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Mietvertrag: mündliche Mietpreisabrede und Nichtigkeit des Mietvertrags

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: XII ZR 74/01

Verkündet am: 02.07.2003

Vorinstanzen: OLG Frankfurt am Main, LG Frankfurt am Main


Leitsatz:

Zur Frage der Nichtigkeit des gesamten Mietvertrags, wenn im schriftlichen Mietvertrag eine wesentlich geringere Miete dokumentiert wird, als sie in einer mündlichen Nebenabrede tatsächlich vereinbart wurde.


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2003 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Februar 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 1999 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht die Räumung eines gewerblichen Mietobjektes sowie Zahlung rückständiger Miete geltend.

Der Vater des Klägers untervermietete im Namen des Klägers an den Beklagten ein Grundstück mit Bürogebäude zum Zwecke eines Gebrauchtwagenhandels in Frankfurt/Main, und zwar laut schriftlichem Vertrag vom 31. Mai 1996 zu einer Miete von monatlich 500DM plus MWSt. Auf Beklagtenseite handelte der Vater des Beklagten, der Zeuge T.

Der Kläger kündigte den Vertrag zweimal außerordentlich, zuletzt mit Schreiben vom 9. November 1998 mit der Begründung, es sei mündlich über die schriftlich vereinbarte Miete von 500 DM plus MWSt hinaus eine weitere Miete von 3.000 DM monatlich vereinbart worden. Der Beklagte weigere sich hartnäckig, die vertraglich vereinbarte Miete vollständig zu bezahlen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 24.000 DM (je 3.000 DM für Juli 1998 bis Februar 1999) sowie zur Räumung des Grundstücks verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision, die der Senat angenommen hat, soweit der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat ebenso wie das Landgericht aufgrund der Aussage des Zeugen S. eine im April 1996 getroffene mündliche Vereinbarung der Väter beider Parteien als bewiesen angesehen, derzufolge über die im schriftlichen Vertrag angegebene Miete von 500 DM (richtig: 500 DM plus MWSt) hinaus eine weitere Miete von monatlich 3.000 DM brutto (richtig: netto) – halbjährlich im voraus – verabredet worden sei. Die mündliche Absprache verpflichte den Beklagten. Zwar habe der Vater des Beklagten nicht im, sondern unter dem Namen seines Sohnes gehandelt. Als Inhaber des Gebrauchtwagenhandels sei der Beklagte aber nach den Grundsätzen über die Stellvertretung bei unternehmensbezogenen Geschäften Vertragspartner geworden. Er habe im übrigen ausdrücklich zugestanden, daß das Grundstück an ihn vermietet worden sei. Die Aussage des Zeugen sei glaubhaft. Sie widerspreche zwar teilweise dem Inhalt des ersten Kündigungsschreibens des Klägers vom 27. Juli 1998. Der im Kündigungsschreiben angedeutete Vorwurf gegen den Zeugen, er habe eingenommene Gelder dem Kläger vorenthalten, sei nicht berechtigt. Der Zeuge habe den Vorwurf bestritten und der Kläger in der mündlichen Verhandlung an diesem Vorwurf nicht festgehalten. Es könne dahinstehen, ob der Zeuge S. oder der Vater des Klägers die für den Kläger angenommenen Gelder des Beklagten zunächst dem Kläger verschwiegen hätte; dies berühre die Wirksamkeit der zugunsten des Klägers mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung nicht. Der Beklagte könne aus etwaigen internen Unregelmäßigkeiten zwischen dem Vater des Klägers und dem Zeugen S. einerseits und dem Kläger andererseits keinen Vorteil ziehen. Der Senat habe sich durch die erneute Vernehmung des Zeugen von dessen Glaubwürdigkeit überzeugt.

Im übrigen hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des landgerichtlichen Urteils auch insofern gebilligt, als es ausgeführt hat, selbst wenn mit dem Vertrag eine Steuerhinterziehung verbunden sei, führe dies nur zur Nichtigkeit gemäß § 138 BGB, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck der Vereinbarung darstelle. Zwar möge eine Steuerhinterziehung gewollt gewesen oder zumindest dem anderen Teil ermöglicht worden sein. Hauptzweck des Vertrages sei aber zweifelsohne die Vermietung des Grundstücks mit den darauf befindlichen Gebäuden gewesen.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Entgegen seiner Auffassung kommt eine Nichtigkeit des Mietvertrags gemäß §§ 134, 138 Abs. 1 in Verbindung mit § 139 BGB in Betracht.

a) Das Berufungsgericht hat – verfahrensfehlerfrei – festgestellt, daß die Parteien über die schriftlich vereinbarte Miete von 500 DM plus MWSt hinaus mündlich eine weitere Miete in Höhe von 3.000 DM monatlich vereinbart haben. Die dagegen von der Revision erhobenen Rügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet.

b) Bedenken bestehen jedoch gegen die – ohne weitere Nachprüfung getroffene – Feststellung des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, daß Hauptzweck des Vertrages zweifelsohne die Vermietung des Grundstücks gewesen sei, und gegen die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß selbst bei Unterstellung einer beabsichtigten Steuerhinterziehung die Vereinbarung nicht nichtig sei. Die von den Parteien im schriftlichen Vertrag dokumentierte Miete macht nur etwas mehr als 1/7 der wahren Miete aus. Dies läßt es zumindest naheliegend erscheinen, daß die von der mündlichen Vereinbarung abweichende Regelung der Miete im schriftlichen Mietvertrag nur getroffen wurde, um eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen.

Die unter Strafe gestellte Verabredung einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist als solche gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1968 -VIIIZR 113/66- MDR 1968, 834 f.). Daneben ist auch eine Vereinbarung nichtig, über ein – steuerlich relevantes – Geschäft keine Rechnung auszustellen (sogenannte „Ohne-Rechnung-Abrede“; §§ 134, 138 BGB; vgl. BGH aaO; OLG Hamm NJW-RR 1997, 722; Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. §138 Rdn. 44; MünchKomm/Mayer/Maly BGB 3. Aufl. §138 Rdn. 37). Als eine der „Ohne-Rechnung-Abrede“ gleichzusetzende Vereinbarung muß es auch angesehen werden, wenn im schriftlichen Vertrag eine Miete dokumentiert wird, die zu der tatsächlich vereinbarten außer Verhältnis steht.

Allerdings gehen die Vorinstanzen zutreffend davon aus, daß Verträge, mit denen eine Steuerhinterziehung verbunden ist, grundsätzlich nur dann nach §§ 134, 138 BGB nichtig sind, wenn der Hauptzweck des Vertrages gerade die Steuerhinterziehung ist (BGHZ 136, 125, 126; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 -VIIZR 192/98- NJW-RR 2001, 380). Die unter Hinweis auf „Palandt/Heinrichs BGB §138 Rdn. 44“ gemachten Ausführungen des Landgerichts, die sich das Oberlandesgericht zu eigen macht, Hauptzweck des Vertrages sei zweifelsohne die Vermietung des Grundstücks mit den darauf befindlichen Gebäuden gewesen, legen aber den Schluß nahe, daß das Oberlandesgericht bei der Prüfung der Frage, was Haupt- und was nur Nebenzweck des Geschäfts war, von einem falschen Verständnis der zitierten Kommentarstelle ausgegangen ist und deshalb die Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts nicht ausreichend berücksichtigt hat. Da die mündliche Abrede, eine inhaltlich falsche Vertragsurkunde herzustellen, einen Teil des ganzen Geschäfts bildet, stellt sich die Frage, welchen Einfluß ihre Nichtigkeit auf die Gültigkeit des Mietvertrages hat. Gemäß § 139 BGB könnte der Mietvertrag nur dann aufrecht erhalten bleiben, wenn feststünde, daß er auch ohne die – nichtigen -steuerlichen Absprachen zu denselben Bedingungen, insbesondere zu derselben Miete, abgeschlossen worden wäre (BGH, Urteil vom S.Juli 1968 aaO). Dann wäre das Hauptziel des Geschäfts nicht die Steuerhinterziehung, sondern die Vermietung des Grundstücks gewesen.

3. Der Senat ist nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden. Die Vorinstanzen haben keine Feststellungen dazu getroffen, welches Ziel die Parteien mit der Vereinbarung verfolgten und ob sie den Mietvertrag ohne diese Nebenabreden zu – im Ergebnis – gleichen Bedingungen geschlossen hätten. Der Rechtsstreit muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es, ggf. nach ergänzendem Parteivortrag, die erforderlichen Feststellungen treffen kann. Dabei wird auch der Frage nachzugehen sein, welche wirtschaftliche Bedeutung gerade dieses Grundstück seiner Lage und Beschaffenheit nach – auch mit Blick auf die umliegenden Grundstücke – für den Gebrauchtwagenhandel des Beklagten hat.

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