Bundesgerichtshof
Az: VIII ZR 11/07
Urteil vom 12.12.2007
Leitsätze:
a) Nimmt der Vermieter zur Begründung seines Erhöhungsverlangens auf einen qualifizierten Mietspiegel (§ 558a Abs. 2 Nr. 1, § 558d BGB) Bezug, so hat er die Angaben des Mietspiegels zur Wohnung, auf die er sein Erhöhungsverlangen stützt, dem Mieter mitzuteilen (§ 558a Abs. 1 und 3 BGB). Der Beifügung des Mietspiegels bedarf es nicht, sofern dieser allgemein zugänglich ist.
b) Enthält der Mietspiegel ein Raster von Feldern, in denen für Wohnungen einer bestimmten Kategorie jeweils eine bestimmte Mietspanne ausgewiesen ist, so ist im Erhöhungsverlangen nur die genaue Angabe des – nach Auffassung des Vermieters – für die Wohnung einschlägigen Mietspiegelfeldes erforderlich, um den Mieter (auch) auf die im Mietspiegel für die Wohnung vorgesehene Spanne hinzuweisen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2007 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin vom 23. November 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 24. April 1995 von der Rechtsvorgängerin des Klägers eine Wohnung in Berlin. Seit dem 1. Januar 2001 betrug die Bruttokaltmiete 542 EUR. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 verlangte der Kläger von den Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der Miete um 73 EUR auf 615 EUR monatlich ab dem 1. Januar 2004. In diesem Schreiben heißt es u.a.:
„Bei der Wohnfläche von 136,28 qm beträgt damit die verlangte Miete je Quadratmeter monatlich nettokalt 3,43 EUR. Die ortsübliche Miete für vergleichbaren nicht preisgebundenen Wohnraum wird dadurch nicht überschritten.
Zur Begründung verweise ich auf den öffentlich bekannt gemachten Berliner Mietspiegel 2003 für die westlichen Bezirke. Ihre Wohnung ist in das Mietspiegelfeld J1 einzuordnen. Gemäß § 558 BGB nF reicht es zur Begründung des Erhöhungsverlangens aus, dass der verlangte Mietzins innerhalb der Mietzinsspanne des maßgeblichen Mietspiegelfeldes liegt. Die erhöhte Miete liegt auch hinsichtlich der Kappungsgrenze von 20 % im Drei-Jahreszeitraum im gesetzlichen Rahmen.“
Die Beklagten stimmten mit Schreiben vom 31. Dezember 2003 einer Erhöhung der Miete um monatlich 23,86 EUR auf 565,56 EUR ab dem 1. Januar 2004 zu.
Wegen des Differenzbetrages in Höhe von 49,44 EUR monatlich hat der Kläger Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung erhoben. Die Beklagten haben mit ihrer Widerklage die Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 65 EUR (Mietminderung) und zur Beseitigung behaupteter Mängel verlangt; mit einer Hilfswiderklage haben sie die Feststellung begehrt, dass sie im Falle des Wirksamwerdens der Mieterhöhung zur Mietminderung wegen bestimmter Mängel berechtigt sind.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Mieterhöhungsverlangen weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitergehende Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung, da es an einem wirksamen Mieterhöhungsverlangen im Sinne des § 558a Abs. 1 und 3 BGB fehle. Die Klage sei aus diesem Grund bereits unzulässig.
Gemäß § 558a Abs. 1 BGB sei das Erhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Um diesen Zweck des Begründungserfordernisses zu erreichen, müsse der Vermieter Tatsachen vortragen – zu Baujahr, Lage, Beschaffenheit der Wohnung etc. -, die den Mieter in die Lage versetzten, die Behauptung des Vermieters, die derzeit geschuldete Miete sei niedriger als die ortsübliche Miete, zu überprüfen. § 558a Abs. 3 BGB enthalte ein zusätzliches Begründungserfordernis für einen qualifizierten Mietspiegel wie den vom Kläger herangezogenen Berliner Mietspiegel 2003; ein Verstoß gegen diese Vorschrift mache das Erhöhungsverlangen formell unwirksam.
Vorliegend habe der Kläger in dem Mieterhöhungsverlangen lediglich mitgeteilt, die streitgegenständliche Wohnung sei in das Rasterfeld J1 des Berliner Mietspiegels 2003 einzuordnen. Jedwede weitere Angaben – in Bezug auf die Einordnung der Wohnung in den Mietspiegel – fehlten. Weder werde die Spanne des Rasterfeldes angegeben, noch würden die maßgeblichen Tatsachen dazu vorgetragen, warum gerade das Rasterfeld J1 einschlägig sein solle. Dies genüge dem Begründungserfordernis nicht. Zumindest hätte der Kläger die Spannenwerte des in Bezug genommenen Rasterfeldes angeben müssen. Diesen Mangel hätte der Kläger nur dadurch heilen können, dass er dem Erhöhungsverlangen den Mietspiegel beigefügt hätte. Den erforderlichen Nachweis, dass dies geschehen sei, habe der Kläger nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch nicht geführt; die Kammer sei nicht gehalten gewesen, den weiteren, verspäteten Beweisangeboten des Klägers nachzugehen. Ein wirksames neues Mieterhöhungsverlangen im Prozess habe der Kläger nicht abgegeben.
Da die Klage bereits unzulässig sei, komme es auf deren materielle Begründetheit nicht an. Die Beklagten seien durch die von ihnen erteilte Teilzustimmung auch nicht gehindert, sich auf die Unwirksamkeit des Erhöhungsverlangens zu berufen.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Mieterhöhungsverlangen des Klägers im Schreiben vom 29. Oktober 2003 in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise begründet worden (§ 558a Abs. 1 und 3 BGB). Die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung hätte deshalb vom Berufungsgericht nicht wegen eines formellen Mangels des Erhöhungsverlangens als unzulässig abgewiesen werden dürfen.
1. Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen; auf diese Weise sollen überflüssige Prozesse vermieden werden (Senatsurteil vom 12. Juli 2006 – VIII ZR 215/05, NJW-RR 2006, 1599, Tz. 13; Senatsurteil vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 41/05, NJW-RR 2006, 227, Tz. 10 m.w.N.; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 558a Rdnr. 8). Hierfür ist erforderlich, dass die Begründung dem Mieter „konkrete Hinweise“ auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt (Senatsurteil vom 12. November 2003 – VIII ZR 52/03, NZM 2004, 219, unter II 2 b, zu § 2 Abs. 2 Satz 1 MHG); dabei dürfen jedoch an die Begründung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (Senatsurteil vom 12. November 2003, aaO; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 558a Rdnr. 19: „erste Hinweise“; MünchKommBGB/Artz, 4. Aufl., § 558a Rdnr. 14 f.). Danach muss das Erhöhungsverlangen – in formeller Hinsicht – Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (Blank/Börstinghaus, aaO, Rdnr. 9; Staudinger/Emmerich, aaO; MünchKommBGB/Artz, aaO).
2. Nimmt der Vermieter – wie im vorliegenden Fall – zur Begründung seines Erhöhungsverlangens auf einen qualifizierten Mietspiegel Bezug (§ 558a Abs. 2 Nr. 1, § 558d BGB), so hat er die Angaben des Mietspiegels zur Wohnung, auf die er sein Erhöhungsverlangen stützt, dem Mieter mitzuteilen; dies ergibt sich nicht nur aus dem Zweck des Begründungserfordernisses, sondern unmittelbar aus der Bestimmung des § 558a Abs. 3 BGB. Das Begründungserfordernis nach § 558a Abs. 1 BGB wird durch § 558a Abs. 3 BGB für den Fall des Vorliegens eines qualifizierten Mietspiegels (§ 558d BGB) dahin konkretisiert, dass der Vermieter die Angaben, die ein qualifizierter Mietspiegel für die Wohnung enthält, dem Mieter im Erhöhungsverlangen in jedem Fall mitzuteilen hat, das heißt unabhängig davon, ob der Vermieter die Mieterhöhung auf diesen Mietspiegel oder auf ein anderes Begründungsmittel des § 558a Abs. 2 BGB stützt. Diese Bestimmung dient dazu, das Mieterhöhungsverlangen transparenter zu machen, und schreibt deshalb zwingend vor, dass der Vermieter die Angaben des qualifizierten Mietspiegels zur Wohnung in seinem Mieterhöhungsverlangen „stets“ mitzuteilen hat (Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Mietrechtsreformgesetz, BT-Drs. 14/4553, S. 55). Auch wenn die Vorschrift in erster Linie eine besondere Anforderung an die Begründung des Erhöhungsverlangens in den Fällen des § 558a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 BGB stellt, so erfasst sie doch auch den Fall des § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB, in dem der Vermieter zur Begründung seines Erhöhungsverlangens unmittelbar auf einen qualifizierten Mietspiegel Bezug nimmt.
3. Das Erhöhungsverlangen des Klägers vom 29. Oktober 2003 genügt den Anforderungen nach § 558a Abs. 3 BGB.
a) Bei der hier maßgeblichen Berliner Mietspiegeltabelle 2003 für die westlichen Bezirke handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel, der ein Raster aus mit Buchstaben und Ziffern bezeichneten Feldern enthält, in denen für bestimmte Kategorien von Wohnungen (gegliedert nach Größenordnung, Zeitraum der Bezugsfertigkeit, Wohnlage und Ausstattung) jeweils eine bestimmte Mietspanne ausgewiesen ist. In einem solchen Fall einer eindeutigen Zuordnung tatsächlicher Gegebenheiten einer Wohnung zu einer bestimmten Spanne in einem genau bezeichneten Feld des Mietspiegels ist im Erhöhungsverlangen die Mitteilung des konkreten Mietspiegelfeldes, das hinsichtlich Größe, Alter, Wohnlage und Ausstattung nach der Auffassung des Vermieters für die gemietete Wohnung einschlägig ist, ausreichend, um den Mieter auf die im Mietspiegel enthaltenen Angaben für die Wohnung, insbesondere die dort angegebene Spanne, hinzuweisen. Der Mietspiegel selbst muss dem Erhöhungsverlangen nicht beigefügt werden, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um einen im Amtsblatt veröffentlichten und damit allgemein zugänglichen Mietspiegel handelt (vgl. MünchKommBGB/Artz, aaO, Rdnr. 18 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558a Rdnr. 34; Staudinger/Emmerich, aaO, Rdnr. 25).
Mehr als die Angabe des für die Wohnung – nach Auffassung des Vermieters – einschlägigen Mietspiegelfeldes, das sowohl die Voraussetzungen für die Einordnung der Wohnung in dieses Feld als auch die sich daraus ergebende Spanne ausweist, ist nicht erforderlich, um dem Mieter eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die geforderte Miete innerhalb der im Mietspiegel angegebenen Spanne liegt. Bereits aufgrund der Mitteilung des Mietspiegelfeldes, das die Spanne enthält, kann der Mieter das betreffende Feld ohne weiteres im Mietspiegel finden und überprüfen, ob die vom Vermieter vorgenommene Einordnung der Wohnung in dieses Mietspiegelfeld zutrifft und ob die für die Wohnung geforderte Miete innerhalb der Spanne liegt (vgl. Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 558a Rdnr. 14a). Einer darüber hinausgehenden, ausdrücklichen Mitteilung der Spanne bedarf es dazu nicht (aA Schmidt-Futterer/Börstinghaus, aaO, Rdnr. 163). Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 558a Abs. 3 BGB (BT-Drs. 14/4553, aaO) ist eine weitergehende Begründungspflicht des Vermieters nicht herzuleiten. Soweit demgegenüber das Senatsurteil vom 12. November 2003 (aaO) zum Begründungserfordernis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 MHG – ohne Einschränkung – gefordert hat, dass der Vermieter, der sein Mieterhöhungsverlangen auf einen Mietspiegel stützen will, zur Begründung seines Begehrens die in der entsprechenden Kategorie des Mietspiegels genannten Mietzinsspannen (in jedem Fall) anzugeben hat, hält der Senat daran nicht fest.
b) Danach ist das Erhöhungsverlangen des Klägers vom 29. Oktober 2003 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Über die Angaben des Mietspiegels für die Wohnung (§ 558a Abs. 3 BGB) hat der Kläger die Beklagten informiert, indem er ihnen mitgeteilt hat, dass ihre Wohnung in das Mietspiegelfeld J1 des Berliner Mietspiegels 2003 für die westlichen Bezirke einzuordnen ist. Die Beklagten konnten, wenn sie die Berechtigung des Erhöhungsverlangens überprüfen wollten, durch Einblick in das Mietspiegelfeld J1 des Berliner Mietspiegels 2003 auf einen Blick ablesen, von welchen tatsächlichen Gegebenheiten der Wohnung hinsichtlich der Wohnfläche (90 qm und mehr), des Zeitraums der Bezugsfertigkeit (bis 1918), der Wohnlage (einfach) und der Ausstattung (mit Sammelheizung oder Bad, mit WC in der Wohnung) der Kläger ausgegangen ist und welche Spanne der Mietspiegel für eine solche Wohnung ausweist (2,46 EUR – 3,44 EUR/qm). Dem berechtigten Informationsbedürfnis der Beklagten, einen konkreten Hinweis zur Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu erhalten, hat der Kläger damit genügt.
III.
Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zur materiellen Berechtigung des Erhöhungsverlangens getroffen hat; sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).