AG Neustadt (Rübenberge), Az.: 41 C 630/15, Urteil vom 28.09.2015
1. Der Beklagte wird verurteilt, die Bürgschaftserklärung vom 22.03.2010 für den Mietvertrag im Hause ……….im 2. Obergeschoss links mit der Mieterin X. herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 85,61 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschlossen:
5. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 800,–Euro.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Herausgabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaft.
Mit Mietvertrag vom 10.04.2010 vermietete der Beklagte der Tochter des Klägers eine Wohnung in der…….. Mietbeginn war der 01.06.2010. Es war eine Staffelmiete vereinbart, die in den ersten zwei Jahren 315,00 Euro netto betrug. In § 23 des Mietvertrages wurde als Mietsicherheit eine Kaution in Höhe von 945,00 Euro vereinbart, die der Kläger dem Beklagten am 25.05.2010 überwies. In § 25 des Mietvertrages unter „sonstige Vereinbarungen“ wurde auf die Anlage zum Mietvertrag vom 10.04.2010 verwiesen. Diese wurde vom Beklagten als Vermieter und von der Tochter des Klägers und Zeugin X. als Mieterin unterzeichnet. Unterhalb der Unterschrift befindet sich der handschriftliche Zusatz „Der Vertrag wird vorbehaltlich der Übersendung der Originale des Fragebogens und der Bürgschaftserklärung abgeschlossen“. Dieser Zusatz wurde von der Mutter des Beklagten ergänzt und von dieser sowie von der Mieterin X. unterschrieben. Anschließend übersandte der Kläger dem Beklagten die selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung vom 22.03.2010. Dort heißt es im letzten Absatz:
„Die Bürgschaft wird freiwillig und ohne Aufforderung des Vermieters abgegeben um den Mietvertragsabschluss zu ermöglichen und erlischt erst, wenn nach Beendigung des genannten Mietvertrages sämtliche Zahlungsansprüche des Vermieters befriedigt sind“.
Wegen der weiteren Einzelheiten der selbstschuldnerischen Bürgschaft wird auf die Anlage B2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 11.05.2015 (Bl. 52 d.A.) Bezug genommen.
Vor dem Vertragsschluss übersandte die Tochter des Klägers X. dem Beklagten in der E-Mail vom 24.03.2010 einige Unterlagen. Sie fragte, wer den Mietvertrag unterzeichnen solle und schlug vor, dass sie den Mietvertrag allein unterzeichnen könne, da die Bürgschaft der Eltern vorhanden sei und der Beklagte somit die volle Sicherheit habe, dass sie ihm nichts schuldig bleiben werde.
Mit Schreiben vom 27.07.2014 forderte der Beklagte vom Kläger aus der Bürgschaft einen Kostenvorschuss in Höhe von 800,–Euro für Renovierungsarbeiten, die der Kläger zahlte. Mit Schreiben vom 17.09.2014 forderte der Kläger den Beklagten auf, die geleisteten 800,–Euro zurückzuzahlen und die Bürgschaftserklärung herauszugeben. Der Beklagte erstattete dem Kläger zwar die 800,–Euro, verweigerte aber die Herausgabe der Bürgschaftserklärung.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Herausgabe der Bürgschaftserklärung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Abschluss des Mietvertrages von der Übergabe der Bürgschaftserklärung abhängig gemacht. Im Rahmen der Wohnungsbesichtigung habe der Beklagte geäußert, dass die Vermietung davon abhängig sei, dass die Mietinteressenten alle übersandten Dokumente, unter anderem die Bürgschaftserklärung, vorlege.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die Bürgschaftserklärung vom 22.03.2010 für den Mietvertrag im Hause „………“ im 2. Obergeschoss links mit der Mieterin X. herauszugeben;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 85,68 Euro nebst 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, der Kläger habe die Bürgschaftserklärung freiwillig abgegeben, sie sei nicht durch den Beklagten verlangt worden. Sofern seine Mutter den Zusatz unter den Vertrag gesetzt habe, sei dies ohne Genehmigung durch den Beklagten erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 20.07.2015 (Bl. 80 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen X. und Y..
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.09.2015 (Bl. 85 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde aus § 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zu.
Der Beklagte hat die Bürgschaftsurkunde auf Kosten des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt.
Der zwischen den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag ist wegen Übersicherung gemäß § 134 BGB nichtig.
Es liegt ein Verstoß gegen § 550b Absatz 1 BGB vor. Danach darf die Mietsicherheit bei einem Mietverhältnis über Wohnraum das Dreifache des auf einen Monat entfallenen Mietzinses nicht übersteigen.
Der Beklagte hat bereits mit der Zahlung der Kaution in Höhe von 945,00 Euro eine Sicherheit in Höhe von drei Monatsmieten erhalten. Durch die Bürgschaftsurkunde hat der Beklagte eine darüber hinausgehende Sicherheit erhalten, die den Betrag von drei Monatsmieten zusammen mit der Mietkaution übersteigt.
§ 550b Absatz 1 Satz 1 BGB will den Mieter unter Anerkennung des Sicherungsbedürfnisses des Vermieters vor zu großen Belastungen bewahren und Erschwerungen für den Abschluss neuer Mietverträge entgegenwirken, die in mobilitätshemmender Weise von hohen Kautionsforderungen ausgehen können. Der Schutzzweck der Norm gebietet eine Auslegung, die keine Rücksicht darauf nimmt, ob die Verpflichtung zur Leistung der Sicherheit im Mietvertrag vereinbart und zum Beispiel durch Abschluss eines Bürgschaftsvertrages erfüllt wird oder der Mieter auf Verlangen des Vermieters eine Sicherheit durch Bürgschaft stellt und damit die Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages schafft. Die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Mieters wird in beiden Fallgestaltung gleichermaßen eingeschränkt. § 550b Absatz 1 Satz 1 BGB gilt für jede Form der Sicherheit, nicht nur für Barkautionen, sondern auch für Bürgschaften. Auch Mehrfachsicherungen sind unwirksam, soweit sie zusammengerechnet drei Monatsmieten übersteigen (BGH, Urt. vom 20.04.1989, Az. IX ZR 212/88 – juris).
Etwas anderes kann nur gelten, wenn unaufgefordert ein Dritter dem Vermieter eine Bürgschaft für den Mieter zusagt und dieser sodann mit dem Mieter in Verhandlungen eintritt und den Vertrag abschließt. Es widerspricht nicht dem Schutzzweck des § 550b BGB, wenn Eltern für ihre Kinder – anstelle einer Anmietung im eigenen Namen – von sich aus einem Vermieter eine Bürgschaft für den Fall eines Vertragsabschlusses zusagen. Das gilt zumindest dann, wenn mit einer solchen Bürgschaft erkennbar keine besonderen Belastungen für den Mieter verbunden sind. Der Wortlaut von § 550b BGB steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Vermieter darf über den Rahmen von § 550 Absatz 1 BGB hinaus keine zusätzliche Sicherheit von seinem Mieter fordern. Verbürgt sich dagegen ein Dritter unaufgefordert unter der Bedingung des Abschlusses eines Mietvertrages gegenüber dem Vermieter, ohne dass dadurch erkennbar der Mieter belastet wird, ist die Annahme einer solchen Bürgschaft durch den Vermieter wirksam und die Bürgschaft selbst nicht nach § 550b Absatz 3 BGB zu beanstanden (BGH, Urt. vom 07.06.1990, Az. IX ZR 16/90 – juris).
Ein solches freiwilliges und aufgefordertes Bürgschaftsversprechen durch den Kläger liegt nicht vor.
Es ergibt sich insbesondere nicht aus der E-Mail der Zeugin X. vom 24.03.2014 an den Beklagten, in der sie die Bürgschaft angesprochen hat. Für die freiwillige und unaufgeforderte Zusage der Bürgschaft ist eine Erklärung des Dritten und nicht des Mieters notwendig.
Es steht vielmehr zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte den Mietvertrag unter die Bedingung des Erhalts der Bürgschaft gestellt hat. Dies steht fest aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen X. und Y.. Die Zeugin X. hat bekundet, sie habe mit dem Beklagten das Thema Bürgschaft besprochen. Der Beklagte habe ihr einige Unterlagen übersandt, die sie einreichen sollte. Sie denke, die Bürgschaft sei dabei gewesen, sie selbst habe keine vorbereitet. Dies wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen Y., der bekundet hat, die Zeugin X. habe ihm erzählt, dass unter anderen Unterlagen auch eine Mietbürgschaft erforderlich sei. Ferner haben beide Zeugen übereinstimmend bekundet, dass die Mutter des Beklagten am Tag der Vertragsunterzeichnung geäußert habe, dass sie sie den Vertrag eigentlich nicht unterschreiben lassen dürfe, wenn die Bürgschaft nicht vorliege. Das Gericht folgt den überzeugenden Aussagen der Zeugen X. und Y.. Die Aussagen der Zeugen sind plausibel und widerspruchsfrei, insbesondere haben die Zeugen Erinnerungslücken offengelegt und der Zeuge Y. hat stets von sich aus offengelegt, wenn er Informationen nur aus Erzählungen von Frau X. hatte.
Da mit der Bürgschaft eine Übersicherung eingetreten ist, ist der Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verpflichtet.
Der Kläger hat gemäß § 280, 286, 288 BGB einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 85,68 Euro.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts fußt auf §§ 3 ZPO, 43 GKG.