Landgericht Flensburg Az.: 2 0 93/99 vom 18.Mai 1999
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 1999 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in Bezug auf Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen im geschäftlichen Verkehr – ausgenommen gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäftes – folgende oder inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden:
„Wenn Sie die Erstellung eines Einzelgesprächsnachweises (EGN) vereinbart haben, werden die Verbindungsdaten 80 Tage nach Rechnungsversand gelöscht; sollten Sie keinen EGN vereinbart haben, werden die Daten sofort gelöscht. Eine nachträgliche Prüfung ist dann nicht mehr möglich.“
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung der im Tenor genannten Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Der Kläger ist eine Verbraucherorganisation, der es sich per Satzung zur Aufgabe gemacht hat, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Wegen Einzelheiten der Satzung wird auf Bl. 5 – 6 der Akte verwiesen.
Die Beklagte bietet Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie verwendet auf der ersten Seite ihrer Rechnungen die im Urteilstenor genannte Klausel. Diese Klausel wird vom Kläger angegriffen.
Der Kläger meint, die Klausel verstoße gegen das AGB-Gesetz und sei daher nichtig.
Er beantragt
die Beklagte zu verurteilen wie geschehen, Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. Sie meint, die Klausel sei mit den Vorschriften des AGB-Gesetzes vereinbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger ist gem. § 13 Abs.2 AGBG befugt, den Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu machen, denn er hat es sich gem. Pkt.2.1 seiner Satzung zur Aufgabe gemacht, Verbraucher aufzuklären und zu beraten und kann deshalb die Beklagte gem. § 13 Abs.1 AGBG auf Unterlassung der im Tenor benannten und von der Beklagten verwendeten Klausel in Anspruch nehmen. Diese Klausel ist gem. § 9 Abs.1 i.V.m. Abs. 2 Nr.1 AGBG unwirksam. Denn sie benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben in nicht unerheblichem Maße. Sie ist mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung aus § 6 Abs.3, Abs.4 Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung (TDSV), die der Klausel zugrunde liegt, nicht zu vereinbaren.
Die TDSV schützt personenbezogene Daten der am Fernmeldeverkehr Beteiligten. Zu diesen Daten gehört die Rufnummer des Kunden sowie Beginn und Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit (§ 5 Abs.1 Nr.1 – 2). § 6 TDSV regelt dabei die Entgeltermittlung und -Abrechnung des Dienstanbieters gegenüber dem Kunden unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Gem. § 6 Abs. 3 S.2 TDSV darf der Diensteanbieter Daten, die erforderlich sind, um die Rechnung zu erstellen, grundsätzlich zu Beweiszwecken speichern. Die Zielrufnummer muß er dabei kürzen. Die Daten dürfen bis 80 Tagen nach Versendung der Rechnung aufbewahrt werden. Innerhalb dieser Zeit kann der Kunde Einwendungen gegen die Rechnung erheben.
Diese Vorschrift soll gewährleisten, daß der Kunde auch nachträglich eine Rechnung, die seiner Meinung nach falsch ist, überprüfen lassen kann. Der Diensteanbieter ist dann zur Vorlage der Daten zum Beweis ihrer Richtigkeit verpflichtet. Eine solche Regelung ist notwendig, da der Kunde mit eigenen Mitteln die Richtigkeit der Rechnung nicht kontrollieren kann.
Gegen diese Verordnung verstößt die beanstandete Klausel. Sie gewährleistet eine Überprüfung der Verbindungsdaten nur für den Fall, daß der Kunde schon bei Vertragsschluß einen Einzelgesprächsnachweis, wie er in § 6 Abs.7 TDSV vorgesehen ist, abschließt. Wünscht der Kunde einen solchen Einzelgesprächsnachweis jedoch nicht, werden seine Verbindungsdaten automatisch mit Versendung der Rechnung gelöscht. Eine Überprüfung der Rechnung ist dann ausgeschlossen. Der Kunde muß jede auf seinen Anschluß ausgestellte Rechnung gleich welcher Höhe begleichen, ohne eine Überprüfungsmögichkeit zu haben. Der Diensteanbieter entzieht sich damit seiner Vorlagepflicht zum Beweis der Richtigkeit der Verbindungsdaten.
Gegen eine solche Auffassung spricht auch nicht die Regelung des § 6 Abs.4 S.2 TDSV i.V.m. § 6 Abs.4 S.1 Nr.2 TDSV. Demnach wird der Diensteanbieter von seiner Vorlagepflicht frei wird, wenn der Kunde verlangt, mit Versendung der Rechnung die Verbindungsdaten vollständig zu löschen. Denn schon aus dem Wortlaut („Auf Verlangen“) geht hervor, daß an ein Löschungsverlangen des Kunden höhere Anforderungen zu stellen sind, als die bloße Nichtvereinbarung eines Einzelgesprächsnachweises, der dann automatisch das Löschen der Daten zur Folge hat.
Auch die Gesamtwürdigung der Umstände läßt keine andere Entscheidung zu. Denn die Konsequenz, ausschließlich bei Abschluß eines EGN seine Rechnung überprüfen zu können, ist für den nichtkaufmännischen Kunden bei Ausfüllen des Antragsformulars nicht hinreichend durchschaubar.
Die nebenprozessualen Entscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
Anmerkung:
(von C.G.Kotz)
Im Bereich von Mobilfunkverträgen (Überprüfung auf nichtige AGB´s etc.) ist der Verbraucherschutzverein Berlin e.V. sehr aktiv.
Von diesem können Sie sich bestimmte Urteile, die der Verbraucherschutzverein erwirkt hat (z. B. die Überprüfung der AGB´s der Fa. E-Plus Service GmbH und der Fa. MobilCom) zusenden lassen.
Anschrift:
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