Sozialgericht Dresden
Az.: S 34 AL 769/07
Urteil vom 01.04.2008
Entscheidung:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.09.2006 in der Fassung des Bescheides vom 13.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2007 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 16.09.2006 bis zum 22.09.2006 Arbeitslosengeld I ohne Eintritt einer Sperrzeit zu gewähren.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit gem. §§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, Abs. 6, 37 b SGB III.
Der Kläger stand seit dem 18.07.2006 in einem Arbeitsverhältnis mit der Firma D. GmbH als Projektleiter. Zuletzt erhielt er ein Bruttogehalt in Höhe von 4.000,- EUR monatlich. Mit Schreiben vom 01.09.2006 sprach die Firma D. dem Kläger eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.09.2006 aus. Den Erhalt der Kündigung hat der Kläger handschriftlich für den 01.09.2006 bestätigt.
Am 05.09.2006 meldete sich der Kläger mit Wirkung vom 16.09.2006 arbeitslos bei der Beklagten und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 26.09.2006 verhängte die Beklagte eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld vom 16.09. bis 22.09.2006, da der Kläger sich entgegen § 37b SGB III nicht spätestens innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis von der Kündigung persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet habe.
Mit einem am 02.10.2006 eingegangenem Schreiben erhob der Kläger gegen den Eintritt der Sperrzeit Widerspruch. Er hätte die Kündigung erst am Abend des 01.09.2006 erhalten, welcher ein Freitag gewesen sei. Am folgenden Wochenende sei die persönliche Arbeitslosmeldung gar nicht möglich gewesen. Die Meldung am Dienstag, dem 05.09.2006 sei damit innerhalb von 3 Tagen erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2006 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Nur wenn der letzte Tag der Frist auf keinen Werktag falle, könne gem. § 193 BGB das Fristende auf den nächsten Werktag verlegt werden.
Am 10.07.2006 stellte der Kläger hinsichtlich des Eintritts einer Sperrzeit einen Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X, der mit Bescheid der Beklagten vom 13.08.2007 abgelehnt wurde. Der Eintritt einer Sperrzeit sei korrekt gewesen.
Gegen diesen Überprüfungsbescheid erhob der Kläger am 24.08.2007 bei der Beklagten erneut Widerspruch. Dabei verwies er auf ein Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20.04.2007, nachdem bei der Fristberechnung Wochenendtage nicht mit berechnet werden dürften.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2007 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg sei nicht als höchstrichterlicher Grundsatzentscheidung anzusehen.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 21.09.2007 Klage, die er wiederum auf die Entscheidung des SG Hamburg stützte.
Der Kläger beantragt,
1. ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 26.09.2006 in der Fassung des Bescheides vom 13.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2007 für die Zeit vom 16.09. bis 22.09.2006 Arbeitslosengeld ohne Eintritt einer Sperrzeit zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Beklagte beantragt unter Verweis auf ihren Widerspruchsbescheid,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten mit der Stammnummer beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Leistungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten, die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 01.04.2008 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 26.09.2006 in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 13.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht den Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitslosmeldung festgestellt. Die Arbeitslosmeldung des Klägers ist nach Überzeugung der Kammer rechtzeitig erfolgt.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 144 Abs. 1 Nr. 7 SGB III (eingefügt durch das 5. SGB III-Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2005, in Kraft ab 31. Dezember 2005) liegt versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen ist.
Gemäß § 37 b SGB III sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses weniger als drei Monate, so hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Die Handlungsfrist von drei Tagen beginnt mit dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Verpflichtete vom Beendigungszeitpunkt Kenntnis erhält.
Ob diese Frist nur an Tagen läuft an denen die Arbeitsagentur dienstbereit ist, lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung eindeutig entnehmen. Die Gesetzesbegründung führt hierzu lediglich an, dass die Einführung „einer nach Tagen bestimmten Reaktionsfrist“ auch der Verwaltungsvereinfachung dient (Bundestags-Drucksache 16/109, Seite 6).
Nach Überzeugung der Kammer spricht diese Gesetzesbegründung dafür, dass auch nach dem Willen des Gesetzgebers das Entscheidende an dieser Frist ist, dass die Möglichkeit zu der gewünschten „Reaktion“ besteht, also dass die Agentur für Arbeit zur Arbeitslosmeldung persönlich aufgesucht werden kann. Dies ist an Tagen fehlender Dienstbereitschaft eben gerade nicht möglich. Auch spricht die Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich von „Kalendertagen“. Die Kammer schließt sich daher der vom SG Hamburg (Gerichtsbescheid vom 20.04.2007, AZ. 18 AL 829/06) und in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht an, dass sich die Handlungsfrist um Tage an denen die Arbeitsagentur nicht dienstbereit ist hinaus schiebt (vgl. Rademacher in GK-SGB III Stand Dezember 2006 zu § 37b Rdnr. 30; Niesel 4. Auflage § 37b Rn. 15).
Für diese Auslegung spricht auch die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 37b SGB III a.F … Danach können Tage der Verspätung nur solche Tage sein, an denen dem Arbeitslosen der Vorwurf gemacht werden kann, sich nicht darum bemüht zu haben, den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden oder deren Dauer zu begrenzen. Dabei sind Tage fehlender Dienstbereitschaft des Arbeitsamtes, nämlich Wochenenden oder Feiertage, auszunehmen (BSG Urteil vom 18.08.2005, Az. B 7a/7 AL 94/04 R; Spellbrink in: Eicher/Schlegel SGB III, § 140 Rdnr. 31, Stand Juni 2003). Dem entspricht die im Gesetzestext gewählte Formulierung „Tage“ statt „Kalendertage“ (Spell-brink a.a.O.). Das Bundessozialgericht hat in der genannten Entscheidung im Leitsatz for-muliert, dass es nicht auf die Zahl der Kalendertage ankommt, sondern auf die Zahl der Tage, an denen es dem Arbeitslosen möglich war, sich arbeitsuchend zu melden. Dass „Tag“ im Sinne von § 37 b SGB III nur den Werktag erfassen kann, kann mit dem BSG schlüssig aus der Gesetzesbegründung zu § 140 SGB III hergeleitet werden.
Arbeitnehmer, die das Arbeitsamt nicht rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie der beruflichen Wiedereingliederung bedürfen, erhöhen das Risiko der Arbeitslosenversicherung, weil sie die Einleitung von Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen verzögern und dem Arbeitsamt insoweit die Möglichkeit nehmen, den Eintritt des Schadensfalles zu vermeiden bzw. den Umfang des Schadens zu reduzieren. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Tage, an denen die Arbeitsagentur ohnehin keine Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen unternommen hätte den Schaden für die Versichertengemeinschaft nicht beeinflussen (SG Hamburg Gerichtsbescheid vom 20.04.2007, AZ. 18 AL 829/06 m.w.N.).
Nach alledem erfolgte die Arbeitslosmeldung des Klägers am 05.09.2006 jedenfalls nicht verspätet, so dass es auf den erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrag, dass die Agentur für Arbeit in R. am 04.09.2006 wegen Umbau geschlossen gewesen sei, nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Kammer hat die Berufung gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zugelassen.