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Mietwagen – Werkstattrisiko

Amtsgericht Pforzheim

Az: 2 C 236/08

Urteil vom 20.01.2009


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz hat das Amtsgericht Pforzheim im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Absatz 2 ZPO, in dem Schriftsätze eingereicht werden konnten bis spätestens 28.11.2008 für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 856,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2008 zu zahlen sowie ihn in Höhe von 236,44 € von der Rechnung Nr. 018543 der …. Autovermietung GmbH freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.093,18 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 18.12.2007 geltend. Die grundsätzliche Einstandspflicht des Beklagten als Haftpflichtversicherung des unfallgegnerischen Fahrzeuges ist zwischen den Parteien unstreitig.

Vom 18.12. bis zum 31.12.2007 mietete der Kläger bei der …. Autovermietung GmbH ein Ersatzfahrzeug an, wofür ihm mit der Rechnung Nr. 018543 insgesamt 1.936,44 € in Rechnung gestellt wurden. Hierauf bezahlte der Beklagte vorgerichtlich 1.124,94 €. Der verunfallte Pkw des Klägers wurde in eine Reparaturwerkstatt verbracht, wo am 19.12.2007 die Besichtigung durch einen Sachverständigen stattfand; das entsprechende Gutachten datiert vom 21.12.2007. Reparaturbeginn war der 08.01.2008, Reparaturende der 16.01.2008. Auf die geltend gemachte Nutzungsentschädigung in Höhe von insgesamt 944,- € (16 Tage zu je 59,- €) zahlte der Beklagte insgesamt 590,- € (10 Tage zu je 59,- €).

Der Kläger ist im Wesentlichen der Ansicht, die ihm in Rechnung gestellten Mietwagenkosten seien erforderlich und angemessen gewesen; zu Vergleichszwecken könne insbesondere auf die Schwacke-Liste zurückgegriffen werden. Weiterhin stünde ihm eine Nutzungsausfallentschädigung für insgesamt 16 Tage zu, da es nicht in seinem Risikobereich liege, wenn aufgrund der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels mit der Reparatur seines Wagens erst am 08.01.2008 habe begonnen werden können. Er ist insgesamt der Ansicht, dass ihm der Beklagte zur Zahlung der restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 739,18 € sowie einer weiteren Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 354,- € nebst Verzugszinsen verpflichtet sei.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.093,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet im Wesentlichen die betriebswirtschaftliche Rechtfertigung der dem Kläger in Rechnung gestellten Mietwagenkosten und behauptet, dass dem Kläger ein günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei; eine Eil- oder Notsituation habe nicht vorgelegen. Der Beklagte bestreitet des Weiteren, dass der Kläger die Mietwagenrechnung überhaupt durch Zahlung ausgeglichen habe. Jedenfalls sei die Schwacke-Liste nicht zur Schätzung des Normaltarifes geeignet, bestätigt werde dies insbesondere durch die Erhebungen des Fraunhoferinstitutes. Abgesehen davon käme auch kein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 % auf den Normaltarif in Betracht. Letztlich könne der Kläger auch keine über 10 Tage hinausgehende Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Zumindest direkt nach Weihnachten hätte sofort mit der Reparatur begonnen werden können; dass dies nicht geschehen sei, stelle einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage erwies sich als im Wesentlichen begründet.

Der Beklagte kann zunächst nicht damit gehört werden, dass dem Kläger ein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – zugänglich gewesen sei (vgl. Urteil des BGH vom 04.07.2006, VI ZR 237/05). Denn dies würde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung voraussetzen, dass der in Rechnung gestellte Tarif deutlich, im Durchschnitt um mindestens 100 % über dem „Normaltarif“ liegt. Dies war hier aber gerade nicht der Fall, wie sich aus den weiter unten folgenden Berechnungen ergibt. Danach war der dem Kläger in Rechnung gestellte Tarif nicht derart überhöht, dass ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter sich nach einem anderen, günstigeren Tarif hätte erkundigen müssen. Abgesehen davon ist der Geschädigte auch nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH nicht gehalten, unter sämtlich angebotenen Tarifen den denkbar günstigsten in Anspruch zu nehmen und eine Art „Marktforschung“ zu betreiben. Weiterhin war vorliegend auch und gerade von einer Eil- bzw. Notsituation bei der Anmietung des Ersatzfahrzeuges auszugehen; der Unfall ereignete sich am 18.12.2007 gegen 06:50 Uhr, die Anmietung des Ersatzfahrzeuges erfolgte am selben Tag um 08:10 Uhr. Die Anmietung des Ersatzfahrzeuges erfolgte zwar an einem Montag und mithin einem Werktag, zur sofortigen Wiederherstellung seiner Mobilität – was sich insbesondere aus dem zeitlichen Ablauf ergibt – war der Kläger jedoch berechtigt, unmittelbar und mithin ohne weitergehende „Ermittlungen“ ein Ersatzfahrzeug anzumieten.

Bei der Feststellung der Höhe der zu ersetzenden Mietwagenkosten schließt sich das Gericht ausdrücklich sowohl dem Landgericht Karlsruhe (9 S 510/07, Urteil vom 25.04.2008) als auch insbesondere dem Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 18.09.2007, 13 U 217/06 sowie vom 17.03.2008, 1 U 17/08) an, wonach als Ausgangspunkt der Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels bzw. Modus der Schwacke-Liste gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann. Die Schwacke-Liste 2007 bildet eine geeignete Schätzgrundlage, da diese keine erheblichen methodischen Mängel bei der Datenerhebung und deren Auswertung aufweist und keine ausreichenden und nachgewiesenen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die eingetretene Preissteigerung allein ein Reflex auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist. Insbesondere war nicht zwingend den Erhebungen des Fraunhoferinstitutes Vorrang zu geben; dem Tatrichter steht es im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten Schätzungsermessens frei, auf die Schwacke-Liste zurückzugreifen. Bedenken gegen eine Schätzgrundlage muss nicht durch Beweiserhebung nachgegangen werden, wenn eine andere geeignete Schätzgrundlage zur Verfügung steht (BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07).

Weiterhin ist ein Zuschlag für unfallbedingte Mehraufwendungen anzusetzen, den das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 18.09.2007, 13 U 217/06) sowie dem Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 10.10.2008, 9 S 20/08) auf 20 % schätzt. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 02.03.2007, 19 U 181/06) hat zutreffend ausgeführt, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen wegen vermehrter Beratungs- und Serviceleistungen etc. selbst aus Sicht der Versicherungswirtschaft gerechtfertigt und geboten ist.

Damit war vorliegend auf die Schwacke-Liste 2007 im Postleitzahlengebiet 751.. sowie einen Pkw der Gruppe 7 abzustellen. Danach belaufen sich die reinen Mietwagenkosten auf insgesamt 1.463,- € (2 Wochen zu je 731,50 €). Hiervon war im Anschluss an das Landgericht Karlsruhe (DAR 03, 321) und das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 26.01.2001, 10 U 200/00) ein Abzug von 5 % bzw. 73,15 € für ersparte Eigenaufwendungen vorzunehmen, woraus sich ein Betrag in Höhe von 1.389,85 € ergibt. Hierauf war – obigen Ausführungen folgend – ein Aufschlag von 20 % bzw. 277,97 € vorzunehmen, woraus ein Betrag in Höhe von 1.667,82 € folgt. Hinzu kommen des Weiteren die Kosten für eine Vollkaskoversicherung in Höhe von insgesamt 312,- € (2 Wochen zu je 156,- €). Damit ergibt sich ein dem Kläger hinsichtlich der Mietwagenkosten insgesamt zustehender Betrag in Höhe von 1.979,82 €; die streitgegenständliche Rechnung der …. Autovermietung GmbH liegt sogar noch geringfügig darunter. Der Kläger kann daher grundsätzlich vollumfänglichen Ersatz der Mietwagenkosten beanspruchen; dies jedoch mit der Einschränkung, dass eigenem Vortrag nach von ihm ein Teilbetrag in Höhe von 236,44 € noch nicht beglichen wurde. In Höhe dieses Betrages kam daher lediglich der zuerkannte Freistellungsanspruch und mithin kein Zahlungsanspruch in Betracht, demzufolge war die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen. Nichts anderes ergibt sich insbesondere auch aus dem von dem Klägervertreter in diesem Zusammenhang angeführten Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 10.10.2008 (9 S 20/08).

Weiterhin kann der Kläger wie begehrt eine Nutzungsausfallentschädigung für insgesamt 16 Tage verlangen. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Feiertage und der Betriebsferien der Reparaturwerkstatt eine frühere Reparatur nicht in Betracht kam. Angesichts dessen sowie der Tatsache, dass der Geschädigte nicht das sogenannte Werkstattrisiko und damit auch nicht die Mehrkosten trägt, die ohne seine Schuld verursacht worden sind (s. hierzu jüngst bspw. OLG München, Urteil vom 25.07.2008, 10 U 2539/08), kann das in diesem Zusammenhang pauschale Bestreiten der Beklagten keinen Erfolg haben.

Die geltend gemachten und zuerkannten Verzugszinsen finden ihre Grundlage in den §§ 286, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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