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Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall – Normaltarif

AMTSGERICHT KEHLHEIM

Az.: 3 C 375/10

Urteil vom 14.09.2010


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz erlässt das Amtsgericht Kelheim auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2010 folgendes Endurteil:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 814,86 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 30.01.2010 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die restliche Erstattung von Mietwagenkosten im Rahmen einer Schadensabwicklung nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger ist der Eigentümer des Pkw VW Touareg, 4163 ccm, amtliches Kennzeichen …. Dieses Fahrzeug verunfallte am 26.10.2009 im Gemeindebereich Aiglsbach, der Unfallgegner war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die Beklagtenseite haftet für die Unfallschäden zu 100%.

Der Kläger mietete von 29.10.2009 bis 13.11.2009 einen VW Touareg 3,0 PDF-Diesel an und legte in diesem Zeitraum mit dem Mietwagen insgesamt 466 Kilometer zurück. Dem Kläger wurde vom Mietwagenunternehmen sodann insgesamt ein Betrag in Höhe von 2.464,20 € in Rechnung gestellt, auf den die Beklagtenseite vorgerichtlich 1.649,34 € bezahlte. Mit Schreiben vom 21.01.2010 wurde die Beklagte unter Fristsetzung zum 29.01.2010 vergeblich aufgefordert, den Differenzbetrag in Höhe von 814,86 € zu bezahlen.

Der Kläger behauptet, dass die Mietwagenkosten dem Normaltarif entsprechen würden. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, auch den restlichen Betrag bezüglich der Mietwagenkosten zu bezahlen.

Nachdem die Klage bezüglich der zunächst geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € zurückgenommen wurde, beantragt der Kläger nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 814,86 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.01.2010 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers. Außerdem werden bestritten die Erforderlichkeit zur Anmietung des Mietwagens, die geltend gemachte Fahrzeugkategorie, die Notwendigkeit der Mietdauer, ebenso die Notwendigkeit der Vollkaskoversicherung sowie die behauptete Anmietung zum Normaltarif. Außerdem wird gerügt die fehlende Berücksichtigung der ersparten Eigenaufwendungen und die Ungeeignetheit der Schwacke-Liste als Bemessungsgrundlage für die Mietwagenkosten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme des Sachverständigen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 14.09.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage erweist sich als begründet. Der Kläger kann von der Beklagten §§ 7, 18 StVG, 115 VVG die Bezahlung von weiteren 814,86 € im Rahmen der Schadensregulierung verlangen.

Dabei ist zunächst von der Aktivlegitimation des Klägers auszugehen. Die Beklagte ist bislang ebenfalls von dieser Aktivlegitimation ausgegangen, da ein Teil der Mietwagenkosten direkt an den Kläger bezahlt wurde. Soweit nun am Ende des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 14.09.2010 erstmals die Aktivlegitimation bestritten wird, handelte es sich angesichts dessen um ein unsubstantiiertes Bestreiten, insbesondere, da das Bestreiten nicht auf konkrete und verfahrensbezogene Umstände, sondern auf allgemeine Kenntnisse gestützt wird.

Der Kläger kann auch grundsätzlich die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen. Angesichts der zurückgelegten 466 Kilometer während der Mietzeit besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Kläger auf die Nutzung des Mietwagens angewiesen war. Weiterhin war der Kläger auch berechtigt, ein Mietfahrzeug der Kategorie 9 anzumieten. Der Sachverständige … hat insofern überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass das beschädigte Fahrzeug aufgrund seiner Motorisierung der Klasse 10 zuzuordnen war, das angemietete Fahrzeug aufgrund der niedrigeren Motorisierung nur der Mietwagenklasse 9.

Auch die vom Kläger geltend gemachte Mietdauer ist nicht zu beanstanden. Der Unfall ereignete sich am 26.10.2009, das Fahrzeug wurde am 29.10. angemietet und am 30.10.2009 erfolge die Auftragserteilung an den Gutachter. Das Gutachten datiert vom 03.11.2009, die Reparaturdauer endete am 13.11.2009. An diesem Tag wurde das Fahrzeug auch zurückgegeben. Die Reparaturdauer bewegte sich daher im Rahmen der im Schadensgutachten vorgesehenen Dauer. Der Kläger hat, ausgehend von der Anmietung des Fahrzeugs am 29.10.2009, jeweils unverzüglich und ohne Verletzung seiner Schadensminderungspflicht gehandelt. Der Kläger kann daher die gesamte Mietdauer seiner Abrechnung zu Grunde legen.

Erstattungsfähig erweisen sich auch die Kosten für die Vollkaskoversicherung. Einerseits ist der Vortrag des Klägers, wonach sein Fahrzeug vollkaskoversichert gewesen sei, unsubstantiiert von der Beklagtenseite bestritten worden. Andererseits kommt es hierauf aber auch nicht an, da nach der wohl herrschenden Rechtsprechung bei der Anmietung von Fahrzeugen die Vollkaskoversicherung selbst dann erstattungsfähig ist, wenn das beschädigte Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war. Maßgeblich hierfür sind schutzwürdige Interessen des Anmietenden, da die angemieteten Fahrzeuge in der Regel neuwertig und damit einen höheren wirtschaftlichen Wert darstellen, als die beschädigten Fahrzeuge. Dementsprechend ist es interessensgerecht, den Geschädigten eines Verkehrsunfalls bei der Anmietung eines Fahrzeugs nicht mit einem höheren Schadensrisiko zu belasten.

Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen war vom Kläger nicht vorzunehmen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … hat der Kläger ein Fahrzeug einer niederen Kategorie angemietet, so dass die sonst in Ansatz zu bringende Eigenersparnis in Höhe von 3 % nicht mehr abzuziehen war (vgl. Palandt, 69. Aufl., § 249 Rnr. 36 m. w. N.).

Schließlich kann der Kläger auch den ihm in Rechnung gestellten Miettarif von der Beklagten ersetzt verlangen. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist als Herstellungsaufwand der Ersatz derjenigen Mietwagenkosten erstattungsfähig, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (ständige Rechtsprechung). Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihn Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Aus diesem Grund ist der Geschädigte bei einem Verkehrsunfall grundsätzlich verpflichtet, einen sog. Normaltarif zu wählen. Auch ist der Geschädigte beweispflichtig für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Aufwendungen.

In dem hier zu entscheidenden Fall konnte ein Normaltarif, der von dem vom Kläger in Rechnung gestellten Tarif abweicht, nicht festgestellt werden. Der Sachverständige sah sich angesichts des konkreten Fahrzeugtyps nicht in der Lage, einen abweichenden Normaltarif zu definieren, Auch die von der Beklagtenseite vorgelegten Angebote betreffen Fahrzeuge anderer Modelle und Hersteller als das vom Kläger angemietete Fahrzeug. Auch die Berufung der Beklagten auf die sog. Fraunhoferliste begründet hier keinen abweichenden Normaltarif, da selbst unter Zugrundelegung dieser Liste sich kein Nachweis ergibt, dass der Kläger tatsächlich zu den dort genannten Preisen das konkrete Fahrzeug im Regionalbereich hätte anmieten können

Die Nichterweislichkeit einer Abweichung vom Normaltarif geht zu Lasten der Beklagten. Zwar obliegt dem Geschädigten der Nachweis für die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten. Die hierzu ergangene Rechtsprechung setzt jedoch voraus, dass im örtlichen Bereich eine Differenz zwischen Normaltarif und dem konkret gewählten Tarif besteht. Der Nachweis, dass eine solche Differenz im örtlichen Bereich überhaupt besteht bzw. der Geschädigte eine Alternative bei der Anmietung dieses konkreten Fahrzeugtyps hatte, obliegt der Schädigerseite, da andernfalls der Geschädigte mit einem unzumutbaren Negativbeweis belastet würde. Dabei folgt aus § 249 BGB, dass der Geschädigte einen Anspruch besitzt, den mit dem beschädigten Fahrzeug identischen Fahrzeugtyp anzumieten. Soweit aufgrund der Besonderheit dieses Fahrzeugs alternative Anmietungsmöglichkeiten im regionalen Bereich sich nicht nachweisen lassen, geht dies zu Lasten des Schädigers.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass der Kläger den ihm in Rechnung gestellten Tarif von der Beklagten erstattet verlangen kann, da im Rahmen des Verfahrens für das Konkretfahrzeug kein abweichender Normaltarif nachgewiesen wurde.

Die Klage war daher begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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