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Mischmietverträge – Formunwirksamkeit des Mietvertrages

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

Az.: 4 U 99/01

Verkündet am: 21.08.2002

Vorinstanz: LG Hamburg – Az.: 307 O 149/00


In dem Rechtsstreit hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, nach der am 3. Juli 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 7, vom 8. Mai 2001 abgeändert und – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten – in Ziffer II und Ziffer III neu gefasst.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über das Objekt………..Straße in…..Hamburg durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Oktober 2000 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 41.500,- €, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Mietzins von der Beklagten sowie die Feststellung, dass das von ihren Eltern, ihren Rechtsvorgängern, mit Vertrag vom 15.12.1993 (Anl. K 2 = B 1) begründete Mietverhältnis durch eine Kündigung seitens der Beklagten nicht beendet worden ist. Zeitgleich mit dem Mietvertrag hatte der Vater der Klägerin mit der Beklagten eine „Vereinbarung“ abgeschlossen und am 17.12.1993 notariell beurkunden lassen (Anl. K 1 = B 1), mit der er die von ihm auf dem Mietgrundstück betriebene Kfz-Reparaturwerkstatt (Mercedes-Benz) an die Beklagte verkaufte. Dieser Vertrag sah in § 10 Abs. 4 ein Rücktrittsrecht des Verkäufers auch bezüglich des Mietvertrags vor für den Fall, dass der Kaufpreis am 31.1.1994 noch nicht vollständig gezahlt war.

Die mit Schreiben vom 30.10.2000 erklärte fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses (Anl. K 3) hat die Beklagte mit einer Auflösung des Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommens seitens der Daimler Chrysler AG begründet und sich zudem auf mangelhafte Schriftform des Mietvertrags berufen.

Mit Urteil vom 8.5.2001, auf das zur weiteren Sachdarstellung einschließlich der erstinstanzlichen Sachanträge der Parteien verwiesen wird, hat das Landgericht der Zahlungsklage stattgegeben und festgestellt, dass das Mietverhältnis durch die fristgemäße Kündigung beendet sei. Zwar bestehe kein Sonderkündigungsrecht der Beklagten wegen Beendigung des Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommens, die vereinbarte Befristung des Mietvertrags zum 31.12.2008 sei aber gemäß § 566 Satz 2 BGBa.F. hinfällig, da das im Kaufvertrag vereinbarte Rücktrittsrecht auch bezüglich des Mietvertrags nicht wirksam als Anlage zum Mietvertrag beurkundet worden sei.

Beide Parteien haben fristgemäß Berufung eingelegt und diese fristgemäß begründet. Sie wiederholen und vertiefen ihren jeweiligen Rechtsstandpunkt.

Die Klägerin beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Hamburg festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis über das Objekt in Hamburg durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Oktober 2000 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und außerdem, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 8.5.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt diesem Antrag entgegen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze mit Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, aber nur diejenige der Klägerin ist auch begründet.

1. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

a) Zu Recht hat das Landgericht die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht deshalb verneint, weil – wie die Beklagte meint – eine Klage auf künftige Leistung des Mietzinses bis zum Mietzeitende möglich gewesen wäre. Eine solche Klage ist nicht zulässig, wenn – wie hier- die künftige Leistungspflicht von einer Gegenleistung abhängt (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 258 Rn. 1). Ein besonderes Feststellungsinteresse ist hier ohnehin nach § 256 Abs. 2 ZPO nicht erforderlich, da von dem streitigen Rechtsverhältnis, dem Fortbestand des Mietverhältnisses, auch die Entscheidung über die Zahlungsklage abhängt. Dass dieses Mietverhältnis nunmehr möglicherweise durch eine von der Klägerin zum 30.6.2002 ausgesprochene Kündigung beendet worden ist, steht dem Feststellungsantrag ebenfalls nicht entgegen, da auch ein vergangenes Rechtsverhältnis noch Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, wenn sich daraus noch Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben (Zöller/Greger, § 256, Rn. 3 a), was hier anzunehmen ist.

Ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht ein Sonder-kündigungsrecht der Beklagten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verneint. Ergänzend ist anzumerken, dass die der Kündigung vom 30.10. 2000 (Anl. K 3) zugrunde liegende Entwicklung, nämlich die Verschlechterung der Standortbedingungen oder ihrer Beurteilung – hier durch die Daimler-Benz AG (vgl. Anl. B 4, B 5) -, im Mietvertrag vom 15.12.1993 (Anl. K 2 = B 1) geregelt ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 hat der Vermieter nicht dafür einzustehen, dass der dem primären Mietzweck entsprechende Gewerbebetrieb während der gesamten Mietdauer aufrechterhalten bleiben kann und der Standort geeignet für den Betrieb eines solchen Unternehmens ist. Das Verwendungsrisiko ist hier also ausdrücklich der Beklagten allein auferlegt worden. Ihre Ansicht, dass von den Parteien des Mietvertrags eine auf Standartmängel gestützte vorzeitige Beendigung des Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommens zwischen der Beklagten und der Daimler-Benz AG nicht bedacht worden sei, ist angesichts dieser Vertragsbestimmung nicht nachvollziehbar.

Unbegründet ist auch die Meinung der Beklagten, dass aufgrund der Beendigung des Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommens zwischen der Beklagten und der Mercedes-Benz AG eine Verminderung des Mietzinses auf die ortsübliche Miete von angeblich 8.000,- DM zuzüglich Umsatzsteuer eingetreten sei. § 552 Satz 1 BGB a. F. besagt das Gegenteil. Eine abweichende vertragliche Regelung ist nicht ersichtlich. Auch der von der Beklagten vorgetragene Umstand, dass ein erheblicher Teil der Miete einen verdeckten Kaufpreis für das erworbene Unternehmen darstelle, führt nicht zur Herabsetzung der Miete. Die Beklagte bzw. die hinter ihr stehenden Personen profitieren nämlich weiterhin von dem erworbenen Unternehmen. Die Beklagte hat es offenbar an die mit ihr personell verflochtene Firma ……..Automobile GmbH übertragen, die ohne Unterbrechung Vertragswerkstatt der Daimler-Chrysler AG geworden ist. Dies ergibt sich aus den Anlagen K 7, K 8 und K 9 sowie aus ihrer eigenen Firmenänderung. Ihr diesbezügliches Bestreiten mit Schriftsatz vom 6.4.2001 und in der mündlichen Verhandlung ist demgegenüber ohne die erforderliche Substanz.

b) Auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Mietezahlung für November und Dezember 2001 ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Jedenfalls in diesen Monaten bestand das Mietverhältnis zwischen den Parteien wegen Fehlens eines wichtigen Kündigungsgrundes unverändert fort.

2. Die Berufung der Klägerin ist begründet, da der Beklagten auch ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses nicht zustand. Die in § 3 Ziff. 3 des Mietvertrags vereinbarte Befristung zum 31.12.2008 ist durch das außerhalb der Mietvertrags-Urkunde vereinbarte Rücktrittsrecht im Falle nicht rechtzeitiger Kaufpreiszahlung (§ 10 Ziff. 4 des als „Vereinbarung“ bezeichneten Kaufvertrags vom 15.12.1993, Anl. K 1 = B 1) nicht hinfällig geworden.

Die vom Landgericht insoweit angesprochene Problematik der Mischverträge betrifft nur die Frage, welche weitergehenden Folgen die Formunwirksamkeit eines Mietvertrages auf verbundene Verträge haben kann, nicht aber die hier relevante Frage, ob der Formzwang des § 566 a.F. eingehalten ist. Zwar fehlt es im Mietvertrag an einer Verweisung auf die Regelung des § 10 Ziff. 4 der „Vereinbarung“, so dass sie aus dem Mietvertrag nicht -etwa als Anlage zu diesem – erkennbar ist. Aus § 10 Ziff. 4 der „Vereinbarung“ ist aber durch die hier vorhandene Bezugnahme auf den Mietvertrag hinreichend erkennbar, dass er als Ergänzung zu diesem verstanden werden soll. Auch ohne körperliche Verbindung mit der Mietvertrags-Urkunde ist er – als Ergänzungsvereinbarung – formwirksam geworden (vgl. zur diesbezüglichen BGH-Rechtsprechung: Palandt/Weidenkaff, BGB, 61. Aufl., § 550 Rn. 17).

Dies kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben, da der nach § 10 Ziff. 4 der „Vereinbarung“ mögliche Rücktritt nur innerhalb angemessener Frist hätte ausgeübt werden können (BGHZ 25, 52; Erman/Battes, BGB, 10. Aufl., § 325 Rn. 27), jedenfalls nicht noch nach Ablauf eines Jahres. Für derartig kurzfristig wirkende Änderungsvereinbarungen gilt das Formerfordernis des § 566 a. F. nach seinen rechtspolitischen Zwecken von vornherein nicht (Müller JR 1970, 86, 87 f.; Bub/Treier/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rn. 763, 773; Palandt/Weidenkaff, § 550, Rn. 16).

Zudem bezweckt das Formerfordernis den Schutz vor langfristiger Bindung, nicht aber den Schutz vor einem Wegfall der Bindung. Daher ist auch eine einverständliche Aufhebung des Mietvertrags nicht als formbedürftige Inhaltsänderung anzusehen (Müller a.a.O., S. 88; BGH NJW 1975,1653,1655).

Letztlich ist auch der Grundsatz, dass unwesentliche Nebenabreden formfrei sind (vgl. Palandt/Weidenkaff, § 550 Rn. 10, 16), hier einschlägig. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Mietvertrag und Kaufvertrag im Sinne eines Mischvertrags hätte sich nämlich die Auflösung des Mietvertrags im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag auch ohne vertragliche Regelung schon aus § 139 BGB ergeben (vgl. zum umgekehrten Fall: Bub/Treier/Heile, II Rn., 782).

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Die weitere Frage, ob denn die Vertragschließenden der „Vereinbarung“ überhaupt eine wirksame Regelung für den Mietvertrag ohne Mitwirkung der hier mitbeteiligten Mutter der Klägerin treffen konnten, kann nach allem dahingestellt bleiben.

3. Angesichts des Ergebnisses der Berufungen ergeben sich die Nebenentscheidungen aus §§ 91, 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

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