Brandenburgisches Oberlandesgericht
Az.: 6 U 114/05
Urteil vom 13.06.2006
Vorinstanz: Landgericht Potsdam, Az.: 2 O 279/05
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.5.2006 für Recht erkannt:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 29.8.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 2 O 279/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht Potsdam hat mit dem am 29.8.2005 verkündeten Urteil die Beschlussverfügung vom 11.7.2005 aufgehoben und den auf Erlass derselben gerichteten Antrag zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, bereits das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien sei zweifelhaft. Die Verfügungsklägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie auf ihrer Internetplattform außer indizierten Produkten auch andere Artikel vertreibe. Die Verfügungsbeklagte verbiete aber gerade in ihren AGB den Handel mit indizierten Produkten. Ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz könne der Verfügungsbeklagten nicht vorgeworfen werden. Zwar stehe fest, dass über deren Internetplattform jugendgefährdende Artikel (hier: DVD`s) erworben werden könnten. Die Verfügungsbeklagte mache diese Artikel jedoch nicht Minderjährigen „zugänglich“ im Sinne des Jugendschutzgesetzes. Dieser Vorwurf treffe vielmehr den Verkäufer, der das entsprechende Angebot auf der Internetplattform der Verfügungsbeklagten eingestellt habe. Es komme allenfalls eine Störerhaftung (§§ 1004, 823 analog) in Betracht. Als Störer sei derjenige anzusehen, der willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beitrage, wobei sich die Verletzung auf absolute Rechte beziehen müsse. Daran fehle es, hier liege bloßes Verhaltensunrecht vor.
Gegen dieses ihr am 12.9.2005 zugestellte Urteil hat die Verfügungsklägerin mit dem am 29.9.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit dem am 11.11.2005 innerhalb verlängerter Frist eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Verfügungsklägerin vertritt die Ansicht, es liege sehr wohl ein Wettbewerbsverhältnis vor. Die Verfügungsbeklagte biete den Handel mit jugendgefährdenden Material im Internet an. Ihr in den AGB befindliches Verbot bestehe nur auf dem Papier, die Verfügungsbeklagte führe keinerlei Kontrollen durch. Es sei nicht einzusehen, dass die Grundsätze der Störerhaftung nur bei Verletzung absoluter Rechte greifen sollten. Die absoluten Rechte eines Herstellers von Waren – wie z. B. vom Bundesgerichtshof in dem Fall „Internet-Versteigerung“ GRUR 2004, 860 entschieden – , sollten nicht besser gestellt werden als der Schutz Minderjähriger vor dem Absatz pornographischen Materials.
Die auf der Internetplattform der Verfügungsbeklagten angebotenen jugendgefährdenden DVD`s seien ohne weiteres als solches erkennbar, so die zwischen dem 25. und 28.8.2005 auf dieser Plattform angebotenen DVD’s (Internetauszüge Bl. 288 ff. d.A.).
Der Testkäufer der Verfügungsklägerin habe am 26.8.2005 – unstreitig – einen Testkauf getätigt, wobei beim Erwerb der indizierten DVD – unstreitig – weder seitens der Verfügungsbeklagten noch des Verkäufers Fragen nach seinem Alter gestellt worden seien.
Die Verfügungsklägerin beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung mit dem Inhalt des Beschlusses vom 11.7.2005 neu zu erlassen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Sie behauptet, sie führe regelmäßige Kontrollen auf Einhaltung ihrer in den AGB enthaltenen Verbote durch. Im Hinblick auf die Vielzahl der auf ihrer Internetplattform als weltweit größter Online-Marktplatz eingestellten Verkaufsangebote sei die Überprüfung jedoch erschwert, wenn nicht gar unmöglich.
Die Verfügungsbeklagte vertritt die Ansicht, sie nehme keine wettbewerbswidrigen Handlungen etwa durch gezielte Förderung des Absatzes von jugendgefährdenden Material vor. Sie könne bereits nicht erkennen, ob die auf ihrer Internetplattform tätigen Anbieter gewerbsmäßig handelten.
Es könne ferner nicht angehen, dass sich die Verfügungsklägerin als Betreiberin eines „Auktionshauses speziell für Erwachsene“ gleichsam zum Jugendschützer aufschwinge, um nach den Zielsetzungen des Jugendschutzgesetzes nicht schutzfähige wirtschaftliche Interessen gegenüber der Verfügungsbeklagten durchzusetzen.
II.
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Nach dem Willen der Verfügungsklägerin soll es der Verfügungsbeklagten sinngemäß untersagt werden, ihre Internet-Plattform in der Art eines Auktionshauses mit der Möglichkeit des Bezuges von Bildmaterial zu betreiben, ohne in geeigneter Weise sicher zu stellen, dass indiziertes, insbesondere Altersbeschränkungen unterworfenes Bildmaterial ausschließlich von berechtigten, nicht gesetzlichen Altersbeschränkungen (z. B. nach dem Jugendschutzgesetz) unterworfenen Personen erworben und bezogen werden kann.
Ein derartiger Unterlassungsanspruch steht der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte weder nach den Vorschriften des UWG noch nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu.
1.
Die Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und 3 UWG sind nicht erfüllt.
a.) Zwar dürften die Parteien als Wettbewerber in ihrer Stellung auf dem Markt als Internetplattform-Betreiber in der Manier eines Auktionshauses anzusehen sein (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).
Bei Wertung der Wettbewerberstellung kommt es auf die faktischen Verhältnisse auf dem Markt und nicht darauf an, welche Verbote betreffend die Art der Versteigerungsobjekte die Verfügungsbeklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufstellt.
Es steht fest, dass auf der Plattform der Verfügungsbeklagten DVD’s mit der Altersklassifikation „FSK 18“ jedenfalls in den Monaten Juni und August 2005 in mehreren Fällen von Mitgliedern der Verfügungsbeklagten angeboten worden sind.
Die Verfügungsbeklagte ist dem Vortrag der Verfügungsklägerin zu den im Einzelnen dargelegten, nach dem Jugendschutzgesetz indizierten Filmen nicht entgegengetreten.
Dies gilt auch für den in der zweiten Instanz getätigten Vortrag der Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 3.11.2005, wonach auf der Internetplattform der Verfügungsbeklagten in dem Zeitraum 25. bis 28.8.2005 mehrere Angebote mit jugendgefährdendem Inhalt zu sehen gewesen seien.
Die von der Verfügungsbeklagten aufgeworfene Frage der Zulässigkeit dieses neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz (§ 531 Abs. 2 ZPO) stellt sich hier nicht, da die im Schriftsatz vom 30.11.2005 vorgetragenen Tatsachen unbestritten geblieben sind. Es entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass neues Vorbringen in der zweiten Instanz, soweit es unstreitig bleibt, bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, MDR 2005, 527). § 531 Abs. 2 ZPO erfasst nur Fälle streitigen neuen Vorbringens.
b.) Es fehlt jedoch an einer unlauteren Wettbewerbshandlung der Verfügungsbeklagten.
Insbesondere kann dieser nicht vorgeworfen werden, sich durch Rechtsbruch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (§§ 3,4 Nr. 11 UWG). Nach § 4 Nr. 11 handelt derjenige Mitbewerber unlauter, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Das Jugendschutzgesetz stellt eine solche gesetzliche Vorschrift dar, (Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 4 Rn. 11, 180). Danach dürfen bestimmte indizierte Bildträger einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden und auch nicht im Versandhandel angeboten oder überlassen werden (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 und 2 Jugendschutzgesetz).
Die Verfügungsbeklagte verstößt jedoch selbst nicht gegen diese Vorschriften. Weder bietet sie jugendgefährdende Bildträger den unter Schutz gestellten Personen an, noch überlässt sie diese oder macht sie diesen Personen in irgendeiner Weise zugänglich. Diese Handlungen nehmen allein die Nutzer der Plattform der Verfügungsbeklagten vor, also die Anbieter entsprechenden Materials. Der Inhalt dieser Angebote ist auch nicht im Netz abrufbar, das Bildmaterial wird nicht zum Betrachten angeboten.
Es muss nicht weiter vertieft werden, dass die Angebote auf der Plattform der Verfügungsbeklagten vom verständigen Interessenten nur so verstanden werden können, dass ein Vertrag allein zwischen Anbieter und Kunden zustande kommt und auch nur der Anbieter den Versand des entsprechenden Objektes vorzunehmen hat.
Eigenes Handlungsunrecht kann der Verfügungsbeklagten daher nicht zur Last gelegt werden. Diese ist ein Dienstleister, der lediglich fremde Informationen für einen Nutzer speichert oder durchleitet. Den Dienstleister trifft nur eine eingeschränkte Verantwortung.
Der Betreiber einer Internetplattform, der sich erkennbar darauf beschränkt, den Nutzern lediglich diese Plattform zur Verfügung zu stellen, macht sich dadurch die Angebote der Nutzer nicht zu eigen.
Die Verfügungsbeklagte haftet auch nicht als Gehilfin oder Anstifterin für fremde Wettbewerbsverstöße nach § 4 Nr. 11 UWG. Für den Anstifter und Gehilfen gelten die strafrechtlichen Definitionen der §§ 26, 27 StGB.
Für den verschuldensunabhängigen Abwehranspruch ist eine vorsätzliche Zuwiderhandlung des Täters (Anbieters) nicht erforderlich. Ausreichend aber auch notwendig ist, dass eine vorsätzliche Mitwirkung an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Zuwiderhandlung durch einen anderen gegeben ist (Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, a. a. O., § 8 Rn. 2.16). Erforderlich ist also, dass die Nutzer der Plattform der Verfügungsbeklagten unter Verstoß gegen das UWG handeln und die Verfügungsbeklagte vorsätzlich an diesen Handlungen mitwirkt. Der Vorsatz setzt das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, im Wettbewerbsrecht also der Unlauterbarkeit voraus. Dem Vorsatz steht es gleich, wenn der Handelnde sich bewusst einer Kenntnisnahme verschließt. Diese Voraussetzung sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Verfügungsbeklagte erlangt keine Kenntnis von rechtswidrigen Angeboten, bevor diese ins Netz gestellt werden. Sie prüft die Angebote vor der Veröffentlichung nicht.
Dazu ist sie auch nicht verpflichtet. Einem Diensteanbieter ist es nicht zuzumuten, jedes in einem automatisierten Verfahren unmittelbar ins Internet gestellte Angebot darauf zu prüfen, ob Schutzrechte Dritter verletzt sind (BGH, „Internetversteigerung“, GRUR 2004, 860). Erlangt der Diensteanbieter allerdings Kenntnis von Verletzungshandlungen, so ist er verpflichtet, die entsprechenden Angebote unverzüglich zu sperren. Dieser Pflicht ist die Verfügungsbeklagte nachgekommen. Nach ihrem unbestrittenem Vortrag hat sie, sobald sie Kenntnis von den Angeboten jugendgefährdenden Inhaltes, wie sie die Verfügungsklägerin im vorliegenden Rechtsstreit dargetan hat, erlangt hat, diese Angebote aus dem Netz entfernen lassen.
c.) Die Verfügungsbeklagte verschafft sich auch nicht in anderer Weise einen Wettbewerbsvorteil
durch Rechtsbruch.
Ein Rechtsbruch ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass die Verfügungsbeklagte im Gegensatz zur Verfügungsklägerin sich nicht eines Verfahrens zur Altersverifikation ihrer Nutzer bedient.
Gesetzliche Vorschriften, die den Einrichter bzw. Betreiber einer Internet-Plattform eines Auktionshauses verpflichten, die vom Verfügungsantrag umfassten Zugangsbeschränkungen einzurichten, existieren nicht. Nur die Nutzer der Internetplattform, also die Anbieter der DVD’s mit jugendgefährdendem Inhalt, unterliegen den Restriktionen des Jugendschutzgesetzes. Die Handlungsweise der Verfügungsbeklagten stellt daher keinen einen Wettbewerbsnachteil der Verfügungsklägerin verursachenden Rechtsbruch dar; den von ihr beklagten Wettbewerbsnachteil verursacht die Verfügungklägerin vielmehr selbst dadurch, dass sie, ohne hierzu verpflichtet zu sein, ihre Kunden mittels des Post-Ident-Verfahrens der Deutschen … AG einer Altersverifikation unterzieht.
Die Einrichtung einer derartigen Zugangskontrolle mag im Interesse des Jugendschutzes begrüßenswert sein; dies führt jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu, dass die Verfügungsbeklagte auf dem Markt nur unter Einhaltung des gesetzlich nicht vorgeschriebenem Sicherungsaufwandes, wie ihn die Verfügungsklägerin betreibt, tätig werden dürfte.
Da der Gesetzgeber Internetplattform-Betreiber bislang nicht verpflichtet, Sicherheitseinrichtungen für Altersverifikationen zu schaffen, kann die Verfügungsklägerin nicht
auf Grund eigener überobligatorischer Tätigkeit (und damit verbundener Kosten) vom Mitbewerber die Einrichtung gleichartiger Sicherungssysteme unter Berufung auf die Vorschriften des UWG verlangen.
2.
Die Verfügungsbeklagte ist auch nicht als Störerin nach den Grundsätzen der allgemeinen Störerhaftung (§§ 12, 1004, 823 analog BGB) zu dem von der Verfügungsklägerin geforderten Unterlassen bzw. Verhalten verpflichtet.
Ob die Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte ihren Kunden die objektive Möglichkeit verschafft, in wettbewerbswidriger Weise Angebote im Internet zu verbreiten, überhaupt eine Störerhaftung auszulösen vermag (dazu kritisch Baumbach-Hefermehl-Köhler, Rdnr. 2.15 zu § 8 UWG), kann dahinstehen. Denn jedenfalls können nach der Rechtsprechung des BGH, die eine derartige Störerhaftung im Grundsatz noch anzunehmen scheint, Dritte, die ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten beteiligt sind, nur dann als Störer in Anspruch genommen werden, wenn ihnen eine Überprüfung etwaiger Wettbewerbsverstöße ihrer Kunden zuzumuten war und sie ihrer Prüfungspflicht nicht nachgekommen sind (BGH, GRUR 2004, 860; GRUR 2003, 969). Eine derartige Prüfung ist aber der Verfügungsbeklagten aus den unter oben 1. b) und c) geschilderten Gründen weder gesetzlich geboten noch sonst möglich und zumutbar.
Der Verfügungsbeklagten obliegt nur die Pflicht, im Falle der Feststellung von Verstößen relevante Informationen zu entfernen oder den Zugang zu Angeboten, mit denen gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird, zu sperren (§ 11 Satz 1 Ziffer 2 TDG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 ZPO.