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Mietwagen – Wegfall Haftungsfreistellung bei arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit

OLG Köln – Az.: 15 U 100/17 – Beschluss 11.09.2017

Der Antrag des Beklagten vom 30.6.2017 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 26.5.2017 (10 O 132/16) wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das am 26.5.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn (10 O 132/16) ist zurückzuweisen, da das beabsichtigte Rechtsmittel nicht die nach § 114 S. 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht im tenorierten Umfang stattgegeben. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidungen Bezug genommen werden. Die mit der Antragsschrift vom 30.6.2017 dagegen vorgebrachten Einwände des Beklagten rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Hinsichtlich des (nunmehr) nach Grund und Höhe nicht mehr angegriffenen Anspruchs auf Erstattung der Schäden am Fahrzeug der Klägerin kann sich der Beklagte nicht auf die mietvertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung nach Abschnitt I Ziff. 2 der Allgemeinen Vermietbedingungen berufen. Zwar fällt er als berechtigter Fahrer im Sinne von Abschnitt C Ziff. 2 der Allgemeinen Vermietbedingungen grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Freistellung. Jedoch ist der Anspruch auf vertragliche Haftungsbefreiung im vorliegenden Fall nach Abschnitt I Ziff. 2 S. 5 – 7 der Allgemeinen Vermietbedingungen ausgeschlossen.

1.   Der Beklagte hat eine Obliegenheit nach Abschnitt G Ziff. 3 der Allgemeinen Vermietbedingungen verletzt, weil er – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – am 2.10.2014 eine Verkehrsunfallflucht gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen hat. Dagegen kann der Beklagte nicht geltend machen, das Landgericht sei unzutreffend von einem bedingten Vorsatz seinerseits ausgegangen. Denn soweit der Zeuge A bekundet hat, er und der Beklagte hätten während der fraglichen Fahrt im Wagen laute Musik gehört, begründet dieser Vortrag keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Der Beklagte selbst hat in seiner persönlichen Anhörung in der Sitzung vom 26.8.2016 (Bl. 104R d.A.) die Angabe seines Prozessbevollmächtigten „Sie haben es dann poltern hören“ und damit die akustische Wahrnehmen des Unfallgeschehens trotz der im Innenraum laufenden lauten Musik bestätigt. Dies entspricht den Feststellungen des Sachverständigen B in der Sitzung vom 21.4.2017 (Bl. 217 d.A.), der auch bei aufgedrehter Musikanlage mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer akustischen Wahrnehmbarkeit des Unfallgeschehens ausging. Letztlich kommt es auf diese akustische Wahrnehmung durch den Beklagten – die auch der Sachverständige nicht mit völliger Sicherheit beantworten konnte (vgl. Bl. 218 d.A.) – für die Frage des bedingten Vorsatzes aber auch nicht entscheidend an. Denn nach den weiteren überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B wurden die Schäden am Fahrzeug der Klägerin durch eine erhebliche Krafteinleitung in das Fahrzeug (Vorderachse rechts verboten, Anbauteile an der rechten Front abgerissen) verursacht, die weit über das Durchfahren eines Schlaglochs hinausging und auch taktil wahrnehmbar war. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sich das Fahrzeug – damit die vorliegenden Schäden, namentlich diejenigen hinsichtlich der abgerissenen Anbauteile, entstehen konnten – verhakt und dadurch eine entsprechenden Geschwindigkeitsverzögerung erfahren haben musste. Die taktile Wahrnehmbarkeit äußere sich bei einem solchen Geschehen dergestalt, dass das Fahrzeug ruckartig nach oben beschleunigt werde und dann durch das Abbremsen eine Nickbewegung mache (vgl. Bl. 218 d.A.). Angesichts dieser – weder in erster Instanz noch mit Schriftsatz vom 30.6.2017 angegriffenen – sachverständigen Feststellungen bestehen zur Überzeugung des Senats keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen dahingehend, das s der Beklagte das Unfallgeschehen wahrgenommen hat und damit jedenfalls bedingten Vorsatz hinsichtlich des Vorliegens eines nicht unerheblichen Sachschadens an dem Fahrzeug hatte.

2.  Der Senat ist – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – auch der Auffassung, dass dem Beklagten der Kausalitätsgegenbeweises nach Abschnitt I Ziff. 3 S. 7 der Allgemeinen Vermietbedingungen schon deshalb nicht offen steht, weil er die Obliegenheit aus Abschnitt G Ziff. 3 der Allgemeinen Vermietbedingungen arglistig verletzt hat.

Eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Beklagte einen gegen die Interessen der Klägerin gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. dazu BGH, Urt. v. 21.11.2012 – IV ZR 97/11, NJW 2013, 936). Von einem solchen Verhalten des Beklagten ist vorliegend auszugehen: Trotz Wahrnehmung eines „Polterns“, dass nach den vorliegenden Umständen – wie bereits ausgeführt – nur als Unfallgeschehen eingestuft werden konnte, hat der Beklagte sich unmittelbar nach seiner Ankunft am Haus des Zeugen A von dort entfernt und damit der Klägerin jede Möglichkeit genommen, Informationen über den Unfallhergang sowie über eine mögliche Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung bzw. über sonstige, sein Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Umstände zu erhalten. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, er sei davon ausgegangen, „dass schon nichts passiert sei, als er das Poltern hörte“ (vgl. Bl. 278 d.A.), so dass allenfalls von grober Fahrlässigkeit seinerseits ausgegangen werden könne, kann dem aus den oben dargestellten Erwägungen zur Krafteinwirkung auf das Fahrzeug und der damit verbundenen Wahrnehmbarkeit eines nicht unerheblichen Unfallgeschehens nicht gefolgt werden. Dass der Beklagte sich – wie er mit Schriftsatz vom 30.6.2017 geltend macht – vom Haus des Zeugen A nur aus Verärgerung über diesen entfernte, hält der Senat für eine Schutzbehauptung. Angesichts der massiven Einwirkung auf das Fahrzeug musste es sich dem Beklagten aufdrängen, dass Beschädigungen vorliegen und die Klägerin daher ein erhebliches Aufklärungsinteresse an den konkreten Umständen des Unfallgeschehens sowie dem Verhalten der Unfallbeteiligten hatte.

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21.11.2012 die Einschränkungen für das Vorliegen eines arglistigen Verhaltens in Fällen der Unfallflucht des Versicherungsnehmers ausdrücklich nur für diejenigen Fallgestaltungen getroffen, in denen sich der Versicherungsnehmer erlaubt vom Unfallort entfernt hat und sodann anschließend seiner Pflicht zur unverzüglichen Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nicht rechtzeitig nachgekommen ist (vgl. BGH – IV ZR 97/11, NJW 2013, 936: „Zu Recht rügt die Revision jedoch, dass aus der Verletzung der Handlungspflichten nach § 142 Abs. 2 StGB – nachdem sich der Unfallbeteiligte wie hier berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat – nicht in gleicher Weise automatisch eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungsobliegenheit folgt wie in den Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 Abs. 1 StGB.“). Eine solche Tat im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB ist dem Beklagten jedoch hier nicht zum Vorwurf zu machen; vielmehr hat er mangels Einhaltung der Wartepflicht eine Verkehrsunfallflucht nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen, bei der das Aufklärungsinteresse des Versicherers (bzw. des in der Rolle des Versicherers auftretenden Vermieters) in jedem Fall beeinträchtigt wird.

Ist damit das Aufklärungsinteresse der Klägerin schon durch die vorsätzliche Verkehrsunfallflucht beeinträchtigt, so hat der Beklagte diese Beeinträchtigung noch dadurch verstärkt, dass er auch nachträglich keine Feststellungen zum Unfallgeschehen – speziell zu seiner Fahrereigenschaft – ermöglicht, sondern vielmehr auf das Schreiben der Klägerin vom 22.9.2015 nicht reagiert hat. Sein diesbezüglicher Vortrag im Schriftsatz vom 30.6.2017, er habe auf das Schreiben der Klägerin nicht reagiert, weil er „extrem wütend auf den Zeugen A“ gewesen sei, der ihn an dem fraglichen Abend schlecht behandelt und seinen Frust über familiäre Probleme an ihm ausgelassen habe, überzeugt schon vor dem Hintergrund nicht, dass das fragliche Geschehen am 2.10.2014 stattfand und damit bei Eingang des klägerischen Schreibens bereits fast ein Jahr zurücklag, womit eine zum Unfallzeitpunkt gegebenenfalls bestehende emotionale Sondersituation abgeklungen sein dürfte.

3.  Letztlich kann die Frage einer arglistigen Obliegenheitsverletzung des Beklagten jedoch auch offen bleiben, weil er nach den insofern nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts jedenfalls den Kausalitätsgegenbeweis nicht zu führen vermochte.

Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass kurz nach dem Unfallgeschehen ein Unfallprotokoll durch Beamte des Polizeipräsidiums C gefertigt wurde (vgl. Bl. 27 ff. d.A.) und der Zeuge A am Morgen nach dem Unfall die Klägerin informiert hat. Denn damit wurden die Interessen der Klägerin an der vollständigen Aufklärung des Unfallhergangs und der Unfallursachen nicht hinreichend gewahrt. Zunächst wurden die Feststellungen der Klägerin zum konkreten Unfallhergang erschwert, weil weder der Beklagte noch der Zeuge A zutreffende Angaben dazu gemacht haben, wer das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt geführt hatte. Zudem hat der Beklagte durch sein Verhalten nach dem Unfall verhindert, dass die Klägerin Feststellungen zu einer möglichen Leistungsfreiheit hat treffen können, die sich aus einer etwaigen alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Beklagten oder sonstigen Umständen in seiner Person hätten ergeben können.

4.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.

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