Zusammenfassung:
Wann ist von einer vorzeitigen Beendigung eines Mietvertrages durch Mietvertragsaufhebung auszugehen? Kann eine Mietvertragsaufhebung darin erblickt werden, dass die Schlüssel einer Wohnung vorzeitig übergeben werden und die Wohnung freiwillig vor Ablauf der Kündigungsfrist geräumt wird? Wann ist in einem solchen Fall von einer konkludenten Mietvertragsaufhebung auszugehen?
Landgericht Wuppertal
Az: 9 S 69/15
Urteil vom 05.11.2015
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 26.03.2015 (Az. 94 C 78/15) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.04.2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von einer Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht in der vorzeitigen Wohnungsabnahme und der Schlüsselübergabe nicht den konkludenten Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages gesehen.
Die Parteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis zu jeder Zeit durch einen Aufhebungsvertrag beenden, wobei konkludentes Verhalten ausreichend sein kann. Auf eine derartige Vereinbarung – eine um einen Monat vorzeitige Aufhebung des Mietverhältnisses – beruft sich die Beklagte vorliegend. Eine derartige Vereinbarung wurde aber nicht getroffen.
Die Bewertung einer Erklärung als Angebot zum Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags ist nur gerechtfertigt, wenn dadurch mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass sich der Erklärende hierdurch binden will. An den Bindungswillen dürfen nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden. Ein Angebot zum Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags ist nur dann anzunehmen, wenn aus bestimmten Umständen der Schluss gezogen werden kann, dass der Vermieter gleichzeitig seine Ansprüche gegen den Mieter abschließend regeln will. Dies ist dann gerechtfertigt, wenn z.B. der Vermieter dem Mieter die Rückgabe der Kaution anbietet oder hierüber abrechnet und damit zum Ausdruck bringt, dass das Mietverhältnis beendet sein soll (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 542, Rn. 216 ff; Ehlert in: BeckOK BGB, Ed. 36, § 542, Rn. 28).
Unter diesen Voraussetzungen kann in dem Schreiben vom 11.07.2014 noch keine Annahme eines Mietaufhebungsvertrages gesehen werden, da schon ein entsprechendes konkretes Angebot der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht vorlag. Zudem gaben die Kläger mit diesem Schreiben der Beklagten zwei Möglichkeiten vor, wie weiter verfahren werden könnte. Das Schreiben könnte also allenfalls selbst ein Angebot gewesen sein.
Auch in der Durchführung der Abnahme am 03.08.2014 und der Übergabe sämtlicher Wohnungsschlüssel kann der (konkludente) Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages nicht gesehen werden. Dagegen spricht, dass – wie gesagt – an einen entsprechenden Bindungswillen hohe Anforderungen zu stellen sind. Allein durch die Abnahme der Wohnung bringt der Vermieter nicht zum Ausdruck, dass das Mietverhältnis beendet sein soll. Hierfür spricht vorliegend auch nicht der Zeitpunkt der Abnahme, denn eine Abnahme der Wohnung kann durchaus, je nach den hierfür zur Verfügung stehenden Terminen, auch einige Zeit vor Beendigung des Mietverhältnisses stattfinden.
Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kläger mit dem Schreiben vom 11.07.2014 der Beklagten zwei Möglichkeiten zur Hand gegeben haben, wie weiter zu verfahren sein soll:
„Bitte händigen Sie also spätestens am 02.08.2014 meiner Mandantschaft wenigstens einen Wohnungsschlüssel aus, es könnte auch bereits am 02. oder spätestens 03.08.2014 die Wohnungsabnahme erfolgen, wenn Sie dies wünschen und zu diesem Termin sämtliche Wohnungsschlüssel aushändigen.
Bitte teilen Sie mir die gewünschte Vorgehensweise mit.“
Durch die erste Möglichkeit – die Übergabe eines Wohnungsschlüssels, um der Pflicht zur Ermöglichung von Wohnungsbesichtigungen nachzukommen – wäre das Mietverhältnis unzweifelhaft nicht beendet worden. Die andere Möglichkeit – die Übergabe aller Wohnungsschlüssel schon am 03.08.2014 -, welche die Beklagte schließlich gewählt hat, hatte aus ihrer Sicht nur Sinn, wenn sie hierdurch einen Vorteil gehabt hätte. Ein derartiger Vorteil wäre vor allem darin zu sehen, dass damit das Mietverhältnis sofort beendet worden wäre und sie dementsprechend keine Mietzahlungen mehr hätte leisten müsste. In diesem Zusammenhang war ein Verzicht auf Mietzahlungen zwischen den Parteien durchaus ein Thema, da die Beklagte mit der im Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils zitierten E-Mail (vgl. Bl. 12 d.A.) mitgeteilt hatte, dass sie nicht in der Lage sei, zwei Mieten zu bezahlen und daher vorschlage, sie vorzeitig aus dem Mietverhältnis zu entlassen.
Allerdings ist mit der vorzeitigen Wohnungsabnahme nebst Schlüsselübergabe nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen, dass sich auch die Kläger hierdurch im Sinne einer Vertragsauflösung binden wollten. Zwar könnte man aus den vorstehenden Gründen ihr Verhalten so verstehen. Die Kläger hatten jedoch in ihrer E-Mail vom 03.06.2014 (Bl. 13 d.A.) bereits mitgeteilt (Hervorhebung im Original):
„Desweiteren darf ich Sie an die fristgemäße Kündigung Ihrerseits erinnern, so das ich keinen Grund erkennen kann, das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden“.
Die Kläger hatten sich also bereits ausdrücklich gegen eine von der Beklagten vorgeschlagene vorzeitige Vertragsauflösung ausgesprochen. Aus diesem Grund kann vorliegend die vorzeitige Wohnungsabnahme nebst Schlüsselübergabe nicht genügen, um entgegen diesem eindeutig erklärten Willen dennoch – ohne dass sich die Sachlage geändert hätte – nunmehr einen gegenteiligen Vertragsschluss anzunehmen (so im Ergebnis auch bei ähnlicher Sachlage: OLG Köln, Urteil vom 09.07.1997, 27 U 5/97, BeckRS 1998, 02047, Rn. 18).
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 870,00 EUR