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Mietwagenkosten – Unfallersatztarif und pauschaler Aufschlag von 25%

Saarländisches Oberlandesgericht

Az: 4 U 714/03

Urteil vom 17.07.2007


In dem Rechtsstreit hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2007 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das 7. November 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – Az. 3 O 131 / 03 – unter Ziff.2 des Urteilsausspruches dahin abgeändert , dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Fa. S. L. AG, , einen Betrag von 1.004,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 21.2.2003 zu zahlen, und der Klageantrag zu Ziff.2 im Übrigen abgewiesen wird. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 43 % dem Kläger und zu 57 % den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last. Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger 10 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 90 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.754,90 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.
Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 17.1.2003 auf der BAB 8 in Höhe der Abfahrt K.- L. ereignete, und bei dem sein PKW Opel Vectra beschädigt wurde, als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Alleinhaftung der Beklagten steht zweitinstanzlich außer Streit. Zur Berufung angefallen sind lediglich restliche Kosten für einen vom Kläger im Zeitraum 17.1.2003 bis 31.1.2003 in Anspruch genommenen Mietwagen (Opel Astra Coupe 2.0 Turbo). Die Mietwagenkosten betragen laut Rechnung der Firma S. L. AG vom 31.1.2003 2.852,44 EUR inkl. Mwst. (Bl. 9 d. A.). Der Rechnung liegt der „Unfallersatztarif“ zugrunde. Der Kläger macht im Hinblick auf eine Vorsteuerabzugsberechtigung nur den Nettobetrag von 2.459 EUR geltend, der mit Rücksicht auf eine Sicherungsabtretung unmittelbar an die Fa. S. L. AG zur Auszahlung gelangen soll ( Bl. 30 d.A. ).

Auf die Mietwagenrechnung wurden nach Klagezustellung insgesamt 370 EUR ( 263,80 EUR + 106,30 EUR ) gezahlt. Wegen eines Teilbetrages von 334 EUR hat der Kläger die Klage zurückgenommen, weil er ein Fahrzeug einer höheren Gruppe angemietet hatte, so dass ein Restbetrag von 1.754,90 EUR netto verbleibt.

Durch das nunmehr angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung – die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, 1.754,90 EUR nebst Zinsen an die Fa. S. L. AG zu zahlen.

Nur hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die mit ihrem Rechtsmittel eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin anstreben, dass die Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Wegfall gerät und die Klage insoweit abgewiesen wird.

Die Beklagten sind der Auffassung, die vom Landgericht zuerkannten Mietwagenkosten seien nicht ersatzfähig. Die Beklagten bestreiten, dass ein Mietvertrag zu dem in der Rechnung ausgewiesenen Unfallersatztarif zustande gekommen ist (Bl. 152 d. A.). Sie haben zweitinstanzlich den Verdacht geäußert, dass der Mietvertrag , den der Kläger im ersten Rechtszug trotz Aufforderung nicht im Original vorgelegt habe und von dem sie erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine Kopie erhalten haben, nach Unterschriftsleistung des Klägers um die Eintragung „Haftpflichttarif“ ergänzt worden sei ( Bl. 152 d. A.). Selbst wenn ein Mietvertrag wirksam zustande gekommen sein sollte, sei der Unfallersatztarif nicht erstattungsfähig. Der Kläger, der vor Anmietung des Ersatzfahrzeugs unstreitig keine Preisvergleiche vorgenommen habe, habe durch die Inanspruchnahme eines deutlich überhöhten Unfallersatztarifes gegen die Schadensgeringhaltungspflicht verstoßen. Dem Kläger sei es ohne weiteres zumutbar und möglich gewesen, sich nach günstigeren Mietwagenkonditionen zu erkundigen. Solche stünden Kunden der Fa. Opel in Form des Opel rent – Werkstatttarifs zur Verfügung (Bl. 42, 43, 44 u. 150 d. A.). Die Beklagten bestreiten, dass Unfallgeschädigten von Vermietern ausnahmslos der Unfallersatztarif angeboten wird. Bei „neutralen“ Anfragen, die ohne Verstoß gegen die Wahrheitspflicht möglich seien, werde Mietinteressenten der „Normaltarif“ angeboten. Selbst wenn der Beklagte wie zweitinstanzlich behauptet seine Kreditkarte am Unfalltag nicht mitgeführt haben sollte, was bestritten werde, sei er an der Inanspruchnahme des Normaltarifs nicht gehindert gewesen.

Die Beklagten beantragen ( Bl. 144,149, 189, 339, 340 d.A. ),

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird, soweit sie zur Zahlung von Mietwagenkosten von 1.754,90 EUR nebst Zinsen verurteilt wurden.

Der Kläger beantragt ( Bl. 162, 190, 339, 340 d.A. ),

die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreitet nachträgliche Manipulationen an dem Mietvertrag und hält den Einwand für präkludiert (Bl. 163 d. A.). Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe die ersatzfähigen Mietwagenkosten korrekt ermittelt. Nach seinen individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten habe dem Kläger kein günstigerer Tarif zur Verfügung gestanden (Bl. 163 d. A.). Ihm sei der Unterschied zwischen dem „Unfallersatztarif“ und dem „Normaltarif“ damals nicht bekannt gewesen. Im Übrigen würden alle Vermieter Unfallgeschädigten ausschließlich den Unfallersatztarif anbieten. Auch deshalb sei ihm eine Anmietung zum Normaltarif nicht möglich gewesen (Bl. 166 u. 167 d. A.). Der Opel rent – Tarif, den die Beklagten ihrer Berechnung zugrunde legen, stehe nur „normalen“ Werkstattkunden der Fa. Opel zur Verfügung. Er werde unfallgeschädigten Kunden nicht angeboten. Mit Schriftsatz vom 11.11.2005 ( Bl. 256 d.A. ) hat der Kläger erstmals geltend gemacht, er habe auch deshalb nicht die Möglichkeit gehabt, ein Mietfahrzeug zum „Normaltarif“ anzumieten, weil er seine Kreditkarte bei der Anmietung nicht mitgeführt habe (Bl. 164 d. A.). Selbst wenn man den Unfallersatztarif nicht als erstattungsfähig ansähe, wären nach den Ausführungen des Sachverständigen L. im Normaltarif Mietwagenkosten von 1.386,– EUR angefallen. Diese müssten die Beklagten jedenfalls ersetzen (Bl. 164 d. A.). Da die Unfallersatztarife gegenüber den „Normaltarifen“ ein unterschiedliches Leistungsbild aufwiesen und unfallbezogene Mehrleistungen der Vermieter abgegolten würden, sei ein Aufschlag auf den Normaltarif vorzunehmen, den verschiedene Gerichte auf pauschal 30 % geschätzt hätten ( Bl. 310 d.A. ).

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom 2.5.2005 und 24.4.2006 ( Bl. 217 bis 219 sowie Bl. 286 d.A. ). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Erstgutachten des Sachverständigen L. vom 25.10.2005 ( Bl. 248 f. d.A. ) sowie auf das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 23.2.2007 ( Bl. 296 f. d.A.) Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 3.7.2007 wurde der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegte Originalmietvertrag eingesehen (Bl. 340 d.A.).

B.

Die gemäß den §§ 511,513,517,519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Beklagten sind lediglich zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten von 1.004,35 EUR netto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 21.2.2003 an die Fa. S. L. AG verpflichtet. Die weiter gehende Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Der Senat konnte die abweichenden Feststellungen des Landgerichts, wonach die Beklagten restliche Mietwagenkosten von 1.754,90 EUR netto zu zahlen haben, gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen, da gegen deren Vollständigkeit und Richtigkeit durchgreifende Bedenken bestehen (§ 529 ZPO).

Nach dem Ergebnis der vom Senat veranlassten Beweiserhebungen sind nur Mietwagenkosten von insgesamt 1.374,45 EUR (netto) als Herstellungsaufwand nach § 249 Abs.2 S.1 BGB erforderlich und erstattungsfähig. Bringt man die an die Fa. S. L. AG geleisteten Zahlungen von 370,10 EUR in Abzug , ergibt sich ein noch zu ersetzender Betrag von 1.004,35 EUR.

I.

Ohne Erfolg wendet die Berufung ein, ein Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten in Höhe des Unfallersatztarifs bestehe schon deshalb nicht, weil ein Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Fa. S. Leasung AG nicht wirksam zustande gekommen und der „Haftpflichttarif“ bei Vertragsabschluss nicht vereinbart worden sei.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007 den vom Kläger vorgelegten Originalmietvertrag vom 17.1.2003 eingesehen und konnte keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass das Wort “ Haftpflichttarif „, wie die Beklagten zweitinstanzlich unterstellt haben, nachträglich in den Vertrag eingefügt wurde. Dass zwei unterschiedliche Kugelschreiber verwendet wurden, beruht darauf, dass einige Eintragungen wie etwa das Rückgabedatum und der Km-Stand bei Abgabe erst bei Rückgabe des Fahrzeugs Eingang in den Vertragstext finden konnten. An dem Manipulationsvorwurf hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach Vorlage des Originalmietvertrages im Termin nicht mehr festgehalten ( Bl. 340 d.A. ). Selbst wenn dem Kläger der Unterschied zwischen dem „Normaltarif “ und dem mit der Fa. S. L. AG vereinbarten „Haftpflichttarif “ bei Unterzeichnung des Mietvertrages nicht bekannt gewesen sein sollte, führt das nicht zur Annahme eines Einigungsmangels ( § 155 BGB ) mit der Folge, dass ein Mietvertrag zu dem vereinbarten „Haftpflichttarif“ nicht wirksam zustande gekommen wäre. II.

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Bei der Frage nach der Erforderlichkeit des „Unfallersatztarifs“ ist von dem Grundsatz auszugehen , dass der Geschädigte nach § 249 Abs.2 S.1 BGB als Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

1.

Zu Unrecht glauben die Beklagten, nur den – wie noch auszuführen sein wird – unter dem gewichteten mittleren „Normaltarif“ liegenden besonders günstigen Opel rent – Werkstatttarif als zur Herstellung erforderliche Mietwagenkosten ersetzen zu müssen. Sie übersehen zunächst, dass die bislang gezahlten 370,10 EUR noch unter dem Betrag 527,58 EUR ( netto ) liegen, der sich nach ihrem eigenen Prozessvortrag unter Zugrundelegung des Opel-rent Tarifs für ein Fahrzeug der Gruppe 6 bei einer Mietdauer von 2 Wochen ergibt ( Bl. 42 d.A. ). Da die volle Haftung der Beklagten nunmehr außer Streit steht, ermangelt die Berufung hinsichtlich des Differenzbetrages von 157,48 EUR bereits einer ordnungsgemäßen Begründung. Im Übrigen ist ein Unfallgeschädigter nicht verpflichtet, zur Entlastung des Schädigers den günstigsten Mietwagentarif überhaupt ausfindig zu machen. Der mittlere „Normaltarif“ kann stets als nach § 249 Abs.2 S.1 BGB erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden. Außerdem hat der Kläger einsichtig dargelegt, dass der von den Beklagten in Bezug genommene Opel rent- Tarif „normalen“ Werkstattkunden vorbehalten ist. Diesen Tarif bieten Opel Vertragswerkstätten – wie der Streitfall belegt – Kunden nicht an , von denen sie wissen, dass es sich um Unfallgeschädigte handelt, die von einem Versicherer Schadensersatz verlangen können.

2.

Ein Geschädigter verstößt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch nicht stets allein deshalb gegen die Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er – wie der Kläger – ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist. Letzteres folgt aus den Erhebungen, die der Sachverständige L. im Auftrag des Senats angestellt hat. Danach betrug der gewichtete Mittelwert für die Mietwagengruppe 6 im Postleitzahlengebiet 664 im maßgeblichen Zeitraum laut Schwacke Automietpreisspiegel ( AMP ) Ausgabe 2003 im Unfallersatztarif 245 EUR am Tag bzw. 1.451 EUR bei einer Mietdauer von 7 Tagen . Demgegenüber lag der gewichtete mittlere „Normaltarif“ nur bei 112 EUR pro Tag bzw. bei 525 EUR für 7 Tage. Diese Mietpreise verstehen sich jeweils inklusive Mwst ( Bl. 251, 253 d.A. ). Hieraus folgt, dass der dem Kläger in Rechnung gestellte Tarif deutlich höher ist als der mittlere Normaltarif. 3.

Der Geschädigte kann – ohne dass es darauf ankommt, ob spezifische unfallbezogene Mehrleistungen des Vermieters den erhöhten Unfallersatztarifrechtfertigen – den höheren Tarif im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung dann ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer „Normaltarif“ nicht ohne weiteres zugänglich war ( BGH NJW 2005,1933 ). Hierfür hat der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.

Der Kläger hat entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht einsichtig darzulegen vermocht, dass ihm bei Anlegung dieses Maßstabes kein günstigerer Tarif zugänglich war. Der Kläger wurde bei dem Unfall nicht verletzt. Er war in der Lage, dem Verursacherfahrzeug längere Zeit nachzufahren, den LKW anzuhalten, eine polizeiliche Unfallaufnahme zu veranlassen, die Opel-Werkstatt aufzusuchen und die Fahrt anschließend mit einem Mietfahrzeug fortzusetzen. Für eine psychische Ausnahmesituation, in der dem Kläger ein wirtschaftliches Denken und Handeln nicht oder nur eingeschränkt möglich gewesen sein könnte, gibt es keinen Anhalt. Dass die beruflichen Termine, die der Kläger eigenen Angaben in der landgerichtlichen Anhörung vom 6.10.2003 zufolge am Vorfallstag noch wahrzunehmen hatte, so wichtig und unaufschiebbar waren, dass der Kläger ohne Einholung von Alternativangeboten ungeprüft den Unfallersatztarif des ihm von der Werkstatt empfohlenen Vermieters in Anspruch nehmen durfte und dass ihm selbst telefonische Anfragen nach vorteilhafteren Konditionen unmöglich oder unzumutbar waren, ist weder einleuchtend dargetan ( Bl. 78 d.A. ) noch nachgewiesen. Selbst wenn der Kläger, der über eine Kreditkarte verfügt, diese am Unfalltag nicht mitgeführt haben sollte, war er nicht gehindert, sich die Karte kurzfristig zu beschaffen oder sich die Kartendaten telefonisch durchgeben zu lassen. Im Übrigen ist auch nicht dargetan, dass der Kläger die bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum Normaltarif geforderte Mietvorauszahlung bzw. Kaution ( sog. “ Cashtarif “ ) nicht hätte aufbringen können. Außerdem handelt es sich um zweitinstanzlich neues , von der Gegenseite bestrittenes ( Bl. 314 x d.A. ) Angriffsvorbringen, für das die Zulassungsbeschränkungen des § 531 Abs.2 ZPO gelten, die ersichtlich nicht gegeben sind.

Das Argument, Geschädigten werde nach Verkehrsunfällen von Mietwagenunternehmen, denen dieser Umstand bekannt ist, generell der Unfallersatztarif angeboten, was der Sachverständige L. für den hier maßgeblichen Zeitpunkt Januar 2003 in seinem schriftlichen Erstgutachten bestätigt hat, gestattet nach neuerer Rechtsprechung ebenfalls nicht den Schluss, dass dem Kläger bei entsprechender Nachfrage kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen wäre ( BGH NJW 2007,1125; 1449 m w Nw. ). Der Kläger war nicht genötigt, ein Ersatzfahrzeug gerade bei der Fa. S. L. AG in H. anzumieten, die mit der Opel – Reparaturwerkstatt in enger Verbindung stand und der bekannt war, dass er das Ersatzfahrzeug als Unfallgeschädigter in Anspruch nehmen wollte. Selbst wenn der Kläger bei Einholung von Angeboten anderer Anbieter im Raum Z. / H./Saar auf Frage seine Unfallgeschädigteneigenschaft ggfs. hätte offenbaren müssen ( Bl. 286 d.A. ), hätte er ohne Verletzung der Wahrheitspflicht auf die zu diesem Zeitpunkt ungeklärte Haftungsfrage hinweisen und mit Blick auf die sich daraus ergebenden Risiken auf dem günstigeren „Normaltarif“ bestehen können. Der Kläger weist in der Klageschrift selbst daraufhin, dass der Erstbeklagte ihm „gegenüber der Polizei das Verschulden für den Verkehrsunfall zuzuschieben versuchte“ ( Bl. 4 d.A. ). Auch die Erhebungen des Sachverständigen L. stehen dazu nicht in Widerspruch. Es mag sein, dass sämtliche lokalen Anbieter im Jahr 2003 bei Anfragen unter Hinweis auf die Unfallgeschädigteneigenschaft ausschließlich den teureren Unfallersatztarif angeboten hätten. Der Kläger hat jedoch gar keine Preisanfragen gehalten und sich nicht nach günstigeren Tarifen erkundigt. Er war nicht gehindert, bei anderen Vermietern “ neutrale “ Erkundigungen einzuholen, die ihn mit der Wahrheitspflicht nicht in Konflikt gebracht hätten. Für diesen Fall wären dem Kläger nach den Darlegungen des Sachverständigen L. von den Vermietern die zum Teil wesentlich günstigeren „Normaltarife“ angeboten worden.

Der Geschädigte muss zwar nicht zugunsten des Schädigers sparen oder sich so verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte ( BGH NJW 1996,1958 ff. ). Dennoch darf er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs nicht einfach beiseite schieben ( BGH Report 2007,388,389 ). Solche Bedenken können sich auch unter Kostenaspekten aufdrängen. Es bedarf keiner vertieften Kenntnisse der Preisgestaltung von Mietwagenunternehmen um zur Einsicht zu gelangen, dass Mietwagenkosten von ca. 2.500 EUR für ein Fahrzeug der Gruppe 7 bei einer Mietdauer von 2 Wochen enorm hoch sind. Hätte der Kläger einen Mietwagen aus anderen Gründen benötigt und wäre ihm ein solcher Tarif angeboten worden, hätte er zur Überzeugung des Senats wirtschaftlich vernünftig gehandelt und sich anderweitig nach günstigeren Konditionen erkundigt.

4.

Mithin bedurfte die Frage der Erforderlichkeit des den „Normaltarif“ übersteigenden Unfallersatztarifs weiter gehender Klärung. Ein höherer Tarif als der Normaltarif kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn er auf Leistungen des Vermieters beruht, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind ( BGH Urt. vom 14.2.2006 – Az. VI ZR 32 / 05 mwNw.). In dem Zusammenhang besteht keine Notwendigkeit, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters, hier also der Fa. S. L. AG, im Einzelnen nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen. Wegen solcher Mehrleistungen kann auch ein pauschaler, im Wege richterlicher Schätzung nach § 287 ZPO festzustellender Aufschlag auf den Normaltarif angebracht sein ( BGH Report 2007,388,389; 2006,232 ). Der Senat geht an diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anknüpfend von unfallbezogenen Mehrleistungen im Unfallersatztarif aus und ist der Auffassung, dass diese einen pauschalen Aufschlag von 25 % auf den gewichteten mittleren Normatarif rechtfertigen. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich :

Im Unfallersatztarif ergeben sich aufgrund des zufälligen Charakters sowohl der Unfallzahl als auch der Art der betroffenen Fahrzeuge stärkere Schwankungen der Nachfrage als im Einzelkundentarif. Das hat eine gegenüber dem „Normaltarif“, der verlässlichere Kalkulationen ermöglicht, geringere Auslastung des vom Vermieter vorzuhaltenden Fuhrparks zur Folge. Auch die Service- und Verwaltungskosten sind im Unfallersatztarif höher, weil dort tätige Unternehmer Bereitschaftsdienste außerhalb der normalen Geschäftszeiten stellen müssen und den Mietern in der Regel als speziellen Service die (kostenneutrale) Zustellung und Abholung des Ersatzwagens an der Reparaturwerkstatt anbieten. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Risiken für Vermieter im Unfallersatztarif höher sind als im „Normaltarif“. Häufig handelt es sich um dem Vermieter nicht bekannte Kunden, deren Bonität er schlecht beurteilen kann. Eine positive Kundenauslese durch die im „Normaltarif“ übliche Pflicht zur Vorlage der Kreditkarte findet im Unfallersatztarif in der Regel nicht statt. Das Forderungsausfallrisiko und das Risiko von Zahlungsverzögerungen ist trotz der mit den Kunden vereinbarten Sicherungsabtretung gegenüber dem „Normaltarif“ deutlich erhöht. Bei der im „Normaltarif“ obligatorischen Vorlage der Kreditkarte kann der Vermieter die Geschäftsrisiken dadurch minimieren, dass er das Konto des Kunden schon vor Übergabe des Fahrzeugs mit dem voraussichtlichen Mietpreis zuzüglich Kosten sowie der Selbstbeteiligung bei Fahrzeugschäden belastet. Demgegenüber werden Rechnungen im Unfallersatztarif erst nach Abrechnung mit dem Versicherungsunternehmen beglichen. Auch dürften Kleinschäden und Fälle mangelnder Betankung zu konstatieren sein, die vom Vermieter im Hinblick auf den deutlich höheren Unfallersatztarif nicht beanstandet werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich beim „Unfallersatztarif“ um ein im Wesentlichen homogenes “ Produkt “ handelt, das in der Regel eine Kaskoversicherung mit Selbstbeteiligung umfasst. Demgegenüber beruht die aus der „Schwacke-Liste“ ersichtliche erhebliche Bandbreite im „Normaltarif“ wesentlich darauf, dass das Leistungsspektrum der Vermieter in diesem Tarif, insbesondere was den Umfang des im Tarif enthaltenen Versicherungsschutzes anbelangt, stark variiert, worauf der Sachverständige L. in seinem Erstgutachten hingewiesen hat ( Bl. 251 d.A.; vgl. auch Neidhardt/Kremer NZV 2005, 171-178).

Dass im Unfallersatzgeschäft mitunter beträchtliche Provisionen an Vermittler ( Werkstätten, Abschleppdienste pp. ) gezahlt werden, hat unberücksichtigt zu bleiben. Hohe Provisionen werden nur deshalb gezahlt, weil Verträge zu Unfallersatztarifen für Vermieter gegenüber Verträgen mit Normaltarifen lukrativer sind. Als spezifische unfallbezogene Mehrleistungen sind solche Provisionszahlungen an Dritte nicht anzuerkennen. Gleiches gilt für die sich in jüngster Zeit mehrenden „Forderungsausfälle“, die auf eine (zu Recht) fehlende Regulierungsbereitschaft der Versicherer und die mangelnde Bereitschaft der Kunden zurückzuführen sind, überhöhte Unfallersatztarife, denen keine adäquaten unfallbezogenen Mehrleistungen gegenüberstehen, selbst zu tragen.

Der Senat geht davon aus, dass die aufgezeigten „unfallbezogenen Mehrleistungen“ einen pauschalen Aufschlag von 25 % gegenüber dem gewichteten mittleren Normaltarif rechtfertigen (ebenso: LG Bonn, Urteil vom 28.2.2007 – 5 S 159/06, Zit. nach juris; vgl. auch LG Bielefeld, Urteil vom 7.3.2007 – 22 S 292/06 – Zit. nach juris: Aufschlag von 30 % ; nach Haertlein, JZ 2007, 68,71 muss der zu schätzende Aufschlag „moderat“ sein).

Hiernach ergeben sich im Streitfall ersatzfähige Mietwagenkosten von insgesamt 1. 374,45 EUR:

Da von vorne herein mit einer Reparaturzeit von einer Woche zu rechnen war ( Bl. 75 d.A. ), hätte ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Geschädigter anstelle des Klägers bei Abschluss des Mietvertrages den mittleren „Wochennormaltarif“ in Anspruch genommen. Dieser betrug nach den Erhebungen des Sachverständigen L. bei Fahrzeugen der Gruppe 6 525 EUR ( inkl. 16 % Mwst ). Weil der Kläger nicht vorhersehen konnte, dass die Reparatur bis zum 31.3.2003 dauern würde, war für die Restreparaturzeit von 7 Tagen der mittlere „Tagesnormaltarif “ von 112 EUR (inkl. Mwst .) in Ansatz zu bringen. Für die Gesamtmietdauer ergeben sich danach Kosten im „Normaltarif“ von 1.309 EUR (inkl. Mwst.) bzw. 1.099,56 EUR netto.

Hinzu kommt der nach § 287 ZPO auf 25 % geschätzte Pauschalaufschlag für unfallbezogene Mehrleistungen. Die gemäß § 249 Abs.2 S.1 BGB als Herstellungsaufwand erforderlichen Mietwagenkosten betragen somit insgesamt 1. 374,45 EUR netto . Abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 370,10 EUR, verbleibt ein Restbetrag von 1.004,35 EUR netto, den die Beklagten noch an die Fa. S. L. AG zu zahlen haben. Die Berufung der Beklagten ist nur in diesem Umfang begründet.

Die Kostenentscheidung für beide Instanzen beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 91 a, 269 Abs.3, 100 Abs.4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Vorschrift des § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer für keine der Parteien mehr als 20.000,– EUR beträgt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).

 

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