Verfasser: Dr. Christian Gerd Kotz
1. Einführung:
Die Verfassungsbeschwerde ist die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum Schutz eines dem Beschwerdeführer (so heißt bei der Verfassungsbeschwerde der „Kläger“) nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen. Nach Art. 93 Abs.1 Nr.4a GG kann „Jedermann“ (jede natürliche oder juristische Person [bei juristischen Personen muss das Grundrecht gem. Art. 19 Abs.3 GG auf diese Anwendung finden können]) eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG mit der Behauptung erheben, er sei durch die öffentliche Gewalt (hierunter fallen: Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung) in einem seiner Grundrechte verletzt.
Eine Verfassungsbeschwerde kann sich vor allem gegen Gesetze, Urteile und Verwaltungsakte richten. Sie setzt aber grundsätzlich (keine Regel ohne Ausnahme) die Erschöpfung des Rechtsweges voraus (vgl. § 90 Abs.2 BVerfGG).
Seit 1993 wird eine Verfassungsbeschwerde durch das BVerfG nur noch dann zur Entscheidung angenommen, wenn ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu kommt oder wenn Grundrechte oder „sonstige“ Rechte des Beschwerdeführers möglicherweise verletzt sind.
2. Missbräuchlichkeit einer Verfassungsbeschwerde:
Die 3. Kammer des zweiten Senats des BVerfG hat erneut in mehreren Nichtannahmebeschlüssen (Beschlüsse vom 18. und 26. September 2000 – Az.: 2 BvR 1419/00, 1407/00, 1609/00)deutlich gemacht, dass bei Einlegung einer missbräuchlichen Verfassungsbeschwerde die Verhängung von Missbrauchsgebühren droht.
a. Sachverhalte:
aa. In zwei der entschiedenen Verfahren hatten die Beschwerdeführer sich gegen die Verwerfung ihrer Revisionsanträge in Strafverfahren gewandt. Dies betraf im Verfahren Az.: 2 BvR 1419/00einen Polizeibeamten, der wegen Misshandlung von Gefangenen auf der Polizeiwache in neun Fällen verurteilt worden war. Im zweiten Verfahren Az.: 2 BvR 1407/00 lag die Verurteilung wegen missbräuchlicher Führung eines Doktortitels zugrunde.
Beide Beschwerdeführer haben sich trotz anwaltlicher Vertretung in ihren Verfassungsbeschwerden nicht hinreichend mit den Gründen auseinandergesetzt, die zu ihrer Verurteilung bzw. der Verwerfung ihrer Revisionsanträge geführt haben. Weiterhin konnten sie nicht glaubhaft vortragen, dass sie möglicherweise in einem ihrer Grundrechte bzw. sonstigen Rechte verletzt sind.
bb. Im dritten Fall (Az.: 2 BvR 1609/00) betraf die Verfassungsbeschwerde die verweigerte Kostenerstattung für ein Privatgutachten. In einem Steuerstrafverfahren hatte der Verteidiger des Beschwerdeführers bei einer Steuerberater-GmbH ein Rechtsgutachten für rund 12.000 DM in Auftrag gegeben. Nach dem das Strafverfahren eingestellt worden war, verweigerten die Gerichte die Auslagenerstattung hinsichtlich dieser Kosten. Nach ihrer Auffassung war deren Erforderlichkeit nicht nachgewiesen, da der Strafverteidiger in einer Rechtsanwalts-GmbH mit mehreren Fachanwälten für Steuerrecht verbunden war und die angesprochenen Fragen mit deren Unterstützung durch Anträge an das Gericht hätte darlegen können. Zudem sei das Steuerstrafverfahren wegen nachgereichter Steuererklärungen des Beschwerdeführers eingestellt worden, nicht aber aufgrund der Ausführungen in dem Privatgutachten.
Auch mit dieser Begründung hat sich der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht angemessen auseinandergesetzt. Er hat vielmehr lediglich seine Rechtsansichten wiederholt.
b. Entscheidung des BVerfG:
Die 3. Kammer des zweiten Senats des BVerfG hat gegenüber allen Beschwerdeführern Missbrauchsgebühren zwischen 600 DM und 3.000 DM (max. möglich sind 5.000 DM) verhängt und ausgeführt: „Ein Missbrauch liegt u.a. dann vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss“. In den hier entschiedenen Fällen haben die Beschwerdeführer das BVerfG lediglich als weitere Rechtsmittelinstanz benutzt, ohne sich mit Fragen von verfassungsrechtlicher Relevanz zu befassen.
Das BVerfG hat die Aufgabe, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit wichtig sind und – wo nötig – die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen. Es muss nicht hinnehmen, in der Erfüllung dieser Aufgabe durch substanzlose Verfassungsbeschwerden behindert zu werden. Die 3. Kammer des BVerfG weist ausdrücklich darauf hin, dass den Beschwerdeführer ein Rückgriffsanspruch gegen ihre Prozessbevollmächtigten unbenommen bleibt, sofern der Missbrauch auf einer fehlerhaften anwaltlichen Beratung beruhen sollte.