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Abweichung der Ist-Mietfläche von der Soll-Mietfläche ein Mangel?

 Landgericht Kassel

Az: 1 S 452/00

Beschluss vom 29.03.2001

Vorinstanz: AG Wolfhagen – Az.: 2 C 468/99


Nach § 541 Abs. 1 S. 1 ZPO soll ein Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zu folgenden Fragen eingeholt werden:

 

1.        Stellt es einen Sachmangel der Wohnung im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB dar, wenn deren Fläche erheblich von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend zugrunde gelegt haben?

2.        Ab welcher prozentualen Abweichung kann gegebenenfalls von einer erheblichen, einen Sachmangel begründenden Flächenabweichung ausgegangen werden?

 

Gründe:

I.

Der Beklagte bewohnte vom 1.4.1997 bis zum 30.11.1998 eine Dachgeschosswoh­nung im Hause der Kläger, Brunnenstraße 10 in Wolfhagen. Als monatlicher Kaltmietzins für die Wohnräume nebst einem Stellplatz waren monatlich 525,00 DM vereinbart. Zur Wohnungsgröße enthält der Mietvertrag in § 1 Abs. 2 S. 2 folgende An­gaben: „Die Wohnfläche beträgt 75 qm2. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 28.3.1997, Bl. 4 – 7 d. A. Bezug genommen. Tatsächlich beträgt die Wohnfläche entsprechend der Berechnung des Dipl.-Ing. L vom 24. April 1998 gemäß DIN 283 lediglich 56,21 qm. Wegen dieser Flächenabweichung von 25,05334 % zahlte der Beklagte für die Zeit vom 01.01. bis 30.11.1998 statt der vereinbarten Nettomiete von 11 x 525,00 DM also insgesamt 5775,00 DM, lediglich einen Nettomietzins von insgesamt 3.817,35 DM, so dass eine Differenz von 1.957,65 DM besteht, deren Zahlung die Kläger mit der vorliegenden Klage begehren.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit es um die Zahlung des restlichen Kaltmietzinses geht – im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte wegen der erheblichen Wohnflächenabweichung von mehr als 25 % gemäß § 537 BGB zur Minderung des Mietzinses in entsprechender Höhe sowie zur Aufrechnung mit einem Anspruch wegen im Jahr 1997 zuviel gezahlten Mietzinses berechtigt gewesen sei.

Dieses Urteil greifen die Kläger mit der Berufung an, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben. Sie sind unter Berufung auf den Rechtsentscheid des OLG Dresden vom 15.12.1997 (WM 1998, 144) der Auffassung, dass der Beklagte mangels einer konkreten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der ehemals von ihm bewohnten Wohnung nicht zur Minderung berechtigt sei.

Der Beklagte widerspricht dieser Rechtsauffassung und behauptet zudem unter Beweisantritt, dass die Gebrauchstauglichkeit der Dachgeschosswohnung aufgrund der Wohnflächendifferenz auch tatsächlich eingeschränkt gewesen sei. Er habe verschiedene Einrichtungsgegenstände nicht aufstellen können, deren Unterbringung in der Wohnung bei einer Größe von 75 qm problemlos möglich gewesen wäre.

 

II.

Die eingangs formulierte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Unter Zugrundelegung des Rechtsentscheids des OLG Dresden vom 15.12.1997, in dem die Rechtsfrage ablehnend beschieden worden ist, wäre eine Beweisaufnahme zu der Behauptung des Beklagten, dass die Wohnflächendifferenz tatsächlich zu einer konkreten Gebrauchsbeeinträchtigung geführt habe, indem er nicht wie beabsichtigt sämtliche Einrichtungsgegenstände habe aufstellen können, Beweis zu erheben. Denn das OLG Dresden verlangt im Rahmen der Prüfung des § 537 BGB zusätzlich zu einer erheblichen Flächenabweichung, dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung gerade durch die geringere Wohnfläche konkret beeinträchtigt ist. Letzteres verstehe sich nicht von selbst und könne nicht im Wege einer schematischen Be­trachtung bejaht werden. Vielmehr müsse der Mieter im Einzelfall Umstände darle­gen und beweisen, aus denen sich für seinen konkreten Wohngebrauch eine Beeinträchtigung ergebe.

Wird die vorerwähnte Rechtsfrage demgegenüber nicht wie in der Entscheidung des OLG Dresden bejaht, mindert sich der Mietzins entsprechend der vom Beklagten berechneten Minderung um 131,53 DM. Darauf, ob für die Wohnung auch bei Angabe der tatsächlichen Wohnfläche 525,00 DM Miete objektiv angemessen und erzielbar wären, kommt es nicht an, weil die Minderung auf dem vereinbarten Verhältnis von Leistung und Gegenleistung basiert.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag tatsächlich um die Grundfläche handeln sollte, die möglicherweise tatsächlich 75 qm beträgt. Denn bei Dachgeschosswohnungen mit Dachschrägen wird nach der Verkehrsauffassung zwischen Grund- und Wohnfläche unterschieden. Unabhängig davon, ob den Miet­vertragspartnern die Berechnungsmethoden nach der DIN 283 oder nach der II. Rechnungsverordnung im Einzelnen bekannt sind, entspricht es der Verkehrssitte, die wiederum die Erwartungen der Beteiligten prägt, dass die Dachschrägen bei der Berechnung der Wohnfläche als Minderfläche angemessen berücksichtigt werden.

Eben so wenig zu beanstanden ist die nunmehr vom Beklagten vorgenommene Berechnung der Wohnfläche nach der ehemaligen DIN 283. Denn es handelt sich – wie beide Parteien nunmehr übereinstimmend mitgeteilt haben – nicht um öffentlich ge­förderten Wohnraum, für dessen Wohnflächenberechnung zwingend, worauf die Fußnote 2 des Mietvertragsformulars nochmals Bezug nimmt, die II. Berechnungsverordnung anzuwenden wäre. Die Wohnflächenberechnung nach der alten DIN 283 ist als eine mögliche Methode anerkannt (vgl. Kraemer, Mietraumfläche – Auswirkungen auf Mietpreis, Gewährleistung und Nebenkosten, NZM 1999, 156, 161 m. w. N.).

Die Minderung ist auch nicht wegen eines Gewährleistungsausschlusses im Zusammenhang mit der Übergabe der Wohnung ausgeschlossen. Selbst wenn der Beklagte hierbei bestätigt haben sollte, dass sich die Wohnung in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde und die Kläger nur für ausdrücklich vorbehaltene Mängel haften, könnte sich diese Vereinbarung ihrem Sinn nach nur auf die bei der Übergabebege­hung bemerkten oder ohne Weiteres sichtbaren Mängel beziehen. Ein weitergehender Gewährleistungsausschluss, der dieser Bestätigung nicht zu entnehmen ist, wäre ohnehin gemäß § 537 Abs. 3 BGB unwirksam.

Bei der Wohnflächenabweichung infolge von Dachschrägen handelt es sich nicht um eine Abweichung, die dem Mieter bei der Begehung der Wohnung in leerem Zustand sofort auffallen muss. Daher kann weder von einer positiven Kenntnis noch von einer grob fahrlässigen Nichtkenntnis ausgegangen werden.

Auch eine analoge Anwendung des § 539 BGB wegen vorbehaltloser Mietzinszahlung trotz späterer Mängelkenntnis kommt nicht in Betracht. Denn es steht nicht fest, wann der Beklagte erstmals von der Wohnflächenabweichung Kenntnis erlangt hat. Die von ihm vorgelegte Berechnung des Dipl.-Ing. L stammt vom 24.4.1998; unmittelbar darauf hat der Beklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5.5.1998 eine Minderung von monatlich 131,53 DM angekündigt und auch durchgeführt.

 

III.

Die hiernach entscheidungserheblichen Rechtsfragen möchte die Kammer in Abwei­chung von dem Rechtsentscheid des OLG Dresden dahingehend beantworten, dass bereits eine Wohnflächenabweichung von 10 % einen erheblichen Mangel darstellt, der zu einer entsprechenden Minderung berechtigt, ohne dass es auf die Auswirkungen dieser Flächenabweichung für den konkreten Wohngebrauch im Einzelfall ankommt.

Nach Auffassung der Kammer wird die Entscheidung des OLG Dresden dem allge­mein vertretenen subjektiven Fehlerbegriff nicht gerecht. Nach diesem kommt es nur darauf an, ob die Ist-beschaffenheit von der vertraglich vorausgesetzten Sollbeschaffenheit abweicht. Darauf, ob der Käufer, der Werkbesteller oder aber der Mieter die Sache, d. h., die Wohnung trotz der Minderfläche zu Wohnzwecken nutzen kann, ist nicht abzustellen. Denn den Maßstab der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch setzen die Vertragsparteien selbst, indem sie die Sollbeschaffenheit fest­legen (vgl. Kraemer a. a. O. NZM 1999, 1556, 1559 ff. und NZM 2000, 1121, 1122 m. w. N.; LG Hamburg WM 2000, 74). Nach den Grundsätzen des subjektiven Fehler­begriffs ist bei erheblichen Flächenabweichungen, die bei einer Abweichung von 10 % anzunehmen sind, von einem Mangel auszugehen, unabhängig davon, ob der Mieter einer Wohnung wie geplant sämtliche Einrichtungsgegenstände unterstellen kann oder sonst in seinem konkreten Wohngebrauch beeinträchtigt wird.

Die im Rechtsentscheid des OLG Dresden aufgeworfenen Fragen, ob der Mieter die Räume besichtigt hat und ob es ihm auf die angegebene Fläche ankam, sind richtigerweise für die Festlegung der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit von Bedeutung. Hierbei kann die Auslegung im Einzelfall ergeben, dass die Flächenangabe unbeachtlich ist, weil es dem Mieter, der die Wohnung besichtigt hat, gerade auf deren Lage, Zuschnitt oder Ausstattung ankam, nicht aber auf die zusätzlich vom Mieter erwähnte Wohnfläche. Ist die Wohnfläche allerdings wie vorliegend im Mietvertrag festgehalten, ist nach Auffassung der Kammer zunächst ohne weiteres da­von auszugehen, dass sie ein Merkmal der Sollbeschaffenheit bildet und damit eine erhebliche Flächenabweichung einen Mangel darstellt. Denn die Wohnungsgröße ist sowohl für den Wohnwert als auch für die Mietpreisbildung ein verkehrswesentlicher Maßstab. Demgegenüber muss der Vermieter Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich die Unbeachtlichkeit der Angabe der Wohnungsgröße für die Bestimmung der Sollbeschaffenheit ergibt.

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