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Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall – Schwackeliste 2003

Amtsgericht Siegen

Az.: 14 C 2992/10

Urteil vom 05.05.2011


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Siegen auf die mündliche Verhandlung vom 31.03.2011 für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 677,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. April 2010 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung restlicher
Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 9. März 2010 in Hilchenbach zwischen Herrn … und dem Versicherungsnehmer der Beklagten in Anspruch.

Die Parteien streiten lediglich über die Hohe des von der Beklagten zu ersetzenden Schadens.

Der Geschädigte, Herr … mietete ein Ersatzfahrzeug bei der Klägerin in der Zeit vom 10. März bis 19. März 2010. Das beschädigte Fahrzeug des Herrn … ist der Schwacke-Preisgruppe 04, das angemietete Ersatzfahrzeug der Schwacke-Preisgruppe 03 zuzuordnen.

Am 29. März 2010 leistete die Beklagte an die Klägerin einen Teilbetrag in Höhe von 700,00 €. Ausweislich der Rechnung vom 22. April 2010 begehrt die Klägerin über die 700,00 € hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 677,00 €.

Ausweislich dieser Rechnung begehrt die Klägerin eine Wochenpauschale in Höhe von 470,73 €, eine 3-Tages-Pauschale in Höhe von 258,00 €, Kosten für eine Haftungsfreistellung in Höhe von 159,60 €, Kosten für Zustellung und Abholung des Fahrzeuges in Höhe von 42,01 €, Kosten für Winterreifen in Höhe von insgesamt 100,80 € sowie Kosten für einen Zusatzfahrer in Höhe von insgesamt 126,00 €.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 677,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. April 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das Ersatzfahrzeug sei weder zugestellt noch abgeholt worden. Ein Bedarf für die Kosten eines zweiten Fahrers bestehe nicht. Ferner vertritt sie die Rechtsauffassung, die Sicherungsabtretung des Geschädigten an die Klägerin sei nichtig, da ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vorliege. Überdies sei eine Übersicherung erfolgt. Der ortsübliche Normaltarif sei anhand des Fraunhofer-Mietpreisspiegels zu ermitteln. Die Erstattung von Kosten für eine Vollkaskoversicherung sei nicht gerechtfertigt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … sowie des Herrn ….

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31. März 2011 sowie hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der übrigen Mietwagen kosten in Höhe von 677,00 €.

Zur Ermittlung des ersatzfähigen Normaltarifs legt das Gericht die Schwackeliste 2003 unter Berücksichtigung der Preissteigerung sowie der Mehrwertsteuererhöhung zugrunde. Nach Auffassung des Gerichts stellt die Schwackeliste 2003 gegenüber den Schwackelisten ab 2006 sowie der Erhebung des Fraunhofer-Institutes die am besten geeignete Vergleichsgrundlage dar. Der Bundesgerichtshof hat unter Hinweis auf die besondere Freiheit des Tatrichters die Zugrundelegung dieser Liste gebilligt (vgl. BGH. NJW, 2009, Seite 58, 60).

Gegen die Zugrundelegung der Schwackelisten 2006 und 2007 ergeben sich hingegen erhebliche Bedenken. Diese Bedenken folgen daraus, dass die ermittelten Daten nicht anonymisiert erfragt wurden, sondern die befragten Vermieter seinerzeit über den Zweck der Befragung informiert waren, was die ermittelten Werte dem Vorwurf der Beeinflussung aussetzte. Zweifel an der Richtigkeit der ermittelten Daten ergeben sich überdies auch aus dem Grunde, dass die Schwackelisten 2006 und 2007 gegenüber der Liste aus dem Jahr 2003 erhebliche Preissprünge aufweisen, die sich dadurch erklären lassen, dass die Mietwagenunternehmen in Kenntnis der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Unfallersatztarif ihre Angaben hierauf angepasst haben (vgl. beispielsweise OLG München, RuS 2008, 439, 440).

Durchgreifenden Einwendungen begegnet auch die Erhebung des Fraunhofer-Institutes. Zwar bietet diese Liste den Vorteil, dass sie aufgrund anonymer Abfragen von Mietpreisen die konkrete Anmietsituation besser abbildet und etwaige Manipulationen durch bewusste Nennung von höheren Preisen seitens der befragten Mietwagenunternehmen vermeidet. Allerdings hat die Liste bereits den Nachteil, dass sie ein zu großes Raster etwa bei den telefonisch erfragten Werten und den ermittelten Internetwerten aufweist und so den örtlichen Preisunterschieden nicht genügend Rechnung trägt. In das Gewicht fällt außerdem, dass man bei der telefonischen Erhebung die Legende verwendet hat, ein Fahrzeug erst nach einer Woche zu benötigen. Diese Vorgehensweise wird dem Markt für schnell zur Verfügung stehende Ersatzwagen nicht gerecht. Im übrigen handelt es sich bei der Fraunhofer-Studie um eine von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebene Studie, deren Unabhängigkeit und Neutralität in Frage gestellt werden kann (vgl. OLG Stuttgart, NZV 2009, 563, 565).

Die Nachteile, die dem jeweiligen Zahlenwert anhaften, lassen sich auch nicht dadurch aufheben, dass man aus beiden einen Mittelwert bildet.

Dagegen bietet die Schwackeliste 2003 den Vorteil, dass die Liste zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, zu dem die Mietwagenunternehmen eben noch keine Kenntnis von der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Ersatzfähigkeit des Unfallersatztarifes haben konnten.

Unter Berücksichtigung der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht hat die Klägerin zur Ermittlung des Normaltarifs in dem vorliegenden Fall zutreffend einmal den Wochentarif sowie einmal den 3-Tages-Tarif zugrunde gelegt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Geschädigte nicht zu Erkundigungen auf dem freien Markt nach etwaigen günstigeren Mietwagentarifen verpflichtet. Eine solche Erkundigungspflicht besteht nur dann, wenn der angebotene Tarif erheblich bzw. auffällig hoch über dem Normaltarif liegt (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2006, Aktenzeichen VI ZR 237/05). In der Rechtsprechung hat sich hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit die Überzeugung gebildet, dass ein Geschädigter Zweifel an der Angemessenheit des Tarifes dann haben muss, wenn dieser zwischen 50 bis 100 % höher liegt als der örtlich übliche Normaltarif. Eine Überschreitung des Normaltarifs in dem vorgenannten Spektrum war vorliegend nicht festzustellen.

Erstattungsfähig sind auch die von der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten für die Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges. Die Kosten für die Zustellung und Abholung eines Mietfahrzeuges sind erstattungsfähig, da ein Unfallgeschädigter diesen Service grundsätzlich in Anspruch nehmen darf (OLG Köln, MZV 207, 199). Nach Vernehmung der Zeugin … ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass in tatsächlicher Hinsicht eine Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges erfolgt ist.

Zu ersetzen sind ferner die in Rechnung gestellten Kosten für Winterreifen. Zwar vertritt ein Teil der Rechtsprechung die Auffassung, dass eine gesonderte Vergütung für eine der winterlichen Witterung angepasste Bereifung nicht gerechtfertigt sei, da eine solche zur selbstverständlichen Standardausrüstung eines Mietwagens gehöre (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 2010, Aktenzeichen 9 U 141/09). Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Die Pflicht, ein Fahrzeug in einen verkehrstauglichen Zustand zu versetzen, sagt nichts darüber aus, ob von einem Mietwagenunternehmen nicht dennoch für Winterreifen zusätzliche Kosten erhoben werden. Unabhängig von der Neufassung des § 2 Abs. 3 a StVO ist es nach Auffassung des Gerichts üblich, den Mietpreis für Winterreifen gesondert abzurechnen. Vorliegend durfte der Geschädigte Winterreifen auch für erforderlich halten, da sich der Unfall zwar nicht im November ereignet hat, wie die Klägerin anzunehmen scheint, jedoch auch im März im Siegerland mit winterlichen Verkehrsverhältnissen zu rechnen ist.

Erstattungsfähig sind auch die Kosten für die Vereinbarung eines Vollkaskoschutzes. Unabhängig von der Frage, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug selbst voll- oder teilkaskoversichert war, besteht jeweils ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeuges nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neu und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (LG Siegen, Urteil vom 27.10.2009, Aktenzeichen 1 S 49/09).

Erstattungsfähig sind ferner die Kosten für einen zweiten Fahrer. Der Zeuge … hat für das Gericht glaubhaft und überzeugend ausgesagt, dass das beschädigte Fahrzeug bei seiner Haftpflichtversicherung nicht nur für ihn, sondern ausdrücklich auch für seinen Bruder … haftpflichtversichert war. Da der Bruder … den Unfallwagen ebenfalls mitbenutzt hat, handelt es sich bei den Kosten für den Zweitfahrer um notwendigen Schadenersatz (vgl. Urteil des LG Koblenz vom 01.12.2009, Aktenzeichen 6 S 126/09).

In der Abtretung der Ansprüche an die Klägerin ist auch kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz zu sehen. Die Geltendmachung der Schadenersatzforderung in eigenem Namen aufgrund der Sicherungsabtretung stellt zwar eine grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 RDG erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar. Diese ist aber gemäß § 5 Abs. 1 RDG als Nebenleistung erlaubnisfrei (vgl. auch AG Waiblingen, Urteil vom 05.11.2010. 8 C 1039/10).

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Ebenso wenig ergibt sich eine Nichtigkeit der Sicherungsabtretung aus dem Prioritätsprinzip bzw. dem Gesichtspunkt einer Übersicherung, wie die Beklagte zu meinen scheint. Die Abtretung gegenüber dem Kfz.-Sachverstandigen … beschränkt sich auf die Gutachterkosten, die Abtretung gegenüber der … erfasst lediglich die Abschlepp-, Bergungs- bzw. Kosten der Pannenhilfe.

Der Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, diejenige über die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO.

Der Streitwert beträgt 677,00 €.

 

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