BGH
Az: VIII ZR 255/04
Urteil vom 13.07.2005
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 25. Mai 2005 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte zu 2 und ihr früherer Ehemann, der Beklagte zu 1, bewohnten aufgrund eines Mietvertrags vom 19. Juli 1984 eine Wohnung der Kläger in B. . Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch den Beklagten zu 1 hielt sich die Beklagte zu 2 über mehrere Monate hinweg im Ausland auf; dies war dem damaligen Vermieter – dem Rechtsvorgänger der Kläger – bekannt. Der Beklagte zu 1 trug in die zur Bezeichnung des Mieters vorgesehenen Leerzeilen des Mietvertragsformulars handschriftlich seinen eigenen Namen sowie den Namen der Beklagten zu 2 ein und unterzeichnete den Vertrag mit seinem Namen. Nach § 3 Ziff. 2 des Mietvertrags werden die Schönheitsreparaturen vom Mieter getragen.
Im Mai 1995 trennten sich die Eheleute. Der Beklagte zu 1 zog aus der Wohnung aus, ohne den Vermieter hierüber zu unterrichten. Seitdem nutzte die Beklagte zu 2 die Wohnung allein und leistete Mietzahlungen. Aufgrund eines an beide Beklagten gerichteten Mieterhöhungsverlangens vom 8. März 1996 zahlte die Beklagte zu 2 ab Mai 1996 eine erhöhte Miete. Mit Schreiben vom 28. Juli 1998 erklärte die Beklagte die Kündigung „der Wohnung“. In einem Schreiben vom 5. Juli 1999 bat sie die von den Klägern beauftragte Hausverwaltung, „den Mietvertrag“ bis zum 1. Oktober 1999 zu verlängern; dem stimmte die Hausverwaltung mit Schreiben vom 15. Juli 1999 zu. Im Oktober 1999 übersandte die Beklagte zu 2 der Hausverwaltung die Wohnungsschlüssel. Mit Schreiben vom 29. Dezember 1999 forderten die Kläger beide Beklagte unter Fristsetzung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf und kündigten an, nach Fristablauf Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Beklagten kamen der Aufforderung nicht nach.
Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz wegen der Kosten von Schönheitsreparaturen und eines Sachverständigengutachtens sowie Nutzungsausfall für die Monate September und Oktober 1999. Das Amtsgericht hat durch Teilurteil die Beklagte zu 2 zur Zahlung von 8.587,46 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 hat das Landgericht die Klage durch Versäumnisurteil, das es im weiteren aufrechterhalten hat, insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Den Klägern stünden keine Ansprüche auf Schadensersatz und Nutzungsentschädigung gegen die Beklagte zu 2 zu, weil sie nicht Partei des Mietvertrags sei. Sie sei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht wirksam durch den Beklagten zu 1 vertreten worden. Dieser habe keine Vertretungsmacht zum Abschluß des Mietvertrags auch für seine damalige Ehefrau gehabt. Die Beklagte sei dem Mietvertrag weder nachträglich beigetreten, noch habe sie den Vertragsschluß genehmigt. Weder die alleinige Nutzung der Wohnung durch die Beklagte seit Mai 1995 noch ihre teilweise Zahlung der Miete ließen zwingend auf eine Genehmigung schließen. Denn es sei ebenso möglich, daß die Beklagte jeweils im Einvernehmen mit ihrem früheren Ehemann gehandelt habe, ohne selbst Mieterin werden zu wollen.
II.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit Erfolg.
1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht der Auffassung, die Beklagte zu 2 sei nicht Partei des Mietvertrags geworden.
Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1 den Mietvertrag vom 19. Juli 1984 nicht nur im eigenen Namen, sondern auch im Namen der Beklagten zu 2 geschlossen hat (§ 164 BGB); dies hat die Beklagte zu 2 – worauf die Revisionserwiderung verweist – unter Beweisantritt bestritten. Offenbleiben kann auch, ob die Beklagte eine etwaige vollmachtlose Erklärung des Beklagten zu 1 in ihrem Namen bei Vertragsschluß in der Folgezeit genehmigt hat (§§ 177 Abs. 1, 182, 184 Abs. 1 BGB).
Die Beklagte zu 2 ist dem Mietvertrag vom 19. Juli 1984 jedenfalls nach dem Auszug des Beklagten zu 1 im Mai 1995 aus der bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam genutzten Ehewohnung beigetreten und hierdurch mit allen Rechten und Pflichten Mietvertragspartei geworden. Dies hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verkannt, weil es den Sachverhalt unvollständig und in einer der Erfahrung des täglichen Lebens widersprechenden Weise gewürdigt hat (§§ 133, 157 BGB). Der Senat kann die Auslegung der für den Vertragsbeitritt maßgeblichen Erklärungen selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind (Senatsurteile BGHZ 124, 39, 45; Urteil vom 16. Dezember 1998 – VIII ZR 197/97, NJW 1999, 1022 = WM 1999, 922, unter II 2 b).
2. Die Voraussetzungen eines – stillschweigenden – Vertragsbeitritts (§§ 305 a.F., 145 ff. BGB), der zwischen dem Vermieter und dem in das Vertragsverhältnis eintretenden Mieter unter Zustimmung des bisherigen Mieters vereinbart werden kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 65, 49, 51 ff.; 72, 394, 397 f.; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 – VII ZR 187/96, NJW-RR 1998, 594 = WM 1998, 767, unter II 2 b), liegen vor.
Die Beklagte zu 2 hat gegenüber der von den Klägern beauftragten Hausverwaltung Erklärungen abgegeben, die nach ihrem objektiven Erklärungswert vom Empfängerhorizont aus dahin zu verstehen sind, daß die Beklagte eigene Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis begründen wollte. Ohne Bedeutung ist, ob die Beklagte zu 2 eine vertragliche Verpflichtung zu begründen beabsichtigte. Trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGHZ 91, 324, 327 ff.; 109, 171, 177 f. m.w.Nachw.). So verhält es sich hier.
Nach der Trennung von ihrem (damaligen) Ehemann im Mai 1995 ist die Beklagte gegenüber der von den Klägern beauftragten Hausverwaltung jahrelang wie eine Mieterin aufgetreten. Zu keinem Zeitpunkt hat sie dabei – ausdrücklich oder stillschweigend – zu erkennen gegeben, daß sie lediglich im Namen des Beklagten zu 1 und nicht in Wahrnehmung eigener vertraglicher Rechte und Pflichten handele. Die Beklagte nutzte die Wohnung seit Mai 1995 allein. Schriftverkehr mit der Hausverwaltung führte sie in eigenem Namen. Nach dem unstreitigen Parteivorbringen leistete sie Mietzahlungen in der nach dem Mietvertrag vom 19. Juli 1984 geschuldeten Höhe; einem an beide Beklagte gerichteten Mieterhöhungsverlangen vom 8. März 1996 kam die Beklagte widerspruchslos nach. Nach ihrem Vorbringen führte sie in der Wohnung noch nach dem Auszug des Beklagten zu 1 Schönheitsreparaturen aus. Mit Schreiben vom 28. Juli 1998 kündigte sie – ohne dabei ihren früheren Ehemann auch nur zu erwähnen – das Mietverhältnis. Mit weiterem Schreiben vom 5. Juli 1999 bat sie darum, „den Mietvertrag“ bis zum 1. Oktober 1999 „zu verlängern“, da sie noch keine neue Wohnung gefunden habe; auch in diesem Zusammenhang trat die Beklagte zu 2 ausschließlich im eigenen Namen und ohne Andeutung einer Vertretung für den Beklagten zu 1 auf. In gleicher Weise teilte sie in einem Schreiben vom 5. Oktober 1999 der Hausverwaltung ihren Auszug mit und berief sich auf die nach § 20 Ziff. 4 des Mietvertrags geleistete, verzinste Mietkaution in Höhe von 2.200 DM, die sie noch „gut habe“. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie mit dem Kautionsguthaben die Aufrechnung gegenüber den Ansprüchen der Kläger erklärt.
Bei Würdigung aller dieser Umstände aus der Sicht eines verständigen und redlichen Vermieters besteht kein Zweifel, daß die Beklagte zu 2 selbst als Partei des Mietvertrages aufgetreten ist und daß die von den Klägern bevollmächtigte Hausverwaltung dies auch so verstanden hat (§§ 164 Abs. 3, 166 Abs. 1 BGB). Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei ebenso möglich, daß die Beklagte zu 2 die geschilderten Handlungen „jeweils im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 1 vornahm, ohne selbst Mieterin werden zu wollen“, ist fernliegend und mit dem objektiven Erklärungswert der von der Beklagten zu 2 abgegebenen Erklärungen nicht vereinbar. Im übrigen käme es bei der gebotenen objektiven Würdigung ohnehin nicht darauf an, ob die Beklagte zu 2 – entgegen dem äußeren Erscheinungsbild ihres Auftretens – Mieterin werden „wollte“ oder nicht.
Die Kläger haben, vertreten durch ihre Hausverwaltung, konkludent die Annahme des Beitritts der Beklagten zu 2 in das Mietverhältnis erklärt. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Hausverwaltung bekannt war, daß sich die beklagten Eheleute getrennt hatten und die Beklagte zu 2 seit Mai 1995 die Wohnung allein nutzte. Die Hausverwaltung hat die Beklagte zu 2 – entsprechend ihrer Aufnahme in das Rubrum des Mietvertragsformulars vom 19. Juli 1984 durch den Beklagten zu 1 – für die Beklagte zu 2 erkennbar als Mieterin angesehen und den Mietvertrag als auch für die Beklagte zu 2 bindend behandelt. Dies ergibt sich bereits aus dem Mieterhöhungsverlangen vom 8. März 1996, der Bestätigung des Antrags der Beklagten zu 2 auf Verlängerung des Mietverhältnisses bis Oktober 1999 durch Schreiben der Hausverwaltung vom 15. Juli 1999 und der Aufforderung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen mit Schreiben vom 29. Dezember 1999, die jeweils an beide Beklagte gerichtet sind.
Der Beklagte zu 1 hat dem Eintritt der Beklagten zu 2 in das Mietverhältnis stillschweigend zugestimmt (§ 182 Abs. 1 BGB), indem er – was zumindest der Beklagten zu 2 bekannt war – aus der Wohnung ausgezogen ist und der mit seinem Wissen in der Wohnung verbleibenden Beklagten zu 2 die Erfüllung der gegenüber den Vermietern bestehenden mietvertraglichen Verpflichtungen überlassen hat.
III.
Auf die Revision der Kläger ist daher das Berufungsurteil aufzuheben. Da es weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).