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Schönheitsoperation – mündliche Vereinbarung eines Pauschalhonorars

Oberlandesgericht Stuttgart

Az.: 14 U 90/01

Urteil vom 09.04.2002


In Sachen hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2002 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 30.10.2001 – 24 O 251/99 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert:

Klagantrag 1 11.759,71 € (= 23.000,00 DM)

Klagantrag 2 5.112.92 € (= 10.000.00 DM)

Summe 16.872,63 € (= 33.000,00 DM)

– gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. ohne Tatbestand –

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen fehlerhafter Behandlung oder unzureichender Aufklärung.

a) Die Klägerin wurde nicht fehlerhaft behandelt. Die Operation erfolgte, wie der Sachverständige Prof. Dr. S in seinem schriftlichen Gutachten für das Landgericht dargelegt hat, nach den Regeln der plastischen Chirurgie (Gutachten S. 11). Auch die Nachversorgung lässt keinen Fehler erkennen. Eine kleinere Nachblutung am Nabel, wie sie für den 30. und 31.07.1998 dokumentiert ist, ist nach solchen Eingriffen nicht selten (Gutachten S. 11) und damit kein Anhaltspunkt für einen Fehler. Bei der nächsten postoperativen Wundkontrolle am 03.08.1998 fanden sich reizlose Wundverhältnisse ohne Nachblutung. Infektionszeichen lagen nach den Krankenunterlagen nicht vor. Unerträgliche Schmerzen am 03.08.1998 finden sich in der Dokumentation nicht. Die Klägerin hat für sie keinen Beweis angetreten. Die Entfernung der Fäden am 07.08.1998 war nicht fehlerhaft (Gutachten S. 12). Die Fäden konnten auch durch eine andere Ärztin oder eine Arzthelferin entfernt werden (Ergänzungsgutachten S. 6). Die Versorgung der kleinen Dehiszenz mit Steristripp entsprach den Regeln der plastischen Chirurgie (Ergänzungsgutachten S. 6). Der festgehaltene Befund für den 07.08.1998 lässt keine Komplikation erkennen (Gutachten S. 12).

Die am 08.08.1998 festgestellte Wunddehiszenz lässt nicht auf eine Infektion am Vortag schließen. Wie der Sachverständige dargelegt hat, ist entsprechend dem Befundbericht der Wundrevision vom 14.08.1998 von einer Fettgewebsnekrose auszugehen (Gutachten S. 15). In den Krankenunterlagen des Katharinenhospitals ist ausdrücklich vermerkt, dass die Leukozytenzahl immer im Normbereich lag, so dass es keine Anhaltspunkte für eine Infektion während der Behandlungszeit des Beklagten gibt. Für das Entstehen einer Infektion wäre der Beklagte auch nicht verantwortlich. Eine Infektionsprophylaxe mit Antibiotika wurde durchgeführt (Gutachten S. 15). Insgesamt liegen keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler vor. Die Fettgewebsnekrose ist schicksalhaft entstanden (Gutachten S. 15).

b) Die Klägerin wurde vom Beklagten ausreichend über die Risiken und Erfolgsaussichten aufgeklärt. Insbesondere wurden die eingetretenen Komplikationen benannt.

Je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch geboten ist, umso ausführlicher und eindrücklicher ist der Patient, dem dieser Eingriff angeraten wird oder den er selbst wünscht, über dessen Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen zu informieren. Das gilt in besonderem Maße für kosmetische Operationen, die nicht, jedenfalls nicht in erster Linie der Heilung eines körperlichen Leidens dienen, sondern eher einem psychischen und ästhetischen Bedürfnis. Der Patient muss in diesen Fällen darüber unterrichtet werden, welche Verbesserungen er günstigenfalls erwarten kann, und ihm müssen etwaige Risiken deutlich vor Augen gestellt werden, damit er genau abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden Eingriffs und darüber hinaus sogar bleibende Entstellungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als eine Folge des Eingriffs in Betracht kommen (BGH VersR 1991, 227).

Diesen strengen Anforderungen entspricht die Aufklärung durch den Beklagten. Über die Gefahr von Wundheilungsstörungen und darüber, dass eine Narbenkorrektur wieder zu einer Narbe führen kann, wurde die Klägerin bereits am 09.10.1997 aufgeklärt, wie sich aus den Angaben des Beklagten und seiner Behandlungsdokumentation ergibt. Dabei wurde ihr auch mitgeteilt, dass in diesen Fällen eventuell eine neuerliche Narbenkorrektur erforderlich sein kann. Sogar die Klägerin hat eingeräumt, es sei davon die Rede gewesen, dass es – selten – zu einer Infektion kommen können (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht S. 3, Blatt 40).

Die Klägerin wurde schließlich vor der Operation nochmals aufgeklärt. Sie hat den Perimedbogen mit der Aufklärung zur Bauchdeckenstraffung erhalten. Das Krankenblatt des Beklagten enthält einen Eintrag über die Aushändigung des Bogens. Die Klägerin hat vor dem Senat nicht bestritten, dass sie den Bogen erhalten hat, sie wollte sich lediglich nicht festlegen, wann dies geschah. Schließlich hat sie den Perimedbogen spätestens am 29.07.1998 unterschrieben. Das spricht zusammen mit den Angaben des Beklagten dafür, dass die Klägerin tatsächlich das Aufklärungsmerkblatt rechtzeitig vor der Operation erhalten hat. Auch im Perimedbogen ist das eingetretene Risiko erläutert. Es heißt dort u.a. „Nachblutung, deshalb zweiter Eingriff, im Bereich der Wundränder Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen; in seltenen Fällen kann Gewebe absterben und dann eine breite Narbe entstehen. Narben können sich auch durch die Spannung verbreitern, gelegentlich dick, und wulstig werden, sich verfärben und schmerzhaft sein“. Schließlich ist für den 29.07.1998 noch einmal ein mündliches Aufklärungsgespräch dokumentiert.

2. Die Klägerin kann die bezahlten 5.000,00 DM nicht zurückverlangen.

a) Sie schuldet nach § 611 BGB eine Vergütung. Zwischen Kassenpatient und Arzt kommt ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zustande. An die Stelle des Honoraranspruchs tritt der Vergütungsanspruch gegen die kassenärztliche Vereinigung, soweit die Krankenkasse leistungspflichtig war. In dem Umfang, in dem bereits bei Beginn der Behandlung feststeht, dass die gesetzliche Krankenkasse nicht eintrittspflichtig ist, besteht daher ein unmittelbarer Anspruch nach § 611 BGB gegen den Patienten auf Bezahlung (OLG Schleswig NJW 1993, 2996). Dass die gesetzliche Krankenkasse nicht eintrittspflichtig war, stand von Anfang an fest. Die Kaiserschnittnarbe und Fettansammlungen an Hüften und Oberschenkel der Klägerin waren keine Krankheiten. Für eine psychische Erkrankung der Klägerin aufgrund dieser Erscheinungen gibt es keine Anhaltspunkte, sie ist auch nicht behauptet. Die gesetzliche Krankenkasse ist zur Bezahlung einer Operation nur verpflichtet, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu heilen oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Krankheiten, zur Früherkennung von Krankheiten und zur Behandlung einer Krankheit. Nach § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

b) Die Klägerin schuldet mindestens die gezahlten 5.000,00 DM. Der Beklagte konnte allerdings eine Vergütung nur nach der GOÄ verlangen. Nach § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmt sich die Vergütung der beruflichen Leistungen der Ärzte außer in gesetzlich bestimmten anderen Fällen, die hier nicht vorliegen, ausschließlich nach der Gebührenordnung für Ärzte. Die Vereinbarung eines Honorars von pauschal 5.000,00 DM war danach unwirksam. Eine mündlich getroffene Pauschalhonorarvereinbarung ist nach § 2 Abs. 1 GOÄ nicht möglich. Die Klägerin kann aber die 5.000 DM nicht wegen einer Überzahlung nach § 812 BGB zurückverlangen. Der Beklagte hat mit der pro-forma-Rechnung des Instituts für kosmetische Operationen und Schönheitskorrektur GmbH vom Rechnung dargetan, dass eine Abrechung seiner Leistungen nach der GOÄ 5.019,21 DM ergeben würde und der von ihm bezahlte Anästhesist 1.395,51 DM verlangte, zusammen also 6.414,72 DM. Selbst wenn man aus der Abrechnung des Beklagten die GOÄ-Ziffern, die mit dem 3,5fachen Satz abgerechnet sind, nur mit dem 2,3fachen ansetzt, verbleiben mehr als 5.000 DM.

c) Der Beklagte muss die erlangten 5.000 DM auch nicht wegen Verletzung der wirtschaftlichen Informationspflicht zurückerstatten. Es gehört zu den Pflichten der Behandlungsseite, einen Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit sie aus ihrer Expertenstellung heraus über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt. Bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese wirtschaftliche Aufklärungspflicht kann dem Patienten ein Schadensersatzanspruch zustehen, den er dem Anspruch des Krankenhausträgers auf Bezahlung der Behandlungskosten entgegenhalten kann (BGH VersR 2000, 999). Der Kassenpatient erwartet grundsätzlich eine Behandlung nach den Regeln der kassenärztlichen Versorgung. Wenn die Behandlungsseite weiß, dass eine bestimmte ärztliche Behandlung von der gesetzlichen Krankenkasse nicht oder nur unter bestimmten, fraglich vorliegenden Voraussetzungen bezahlt wird, hat sie deshalb den Patienten vor Abschluss des Behandlungsvertrages darauf hinzuweisen. Den von einem niedergelassenen Arzt in ein Krankenhaus eingewiesenen Patienten, der mit einer von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlten kosmetischen Operation rechnet, muss das Krankenhaus deshalb unmissverständlich darauf hinweisen, dass er die Behandlung selbst zahlen muss (LG Bremen NJW 1991, 2353). Dagegen besteht keine Aufklärungspflicht kraft überlegenem Wissen, wenn der Patient weiß, dass die gesetzliche Krankenkasse nicht bezahlt. Dass die Schönheitsoperation mit Fettabsaugung und Narbenkorrektur von der gesetzlichen Krankenkasse nicht bezahlt werden würde, war der Klägerin bekannt. Sie hat dies in ihrer Anhörung vor dem Senat eingeräumt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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