BGH
Az: VIII ZR 223/10
Urteil vom 13.04.2011
Leitsatz:
Bemessungsgrundlage einer Mietminderung nach § 536 BGB ist die Bruttomiete (Miete einschließlich aller Nebenkosten) unabhängig davon, ob die Nebenkosten als Pauschale oder als Vorauszahlung geschuldet werden. Lediglich Gesichtspunkte der Praktikabilität und der Übersichtlichkeit können dafür sprechen, dass der Vermieter den Minderungsbetrag ausschließlich bei der Nettomiete verbucht. Dies führt insofern zu einer gewissen Vereinfachung, weil dann die Betriebskosten ohne Berücksichtigung der Minderung abgerechnet werden können. Rechtlich zwingend ist dies aber nicht. Möglich ist eine Anrechnung des Minderungsbetrages ausschließlich auf die Nettomiete ohnehin nur, wenn der Minderungsbetrag die Nettomiete nicht übersteigt. Andernfalls erfasst er zwangsläufig auch die Betriebskostenvorauszahlung (BGH, Urteil vom 13.04.2011, Az: VIII ZR 223/10).
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 7, vom 12. August 2010 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 19. August 2010 und vom 1. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in H. Wegen Mängeln der Wohnung minderte sie – von der Klägerin unbeanstandet – die monatliche Miete von 304 € in den Monaten August 2005 bis Februar 2006 jeweils um 64 € und von März bis Juni 2006 um monatlich 104 €. Die Miete setzte sich in dieser Zeit aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 250,53 € und einer Betriebskostenvorauszahlung von 53,47 € zusammen.
Die Klägerin macht Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2006 (183,81 €) und 2007 (112,57 €) sowie restliche Miete für Januar 2008 (77,84 €) geltend, insgesamt 374,22 € nebst Zinsen. Ihre Berechnung der Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen beruht darauf, dass die Klägerin die Mietminderung der Beklagten anteilig auf die Nettomiete und die Betriebskostenvorauszahlung anrechnet und in der jährlichen Abrechnung der Betriebskosten nur die entsprechend der Minderung reduzierten Vorauszahlungsbeträge gegenüber dem (ungeminderten) Jahresbetrag der auf die Beklagte entfallenden Betriebskosten in Ansatz bringt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage nur in geringem Umfang (2,83 € nebst Zinsen) stattgegeben; im Übrigen hat das Landgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihr abgewiesenes Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Berufung der Klägerin bleibe bis auf einen Nachforderungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2007 in Höhe von 2,83 € ohne Erfolg. Weitergehende Nachforderungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu, da trotz der von der Beklagten vorgenommenen Minderung die Vorauszahlungen in ungeminderter Höhe in die Betriebskostenabrechnungen einzustellen seien.
Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bruttomiete Bemessungsgrundlage für die Minderung. Dies führe aber nicht dazu, dass die Minderung anteilig auf die Nettomiete einerseits und die Betriebskostenvorauszahlungen andererseits anzurechnen sei, denn die Nettomiete und die Vorauszahlungen teilten ein unterschiedliches rechtliches Schicksal. Die Vorauszahlungen tilgten – im Gegensatz zu den Zahlungen auf die Nettomiete – die Miete nicht endgültig im Sinne des § 362 BGB; vielmehr sei über die Vorauszahlungen wegen deren Rechtsnatur noch abzurechnen, so dass deren Verbleib beim Vermieter nicht zwingend endgültig sei. Vor diesem Hintergrund erscheine es der Kammer sachgerecht und angemessen, die Vorschrift des § 366 BGB trotz der Einheitlichkeit der Miete entsprechend anzuwenden, da sich die beiden Forderungsteile insoweit rechtlich verselbständigt hätten. Dies führe im Fall des Fehlens einer ausdrücklichen Tilgungsbestimmung des Mieters – wie vorliegend – dazu, dass die Vorauszahlungsschuld vollständig und der Nettomietanteil der Mietforderung gemäß § 535 Abs. 2 BGB lediglich in der im Umfang des einbehaltenen Betrages geminderten Höhe gemäß §§ 362, 366 Abs. 2 BGB getilgt werde. Damit stehe der Klägerin aus der Betriebskostenabrechnung für das Abrechnungsjahr 2006 kein Anspruch und aus der Abrechnung für das Abrechnungsjahr 2007 lediglich noch ein Nachforderungsanspruch in Höhe von 2,83 € zu. Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für den Monat Januar 2008 nicht zu, da der Beklagten aus den gleichen Gründen ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004 zustehe, in dessen Höhe die Mietforderung für Januar 2008 durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2006 und 2007 über den vom Berufungsgericht zuerkannten Betrag hinaus keine Nachforderungen zustehen und aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2004 auch ein Anspruch auf Zahlung restlicher Miete für den Monat Januar 2008 nicht besteht.
1. Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass weitergehende Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen 2006 und 2007 nicht bestehen, wenn die von der Beklagten monatlich einbehaltenen Minderungsbeträge – entsprechend der Auffassung des Berufungsgerichts – voll auf die monatliche Nettomiete angerechnet werden und dementsprechend bei der Jahresabrechnung der Umlagen ungeminderte Betriebskostenvorauszahlungen der Beklagten in Ansatz gebracht werden. Sie meint aber, die monatlichen Minderungsbeträge müssten nach der Senatsrechtsprechung anteilig sowohl auf die Nettomiete als auch auf die Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet werden und bei einer solchen Aufteilung des Minderungsbetrages errechneten sich die von der Klägerin geltend gemachten Nachforderungen. Beides trifft nicht zu.
a) Der Senat hat nicht, wie die Revision meint, in seinem Urteil vom 20. Juli 2005 (VIII ZR 347/04, NJW 2005, 2773) entschieden, dass ein Betrag, den der Mieter wegen einer von ihm beanspruchten Minderung von der monatlichen Miete einbehält, anteilig sowohl auf die Nettomiete als auch auf die geschuldete Betriebskostenvorauszahlung angerechnet werden müsste. Er hat sich in diesem Urteil (aaO unter II 1 a) für die Wohnraummiete der Rechtsprechung des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angeschlossen, nach der die Bruttomiete (Miete einschließlich aller Nebenkosten) Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist und dies unabhängig davon gilt, ob die Nebenkosten als Pauschale oder als Vorauszahlung geschuldet werden (BGH, Urteil vom 6. April 2005 – XII ZR 225/03, BGHZ 163, 1, 6 ff.). Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass aus dieser Rechtsprechung nichts herzuleiten ist für die Frage, ob ein monatlicher Minderungsbetrag anteilig auf die Nettomiete und die monatliche Betriebskostenvorauszahlung anzurechnen ist.
Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es einer solchen Aufteilung des Minderungsbetrages auch nicht, um im Falle vereinbarter Betriebskostenvorauszahlungen etwaige Nachforderungen des Vermieters oder Guthaben des Mieters in der Jahresabrechnung der Betriebskosten unter Berücksichtigung der Minderung korrekt berechnen zu können. Da sich die Minderung, soweit sie gerechtfertigt ist, auf die Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten bezieht, kann erst aufgrund der Jahresabrechnung der Betriebskosten abschließend ermittelt werden, ob hinsichtlich der Gesamtmiete unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Minderung noch eine Nachforderung des Vermieters oder ein Guthaben des Mieters besteht. Dafür ist es unerheblich, ob und gegebenenfalls wie die monatlich einbehaltenen Beträge auf die Nettomiete einerseits und die Betriebskostenvorauszahlung andererseits angerechnet werden. Dies verkennt die Revision und hat auch das Berufungsgericht verkannt. Für das rechnerische Gesamtergebnis spielt es keine Rolle, ob der monatliche Minderungsbetrag, wie das Berufungsgericht für zwingend geboten gehalten hat, ausschließlich auf die Nettomiete angerechnet wird, oder ob, wie die Revision fordert, eine anteilige Anrechnung der Minderung sowohl auf die Nettomiete als auch auf die Betriebskostenvorauszahlung stattfindet.
b) In der mietrechtlichen Kommentarliteratur, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt, wird allerdings die Frage für erheblich gehalten, wie die Anrechnung einer Mietminderung bei vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen zu erfolgen hat, und die Auffassung vertreten, der auch das Berufungsgericht gefolgt ist, dass ein monatlicher Minderungsbetrag in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB nur auf die Nettomiete anzurechnen sei und nicht auf die geschuldete Betriebskostenvorauszahlung angerechnet werden dürfe (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 10. Aufl., § 536 BGB Rn. 350 ff., 360; wohl auch Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 5. Aufl., G Rn. 162). Ob dies zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn es handelt sich hierbei um ein Scheinproblem.
Bereits das Amtsgericht hat im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt, dass unterschiedliche Anrechnungsweisen zum gleichen Ergebnis führen (so auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO Rn. 358). Lediglich Gesichtspunkte der Praktikabilität und der Übersichtlichkeit können dafür sprechen, dass der Vermieter den Minderungsbetrag ausschließlich bei der Nettomiete verbucht. Dies führt insofern zu einer gewissen Vereinfachung, weil dann die Betriebskosten ohne Berücksichtigung der Minderung abgerechnet werden können (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO). Rechtlich zwingend ist dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht. Möglich ist eine Anrechnung des Minderungsbetrages ausschließlich auf die Nettomiete ohnehin nur, wenn der Minderungsbetrag die Nettomiete nicht übersteigt. Andernfalls erfasst er zwangsläufig auch die Betriebskostenvorauszahlung. Das steht einer korrekten Jahresabrechnung der Betriebskosten unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Minderung aber nicht entgegen. An der allein maßgeblichen Gesamtabrechnung ändert sich nichts durch unterschiedliche Anrechnungen der monatlichen Minderungsbeträge auf die monatliche Nettomiete einerseits und/oder die monatliche Betriebskostenvorauszahlung andererseits.
c) Auch im vorliegenden Fall spielt es keine Rolle, ob und gegebenenfalls wie die monatlichen Minderungsbeträge auf die monatliche Nettomiete und/oder die monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet werden. Denn eine Nachforderung der Klägerin aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2006 und 2007 besteht entgegen der Auffassung der Revision auch dann nicht, wenn die Minderung anteilig auf die geschuldeten Betriebskostenvorauszahlungen angerechnet würde.
Die Berechnung der geltend gemachten Nachforderungen ist im Ansatz fehlerhaft, weil die Klägerin den anteilig geminderten Betriebskostenvorauszahlungen einen ungeminderten Jahresbetrag der auf die Beklagte entfallenden Betriebskosten gegenüber gestellt hat. Dabei hat die Klägerin verkannt, dass bei einer anteiligen Anrechnung der Minderung auf die Betriebskostenvorauszahlungen auch der Jahresbetrag der geschuldeten Betriebskosten entsprechend zu reduzieren wäre. Dessen bedarf es aber nicht. Denn eine etwaige Nachforderung der Klägerin ist am einfachsten dadurch zu berechnen, dass die von der Beklagten im Abrechnungsjahr insgesamt geleisteten Zahlungen der von ihr geschuldeten Gesamtjahresmiete (Jahresbetrag der Nettomiete zuzüglich der abgerechneten Betriebskosten abzüglich des in dem betreffenden Jahr insgesamt gerechtfertigten Minderungsbetrages) gegenübergestellt werden. Dass der Klägerin bei einer solchen Gegenüberstellung Nachforderungen zustünden, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und macht auch die Revision nicht geltend.
2. Ein Anspruch auf Zahlung von 77,84 € restlicher Miete für den Monat Januar 2008 besteht ebenfalls nicht. Die Jahresabrechnung der Klägerin für das Jahr 2004 ist aus den gleichen Gründen fehlerhaft wie die Abrechnungen für die Jahre 2006 und 2007, so dass der Beklagten aus den Abrechnungen für die Jahre 2004, 2006 und 2007 das vom Berufungsgericht festgestellte Guthaben von zusammengerechnet 77,84 € zusteht und die Beklagte mit diesem Guthaben gegen den streitigen Teilbetrag der Miete für Januar 2008 wirksam aufgerechnet hat.