OLG Köln
Az. 8 U 40/01
Verkündet am 18.10.2001
Vorinstanz: LG Köln – Az.: 16 O 509/99
Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich!):
Kommt der Mieter eines Pkws nicht der in einer AGB-Klausel vereinbarten Pflicht nach, bei einem Unfall die Polizei zu benachrichtigen, entfällt auf Grund dieser Obliegenheitsverletzung (=Vertragsverletzung) die im Mietvertrag vereinbarte Haftungsbeschränkung (= z.B. Vollkasko mit Selbstbeteiligung). Der Mieter des Pkws muss dann selbst für alle aus einem Unfall resultierenden Schäden aufkommen.
Sachverhalt:
Der Beklagte mietete einen Pkw. Im Mietvertrag war eine Vollkaskoversicherung mit 450 DM Selbstbeteiligung vereinbart worden. Weiterhin stand in den AGBs des Mietvertrages, dass der Mieter des Pkws die sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten zu beachten hatte. Zu diesen Pflichten gehörte u.a. eine Unfallaufnahme durch die Polizei. Der Kläger prallte mit dem Pkw in eine Leitplanke und benachrichtigte jedoch nicht die Polizei. Daraufhin verlangte die Mietwagenfirma von ihm vollen Schadensersatz in Höhe von 13.000 DM.
Entscheidungsgründe:
Das OLG Köln sah den Schadensersatzanspruch der Mietwagenfirma für begründet an. Der Beklagte hat dadurch, dass er die Polizei nicht benachrichtigt hat, eine Vertragsverletzung begangen. Dabei kommt es auf einen Fremdschaden nicht an. Ausschlaggebend ist nach Ansicht des OLG vielmehr, dass die Klausel, bei einem Unfall sei die Polizei zu benachrichtigen, auch dazu diene, der Mietwagenfirma die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Mieter zu ermöglichen. Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu. Die Aussage des Beklagten, dass er einem Reh ausweichen musste, ist wegen seiner Vertragverletzung nicht mehr überprüfbar gewesen. Nach Ansicht des OLG hätte der Beklagte ohne weiteres die Polizei verständigen können. Deshalb entfalle die Haftungsbeschränkung mit der Folge, dass der Beklagte für den gesamten Schaden selbst einstehen muss.
Urteil:
In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 27.09.2001 für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.03.2001 – 16 O 509/99 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidungen von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zahlung von 13.054,40 DM nebst 4,75 % Zinsen seit dem 30.03.1999 bejaht. Das Berufungsvorbringen der Beklagten gibt zu einer ihnen günstigeren Beurteilung der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.
1. Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 13.054,40 DM aus positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages in Verbindung mit § 278 BGB bejaht.
a) Die Behauptung, die Klägerin sei nicht Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges gewesen, ist auch in der Berufungsinstanz nicht hinreichend substantiiert. Die Klägerin hat vorgetragen, dass ungeachtet der Rückkaufsverpflichtung das Fahrzeug erworben gewesen sei, und hat dies durch Vorlage von Urkunden belegt. Für sie streitet im übrigen die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. Es hätte an den Beklagten gelegen, diese Vermutung zu widerlegen. Dem sind sie mit dem bloßen Hinweis auf eine behauptete Rückkaufsverpflichtung des Verkäufers und der Spekulation, es sei denkbar, dass der Klägerin das Fahrzeug nur leihweise überlassen worden sei, nicht nachgekommen.
b) Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass zugunsten der Beklagten zu 1) die vereinbarte Haftungsreduzierung auf 450,00 DM nicht greift.
Mit der Berufung greifen die Beklagten die Wirksamkeit der Regelung in Ziffer 11 i.V.m. Ziffer 8 der AGB der Klägerin nicht mehr ausdrücklich an. Die von ihnen in erster Instanz hierzu vertretene Auffassung ist im übrigen auch unzutreffend. Gegen die Wirksamkeit einer in Kfz-Mietverträgen vereinbarten Formularklausel, wonach der Mieter verpflichtet ist, bei Unfällen die Polizei hinzuzuziehen, und er bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht den Anspruch auf die vom Vermieter grundsätzlich gewährte Haftungsfreistellung verliert, bestehen nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung, von der abzurücken kein Anlass besteht, keine Bedenken (vgl. nur BGH NJW 1982, 167 f.; OLG Stuttgart VersR 1988, 97 ff., OLG Zweibrücken VersR 1981, 962 ff.; jeweils m.w.N.).
Entgegen der in der Berufungsinstanz vertieften Ansicht der Beklagten ist ihnen eine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen. Unstreitig hat der Beklagte zu 2) nach dem Unfall die Polizei nicht verständigt. Darin liegt eine Obliegenheitspflichtverletzung im Sinne der Ziffer 8 der AGB der Klägerin. Für die Rechtsfolgen aus der Obliegenheitsverletzung sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die in der Kaskoversicherung bei nachträglicher Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers gelten (vgl. BGH NJW 1982, 187 f., 168; OLG Stuttgart VersR 1988, 97 ff., jeweils m.w.N.). Danach hängt die Leistungsfreiheit bei nachträglichen Obliegenheitsverletzungen sowohl von der Intensität des Verschuldens des Versicherungsnehmers als auch von der Relevanz für die Gefährdung der Interessen des Versicherers ab. Der Wegfall der Haftungsbeschränkung folgt hier aus folgenden Umständen: Es handelte sich um erhebliche Unfallschäden, die ausweislich der vorgelegten Lichtbilder mehr als augenfällig waren. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob – was streitig ist – nur das Fahrzeug beschädigt worden ist oder auch die Leitplanke. Auf einen anderweitigen Fremdschaden kommt es nämlich nicht an. Die Klausel, wonach der Mieter bei einem Unfallschaden am Mietfahrzeug unverzüglich die Polizei hinzuziehen muss, dient auch den Interessen der Mietwagenfirma an der Durchsetzung evtl. Schadensersatzansprüche gegen den Mieter (vgl. nur OLG Stuttgart VersR 1988, 97 ff., 98). Der Mieter muss den Unfall daher auch dann polizeilich melden, wenn nur ein Schaden am Fahrzeug selbst entstanden ist (OLG Stuttgart a.a.O.; vgl. auch OLG Karlsruhe VersR 1992, 691 f., 692 im Fall eines Kaskoschadens an einem geleasten Fahrzeug). Fest steht auch, dass die Beachtung der Ziffer 8 der AGB der Klägerin gerade im vorliegenden Fall für sie von erheblicher Relevanz war. Soweit die Beklagten behaupten, der Unfall sei deshalb passiert, weil der Beklagte zu 2) Rehwild habe ausweichen müssen, hätte eine Unfallaufnahme durch die Polizei die Feststellung dieses – nunmehr nicht mehr aufklärbaren – Geschehens ermöglichen können. Gerade dies ist durch die Obliegenheitsverletzung verhindert worden. Es kommt schließlich nicht darauf an, ob es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers gekommen ist. Es genügt vielmehr, dass der Verstoß seiner Art und Begehung nach überhaupt geeignet ist, zu einer ernsthaften Interessenbeeinträchtigung zu führen (OLG Karlsruhe a.a.O., m.w.N.). Die Relevanz der Obliegenheitsverletzung kann im vorliegenden Fall daher nicht damit verneint werden, dass ein Anruf bei der Polizei zwecklos gewesen wäre, weil diese den Unfall nicht aufgenommen hätte. Dem Beklagten zu 2) wäre es auch ohne weiteres möglich gewesen, die Polizei zu verständigen.
Die Beklagte zu 1) hat gemäß § 278 BGB für das Verschulden des Beklagten zu 2) bei der Herbeiführung des Unfalls einzustehen. Jedenfalls nach dem ersten Anschein ist von einfacher Fahrlässigkeit des Beklagten zu 2) auszugehen (vgl. OLG Stuttgart VersR 1988, 97 ff., 98; OLG Köln VersR 1993, 45 f. 46 im Fall eines Kaskoschadens). Die Behauptung, der Beklagte zu 2) habe Rehwild ausweichen müssen, legt die Vermutung nah, dass allein die mangelnde Beherrschung des Fahrzeugs ursächlich für den Unfall war (vgl. OLG Köln a.a.O.). Es sind keine Tatsachen vorgetragen, die diese Vermutung entkräften.
c) Die Klägerin kann den Schaden auch in der geltend gemachten Höhe beanspruchen.
Die Klägerin kann Ersatz für Reparaturkosten in Höhe von 10.515,40 DM beanspruchen. Der Auffassung der Beklagten, dass nur im Falle der Reparatur das Wiederherstellungssurrogat verlangt werden könne, ansonsten aber nur Schadensersatz auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes (unter Hinweis aus Schiemann in Staudinger, BGB, § 249 Rn. 226 m.w.N.), ist nicht zu folgen. Die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 115, 364 ff., 375 ff.; BGH NJW VersR 1985, 593 ff., jeweils m.w.N.) verhält sich im Kern dazu, dass der Geschädigte sich bei Geltendmachung fiktiver Reparaturkosten für ein unfallgeschädigtes Kraftfahrzeug grundsätzlich in den durch die Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungswert gezogenen Grenzen halten muss, was vorliegend der Fall ist. Ungeachtet dessen steht ihm in diesen Grenzen grundsätzlich die Möglichkeit zu, das Fahrzeug unrepariert zu veräußern und sodann die Kosten einer jetzt für ihn nur noch fiktiven Instandsetzung ersetzt zu verlangen (BGH VersR a.a.O.; vgl. auch Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23 Aufl., 4. Kapitel, Rn. 26 ff.; OLG Köln NJW-RR 1993, 1437). Es besteht kein Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzurücken.
Dahingestellt bleiben kann, ob und in welcher Höhe der Klägerin beim Erwerb von Kraftfahrzeugen Preisnachlässe zukommen. Freiwillige Leistungen Dritter, so auch Preisnachlässe, kommen nicht dem Schädiger zugute (ebenso OLG Frankfurt VersR 95, 1450).
Der Klägerin stehen auch Mietausfallkosten in Höhe von 1.614,00 DM zu. Zutreffend hat das Landgericht eine Auslastung des Mietfahrzeugs von 83% zugrunde gelegt. Die Beklagten selber tragen vor, dass vom 01.09.1998 bis zum Unfalltag (16.10.1998), also in einem Zeitraum von 26 Tagen, das Fahrzeug an 42 Tagen vermietet worden sei. Hieraus folgt, dass jedenfalls im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO der angesetzte Satz nicht zu beanstanden ist. Gleiches gilt für die angesetzten ersparten Eigenkosten von 6,95 DM netto auf 100 km und damit 10,33 DM/Tag, die ebenfalls zutreffend nach § 287 ZPO geschätzt sind.
Die Gutachterkosten in Höhe von 875,00 DM und die Kostenpauschale in Höhe von 50,00 DM stehen nicht mehr im Streit.
2. Nach dem Vorstehenden hat die Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB auch gegen den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 13.054,40 DM.
Die im Ergebnis erfolglose Berufung war danach mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Streitwert des Berufungsverfahrens und zugleich Beschwer der Beklagten: 13.054,40 DM.