaufen und bat um deren Unterstützung in Bezug auf die anstehenden Besichtigungen (vgl. Bl. 99 d. A.). Unter dem 14.06.2013 schloss die Klägerin mit der späteren Käuferin Frau T. nach vorhergehender Besichtigung des streitgegenständlichen Objekts eine diesbezügliche „Ankauf – Vereinbarung/Vorbereitung z. Notarvertrag“ ab, die auch die Beklagte mitunterzeichnete (vgl. Bl. 91 f. d. A.). Die Klägerin verkaufte das Objekt schließlich mit notariellem Kaufvertrag vom 08.07.2013 an Frau T. zu einem Verkaufspreis von 295.000,00 EUR (vgl. Bl. 29 ff. d. A.). In dem Notarvertrag war auf Seite 14 folgende Klausel enthalten:

Der Notar hat steuerlich in keiner Weise beraten.

Da die Klägerin das Objekt innerhalb von zehn Jahren mit Gewinn weiterveräußerte, wurden die diesbezüglichen Einnahmen im Rahmen des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2013 bei der Berechnung der Einkommenssteuer berücksichtigt. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2013 endete mit einer Steuernachzahlung zu Lasten der Klägerin von 47.856,62 EUR (vgl. Bl. 45 f. d. A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.05.2015 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 25.05.2015 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 47.856,52 EUR auf (vgl. Bl. 66 f. d. A.), was die Beklagte aber ablehnte.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe den Grundbuchauszug unmittelbar mit Auftragserteilung erhalten. Jedenfalls habe die Beklagte aber vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 08.07.2013 Kenntnis von diesem Grundbuchauszug erhalten. Die Beklagte habe daher wissen müssen, dass der angestrebte Verkauf innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist erfolgen und zu einer diesbezüglichen Steuerpflicht der Klägerin führen würde. Es sei daher die Pflicht der Beklagten gewesen, die Klägerin auf diesen Umstand hinzuweisen und von dem Abschluss eines Kaufvertrages vor Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist abzuraten. Stattdessen habe die Beklagte noch Druck auf die Klägerin ausgeübt und diese zu einem schnellen Verkauf gedrängt, obwohl sie keine Eile zum Verkauf gehabt habe, was der Beklagten ebenfalls bekannt gewesen sei. Die Beklagte sei daher zur Erstattung der gesamten Steuernachzahlung verpflichtet.

Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.856,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.05.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.822,96 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass eine Beratungspflicht über steuerliche Belange nicht bestehe. Es sei die Sache der Klägerin, sich diesbezüglich gesondert beraten zu lassen. Ferner müsse sich die Klägerin jedenfalls auch die weiteren Mieten aus der Vermietung des streitgegenständlichen Objekts anrechnen lassen. Es sei darüber hinaus auch nicht anzunehmen, dass die Klägerin bei späterem Verkauf des Objekts einen Kaufpreis in gleicher Höhe erreicht hätte.

Das Gericht hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 persönlich angehört. Wegen des Inhalts der Parteianhörung wird auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen (vgl. Bl. 100 ff. d. A.).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 47.856,52 EUR zu.

a)

Die Beklagte hat keine sich aus dem unstreitig abgeschlossenen Maklervertrag ergebende Pflicht verletzt, so dass vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nicht bestehen.

Zwischen dem Makler und seinem Auftraggeber entsteht ein besonderes Treueverhältnis, das ihn verpflichtet, im Rahmen des Zumutbaren das Interesse des Auftraggebers zu wahren. Art und Umfang der sich hieraus ergebenden Pflichten richten sich nach den Umständen des Einzelfalls etwa der wirtschaftlichen Bedeutung des Geschäfts und der (Un-) Erfahrenheit des Auftraggebers. Aufgrund seiner Aufklärungspflicht hat der Makler seinem Auftraggeber alle ihm bekannten tatsächlichen und rechtlichen Umstände mitzuteilen, die sich auf den Geschäftsabschluss beziehen und für den Willensentschluss des Auftraggebers von Bedeutung sein können. Wie weit diese Pflicht jeweils reicht, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls gemäß § 242 BGB. Eine Hinweispflicht setzt stets voraus, dass die Bedeutung des fraglichen Umstands für den Entschluss des Auftraggebers dem Makler erkennbar und der Auftraggeber gerade bezüglich dieses Umstandes offenbar belehrungsbedürftig ist. Zu eigenen Nachforschungen ist der Makler nur verpflichtet, wenn dies vereinbart ist oder sich aus der Verkehrssitte ergibt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage 2015, § 652 Rn. 13 f. m. w. N.; BGH NJW 1981, 2685).

Auf Basis dieser Anforderungen an die aus dem Maklervertrag geschuldete Tätigkeit hat die Beklagte keine Pflicht verletzt, indem sie die Klägerin nicht auf die zehnjährige Spekulationsfrist hinwies. Es kann insofern dahinstehen, ob die Beklagte die hierzu notwendigen, tatsächlichen Kenntnisse besaß oder ob sie sich diese hätte beschaffen können, da es nicht die Pflicht der Beklagten als Maklerin war, die Klägerin ungefragt auch über steuerliche Belange aufzuklären (so im Ergebnis auch OLG Koblenz, WuM 2012, 172). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn dies entweder explizit vereinbart wurde oder die Klägerin die Beklagte diesbezüglich gezielt befragte. Beides wird hier aber nicht vorgetragen. Die Beklagte hat auch in den seitens der Klägerin zitierten Prospekten bzw. auf ihrer Homepage keine besonderen Erwartungen in Bezug auf eine steuerliche Beratung geweckt. Sofern die Beklagte dort mit ihrer langjährigen Erfahrung, qualifizierten Mitarbeitern sowie dem Umstand wirbt, dass sie genau wisse, wie man Fehler vermeidet, ist hieraus für den durchschnittlichen Verbraucher nicht zu entnehmen, dass dies auch steuerliche Ratschläge mit umfasst.

Es würde den Umfang der Beratungspflichten des Maklers nicht unerheblich erweitern, wenn dieser auch noch verpflichtet wäre, in bestimmten Grenzen steuerliche Auskünfte zu erteilen (so aber OLG Köln, Urteil vom 08.08.2000, Az.: 24 U 38/00). Es wäre insofern äußerst schwierig, trennscharf festzulegen, was von diesen „bestimmten Grenzen“ noch umfasst wäre und was nicht. Sofern von Schwerdtner die Ansicht vertreten wird, dass der Verkäufer, der den Makler mit der Veräußerung des Objekts beauftragt habe, jedenfalls erwarten kann, über die rechtliche Bedeutung eines steuerrechtlichen Spekulationsgeschäfts beraten zu werden (Schwerdtner, Maklerrecht, 6. Auflage 2012, Rn. 316), überzeugt dies nicht. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund ein Makler plötzlich ungefragt zu einer auch steuerlichen Beratung verpflichtet sein soll, wenn der Verkäufer – wie vorliegend – diesbezüglich weder nachfragt, noch sonstige Anhaltspunkte für den Makler erkennbar sind, aus denen sich dem Makler der Verdacht aufdrängen muss, dass der Verkäufer eine solche Beratung erwartet. Es würde zum Beispiel auch kein Maklerkunde von seinem Makler erwarten, dass er die angebotene Immobilie auf versteckte Mängel oder ähnliches untersucht (hat). Diesbezüglich würde jeder interessierte Käufer einer Immobilie zusätzlich einen Bausachverständigen zurate ziehen. Für Steuerfragen kann insofern sinngemäß nichts anderes gelten.

Um die Beratungspflichten der einzelnen Berufszweige nicht ausufern zu lassen, hält es dieses Gericht für unerlässlich, dass hinsichtlich der bestehenden Aufklärungs- und Beratungspflichten – sofern möglich – streng nach „Fachgebieten“ unterschieden wird, sofern nicht etwas anderes vereinbart wird. Anderenfalls würde dies nicht nur zu einer ausufernden, interdisziplinären Aufklärungspflicht einzelner Berufszweige führen, sondern auch dazu, dass es für die jeweiligen Berufszweige nicht mehr nachzuvollziehen ist, was von ihrer Aufklärungs- bzw. Beratungspflicht umfasst ist und was nicht. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen besteht zusätzlich die Problematik, dass von unterschiedlichen Gerichten der Umfang der (interdisziplinären) Aufklärungs- und Beratungspflichten jeweils unterschiedlich beurteilt wird. Während bspw. ein Gericht es für erforderlich hält, dass über die Spekulationsfrist des § 23 EStG aufgeklärt wird, hält ein anderes Gericht dies für zu weitgehend (s.o.). Demnach obläge dem jeweiligen Berufszweig je nach Gerichtsbezirk eine höhere Aufklärungs- und Beratungspflicht als in anderen. Dies lässt sich aber weitgehend dadurch vermeiden, dass man bestimmte Fragen, für die es einen eigenen Berufszweig gibt (wie z.B. in Steuerfragen die Steuerberater, in Rechtsfragen die Rechtsanwälte/Notare), von der allgemeinen Aufklärungs- oder Beratungspflicht ausnimmt. Es besteht insoweit auch keine besondere Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Auftraggebers, da er entweder den jeweiligen Auftragnehmer explizit befragen kann oder aber einen diesbezüglichen weiteren Fachmann hinzuziehen kann. Es ist insoweit auch für den durchschnittlichen Auftraggeber leicht zu erkennen, ob die zu beantwortende Frage zu einem bestimmten Fachgebiet gehört, für die es gesonderte Fachleute gibt.

Sofern aber auch „fachfremde“ Auskünfte bzw. Hinweise erteilt werden, müssen diese auch zutreffend sein, will sich der jeweilige Auftragnehmer nicht schadensersatzpflichtig machen. Dies war vorliegend aber auch nicht der Fall.

b)

Weitere Anspruchsgrundlagen, welche unabhängig von den Ausführungen unter lit. a) hinsichtlich der nicht bestehenden Aufklärungspflicht sind, sind nicht ersichtlich.

2.

Die als Nebenforderung geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Zinsen auf die Hauptforderung sowie auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten teilen das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die Nebenentscheidungen resultieren aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 47.856,52 EUR festgesetzt.

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