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Maskenpflicht Schule – gesundheitliche Beeinträchtigung – Essen – Trinken – Klausuren

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – Az.: OVG 11 S 114/20 – Beschluss vom 09.11.2020

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die zugleich einen Normenkontrollantrag gestellt hat (Az.: OVG 11 A 38/20), wendet sich als Oberstufenschülerin einer im Land Brandenburg gelegenen Schule im Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – SARS-CoV-2-EindV) vom 30. Oktober 2020.

Maskenpflicht Schule - gesundheitliche Beeinträchtigung – Essen – Trinken - Klausuren
Symbolfoto: Von Halfpoint/Shutterstock.com

§ 17 SARS-CoV-2-EindV lautet:

(1) In den Innenbereichen von Schulen nach § 16 des Brandenburgischen Schulgesetzes und in freier Trägerschaft besteht für folgende Personen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung:

1. für alle Schülerinnen und Schüler in der gymnasialen Oberstufe und an Oberstufenzentren, außer im Sportunterricht,

2. für alle übrigen Schülerinnen und Schüler ab dem vollendeten fünften Lebensjahr sowie das pädagogische und sonstige Personal einschließlich der Schulleitung nur außerhalb des Unterrichts, der Ganztagsangebote sowie der sonstigen pädagogischen Angebote.

(2) Die Tragepflicht nach Absatz 1 Nummer 2 gilt nicht für pädagogisches und sonstiges Personal einschließlich der Schulleitung in den Lehrerzimmern, Vorbereitungsräumen und Büros.

Zur Begründung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend: Die sich aus § 17 SARS-CoV-2-EindV ergebende Verpflichtung während ihrer bis zu 270 minütigen Vorabiturklausuren eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, verletze sie in ihren Grundrechten. Es gebe weder für die Aufnahme von Essen und Trinken noch für Zustände körperlichen Unwohlseins Ausnahmen. Es werde auch keine Ausnahme vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorgesehen, sofern ein Mindestabstand von beispielsweise 1,5 Metern zwischen den Personen eingehalten werden könne, was in den Prüfungsräumen ihrer Schule der Fall sei. All dies verletze sie in ihren Grundrechten auf allgemeine Handlungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Rechtsverordnung eines anderen Bundeslandes sehe Ausnahmen für eine Nahrungsaufnahme in Prüfungssituationen vor. Die notwendige Tragezeit einer Mund-Nasen-Bedeckung von bis zu 270 Minuten übersteige die Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) „BGR/GUV-R 190“ um mehr als das Doppelte. Dort sei für Filtergeräte, auch sogenannte FFP-Masken, eine Tragezeitbegrenzung von 75 Minuten angegeben, wenn kein Ausatemventil enthalten sei, und von 120 Minuten, wenn ein Ausatemventil enthalten sei. Nach der Stellungnahme des Koordinierungs-kreises für Biologische Arbeitsstoffe (KOBAS) der DGUV vom 27. Mai 2020, aktualisierte Fassung vom 7. Oktober 2020, ließen die derzeit vorliegenden Erkenntnisse den Schluss zu, dass Mund-Nasen-Bedeckungen aus Baumwolle, Leinen oder Seide sowie medizinische Gesichtsmasken ähnliche Atemwiderstände wie partikelfiltrierende Halbmasken aufweisen können. Die Antragstellerin wolle in dem vorliegenden Verfahren weder die grundsätzliche Wirksamkeit von Mund-Nase-Bedeckungen in der Schule noch den Themenkomplex zur grundsätzlichen Gefährlichkeit von COVID-19 im Verhältnis zu einer Influenza oder anderen Erkrankungen einer tiefgreifenden Prüfung unterzogen wissen.

Die Antragstellerin beantragt, im Wege einstweiliger Anordnung § 17 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – SARS-CoV-2-EindV) vom 30. Oktober 2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig.

Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Bbg VwGG entscheidet das Ober-verwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen (nicht von Nr. 1 erfassten) im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften und damit auch über die angegriffene Vorschrift des § 17 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV.

Die Antragstellerin ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV geregelte Verpflichtung von Schülern zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Innenbereich von Schulen sie jedenfalls in ihrer durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit beeinträchtigen kann. Die Angebote der Schule kann sie nur wahrnehmen, wenn sie diese Verpflichtung befolgt.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung er-lassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragstellerin günstigen Hauptsachenentscheidung unaufschiebbar ist.

Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige An-ordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. zum vorstehenden insgesamt: Senatsbeschluss vom 23. April 2020 – OVG 11 S 25/20 –, Rn. 4 – 7, juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09. April 2020 – 3 MR 4/20 –, Rn. 3 – 5, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, juris Rn. 31 ff., jeweils unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 –, juris Rn. 12).

2.1. Hiernach ist der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls deshalb nicht dringend geboten, weil die von der Antragstellerin angegriffene Vorschrift der Prüfung im Normenkontrollverfahren voraussichtlich standhalten wird.

2.1.1. Rechtsgrundlage der SARS-CoV-2-EindV ist § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Aus-scheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaß-nahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung und Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020). Aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG folgt, dass der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ umfassend ist und der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2020 – OVG 11 S 51/20 –, juris Rn. 17; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. April 2020 – 3 MR 4/20 –, juris Rn. 10). Dies ist gerechtfertigt, weil sich die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht von vornherein übersehen lässt (vgl. Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 zu dem insoweit vergleichbaren § 34 BSeuchG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 –, juris Rn. 24).

Die SARS-CoV-2-EindV ist auch nicht rechtswidrig, weil sie gegen den Gesetzesvorbehalt verstieße.

Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Danach soll sich das Parlament seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Allerdings muss die Ermächtigungsnorm in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassung wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich somit nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. So muss die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, sind höhere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert. Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Dies kann es auch nahe legen, von einer detaillierten gesetzlichen Regelung abzusehen und die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 –, BVerfGE 143, 38-64, Rn. 54 – 57, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird § 32 i.V.m. § 28 IfSG bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im vorliegenden Kontext auch gegenwärtig noch gerecht.

2.1.1.1. Diese Vorschriften sind hinreichend bestimmt, um die vorliegend angegriffenen Verordnungsregelungen zu ermöglichen. Zwar ist § 28 IfSG als offene Generalklausel ausgestaltet, um den Infektionsschutzbehörden bzw. über den Verweis in § 32 Satz 1 IfSG dem Verordnungsgeber ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen zu eröffnen (OVG Münster, Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 44f. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Jedoch hat der Gesetzgeber unter anderem bereits mit der nur beispielhaften Aufzählung in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG, wonach Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränkt oder verboten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon geschlossen werden können, deutlich gemacht, dass in Konkretisierung der mit der Generalklausel eröffneten Handlungsmöglichkeiten auch weitreichende – und damit auch die von der Antragstellerin angesprochenen wesentlichen – Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit in Betracht kommen können (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 9. April 2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 34). Dies umfasst grundsätzlich auch die Auferlegung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen als mögliche Schutzmaßnahmen. Hieran hält der Senat auch für die hier angegriffene Regelung fest. Denn auch die Schule wird von zahlreichen Personen aufgesucht und stellt damit ein Risiko für die Verbreitung einer von Mensch zu Mensch übertragbaren Krankheit dar. Dies stellt die Antragstellerin in Bezug auf den Gesetzesvorbehalt auch nicht in Abrede.

Zwar hätte mit Blick darauf, dass die auf das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 zurückzuführende Pandemie bereits im Frühjahr 2020 auch Deutschland erfasst hat, für den Bundesgesetzgeber durchaus Gelegenheit bestanden, den den Verordnungsgebern der Länder zugestandenen Maßnahmenkatalog weiter zu konkretisieren. Dass er in Kenntnis der bereits zuvor auf Landesebene vom Verordnungsgeber beschlossenen Maßnahmen, zu denen insbesondere auch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gehörten, untätig geblieben ist, spricht allerdings zumindest nicht dafür, dass der Bundesgesetzgeber derartige Verordnungsregeln missbilligen würde, weil sie über die bestehende Verordnungsermächtigung hinausgehen würden. Dies wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass die gegenwärtige Gesetzesinitiative der Regierungsfraktionen (BT-Drs. 19/23944 vom 3. November 2020) – Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite – ausdrücklich vorsieht, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als Regelbeispiel notwendiger Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG im Rahmen der Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu benennen (Art. 1 Nr. 17 des Gesetzentwurfs: Einfügung eines § 28a IfSG), wobei in der Begründung angegeben wird, dass es sich um eine klarstellende Erweiterung der Regelbeispiele in § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG speziell für die SARS-CoV-2-Epidemie handele und die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ein zentraler Baustein zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 sei.

2.1.1.2. Bei summarischer Prüfung ist auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die vorliegend angegriffene Regelung nicht dem Verordnungsgeber hätte überlassen werden dürfen, sondern dem Gesetzgeber selbst vorzubehalten gewesen wäre. Zwar verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen, wobei es vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes abhängt, wann es aufgrund der Wesentlichkeit einer Entscheidung einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04 –, BVerfGE 116, 24-69, Rn. 85). Auch kann nicht ernstlich in Zweifel stehen, dass es bei den in Rede stehenden Grundrechtseingriffen, die nach ihrer Reichweite, ihrer Intensität und ihrer Dauer erheblich sind, hier namentlich in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, eventuell die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, soweit Atembeschwerden nicht auszuschließen sind, um eine wesentliche Materie geht. Wie bereits dargelegt, ermöglicht es Art. 80 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber jedoch auch, von einer detaillierten gesetzlichen Regelung abzusehen und die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 –, BVerfGE 143, 38-64, Rn. 54 – 57, m.w.N.). Gerade im Bereich des Infektionsschutzes liegt die Erwägung nicht fern, dass der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis dahingehend Gebrauch gemacht hat, den Verordnungsgebern der Länder die Regelung konkreter Maßnahmen zu überlassen, damit einerseits örtlichen Besonderheiten angemessen Rechnung getragen werden kann und andererseits auf sich ändernde Anforderungen zeitnah und flexibel reagiert werden kann. Gerade die Verhältnismäßigkeit der zur Eindämmung der gegenwärtigen Pandemie getroffenen Maßnahmen hängt vom jeweiligen, sich teilweise schnell ändernden Stand des Infektionsgeschehens ab und erfordert Instrumentarien, die eine schnelle und zielgenaue Intervention ermöglichen. Diesbezüglich könnte sich eine Regelung im Verordnungswege gegenüber einem vergleichsweise schwerfälligen, längere Zeit in Anspruch nehmenden Gesetzgebungsverfahren als effektiveres Instrumentarium anbieten. Überdies ist zu berücksichtigen, dass § 28 Abs. 1 IfSG auch die (unter anderem örtlich) zuständigen Behörden ermächtigt, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen. Ergibt sich ein entsprechender Handlungsbedarf jedoch landesweit, so erscheint es zumindest konsequent, dass der Bundesgesetzgeber in § 32 IfSG die Landesregierungen ermächtigt, entsprechende (keiner Umsetzung bedürfende) Regelungen landeseinheitlich im Verordnungswege zu schaffen.

2.1.2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind mit Blick auf die andauernde Pandemielage wegen des neuartigen Coronavirus erfüllt (vgl. dazu ausführlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 13 MN 3 71/20 –, juris Rn 41 – 47), weshalb die zuständigen Stellen zum Erlass „notwendiger Schutzmaßnahmen“ verpflichtet sind.

2.1.3. Die Regelung des § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV weist die mit Blick auf die Bußgeldbewehrung eines Verstoßes hiergegen erforderliche Bestimmtheit auf. Dies stellt die Antragstellerin auch nicht in Abrede.

2.1.4. Die mit § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV angeordnete Einschränkung der Rechte der Schüler erweist sich bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung auch als notwendig. Sie überschreitet gegenwärtig nicht die sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ergebenden Grenzen des dem Verordnungsgeber zustehenden Gestaltungsspielraums.

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2.1.4.1 Die Regelungen einer Verordnung wie der hier in Rede stehenden dienen in Ansehung der aktuellen Coronavirus-Epidemie dem in § 1 Abs. 1 IfSG umschriebenen Zweck, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, namentlich dem „Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit“, zu dem der Staat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nur berechtigt, sondern auch verfassungsrechtlich verpflichtet ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, juris Rn. 8, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 1 BvR 1027/20 –, juris Rn 6, und vom 1. Mai 2020 – 1 BvR 1003/20 –, juris Rn. 7). Die Regelungen dienen nicht etwa einer abstrakten „(Volks-)Gesundheit“, sondern dem Schutz der überragend wichtigen Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit gerade auch der stärker gefährdeten Risikogruppen angehörenden Bürger. Die Vermeidung der Überforderung des Gesundheitswesens ist lediglich ein – wenn auch wesentliches – Mittel zur Erreichung dieses überragenden Ziels (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2020 – OVG 11 S 51/20 –, juris Rn. 25).

Bei der Wahrnehmung seiner Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben des Einzelnen zu stellen sowie vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit zu schützen, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (BVerwG, Beschluss v. 12. Mai 2020 -1 BvR 1027/20 -, juris Rn 6). Denn es hängt von vielen Faktoren, insbesondere von der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ab, was konkret zu tun ist. Auch wenn Freiheits- und Schutzbedarfe der verschiedenen Grundrechtsträger in unterschiedliche Richtungen weisen, haben der Gesetzgeber und die von ihm zum Verordnungserlass ermächtigte Exekutive von Verfassung wegen einen Spielraum für den Ausgleich dieser widerstreitenden Grundrechte. Im Fall der hier in Rede stehenden Schutzmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie besteht wegen der im fachwissenschaftlichen Diskurs auftretenden Ungewissheiten und der damit unsicheren Entscheidungsgrundlage auch ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum (BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, juris Rn 10). Dieser Spielraum kann zwar mit der Zeit – etwa wegen besonders schwerer Grundrechtsbelastungen und wegen der Möglichkeit zunehmender Erkenntnis – geringer werden. Dem kann aber grundsätzlich dadurch Rechnung getragen werden, dass der Verordnungsgeber Freiheitsbeschränkungen von vornherein befristet und durch wiederholte Änderungen jeweils lockert (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2020 – OVG 11 S 51/20 –, juris Rn. 26).

Angesichts der überragenden Bedeutung des Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrtheit sowie des ihm auch bei noch unsicherer Tatsachengrundlage zustehenden Einschätzungsspielraums ist der Verordnungsgeber danach grundsätzlich auch dazu berechtigt, den Schulbetrieb vorübergehend einzuschränken und zu modifizieren.

2.1.4.2 Davon ausgehend ist auch die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV geregelte Verpflichtung von Schülern zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Innenbereichen von Schulen angesichts der aktuellen Lage des Infektionsgeschehens und des Standes der fachwissenschaftlichen Kenntnisse über die Ausbreitung der Krankheit Covid-19 voraussichtlich verhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind Grundrechtseingriffe nur zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) noch gewahrt wird (vgl. Beschlüsse des Senats vom 22. Mai 2020 – OVG 11 S 51/20 –, juris Rn. 29 und vom 20. Mai 2020 – OVG 11 B 49/20 und OVG 11 B 52/20 –).

2.1.4.2.1. Bei summarischer Prüfung ist die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV geregelte Verpflichtung von Schülern zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Innenbereichen von Schulen zur Erreichung der damit verfolgten Infektionsschutzziele geeignet und erforderlich.

Erklärtes Ziel dieser wie auch der weiteren, mit der aktuellen Fassung der SARS-CoV-2-EindV getroffenen Regelungen ist es, durch eine Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung das sich derzeit mit exponentieller Dynamik entwickelnde Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die als nachverfolgbar eingesehene Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in der Woche zu senken, weil das weitere exponentielle Wachstum der Infiziertenzahlen ohne solche Beschränkungen binnen weniger Wochen zu einer Überforderung des Gesundheitssystems führen und die Zahl der schweren Verläufe und der Todesfälle erheblich ansteigen würde (vgl. Beschluss der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 28. Oktober 2020, TOP Bekämpfung der SARS-CoV2-Pandemie, sowie Pressemitteilung der Staatskanzlei vom 30. Oktober 2020 „Gemeinsam gegen Corona: Kabinett beschließt neue Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen – Kontakte reduzieren“, https://www.brandenburg.de/cms/detail.php/detail .php?gsid=bb1.c. 681945.de).

Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass die hier verfahrensgegenständliche Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung – die einen Baustein in dem geschilderten Gesamtkonzept darstellt – geeignet und mangels eines anderen, gleich geeigneten Mittels auch erforderlich ist, zu einer Reduzierung von Infektionen beizutragen, ist jedenfalls in Ansehung der auch derzeit noch unzureichenden Tatsachengrundlage und des dem Verordnungsgeber unter diesen Umständen zustehenden Einschätzungsspielraums voraussichtlich nicht zu beanstanden.

Die Maßnahme ist geeignet. Sie führt dazu, dass die Ansteckungsgefahr reduziert wird. Wissenschaftlichen Studien belegen den signifikanten Nutzen von Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verringerung der Infektionszahlen (vgl. etwa https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html; siehe auch https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-on-covid-19-and-masks sowie die darauf Bezug nehmende Begründung der BT-Drs. 19/23944). Die Maßnahme trägt mithin – was ausreichend ist – zur Reduzierung des Infektionsgeschehens bei.

Die angegriffene Regelung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch erforderlich, da es kein weniger belastendes Mittel mit gleicher Eignung gibt (vgl. auch HessVGH, Beschluss vom 27. Oktober 2020 – 8 B 2597/20 –, Rn. 39, juris).

Zwar würde auch eine Vorschrift, in der Ausnahmen zur Nahrungsaufnahme oder Ähnlichem enthalten wären, zur Risikoreduzierung beitragen. Sie wäre jedoch nicht in gleicher Weise geeignet, da für die Zeit des Entfernens der Maske das Infektionsrisiko steigt. Gleiches gilt für den Verzicht auf die Verpflichtung, soweit ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Denn insbesondere wenn Schüler längere Zeit in einem Raum sitzen, wäre diese Maßnahme nicht gleich geeignet, die Verbreitung von Aerosolen (insbesondere bei lautem Sprechen oder auch beim Husten oder Nießen) einzuschränken. Zudem würde das Verlassen und Betreten des Raumes durch einzelne Schüler, beispielsweise wegen eines Toilettengangs, dazu führen, dass der Mindestabstand nicht immer sicher eingehalten werden kann. Dementsprechend empfiehlt auch das RKI (Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie, Stand 12. Oktober 2020, Seite 10 in Tabelle 1, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Praevention-Schulen.pdf;jsessionid=1805836F0A7388A1CAC8CD7153DD6FB9.internet081?__blob=publicationFile, abgerufen am 9. November 2020) bereits bei einer 7-Tagesinzidenz ab 35 pro 100.000 Einwohner, die Mund-Nasen-Bedeckung auch im Klassenzimmer zu tragen.

2.1.4.2.2. Die danach geeignete und erforderliche Regelung ist derzeit voraussichtlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Denn das Maß, in dem die in Rede stehende Verpflichtung von Schülern zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung voraussichtlich zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beiträgt, steht zu dem Gewicht der daraus folgenden Einschränkungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), gegebenenfalls des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in einem angemessenen, die Grundrechtseingriffe rechtfertigenden Verhältnis.

2.1.4.2.2.1. Zwar fällt in den Schutzbereich der Allgemeinen Handlungsfreiheit auch das Recht das eigene äußere Erscheinungsbild nach eigenem Gutdünken zu gestalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991 – 2 BvR 550/90 –, juris Rn. 6). Entsprechendes mag für das allgemeine Persönlichkeitsrecht gelten. Einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit beugt die angegriffene Verordnung allerdings selbst dadurch vor, dass sie in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Personen von der Tragepflicht befreit, denen die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist, wobei dies durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen ist. Eines solchen Zeugnisses bedarf es naturgemäß jedoch in Fällen einer unvorhersehbaren und akuten Gesundheitsbeeinträchtigung nicht.

Auf der anderen Seite ist jedoch in die Abwägung einzustellen, dass bei ungehindertem Fortgang des Infektionsgeschehens das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einer Vielzahl von Menschen, mithin Rechtsgüter mit überragend hohem Gewicht, die der Staat zu schützen verpflichtet ist, in massiver Weise gefährdet sind. Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland auch in seiner aktualisierten Risikobewertung vom 26. Oktober 2020 unverändert insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein. Es handele sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle seien die Krankheitsverläufe schwer und teilweise auch tödlich. Es werden wieder vermehrt COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet und die Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen, hat sich in den letzten zwei Wochen mehr als verdoppelt (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, abgerufen am 6. November 2020) und in den Wochen vom 21. Oktober bis zum 4. November 2020 sogar verdreifacht (Lagebericht vom 4. November 2020 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov _2020/2020-11-04-de.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 6. November 2020). Unter „Infektionsschutzmaßnahmen und Strategie“ wird darin unter anderem ausgeführt, dass die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich ergänzt werden sollten. Gerade wenn das Infektionsgeschehen wie hier wegen des nach aktuellen fachwissenschaftlichen Erkenntnissen nunmehr bestehenden exponentiellen Wachstums unkontrolliert verläuft, greifen Infektionen vermehrt auf vulnerable Bevölkerungskreise über, die für schwere, häufiger als sonst sogar mit dem Tod endende Krankheitsverläufe anfällig sind. Die damit verbundene Auslastung und für die Zukunft befürchtete Überlastung des Gesundheitssystems führt auch dazu, dass andere ebenfalls notwendige Behandlungen zurückgestellt werden müssen, dass sich Gesundheitspersonal vermehrt infiziert und für die Behandlung der erkrankten Patienten nicht mehr zur Verfügung steht und dass schlimmstenfalls ausgewählt werden muss, welcher Notfallpatient zulasten eines anderen behandelt wird. Weiterhin darf nicht vernachlässigt werden, dass eine Infektion auch zu Spät- oder Dauerfolgen führen kann. Diese belasten nicht nur die durch sie Betroffenen, sondern ebenfalls das Gesundheits-system, die Wirtschaft und gegebenenfalls die Sozialsysteme.

Über die drohende Verletzung von Leib und Leben hinaus ist zu Lasten der Antragstellerin in die Abwägung überdies einzustellen, dass eine weitere Ausbreitung des Virus auch die Gefahr birgt, dass Schulen komplett geschlossen werden müssen. Dies würde die Gefahr bergen, dass sie daran gehindert ist, den von ihr offenkundig erstrebten Bildungsabschluss zeitnah zu erreichen.

Der angegriffenen Maßnahme kann dabei nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, sie werde das Infektionsgeschehen nur in einem untergeordneten Maße eindämmen. Denn insofern ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der SARS-Cov-2-EindV um ein Gesamtpaket handelt, dessen Effizienz von der Funktionsfähigkeit aller Bestandteile, mithin auch der hier angegriffenen Maßnahme abhängt. Da das Infektionsgeschehen mittlerweile so weit fortgeschritten ist, dass die genauen Ansteckungsquellen bei einer Vielzahl von Fällen nicht eindeutig ermittelbar sind (vgl. RKI, Situationsbericht vom 5. November 2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-05-de.pdf? __blob=publicationFile) und eine Rückverfolgung immer weniger möglich erscheint, kann die Pandemiebekämpfung gerade nicht mehr allein bzw. vor allem bei sog. Haupttreibern ansetzen. Unabhängig hiervon sind auch Maßnahmen, die zu einer Verringerung des Infektionsgeschehens nur in vergleichsweise geringem Umfang beitragen, umso eher verhältnismäßig, je größer die Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen einzuschätzen ist.

2.1.4.2.2.2. Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verletzt auch nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin. Vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt ist unter anderem auch das Recht des Einzelnen darüber zu befinden, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellen und was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 2 BvR 1333/17 –, juris Rn. 111). Dies ist der Antragstellerin durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht in gleichem Maße möglich wie ohne diese Verpflichtung. Aus den oben dargelegten Gründen ist jedoch der Eingriff aber auch insoweit verhältnismäßig.

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der VGH Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2020 eine vergleichbare Vorschrift „insbesondere deshalb für verhältnismäßig erachtet“, weil die dort geprüfte Vorschrift dadurch etwas abgemildert worden sei, dass die Vorschrift nicht uneingeschränkt gilt, sondern räumliche und gegenständliche Ausnahmen enthalte, trifft dies nicht zu. In der benannten Entscheidung wurde nur ausgeführt, dass die Verhältnismäßigkeit „umso mehr“ wegen dieser Abmilderungen anzunehmen sei (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – 1 S 3201/20 –, juris Rn. 65). Auch ohne die Abmilderung ist nach dieser Entscheidung damit von der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auszugehen. Unabhängig davon, dass der Senat nicht an die zitierte Entscheidung gebunden ist, liegt auch ein Widerspruch zu dieser nicht vor.

Gleiches gilt soweit die Antragstellerin sich auf die oben genannte Entscheidung abstellt, um die Verhältnismäßigkeit wegen eines fehlenden Mechanismus zum Außerkrafttreten bei Unterschreiten einer Inzidenzschwelle zu begründen. Denn hierbei vernachlässigt die Antragstellerin, dass es das erklärte Ziel des unter anderem durch die angegriffene Verordnung umgesetzten Maßnahmepakets ist, die Anzahl der Neuinfektionen unter 50 pro 100.000 Einwohner in der Woche zu senken. Zurzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz 100.000 Einwohner in Brandenburg bei knapp über 100.

2.1.4.2.2.3. Ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) liegt aller Voraussicht ebenso wenig vor.

Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergeben sich insbesondere nicht aus ihrem Vortrag, dass bestimmte Prüfungssituationen bis zu viereinhalb Stunden andauern und die Schülerinnen und Schüler weder essen noch trinken könnten, und dass sie verpflichtet seien, ununterbrochen eine Maske zu tragen. Sollte es unzumutbar sein, während der Prüfungszeit auf die Aufnahme von Getränken und Nahrung zu verzichten, kann dem schulorganisatorisch durch entsprechende, gegebenenfalls individuelle Pausenregelungen Rechnung getragen werden, die es ermöglichen, das Schulgebäude vorübergehend erforderlichenfalls unter Aufsicht zu verlassen und die Mund-Nasen-Bedeckung kurzfristig abzunehmen.

Auch soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass die Handreichung „BGR/GUV-R 190“ Tragezeitbegrenzungen von Schutzausrüstungen zur Vermeidung von Überbeanspruchung des Geräteträgers nennen, dringt die Antragstellerin damit nicht durch. Diese Handreichung enthält keine Feststellungen zu Mund-Nasen-Bedeckungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SARS-CoV-2-EindV. Zudem ist die „BGR/GUV-R 190“ augenscheinlich für Bereiche bestimmt, in denen körperliche Arbeit erfolgt und die Zeitangaben stehen unter dem Vorbehalt, dass die Arbeitsbedingungen die Einsatzdauer (der Geräte) beeinflussen. Zu diesen beeinflussenden Arbeitsbedingungen gehören unter anderem Umgebungsklima, Arbeitsschwere, Körperhaltung, räumliche Enge (Ziffer 3.2.2. der BGR/GUV-R 190). Der ergänzende Hinweis in der von der Antragstellerin zitierten Handreichung des KOBAS ist zwar zutreffend zitiert, enthält allerdings auch den einleitenden Hinweis, dass diese Empfehlung nur begrenzt auf SARS-Cov-2-Arbeitsschutzstandards und SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregeln Anwendung findet und ausdrücklich nicht auf andere Bereiche anwendbar sei, wie z.B. das Tragen von medizinischen Gesichtsmasken zum Patientenschutz im Gesundheitsdienst. Die KOBAS weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass (selbst) im Zusammenhang mit dem SARS-Cov-2-Arbeitsschutzstandard und der SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregel noch keine Empfehlungen zu Tragezeitbegrenzungen für Mund-Nasen-Bedeckungen vorlägen. Die BGR/GUV-R 190 stellt daher nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung des Senats keine taugliche Grundlage dar, die Unangemessenheit der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung anzunehmen.

2.1.4.2.2.4. Die angegriffene Vorschrift erweist sich voraussichtlich auch nicht mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG als rechtswidrig.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. hierzu jüngst OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23. Oktober 2020 – 3 MR 47/20 –, Rn. 24, juris m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG).

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ausgehend hiervon nicht deshalb anzunehmen, weil das Land Baden-Württemberg eine andere Regelung erlassen hat. Unterschiedliche Regelungen im Verhältnis der Länder untereinander verletzen den Gleichheitssatz grundsätzlich nicht, weil Art. 3 Abs. 1 GG nur die Gleichbehandlung im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Gesetz- bzw. Verordnungsgebers fordert (vgl. Wolff, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 12. Aufl. 2018, Rn. 9 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG).

2.2. Überdies wäre der Antrag auch dann unbegründet, wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier des gestellten Normenkontrollantrags, bei summarischer Prüfung als offen anzusehen wären.

Denn die in diesem Fall vorzunehmende Folgenabwägung ginge nach den eingangs dargestellten Maßstäben zulasten der Antragstellerin aus. Die Versagung des von ihr begehrten vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO hat für diese zur Folge, dass sie die Schule nur unter den beschriebenen Einschränkungen besuchen und an den Vorabiturklausuren teilnehmen darf. Würde die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung hingegen erlassen werden, § 17 Abs. 1 Nr. 1 SARS-CoV-2-EindV also vorläufig außer Vollzug gesetzt werden, würde dies nicht nur für die Antragstellerin gelten. Schon das würde die Effizienz der im Sinne eines Maßnahmepakets beschlossenen SARS-CoV-2-EindV schwächen. Der gegenwärtige Stand des Infektionsgeschehens erfordert jedoch ein sofortiges effizientes Handeln, um dem exponentiellen Wachstum der Infektionszahlen noch wirksam begegnen zu können. Dass das Infektionsgeschehen in Deutschland mittlerweile bereits weit fortgeschritten ist, wird nicht zuletzt durch die Aussage des Vizepräsidenten des Robert-Koch-Instituts gegenüber Pressevertretern plastisch, dass eine Fortsetzung der gegenwärtigen Zunahme der Fallzahlen bis zu den Weihnachtstagen über 400.000 gemeldete Neuinfektionen pro Tag erwarten lasse (https://www.tagesspiegel.de/wissen/rki-vize-zur-coronakrise-in-deutschland-ohne-massnahmen-drohen-an-weihnachten-400-000-corona-neuinfektionen-pro-tag/26587752.html; https://www.n-tv. de/panorama/RKI-Ohne-Teil-Lockdown-400-000-Infektionen-pro-Tag-article22143 407.html, jeweils abgerufen am 6. November 2020) und dass nach Mitteilung des Bundesgesundheitsministers 30 bis 40 Prozent der Menschen in Deutschland zu einer Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe zählen (https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/wen-zuerst-gegen-corona-impfen-17043368.html, abgerufen am 9. November 2020). Überdies könnte eine Beschränkung der gegenwärtig geltenden Eindämmungsmaßnahmen dazu führen, dass in naher Zukunft sich noch gravierendere und nachhaltigere Beschränkungen als erforderlich erweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Verfahrenswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG, der im Hinblick auf die hier begrenzte Dauer der Maßnahme zu halbieren ist (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 EN 245/20 –, juris Rn. 57). Von einer nochmaligen Halbierung war angesichts der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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