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Mieträume – Gebrauchserhaltungspflicht – verkehrssicherer Zustand

Oberlandesgericht Düsseldorf

Az: I-10 U 46/07

Urteil vom 20.09.2007


Leitsätze:

1. Die Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters umfasst (auch) die Gewährleistung eines verkehrssicheren Zustands der Mieträume und die Beachtung der diesbezüglichen öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften. Insbesondere hat der Vermieter das vermietete Gebäude im Falle starker Beschädigung in der Weise instandzusetzen, dass es genutzt werden kann, soweit es nicht zum Abriss vorgesehen ist.

2. Hierzu gehört es, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Dach des Gebäudes in einem Zustand befindet, der das Eindringen von Feuchtigkeit dauerhaft verhindert und durch den sichergestellt wird, dass eine anderweitige Schädigung des Mieters und der von ihm in den Mieträumen gelagerten Sachen verhindert wird.

3. Kommt es über Jahre immer wieder zu einem Feuchtigkeitseintritt in die Mieträume infolge vorhandener Dachundichtigkeiten, darf sich der Vermieter nicht damit begnügen, nur die jeweils konkrete Undichtigkeit beseitigen zu lassen, sondern er muss das Dach in der Weise sanieren, dass es – in den zeitlichen Grenzen einer gebotenen Erneuerung und von nicht vorhersehbaren Natureinwirkungen abgesehen – dauerhaft dicht ist.

4. Zur Frage, ob eine unbestimmt befristete Kündigung i.S.v. BGH, NJW 2004, 284 vorliegt, wenn das anwaltliche Kündigungsschreiben im letzten Absatz den Zusatz enthält, „…meine Mandantin wird schnellstmöglich neue Räume suchen und Ihnen in Kürze den Auszugstermin mitteilen“.

5. Zur angemessenen Frist gemäß § 314 Abs. 3 BGB.


Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. März 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien haben erstinstanzlich um wechselseitige Ansprüche aus einem Mietverhältnis gestritten. Wegen der insoweit getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen (GA 427-430). Das Landgericht hat auf den einseitigen Antrag der Klägerin die Erledigung der Feststellungsklage in der Hauptsache festgestellt und die auf Zahlung von Miete ab 9/04 in Höhe von insgesamt 34.518,36 EUR zzgl. bezifferter Zinsen in Höhe von 1.450,58 EUR gerichtete Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die ursprüngliche Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses sei zulässig und begründet gewesen, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 7.7.2004 gemäß § 543 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB beendet worden sei. Die Beklagte habe der Klägerin den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache teilweise entzogen, weil es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mehrfach zu Wasserdurchtritten durch das Dach der Werkshalle gekommen sei und der hierin liegende und nicht dauerhaft behobene Mangel die Klägerin zur fristlosen Kündigung berechtigt habe. Hieraus folge zugleich, dass der Beklagten für die Zeit ab 09/04 ein Mietzinsanspruch nicht mehr zustehe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen (GA 430 ff.).

Hiergegen richtet sich die am 04.04.2007 fristgerecht eingegangene Berufung der Beklagten. Sie meint, die Entscheidung des Landgerichts sei schon deshalb fehlerhaft, weil dieses übersehen habe, dass es sich bei der fristlosen Kündigung der Klägerin vom 07.07.2004 (GA 152) um eine i.S. von BGH NZM 2004, 66 unwirksame „unbestimmt befristete“ Kündigung handele. Das Landgericht habe ferner verkannt, dass die Kündigung im Lichte von § 314 Abs. 3 BGB jedenfalls verspätet gewesen sei. Darüber hinaus habe im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs auch kein den Tatbestand des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausfüllender Mangel vorgelegen. Insbesondere habe sich das Landgericht nicht über die Aussage des sachkundigen Dachdeckermeister E. hinwegsetzen dürfen, der klar bekundet habe, dass die Ausbesserungsstellen abgedichtet gewesen und dort auch kein Wasser mehr eingedrungen sei. Im Übrigen sei die Grenze der Unerheblichkeit nicht überschritten gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 02.05.2007 verwiesen (GA 461 ff..

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zunächst ihre erstinstanzlichen Anträge wiederholt und beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Klage abzuweisen

2. die Klägerin zu verurteilen, an sie 34.518,36 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank ab dem 03.08.2005 sowie 1.450,58 EUR zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24.05.2007 (GA 478 ff.) entgegen.

Nach Einführung des Senatsvorsitzenden in den Sach- und Streitstand, hat der Beklagtenvertreter sich für die Beklagte hinsichtlich der ursprünglich von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage der Erledigung angeschlossen und erklärt, „zugleich nehme ich die Widerklage zurück“. Der Klägervertreter hat erklärt, „ich stimme der Widerklagerücknahme nicht zu“.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Die Akte 74 A 5/04 AG Krefeld war zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Parteien haben die Feststellungsklage uneingeschränkt übereinstimmend für erledigt erklärt, so dass insoweit keine Entscheidung über den Streitgegenstand mehr ergehen kann, sondern nur noch nach billigem Ermessen eine Entscheidung über die (anteiligen) Kosten zu treffen ist (vgl. BGHZ 156, 335; 106, 359, 366), die zu Lasten der Beklagten ausfällt. Da aber die Erklärung der Beklagten, sie nehme die Widerklage zurück, prozessual keine Wirkung entfaltet, weil die Klägerin der Rücknahme nicht gemäß § 269 Abs. 1 ZPO zugestimmt hat, ist über den – nicht wirksam zurückgenommenen – Widerklageantrag sachlich zu entscheiden, ohne dass die Beklagte ihren zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zur Widerklage gestellten Antrag zu wiederholen brauchte (BGHZ 141, 185, 193).

Sachlich ist die Widerklage nicht begründet, so dass die zulässige Berufung der Beklagten keinen Erfolg hat. Das angefochtene Urteil beruht hinsichtlich der Widerklage im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Entscheidung. Das beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen.

1.

Mietzinsansprüche gemäß § 535 Abs. 2 BGB für die Zeit ab 09/04 in geltend gemachter Höhe von 34.518,36 EUR stehen der Beklagten gegen die Klägerin ebenso wenig zu wie die mit 1.450,58 EUR bezifferten Verzugszinsen. Da die Klägerin die gemieteten Räumlichkeiten mit Ablauf des Monats 08/04 an die Beklagte zurückgegeben hat und Streitgegenstand der Widerklage lediglich Mietzinsansprüche und Verzugszinsen für die Zeit danach sind, kann offen bleiben, welche der von der Klägerin im Rahmen ihres erstinstanzlichen Feststellungsbegehrens in der Form von Haupt- und zwei Hilfsanträgen gestaffelt zur Entscheidung gestellten drei außerordentlichen fristlosen Kündigungen aus wichtigem Grund (29.04., 19.05. und 07.07.2004) das Mietverhältnis der Parteien beendet hat (vgl. zur insoweit entgegen der Annahme des Landgerichts im Rahmen einer Feststellungsklage einzuhaltenden Prüfungsreihenfolge BGH, Urt. v. 25.4.2001, XII ZR 263/98, BGHReport 2001, 539). Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass das Mietverhältnis der Parteien jedenfalls durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 07.07.2004 wirksam gekündigt worden ist.

Die Klägerin war gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zum Ausspruch der Kündigung berechtigt. Danach liegt ein wichtiger Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird. Letzteres kommt gerade auch beim Auftreten eines Mangels in Betracht (BGH, NJW 2007, 2474), wie er hier nach dem durch das Landgericht, auf dessen Ausführungen verwiesen wird (UE S. 6), zutreffend gewürdigten Ergebnis der Beweisaufnahme mit den zweitinstanzlich von der Beklagten auch nicht mehr bestrittenen, mehrfach aufgetretenen und ihr angezeigten Dachundichtigkeiten anzunehmen ist.

Soweit nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig ist, wenn der wichtige Grund – wie hier – in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag besteht, hat die Beklagte die Ursache der Feuchtigkeitseinbrüche nicht innerhalb der ihr mit anwaltlichen Schreiben vom 14.06.2004 letztmalig zum 30.06.2004 gesetzten Frist dauerhaft beseitigt.

Die Beklagte beruft sich demgegenüber ohne Erfolg auf einen Verstoß gegen § 286 ZPO, weil das Landgericht die Aussage des Zeugen E., die Ausbesserungsstellen seien abgedichtet gewesen und dort sei kein Wasser mehr eingedrungen, nicht hinreichend gewürdigt habe. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung heißt es hierzu, „Soweit die Beklagte sich darauf berufe, durch die letzte Reparatur des Zeugen E. am 29.04.2004 sei das Dach endgültig dicht, ändere dies zur Überzeugung des Gerichts nichts an der grundsätzlichen, die Klägerin zur fristlosen Kündigung berechtigenden Mangelhaftigkeit der Mietsache. Denn aus dem Gutachten des Sachverständigen S. ergebe sich, dass auch nach den Reparaturmaßnahmen des Zeugen E. eine dauerhafte Dichtigkeit des Hallendaches nicht gegeben sei.“ Mit diesem Inhalt ist die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Urteils nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen E. im Hinblick auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen S. zu recht keine streitentscheidende Bedeutung beigemessen und die Mängelbeseitigungsversuche der Beklagten nicht als ausreichend angesehen. Auch der Senat geht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme davon aus, dass die Beklagte aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls zu einer umfassenden Sanierung des Daches verpflichtet war und die ihr gegenüber der Klägerin gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegende Pflicht, den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache während der Dauer der Mietzeit zu gewährleisten, nicht bereits durch die jeweiligen Einzelreparaturmaßnahmen des Zeugen E. erfüllt hat. Die Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters umfasst (auch) die Gewährleistung eines verkehrssicheren Zustands der Mieträume und die Beachtung der diesbezüglichen öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften. Insbesondere hat der Vermieter das vermietete Gebäude im Falle starker Beschädigung in der Weise instandzusetzen, dass es genutzt werden kann, soweit es nicht zum Abriss vorgesehen ist. Hierzu gehört es, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Dach des Gebäudes in einem Zustand befindet, der das Eindringen von Feuchtigkeit dauerhaft verhindert und durch den sichergestellt wird, dass eine anderweitige Schädigung des Mieters und der von ihm in den Mieträumen gelagerten Sachen verhindert wird (Senat, DWW 1999, 294 = NZM 2000, 464 = OLGR 1999, 440 = ZMR 1999, 627). Gegen diese Grundsätze hat die Beklagte verstoßen, denn sie hat sich statt der den Umständen nach gebotenen Sanierung des Daches mit Einzelreparaturmaßnahmen begnügt, die zur dauerhaften Mangelbeseitigung nicht geeignet waren. Zwar sind die zur Instandsetzung notwendigen Maßnahmen grundsätzlich dem Vermieter vorbehalten. Der Mieter kann ihm im Regelfall nicht vorschreiben, auf welche Art und Weise die vorhandenen Mängel zu beseitigen sind. Der Mieter muss sich nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts aber auch nicht mit provisorischen Reparaturmaßnahmen begnügen, sondern kann eine dauerhafte Mängelbeseitigung verlangen. Jedenfalls dann, wenn es – wie hier – nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme über Jahre immer wieder zu einem Feuchtigkeitseintritt in die Mieträume infolge vorhandener Dachundichtigkeiten gekommen ist, darf sich der Vermieter nicht damit begnügen, nur die jeweils konkrete Undichtigkeit beseitigen zu lassen, sondern er muss das Dach in der Weise sanieren, dass es – in den zeitlichen Grenzen einer gebotenen Erneuerung und von nicht vorhersehbaren Natureinwirkungen abgesehen – dauerhaft dicht ist. Dies war hier nicht der Fall. Der Zeuge Werner U. (GA 287), der seit elf Jahren in dem Betrieb beschäftigt ist, hat insoweit bekundet, Feuchtigkeitseinbrüche habe es über einen längeren Zeitraum gegeben. Es habe immer mal wieder getröpfelt, aber auch massive Einbrüche gegeben. Der Zeuge K. (GA 288) hat ausgesagt, er sei seit 15 Jahren bei der Beklagten (gemeint ist der Betrieb der Klägerin) beschäftigt. Er habe überwiegend in der Halle gearbeitet und es seien immer wieder Leckagen aufgetreten und es habe durch die Decke auf die Maschinen getropft. In 2004 seien dann auch an Stellen Leckagen aufgetreten, die vorher völlig „wasserfrei“ gewesen seien. Hiermit korrespondieren die Angaben des seit 1997 bei der Beklagten (gemeint ist der Betrieb der Klägerin) beschäftigten Zeugen K., wonach bei starkem Regen immer Wasser reingetropft sei. In gleicher Weise hat die Zeugin U. (GA 287) davon gesprochen, dass es nach starken Regenfällen immer feucht gewesen sei. Auch der Zeuge D. (GA 289), der seine Firma etwa in 2002 an die Beklagte (gemeint ist die Klägerin) verkauft hat und für diese noch drei Tage in der Woche beratend tätig ist, hat bekundet, die Häufigkeit der Wassereinbrüche habe sich seit dem Einzug gesteigert. Auch in 2004 habe es fünf bis sechs Wassereinbrüche gegeben. Damit meine er nicht die kleineren Wassereinbrüche von oben, das seien dann nur Tröpfeleien von oben gewesen. Es sei immer ein ziemlicher Aufwand gewesen, die Maschinen zu reinigen. Die Beeinträchtigung der Maschinen durch von oben tropfendes Wasser hat auch der Zeuge B. (GA 290), der nur ca. ein Jahr bei der Klägerin beschäftigt war (bis 31.08.2004), geschildert. Danach hätten sie morgens immer wieder Wasser auf den Werkbänken vorgefunden. Daran seien sie eigentlich gewohnt gewesen. Gegenteiliges hierzu ist den Aussagen der Zeugen E., Z. und S. mangels Ergiebigkeit ihrer Ausführungen nicht zu entnehmen.

Den maroden Zustand des Daches hat der Sachverständige S. in seinem im Verfahren 74 H 5/04 (AG Krefeld) auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten vom 05.05.2004 (GA 46 ff.) bestätigt und nachvollziehbar und anschaulich zusammenfassend ausgeführt, Ursache für die Nässe- und Feuchteschäden in der Halle seien unzureichend durchgeführte Instandsetzungsarbeiten am Flachdach und dessen Anschlüssen. Diese stellten keine dauerhafte Lösung dar. In seinem von der Kammer eingeholten Ergänzungsgutachten vom 22.05.2006 (GA 342 f.) hat der Sachverständige nach erneuter Ortsbesichtigung und unter Verweis auf sein Erstgutachten daran festgehalten, dass durch die Nachbesserungsarbeiten der Fa. E. gemäß ihrer Rechnung vom 29.04.2004 keine dauerhafte Dichtigkeit des Daches gewährleistet war. Vor dem Hintergrund der nach den Zeugenaussagen in der Vergangenheit immer wieder zu verzeichnenden Wassereintritte bestand damit auch nach Vornahme punktueller, konkreter Reparaturmaßnahmen die fortbestehende Gefahr eines jederzeitigen neuen Wassereintritts an anderer Stelle, so dass eine Störung des Mietgebrauchs im Sinne der von der Berufung zitierten Fundstelle (Emmerich/Sonnenschein, Miete-Handkommentar, 8. Aufl., § 543 BGB, RdNr. 17) nicht nur zu befürchten war, sondern sich bereits konkret verwirklicht hatte. Der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten, der Zeuge R., hat dies offenbar selbst so gesehen. Nach seinen Angaben (GA 285 f.) hat er dem Zeugen E. schon Ende 2003 gesagt, er müsse sich um das Dach kümmern. Dieses solle komplett neu gemacht und alle Schäden behoben werden.

Ohne Erfolg beruft sich die Berufung darauf, das angefochtene Urteil lasse eine gedankliche Auseinandersetzung mit der Problematik vermissen, ob überhaupt eine ins Gewicht fallende Gebrauchsentziehung angenommen werden könne. Die Ausführungen des Landgerichts lassen insoweit keinen Rechtsfehler erkennen. Zwar hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit der Frage nach der Erheblichkeit des Mangels beschäftigt. Abgesehen davon, dass der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten hierzu auch keine Veranlassung gab, waren die zur Überzeugung des Senats feststehenden Feuchtigkeitsschäden auch nicht unwesentlich. Als unerheblich ist ein Fehler insbesondere dann anzusehen, wenn er leicht erkennbar ist und schnell und mit geringen Kosten beseitigt werden kann, so dass etwa die Geltendmachung einer Minderung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, GE 2005, 666 = GuT 2005, 166 = NJW 2005, 1713 = NZM 2005, 455 = WuM 2005, = ZMR 2005; BGHReport 2004, 1615, 1616). Diese Voraussetzungen liegen zum einen schon deshalb nicht vor, weil es bei wertender Betrachtung auf die Gesamtheit der Feuchtigkeitsschäden und die hierdurch verursachten Beseitigungskosten ankommt, so dass die Kosten für die einzelnen Reparaturmaßnahmen keine Rolle spielen. Zum anderen musste es die Klägerin nach Treu und Glauben weder hinnehmen, dass morgens auf den Werkbänken ihrer Mitarbeiter immer wieder Wasser stand (Aussage des Zeugen B.) noch dass mit der Reinigung der Maschinen ein ziemlicher Aufwand verbunden war (Aussage des Zeugen D). Damit war die Erheblichkeitsschwelle des § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB weit überschritten.

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Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht daran, dass es sich um eine unbestimmt befristete Kündigung handelt. Zwar ist eine unbestimmt befristete Kündigung regelmäßig unwirksam (BGH, NJW 2004, 284 = NZM 2004, 66). Dies beruht auf der Überlegung, dass die Kündigung als Gestaltungsrecht es dem Kündigenden ermöglicht, einseitig in die Rechtsverhältnisse einer anderen Person einzugreifen. Diese muss aber, wenn sie schon der fremden Gestaltung unterworfen ist, vor Unbilligkeiten geschützt werden. Für den Vermieter ist das Ende der Mietzeit von entscheidender Bedeutung, weil davon die Möglichkeit einer Neuvermietung abhängt. Die Ungewissheit, ob und wann das Mietverhältnis durch die Kündigung aufgelöst ist, kann ihm deshalb nicht zugemutet werden.

Anders als in dem Fall des BGH hat die Klägerin die Beklagte hier aber nicht in unzumutbarer Weise im Ungewissen darüber gelassen, ob die Ausübung der Kündigung zu einer Umgestaltung des Mietverhältnisses führt oder nicht. Während das Kündigungsschreiben des Mieters in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt lautete, „… nach § 542 Abs. 1 BGB kündigen wir hiermit den Mietvertrag außerordentlich. Die Kündigung wird nicht mit sofortiger Wirkung ausgesprochen, sondern zu dem Zeitpunkt, an dem wir andere Geschäftsräume beziehen können.“, heißt es demgegenüber im anwaltlichen Kündigungsschreiben der Klägerin (GA 152), „… Da Ihre Mandantin die Feuchtigkeitsschäden…entsprechend den gutachterlichen Feststellungen bis heute nicht beseitigt hat, erkläre ich aus diesem Grunde nochmals …fristlose, d.h. außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses…Die Kündigung wird neben den bereits in den früheren Kündigungsschreiben ausgeführten Gründen nunmehr auch auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützt…“. Mit diesem Inhalt hat die Klägerin ihre Kündigung bei verständiger Würdigung gemäß §§ 133, 242 BGB und für die Beklagte erkennbar wegen der vorhandenen Feuchteschäden unbedingt erklärt und keinen Zweifel an ihrer sofortigen Wirksamkeit gelassen. Dass das Kündigungsschreiben selbst keinen (konkreten) Auszugstermin nennt, sondern im letzten Absatz den Zusatz enthält, „Wie bereits erörtert, wird meine Mandantin schnellstmöglich neue Räume suchen und Ihnen in Kürze den Auszugstermin mitteilen“, lässt vernünftige Zweifel an der von der Klägerin gewollten, sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht aufkommen und führt für sich allein nicht zur Annahme einer unwirksamen, unbestimmt befristeten Kündigung. Der Kündigungserklärung sind weder im Wege der Auslegung noch nach dem Vortrag der Beklagten hinreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Kündigung – wie im Fall des BGH (a.a.O.) – ihre Wirkung erst dann entfalten sollte, wenn die Klägerin Ersatzräumlichkeiten gefunden hatte. Dass es in einem späteren Schreiben der vormaligen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.08.2004 heißt, diese behalte sich wegen eines aktuellen Wassereintritts Schadensersatz- und weitere Ansprüche vor, belegt entgegen der Annahme der Beklagten ebenfalls nicht, dass die Beendigungswirkung der Kündigung vom 07.07.2004 erst eintreten sollte, wenn die Klägerin anderweitige Geschäftsräume gefunden hatte.

Die Beklagte beruft sich auch ohne Erfolg auf eine Verwirkung der fristlosen Kündigung. Zwar ist die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß § 314 Abs. 3 BGB in angemessener Frist auszusprechen (BGH, GE 2007, 711 = GuT 2007, 130 = NZM 2007, 400 = ZMR 2007, 525). Diese beginnt gemäß § 314 Abs. 3 BGB mit der Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes durch den Berechtigten. Welche Frist danach im Einzelfall noch als angemessen gilt, entzieht sich jedoch einer generalisierenden Betrachtung, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese liegen hier so, dass die Klägerin erstmals seit Vorlage des im selbständigen Beweisverfahren vorgelegten Gutachtens des Sachverständigen S. vom 05.05.2004 positive Kenntnis erlangt hat, dass die bisherigen Nachbesserungsversuche der Beklagten eine dauerhafte Beseitigung der wiederkehrenden Feuchtigkeitsschäden nicht bewirken konnten. Die danach bis zum 07.07.2004 verstrichene Frist ist jedenfalls noch angemessen i.S. des § 314 Abs. 3 ZPO. Auch der BGH hat in seinem Urteil vom 21.03.2007 (a.a.O.) einen Zeitraum von ca. vier Monaten zwischen Kenntnis des Kündigungsgrundes und Kündigungsausspruch noch als angemessen behandelt. Die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat keine Umstände dargelegt, die hiervon abweichend eine frühere Kenntnis der Klägerin belegen. Diese ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus den Aussagen der Zeugen W. und M. U., K., D. und M. Zwar ist diesen Aussagen gemeinsam, dass es schon über längere Zeiträume zu Feuchtigkeitsschäden infolge von vorhandener Dachundichtigkeit gekommen ist. Da der Mietvertrag mit der B. D. GmbH, in den die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin eingetreten ist, aber erst am 12.11.2000 für die Zeit ab 1.7.2001 (Mietbeginn) abgeschlossen worden ist, sind für die Kenntnis der Klägerin i.S. des § 314 Abs. 3 ZPO nur Feuchtigkeitsschäden von Bedeutung, die nach dem Mietbeginn aufgetreten sind. Wann welche Schäden seit dem 01.07.2001 aufgetreten sind, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Es kommt hinzu, dass die Beklagte – wie insbesondere der mit der Klageschrift vorgelegten wechselseitigen Korrespondenz zu entnehmen ist – in 2003 und Anfang 2004 mehrfach versucht hat, die an unterschiedlichen Stellen auftretende Dachundichtigkeit zu beseitigen. Ihr vormaliger Geschäftsführer hat dem Geschäftsführer der Klägerin Ende 2003 sogar die komplette Dacherneuerung in Aussicht gestellt (GA 286). Vor diesem Hintergrund durfte und musste die Klägerin den Erfolg der Mängelbeseitigungsmaßnahmen und insbesondere abwarten, ob die Beklagte die avisierten Sanierungsarbeiten vornehmen würde, wollte sie sich nicht ihrerseits den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung gefallen lassen müssen (BGH GE 2006, 1563 = GuT 2006, 312 = NJW 2007, 147 = NZM 2006, 92 = WuM 2007, 72 = ZMR 2007, 98).

2.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 91 a, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Feststellungsklage hat der Senat die insoweit angefallenen Kosten im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung in Anwendung der Grundsätze des § 91 a ZPO den Beklagen auferlegt. Die Feststellungsklage war bis zu ihrer Erledigung zulässig und – wie aus den Ausführungen vorstehend zu Ziffer 1 hervorgeht – jedenfalls auch hinsichtlich des Feststellungshilfsantrages zu 2), mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt hat, dass das Mietverhältnisses durch die Kündigung vom 07.07.2004 beendet worden ist, begründet. Da der Beklagte bei der hier vorliegenden wirtschaftlichen Identität i.S. des § 45 Abs. 1 GKG zwischen dem Haupt- und den beiden Hilfsfeststellungsanträgen die Kosten auch dann zu tragen hat, wenn die Feststellungsklage nur hinsichtlich des letzten Hilfsfeststellungsantrags begründet ist, bedarf es keiner Entscheidung über die Berechtigung der mit Schreiben vom 29.04 und 19.05.2004 ausgesprochenen und zum Gegenstand des Haupt- und Hilfsfeststellungsantrags zu 1) gemachten fristlosen Kündigungen der Klägerin.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 34.518,36 EUR.

Der Wert des ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Feststellungsantrages über die Beendigung des Mietverhältnisses durch die fristlose Kündigung vom 20.04.2004 beurteilt sich nach § 41 Abs. 1 GKG. Hiernach ist der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts maßgeblich, wenn nicht das einjährige Entgelt geringer ist. Bei einer Klage auf Feststellung, dass die zu einem bestimmten Termin ausgesprochene fristlose Kündigung durchgreift, kommt es für den Beginn der streitigen Zeit auf den Zeitpunkt der fristlosen Kündigung an, und zwar auch dann, wenn er vor der Rechtshängigkeit des Feststellungsantrages liegt (BGH, NJW-RR 2006, 378; NJW-RR 2005, 867). Da der streitgegenständliche Mietvertrag erstmals zum 30.06.2011 durch Widerspruch gegen seine automatische Verlängerung hätte beendet werden können, beträgt die streitige Zeit mehr als ein Jahr, so dass das einjährige Entgelt (= 34.518,36 EUR) anzusetzen ist. Eine Wertaddition zwischen dem Haupt- und den beiden Hilfsfeststellungsanträgen scheidet nach § 45 Abs. 1 GKG aus. Da auch die Streitgegenstände der Feststellungsklage und der auf Mietzahlung gerichteten Widerklage im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG identisch sind (BGH, a.a.O.; Beschl. v. 25.7.2007, XII ZR 37/07), ist für die Wertberechnung nur der – höhere – Streitwert maßgeblich. Das ist für das Berufungsverfahren der Streitwert der Widerklage. Zwar haben erstinstanzliche Feststellungs- und Widerklage hier mit 34.518,36 EUR den gleichen Wert. Nach einseitiger Teilerledigungserklärung bestimmt sich jedoch der Wert des Streitgegenstandes nur noch nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2006, GE 2007, 362 zur vergleichbaren Berechnung der Beschwer). Diese liegen unter dem Wert der Widerklage. Die mit der Widerklage zugleich geltend gemachten bezifferten Verzugszinsen in Höhe von 1.450,58 EUR bleiben als Nebenforderung i.S. des § 4 ZPO unberücksichtigt (BGH, Urt. v. 12.6.2007, VI ZR 200/06).

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