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Änderungskündigungen (mehrere) zur selben Zeit


Bundesarbeitsgericht

Az: 2 AZR 822/07

Urteil vom 10.09.2009


In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2009 für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Juli 2007 – 9 Sa 37/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von fünf ordentlichen Änderungskündigungen.

Der Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Packer beschäftigt. Einschließlich freiwilliger Zulagen und Prämie erzielte er zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.684,31 Euro.

Die Beklagte wurde im Jahr 1998 aus der insolventen S-Gruppe unter Übernahme von deren Produktionsbereich Kunststoffverarbeitung gegründet. Sie stellt Kunststoffverpackungen her, insbesondere für Molkereiprodukte, Fertiggerichte uÄ. In ihrem Betrieb in B beschäftigte sie im Juli 2006 insgesamt 271 Arbeitnehmer, davon 196 Arbeiter und 75 Angestellte.

Im Jahr 2001 trat die Beklagte aus dem tarifzuständigen Arbeitgeberverband der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie aus. Der zu diesem Zeitpunkt geltende Manteltarifvertrag (MTV) lief am 31. Dezember 2004 aus. Bereits im Jahr 2002 hatte die Beklagte mit einigen ihrer nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ein „Bündnis für Arbeit“ geschlossen. Gegenstand der Verständigung war ua. eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung von Zuschlägen für die 37., 39. und 40. Wochenstunde. Ferner wurde vereinbart, dass sie künftig die bisher auf der Grundlage des MTV geleistete Jahressonderzahlung nur noch auf freiwilliger Basis zahlen würde. Der Kläger war an diesen Absprachen nicht beteiligt.

Mit Datum vom 24. Juli 2006 erstellte die Beklagte einen Sanierungsplan. Darin ist angegeben, sie habe im Betrieb B in den vorangegangenen Geschäftsjahren – ausgenommen das Jahr 2004 – stets ein negatives operatives Ergebnis erzielt. Für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 rechne sie aufgrund vorausschauend erstellter Gewinn- und Verlustrechnungen mit Verlusten im operativen Geschäft in Höhe von 1.831.000,00 Euro im Jahr 2006, 1.409.000,00 Euro im Jahr 2007 und 702.000,00 Euro im Jahr 2008. Der Sanierungsplan formuliert „zur Sicherung des Produktionsstandorts in B“ das Ziel, spätestens im Geschäftsjahr 2008 ein positives operatives Ergebnis zu erwirtschaften. Als einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen, sieht der Plan – bei gleichzeitiger Verwerfung von Alternativen – eine Senkung der Personalkosten vor, die durch insgesamt fünf „Personalmaßnahmen“ realisiert werden soll.

Als „Personalmaßnahme Nr. 1“ ist die Vereinheitlichung der Arbeitszeit sämtlicher gewerblicher Arbeitnehmer auf künftig 37,5 Wochenstunden vorgesehen. Dazu soll eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden ohne Lohnausgleich entsprechend angehoben und im Gegenzug eine Arbeitszeit von 40 Stunden entsprechend abgesenkt werden. Die „Personalmaßnahme Nr. 2“ sieht die ersatzlose Streichung einer 15 %igen Spätzulage sowie Kürzungen der Feiertags- und Sonntagszulage von 150 % auf 100 % bzw. 75 % auf 35 % vor. Gemäß „Personalmaßnahme Nr. 3“ soll das Urlaubsgeld von 2,3 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns pro Urlaubstag auf maximal 50 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns begrenzt und künftig nur noch bei Erreichen eines positiven operativen Ergebnisses gezahlt werden. Die „Personalmaßnahme Nr. 4“ enthält die Streichung sämtlicher Überstundenzuschläge. Nach „Personalmaßnahme Nr. 5“ soll die Jahressonderzahlung in Höhe von 95 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns betriebsweit nur noch erfolgsabhängig gewährt werden. Dabei sollen zur Finanzierung von Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung maximal 30 % des operativen Jahresergebnisses bereitgestellt werden. Soweit dies zur vollen Anspruchserfüllung nicht ausreicht, ist die anteilige Kürzung der Leistungen vorgesehen. Auf diese Weise sollten sich die Personalkosten um etwa 808.000,00 Euro im Jahr 2006 und je 969.000,00 Euro in den Jahren 2007 und 2008 verringern und sollte sich im Jahr 2008 ein Gewinn von 119.000,00 Euro ergeben.

Der für den Betrieb B gebildete Betriebsrat stimmte den Personalmaßnahmen zu und vereinbarte mit der Beklagten einen „Rahmenvertrag zur 37,5 Stundenwoche – Änderung der einzelvertraglichen Regelungen“. Während 93 % der Arbeitnehmer ihre Zustimmung zu dem Sanierungskonzept erklärten und später mit der Beklagten entsprechende Änderungsverträge schlossen, war ua. der Kläger zu einer einvernehmlichen Regelung nicht bereit.

Nach Anhörung des Betriebsrats und einer am 25. Juli 2006 erfolgten Massenentlassungsanzeige sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger mit getrennten Schreiben vom 26. Juli 2006 fünf ordentliche Änderungskündigungen aus. Jede von ihnen hatte eine der im Sanierungsplan vorgesehenen Personalmaßnahmen zum Gegenstand. In allen Kündigungsschreiben heißt es am Ende:

„Ihre sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen (teilweise: Arbeitsvertragsregelungen) bleiben unverändert. Wir weisen an dieser Stelle allerdings darauf hin, dass Sie unter heutigem Datum weitere 4 Änderungskündigungen erhalten.“

Der Kläger hat die ihm unterbreiteten Änderungsangebote unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen und geltend gemacht, die Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt. Die Änderungsangebote seien unklar und unbestimmt. Aus ihnen gehe nicht hervor, was gelten solle, wenn einige der Änderungen vorbehaltlos angenommen, andere unter Vorbehalt angenommen und die übrigen abgelehnt würden. Außerdem fehle es an einem dringenden betrieblichen Erfordernis zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen. Das dem Sanierungsplan zugrunde gelegte Zahlenwerk sei nicht nachvollziehbar. Ihr Sanierungsziel habe die Beklagte durch die Zustimmung eines Großteils der Belegschaft bereits erreicht. Im Übrigen sei keine der Änderungskündigungen für sich genommen geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Schließlich fehle es an der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats und einer wirksamen Massenentlassungsanzeige.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigungen vom 26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 1: Änderung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, Änderungskündigung Nr. 2: Änderung der Spät-, Sonntags- und Feiertagszulagen, Änderungskündigung Nr. 3: Änderung des Urlaubsgelds, Änderungskündigung Nr. 4: Wegfall der Überstundenzuschläge, Änderungskündigung Nr. 5: Änderung der Jahressonderzahlung) sozial ungerechtfertigt ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen ließen hinreichend deutlich erkennen, dass sie das Arbeitsverhältnis nur bei Annahme sämtlicher Änderungsangebote – sei diese auch unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG erklärt worden – habe fortsetzen wollen. Der Ausspruch gesonderter Kündigungen für die im Einzelnen angestrebten Änderungen der Arbeitsbedingungen sei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geschuldet. Dieser zufolge sei eine Änderungskündigung insgesamt unwirksam, wenn sich auch nur eine von mehreren angebotenen Änderungen als sozial ungerechtfertigt erweise. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen seien erforderlich gewesen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und einer weiteren Verschlechterung ihrer Geschäftsergebnisse entgegenzuwirken. Sie habe für die Jahre 2006 bis 2008 mit operativen Verlusten in der im Sanierungsplan dargestellten Größenordnung rechnen müssen. Diese seien in erster Linie auf stetig steigende Material- und Energiekosten und eine weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Betriebe liegende Personalkostenquote zurückzuführen. Im Ergebnis habe sich die Senkung der Personalkosten als einzig mögliche Sanierungsmaßnahme erwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Kündigungen vom 26. Juli 2006 sind nach § 2, § 1 KSchG sozial nicht gerechtfertigt. Auf das Vorliegen sonstiger Unwirksamkeitsgründe kommt es nicht an.

I. Die Kündigungen sind schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger in den Kündigungsschreiben kein hinreichend bestimmtes oder bestimmbares Änderungsangebot unterbreitet hat.

1. Eine Änderungskündigung ist gemäß § 2 Satz 1 KSchG ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen hinzukommen. Dieses Angebot muss, wie jedes Angebot iSv. § 145 BGB, eindeutig bestimmt oder doch bestimmbar sein (vgl. Senat 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 58; 17. Mai 2001 – 2 AZR 460/00 – zu II 1 a der Gründe, EzA BGB § 620 Kündigung Nr. 3). Es muss nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre so konkret gefasst sein, dass es einer Annahme durch den Arbeitnehmer ohne Weiteres zugänglich ist. Für diesen muss zweifelsfrei deutlich werden, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er eine fundierte Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Da der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb einer kurzen Frist auf das Änderungsangebot reagieren muss, ist schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern, dass in dem Änderungsangebot zum Ausdruck kommt, zu welchen neuen Bedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (Senat 15. Januar 2009 – 2 AZR 641/07 – Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141).

2. Bei der Würdigung, ob das Änderungsangebot diesen Anforderungen genügt, ist dessen Inhalt durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Dabei können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete Umstände herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB bei der Änderungskündigung nicht nur auf die Kündigungserklärung, sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des einschlägigen rechtsgeschäftlichen Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der Urkunde Ausdruck gefunden hat (Senat 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 – zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58). Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 133 Rn. 19).

3. Diesen Wirksamkeitserfordernissen werden die Änderungskündigungen vom 26. Juli 2006 nicht gerecht. Dabei kann zugunsten der Beklagten von einem gleichzeitigen Zugang der Kündigungsschreiben ausgegangen werden. Auch unter dieser Voraussetzung hat die Beklagte dem Kläger keine ausreichend bestimmten oder bestimmbaren Änderungsangebote unterbreitet. Der Kläger konnte unter Berücksichtigung aller ihm im Kündigungszeitpunkt bekannten Umstände den Kündigungsschreiben nicht hinreichend deutlich entnehmen, mit welchem Inhalt das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen solle. Den Schreiben lässt sich insbesondere nicht zweifelsfrei entnehmen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis nur bei Annahme sämtlicher angestrebten Änderungen fortsetzen wolle. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet in den Kündigungserklärungen keine Stütze.

a) Die Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen gleichlautende Kündigungen mit inhaltsgleichen Änderungsangeboten ausgesprochen. Die Auslegung solcher – typischen – Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06 – Rn. 37 mwN, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 40 = EzA KSchG § 23 Nr. 31).

b) Bei isolierter Betrachtung der einzelnen Kündigungen vom 26. Juli 2006 bleibt das mit ihnen jeweils unterbreitete Änderungsangebot unklar. Zwar hat die Beklagte die jeweilige Änderung der Arbeitsbedingungen als einzelne konkret und nachvollziehbar beschrieben. Die betreffenden Kündigungsschreiben geben aber jedes für sich genommen keine hinreichende Auskunft darüber, mit welchem weiteren Inhalt das Arbeitsverhältnis fortbestehen soll. Sie sind in dieser Hinsicht widersprüchlich. Während die Erklärung, die „sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen“ bzw. „sonstigen Arbeitsvertragsregelungen“ des Klägers blieben „unverändert“, auf ein abschließendes Änderungsangebot mit der Folge hindeutet, der übrige Inhalt des Arbeitsverhältnisses solle unangetastet bleiben, wird dieser Erklärungsgehalt anschließend durch den Hinweis auf zu erwartende weitere Änderungskündigungen wieder in Frage gestellt. Dabei ist den jeweiligen Schreiben – für sich genommen – weder zu entnehmen, um welche weiteren Änderungen es gehen soll, noch geben sie zu erkennen, in welcher Beziehung die einzelnen Kündigungen und die mit ihnen verbundenen Änderungsangebote zueinander stehen sollen.

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c) Diese Unklarheit wird durch den Inhalt der jeweils weiteren Kündigungsschreiben und deren „Durchnummerierung“ von Nr. 1 bis Nr. 5 nicht beseitigt. Zwar deuten diese Gesichtspunkte darauf hin, dass es der Beklagten darauf ankam, eine Änderung der Arbeitsbedingungen hinsichtlich aller durch die Kündigungen berührten Beschäftigungsbedingungen zu erreichen. Sie lassen aber nicht die Annahme zu, die Beklagte habe dem Kläger in Wahrheit keine voneinander unabhängigen Änderungsangebote, sondern ein einziges, lediglich in mehreren Teilerklärungen ausgedrücktes Änderungsangebot unterbreiten wollen. Einem solchen Verständnis steht gerade der Ausspruch getrennter Änderungskündigungen und die in ihnen enthaltene Erklärung entgegen, die sonstigen Arbeitsbedingungen blieben unverändert. Auch nach den Ausführungen der Beklagten selbst hat diese mit dem Ausspruch getrennter Änderungskündigungen das Ziel verfolgt, das Arbeitsverhältnis je nach Ausgang des zu erwartenden Kündigungsschutzprozesses ggf. lediglich mit einem Teil der angestrebten Änderungen fortzusetzen. Die Änderungskündigungen enthalten gemäß ihrem objektiven Erklärungswert somit einerseits das Angebot, das Arbeitsverhältnis nur bei Änderung der Arbeitsbedingungen in allen angesprochenen Punkten fortzusetzen, andererseits das Angebot, es auch mit einzelnen der betreffenden Änderungen fortzuführen, ohne dass die Beklagte diese Willenserklärungen in ein von ihr bestimmtes Verhältnis zueinander gesetzt hätte. Ein solches Angebot ist perplex. Es führt zur Unwirksamkeit der Änderungskündigungen.

d) Die Ansicht der Revision, die gewählte Vorgehensweise sei um der „größtmöglichen Wirksamkeitsgewährleistungen“ willen nötig, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es stünde im Widerspruch zum Recht der Willenserklärung.

Zwar trifft es zu, dass bei einer Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen in mehreren Punkten erreichen will, bereits die Unverhältnismäßigkeit einer der angestrebten Vertragsänderungen zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt führt. Das Gericht kann in einem solchen Fall die Kündigung nicht in Teilen für wirksam erklären (Senat 21. September 2006 – 2 AZR 120/06 – Rn. 26, BAGE 119, 332; 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – Rn. 28, BAGE 115, 149). Gleichwohl bilden Kündigung und Änderungsangebot im Fall der Änderungskündigung eine innere Einheit (Senat 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 – zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58). Nach den Grundprinzipien des Kündigungsschutzrechts ist jede Kündigung mit dem in ihr enthaltenen Änderungsangebot eigenständig und unabhängig von der Wirksamkeit weiterer Kündigungen und deren Inhalt auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu überprüfen. Das verlangt, dass sich der Änderungswille des Arbeitgebers in der jeweiligen Änderungskündigung vollständig abbildet. Das Risiko des Arbeitgebers, die von ihm angestrebten Änderungen im Fall der Unverhältnismäßigkeit einer von ihnen insgesamt nicht durchsetzen zu können, vermag ihn nicht von der Verpflichtung zu entbinden, dem Arbeitnehmer mit jeder Kündigung ein in sich klares und annahmefähiges Änderungsangebot zu unterbreiten. Dies ist hier nicht geschehen.

II. Die Änderungskündigungen sind auch deshalb sozial ungerechtfertigt, weil es an einem dringenden betrieblichen Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen iSd. § 2, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG fehlt.

1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (Senat 26. Juni 2008 – 2 AZR 139/07 – Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 138 = EzA KSchG § 2 Nr. 71). Im Rahmen von § 1, § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (Senat 15. Januar 2009 – 2 AZR 641/07 – Rn. 15 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141; 26. Juni 2008 – 2 AZR 139/07 – Rn. 17, aaO.).

2. Die Unrentabilität des Betriebs kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen sein. Voraussetzung ist, dass durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder eine deutliche Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind (st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 – 2 AZR 139/07 – Rn. 19, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 138 = EzA KSchG § 2 Nr. 71). Regelmäßig bedarf es deshalb eines umfassenden Sanierungsplans, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (Senat 1. Juli 1999 – 2 AZR 826/98 – zu II 1 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35). Der Arbeitgeber hat die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darzustellen und darzulegen, weshalb andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen (Senat 26. Juni 2008 – 2 AZR 139/07 – Rn. 20 mwN, aaO.; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 107a ff.; APS/Künzl 3. Aufl. § 2 KSchG Rn. 257 ff.).

3. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht.

a) Die Beklagte hat geltend gemacht, sie verspreche sich von der Vereinheitlichung der Wochenarbeitszeit durch die Änderungskündigung Nr. 1 „positive Auswirkungen auf das Betriebsklima“. Dies vermag das dem Kläger angetragene Änderungsangebot nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte hat keine konkreten Störungen dargelegt, die durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten eingetreten wären und ihr eine Aufrechterhaltung der bisherigen Regelungen unzumutbar machten. Das bloße Interesse des Arbeitgebers an der Vereinheitlichung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit stellt kein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dar (st. Rspr., Senat 12. Januar 2006 – 2 AZR 126/05 – Rn. 28, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82 = EzA KSchG § 2 Nr. 56).

b) Die Änderungen der Beschäftigungsbedingungen gemäß den Änderungskündigungen Nr. 1 bis Nr. 5 sind nicht wegen Sanierungsbedürftigkeit des Betriebs in B gerechtfertigt. Sie zielen auf die Einsparung von Personalkosten und führen beim Kläger zu entsprechenden Einkommenseinbußen. Zu ihrer sozialen Rechtfertigung fehlt es an einem schlüssigen, die Notwendigkeit der Änderungen der Arbeitsbedingungen aufzeigenden Sanierungskonzept.

aa) Aus dem Vorbringen der Beklagten wird nicht deutlich, weshalb die prognostizierten operativen Verluste in absehbarer Zeit zu einer Reduzierung eines erheblichen Teils der Belegschaft hätten führen müssen. Auch ohne die ergriffenen Personalmaßnahmen erwartete sie einen Rückgang ihrer Verluste, vom Jahr 2007 auf das Jahr 2008 sogar um die Hälfte. Ihre Behauptung, sie hätte bei gleichbleibenden Personalkosten spätestens im Jahr 2008 Teile des Betriebs stilllegen müssen, ist schon aus diesem Grund nicht hinreichend nachvollziehbar.

bb) Dies gilt auch für ihre Behauptung, sie habe sich in einer ihre Existenz bedrohenden Lage befunden. Um seine drohende Existenzgefährdung darzutun, muss der Arbeitgeber seine allgemeine Geschäftslage im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nachprüfbar offenlegen. Das kann regelmäßig durch Vorlage der Bilanzen und dazugehöriger betriebswirtschaftlicher Auswertungen geschehen. Die Ausführungen der Beklagten zu Bilanzergebnissen erschöpfen sich demgegenüber in der Behauptung, ihr sei im Jahr 2002 ein „Turnaround“ insoweit gelungen, als sie erstmals einen bilanziellen Gewinn erzielt habe. Daraus lässt sich nicht auf eine Bestandsgefährdung schließen.

cc) Zudem fehlt es – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – an schlüssigen Darlegungen dazu, dass das angestrebte Sanierungsziel nur durch Personalkostensenkungen erreicht werden konnte. Weshalb Einsparungen in anderen Bereichen ausschieden, wird aus dem Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend deutlich. So hat sie etwa die betriebliche Notwendigkeit der vorgesehenen Erhaltungsinvestitionen von rund einer Million Euro jährlich nicht näher dargelegt. Weder hat sie erläutert, wie sich diese Position im Einzelnen zusammensetzt, noch wird aus ihrem Vorbringen deutlich, weshalb auf derartige Investitionen keinesfalls und selbst teilweise nicht verzichtet werden konnte.

dd) Ihr Vorbringen lässt auch nicht erkennen, weshalb von ihren Gesellschaftern keine Sanierungsbeiträge mehr erwartet werden konnten. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf eine persönliche Risikoübernahme durch die „hinter ihr stehende“ Privatperson J beruft, hat sie nicht dargelegt, welche Belastungen mit dieser Übernahme verbunden waren. Dies geht auch aus dem Sanierungsplan nicht hervor.

ee) Soweit die Beklagte meint, es gebe keinen vernünftigen Grund, an der Richtigkeit der im Sanierungsplan offengelegten Informationen und Wirtschaftsdaten zu zweifeln, die Details des Sanierungsplans seien als ihre unternehmerische Entscheidung hinzunehmen, verkennt sie ihre sich aus § 2 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG ergebende Darlegungslast. Erst eine hinreichende Konkretisierung der ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Angaben ermöglicht dem Arbeitnehmer eine sachliche Stellungnahme und den Gerichten die Nachprüfung und ggf. Beweisaufnahme (vgl. Senat 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 50 = EzA KSchG § 2 Nr. 31).

Damit werden an die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Kostensenkung keine im Verhältnis zur betriebsbedingten Beendigungskündigung überzogenen Anforderungen gestellt. Die Beklagte übersieht, dass die Behauptung der Unrentabilität eines Betriebs oder eines Betriebsteils als solche nicht nur eine Änderungskündigung, sondern auch eine Beendigungskündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Nur wenn der Arbeitgeber die Unrentabilität zum Anlass für eine Organisationsentscheidung nimmt, die ihrerseits zur Verringerung des Beschäftigungsbedarfs führt, kann sich daraus die Rechtfertigung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ergeben. Dazu hat der Arbeitgeber die Auswirkungen seiner Organisationsentscheidung auf den betrieblichen Beschäftigungsbedarf im Einzelnen und nachprüfbar darzulegen (vgl. Senat 12. November 1998 – 2 AZR 91/98 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 90, 182). Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung zur Kostenreduzierung aus und beruft er sich zu ihrer Rechtfertigung auf die Unrentabilität des Betriebs, hat er die betriebliche Unabweisbarkeit seiner für den Arbeitnehmer nachteiligen, einseitig in das vertragliche Gefüge von Leistung und Gegenleistung eingreifenden Entscheidung nachprüfbar darzutun. Seine Darlegungen müssen dabei nicht höheren, sondern – analog zum Kündigungsgrund – anderen Anforderungen genügen. Beide Male wird vom Arbeitgeber lediglich verlangt, die Tatsachen vorzutragen, die die Kündigung bedingen.

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