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Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall – Erhöhung des Normaltarifs durch Schätzung nach § 287 ZPO

AG Nürnberg

Az: 35 C 3738/06

Urteil vom 16.10.2006


In dem Rechtsstreit wegen Schadenersatz erläßt das Amtsgericht Nürnberg im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO, in dem Schriftsätze bis 29.9.2006 eingereicht werden konnten, am 16.10.2006 folgendes

ENDURTEIL

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 316,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.2.2006 hieraus zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 4/5 und die Klägerin 1/5.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert beträgt 383,76 EUR.

Entscheidungsgründe:

(Abgekürzt gemäß § 495 a ZPO.)

Die Parteien streiten um die restliche Regulierung eines Verkehrsunfalls vom 13.1.2006 in Nürnberg, bei dem der klägerische Pkw Marke VW Polo 60 beschädigt worden war. Reparaturbedingt nahm die Klägerin in der Zeit vom 14.1. bis 19.1.2006 einen Mietwagen bei der XXX in Anspruch. Sie mietete einen Mietwagen der Klasse 2 an, ihr eigenes Fahrzeug wäre in Klasse 3 einzuordnen gewesen. Der Pkw der Klägerin war mit Winterreifen ausgerüstet, jedoch nicht vollkaskoversichert.

Der Klägerin wurde von der XXX Kosten für die Inanspruchnahme des Mietwagens in Höhe von 974,40 EUR in Rechnung gestellt, wovon sie abzüglich 50 % der Kosten für die Haftungsfreistellung einen Betrag von 911,76 EUR ersetzt verlangt. Hierauf hat die Beklagte 528,00 EUR bezahlt. Die restlichen 383,76 EUR sind streitgegenständlich.

Die Klage war in Höhe von 316,56 EUR begründet, da der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in dieser Höhe gemäß § 249 Abs. 2 BGB zusteht.

1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt BGH VI ZR 161/05 vom 13.6.2006 und BGH XII ZR 50/04 vom 26.6.2006) kann ein Geschädigter nicht jeden in einem Vertrag vereinbarten Betrag für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges im Wege des Schadensersatzes verlangen. Vielmehr verstößt der Geschädigte bei Anmietung eines Kraftfahrzeuges zu einem Unfallersatztarif, der gegenüber einem Normaltarif deutlich teurer ist, dann gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn nicht dessen Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. War der Unfallersatztarif in diesem Sinne nicht erforderlich, kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung den den Normaltarif übersteigenden Betrag allerdings dann ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war. Hierfür hat der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf den in seiner Lage zeitlich oder örtlich relevanten Markt zumindest auf Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.

2. Bei dem hier in Anspruch genommenen Tarif der XXX handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um einen Unfallersatztarif. Auch wenn die XXX offiziell nur einen Tarif haben mag, handelt es sich hierbei um einen Unfallersatztarif, da er das nach der Mietpreisübersicht von Schwacke gewichtete Mittel des Normaltarifs für die Anmietung eines Kraftfahrzeuges um mehr als 60 % übersteigt.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die von der Klägerin vorgetragenen Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation ein gegenüber dem Normaltarif höheren Preis von 40% rechtfertigen. Die Klägerin hat nämlich angeführt, dass der Tarif der XXX ohne Vorauszahlung buchbar sei, die Rückgabe des Fahrzeuges individuell ohne Zeitbindung erfolge, die Fahrzeuge zugestellt .und abgeholt würden. Ferner gebe es einen 24-Stunden-Service und die Ausführung dieses Tarifes sei personalintensiver, da der Verwaltungsaufwand höher sei. Zudem bestehe ein höherer Forderungsverlust, da Mithaftungsanteile falsch beurteilt würden. Nach Auffassung des Gerichts ist daher im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO eine angemessene Erhöhung des Normaltarifs gerechtfertigt. In Anlehnung der von Neidhardt und Kremer (vgl. NZV 2005, Seite 171 ff.) genannten Kriterien meint das Gericht, dass ein Aufschlag von 40 % angemessen ist. Als Normaltarif wird das gewichtete Mittel nach Schwacke der Mietwagenklasse 2 zugrunde gelegt. Der Normaltarif beträgt danach pro Tag 71,00 EUR brutto, erhöht um 40 % ergibt das bei einer Anmietdauer von 6 Tagen 596,40 EUR. Hinzu kommt die unstreitige Haftungsbefreiung von 6 x 17,00 EUR brutto = 102,00 EUR. Die Klägerin kann jedoch ebenfalls die zusätzlich in Rechnung gestellten Kosten für Winterreifen in Höhe von 8,– EUR/Tag ersetzt verlangen. Ihr Fahrzeug war im Unfallzeitpunkt mit Winterreifen ausgerüstet. Das Vorhalten von Winterreifen bei Mietwagen ist eine Zusatzleistung, die auch gesondert vergütet werden kann. Zumindest im hier interessierenden Anmietzeitraum im Januar 2006 gab es keine gesetzliche Verpflichtung und auch keine Übung bei anderen großen Mietwagenunternehmen, seine Wagenflotte mit kostenlosen Winterreifen auszustatten. Ebenfalls erstattungsfähig sind die Kosten für die Zustellung und Abholung des Fahrzeuges von 2 x 39,00 EUR. Es ergeben sich damit 126,00 EUR netto = 146,16 EUR brutto an weiteren ersatzfähigen Leistungen, so dass sich die gesamt ersatzfähigen Mietwagenkosten auf 844,56 EUR summieren. Nachdem die Beklagte hiervon 528,00 EUR bezahlt hat, stehen noch 316,56 EUR zum Ausgleich offen.

Soweit die Klägerin darüber hinausgehende Mietwagenforderungen geltend macht, ist es für das Gericht nicht ersichtlich, warum im konkreten Fall die Anmietung zu einem Normaltarif nicht möglich gewesen sein soll, ihr ein solcher Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre. Konkreten Sachvortrag hat die Klägerin hierzu nicht gemacht. Allein Ausführungen dazu, was theoretisch möglich gewesen wäre, ersetzt konkreten Sachvortrag nicht.

Die Klage war daher in Höhe von 316,56 EUR begründet, im übrigen war sie abzuweisen.

3. Kosten: § 92 Abs. 1 ZPO.

4. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

 

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