Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen hat in den vergangenen Tagen und Wochen immer größere Ausmaße angenommen. Käufer, die in den vergangenen sechs Jahren ein Diesel-Neufahrzeug der Marken VW, Audi, Skoda oder Seat erworben haben, sollten sich fragen, ob das eigene Auto betroffen ist und gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen den Verkäufer oder Hersteller des Fahrzeuges erwägen.
Ist mein Fahrzeug betroffen?
In vielen Fällen lässt sich die Frage der Betroffenheit des eigenen Fahrzeuges mittlerweile ohne großen Aufwand klären. So kann beispielsweise auf der Internetseite von Volkswagen durch Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ohne Weiteres ermittelt werden, ob das eigene Fahrzeug der Marke Volkswagen involviert ist. Vergleichbare Überprüfungsmöglichkeiten bieten teilweise auch die anderen betroffenen Marken Audi, Skoda und Seat an.
Auch eine schriftliche Anfrage beim Händler unter Angabe der Fahrzeugdaten kann für Klarheit über die Betroffenheit sorgen.
Beachtung von Ausschlussfristen
Ist das eigene Fahrzeug betroffen, ist es von elementarer Bedeutung, bestehende Ausschlussfristen für die Geltendmachung der einzelnen in Betracht kommenden Rechte zu beachten.
In Betracht kommen insbesondere Gewährleistungs- und Anfechtungsrechte.
Gewährleistungsrechte verjähren grundsätzlich zwei Jahre nach Ablieferung der Sache. Bei einem arglistigen Verschweigen des Mangels beträgt die Frist drei Jahre ab dem Jahresende der Kenntniserlangung bzgl. des Mangels. Kenntnis liegt insoweit seit September 2015 vor. Die Drei-Jahres-Frist gilt auch für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Nacherfüllungsverlangen
Im Rahmen der Gewährleistung besteht die Möglichkeit, Nachbesserung- oder Nacherfüllung zu verlangen oder aber nach Einräumung einer Frist zur Nacherfüllung, den Kaufpreis zu mindern oder vom Kaufvertrag zurückzutreten.
Hinsichtlich einer eventuellen Nachbesserung besteht das Problem, dass diese unmöglich sein könnte. Dies wäre dann der Fall, wenn der Hersteller bzw. Verkäufer überhaupt nicht in der Lage ist das Fahrzeug in den Zustand zu bringen, wie er bei Vertragsschluss vorgesehen war. Davon gehen inzwischen einige Sachverständige mit unterschiedlichen Begründungen aus. Zum einen exisitiert die Befürchtung, dass nach einer Rückruf- bzw. Nachbesserungsaktion die ursprüngliche Motorleistung reduziert sein wird. Zum anderen bestehen Bedenken mit Blick auf die Funktionsweise der Abgasreduzierung. Spekulativ realisiert sich die Schadstoffausstoßreduzierung auf dem Prüfstand durch das Erkennen der Prüfsituation und dem darauf aufbauenden Steuerungsbefehl, eine hohe Menge eines so genannten „adblue“ zur Schadstoffausstoßreduzierung freizusetzen. Sollte der Hersteller eine dauerhafte Reduzierung der Abgaswerte im Normalbetrieb durch vermehrte Hinzufügung des „adblue“ realisieren wollen, hätte dies zur Folge, dass entweder die Kapazitäten im Fahrzeug für die Flüssigkeit erhöht werden müssten oder aber Käufer regelmäßig zur Nachfüllung Werkstätten aufsuchen müssten. Dies wiederum dürfte als Mangel zu werten sein. Käufer gehen bei Kaufvertragsschluss berechtigerweise davon aus, dass eine regelmäßige Nachfüllung insoweit nicht erforderlich ist. Ist die Nachbesserung- oder Nacherfüllung unmöglich kommt jedoch weiterhin eine Minderung des Kaufpreises in Betracht. Nach erfolglosem Verstreichen einer angemessenen Nacherfüllungsfrist kommt ebenso der Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht.
Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung
In Betracht kommt weiter eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung. Diesbezüglich ist allerdings fraglich, ob ein dem Händler zurechenbares arglistiges Verschweigen eines Mangels vorliegt. Fraglich ist dies, da der Händler selbst keine Kenntnis von den Manipulationen gehabt hat. Es sprechen jedoch gewichtige Argumente für eine Zurechnung des Herstellerwissens. So macht sich der Händler die Aussagen des Herstellers regelmäßig durch die Verwendung von Herstellerprospekten zu eigen. In den Prospekten wird indessen regelmäßig mit Umweltfreundlichkeit geworben. Geht man vom Bestehen des Anfechtungsrechtes aus, ist eine Anfechtung auch bezüglich der Verträge aus 2009 noch möglich, da die in diesem Fall einschlägige regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem jeweiligen Jahresende erst ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen zu laufen beginnt. Von Kenntnis ist insoweit seit September 2015 auszugehen, da zu diesem Zeitpunkt die Manipulationen publik wurden.
Im Falle der arglistigen Täuschung greifen für die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten ebenso abweichende Fristen. Auch insweit gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.
Handlungsempfehlung
Generell gilt: Akuter Handlungsbedarf besteht insbesondere für diejenigen, die ihr Fahrzeug im vierten Quartal 2013 erhalten haben, da insoweit der Ablauf der Gewährleistungsfrist droht. Ebenso sollten Kunden, die eine Aufforderung zur Vorstellung ihres Fahrzeuges zur Nachrüstung erhalten haben anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, da eine Vornahme der Nachrüstung eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung ausschließen könnte.
Die Geltendmachung dieses Rechtes kann jedoch für Kunden besonders attraktiv sein, da der Kaufvertrag in diesem Fall vollständig rückabgewickelt wird. Das Fahrzeug wird folglich zurückgegeben und der volle Kaufpreis erstattet. Dies ist auch unter Berücksichtigung etwaiger anzurechnender Nutzungsvorteile deshalb attraktiv, weil eine Nacherfüllung teilweise unmöglich sein könnte und der erhöhte Abgasausstoß mit einem erheblichen Wertverlust des Fahrzeuges einhergehen dürfte, was zu einem niedrigeren Wiederverkaufswert führt.