Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Az: 3 A 99/09
Beschluss vom 30.04.2010
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 9. Januar 2009 – 3 K 1132/08 – zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird auf 150,01 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, ergibt nicht, dass der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben ist.
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn der Antragsteller tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 30.3.2010 – 3 A 271/09 -; std. Rspr.). Diese Voraussetzung erfüllt das Antragsvorbringen nicht.
Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Heranziehung zu den Kosten für das Umsetzen seines PKW mit Leistungsbescheid der Beklagten vom 6.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.8.2008 zur Wehr gesetzt hatte, abgewiesen, weil der angegriffene Leistungsbescheid rechtmäßig sei. Nach Durchführung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 9.1.2009 stehe fest, dass der Kläger seinen PKW erkennbar verkehrswidrig abgestellt hatte. Das mobile Halteverbotsschild sei hinter dem stationären Schild, das das Parken auf dem Gehweg, auf dem der Kläger seinen PKW abgestellt hatte, gestattet, aufgestellt worden. Damit habe dieses Schild unabhängig davon, ob es verhängt war oder nicht, keine Wirkung entfalten können. Das ergebe sich auch daraus, dass das mobile Halteverbotsschild gerade nicht am unmittelbaren Straßenrand, sondern jenseits des Gehweges im Bereich der sonst vorhandenen Parkplätze errichtet worden sei. Dieses Zeichen habe der Kläger als verständiger Verkehrsteilnehmer nur so verstehen können, dass das Parken in diesem Bereich generell unzulässig gewesen sei. Da er dieser eindeutigen Anordnung keine Folge geleistet habe, sei sein PKW zu Recht abgeschleppt worden.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.1.2009 angeführt, dass hinter dem Schild, das das Parken auf dem Gehweg (generell) gestatte, kein gesondertes mobiles Halteverbotsschild aufgestellt worden sei; im angegebenen Bereich sei nur das Zeichen 286 mit dem Zusatz „auf dem Seitenstreifen“ aufgestellt gewesen. Das von ihm mit Schriftsatz vom 28.10.2008 vorgelegte Foto K2 gebe die Beschilderung zum fraglichen Zeitpunkt in Übereinstimmung mit den von der Beklagten vorgelegten Fotos die Beschilderung zum fraglichen Zeitpunkt zutreffend wieder. Die in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugin … habe eine falsche Aussage gemacht. Deren Ausführungen zur Verhängung des das Parken auf dem Gehweg gestattenden Schildes seien widersprüchlich gewesen.
Mit dem Vorbringen sind aber Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Ergebnis nicht geltend gemacht.
1. Die Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Umsetzung findet seine Grundlage richtigerweise in § 24 Abs. 3 SächsVwVG, da Verkehrszeichen nach der Rechtsprechung als Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung angesehen werden und ein Halteverbotszeichen ein Wegfahrgebot enthält, das – der unaufschiebbaren Anordnung von Polizeivollzugsmaßnahmen gleichstehend – entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar ist. Wird – wie hier – dem Wegfahrgebot nicht nachgekommen, ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SächsVwVG die Durchführung einer Ersatzvornahme zulässig, zu deren Kostentragung der Pflichtige herangezogen werden kann (vgl. zuletzt SächsOVG, Urt. v. 23.3.2009, SächsVBl. 2009, 185, m. w. N.).
2. Das Wegfahrgebot war – anders als es der Kläger vorträgt – auch durch ein mobiles Halteverbotsschild gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 8 (Zeichen 286) StVO in der bis zum 1.9.2009 geltenden Fassung (StVO a.F.) angeordnet. Hiernach war das Halten auf der Fahrbahn über drei Minuten, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen, verboten. Das an das mobile Halteverbotsschild angebrachte Zusatzschild „auch auf Seitenstreifen“ untersagte gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 StVO a.F. das Halten auch auf dem Seitenstreifen.
2.1 Bei den unbefestigten Parkbuchten zwischen den Alleebäumen, auf dem der PKW des Klägers abgestellt worden war, handelte es sich auch um einen Seitenstreifen in diesem Sinne. Ein solcher liegt gemäß Nr. 39 der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 4 StVO bei einem unmittelbar neben der Fahrbahn liegenden Teil der Straße vor, der befestigt oder unbefestigt sein kann. Da die Parkbuchten zwischen den Alleebäumen sonst dem ruhenden Verkehr eröffnet sind, sind sie als Teil der Straße unmittelbar neben der Fahrbahn befindliche Flächen befahrbar und damit Seitenstreifen (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 2 StVO Rn. 25 und § 12 StVO Rn. 58, jeweils m. w. N.; vgl. § 12 Abs. 4 Satz 1 a.F. StVO).
Dass, wie der Kläger behauptet, mit dem Zeichen 286 und dem Zusatzzeichen „auch auf Seitenstreifen“ kein (eingeschränktes) Halteverbot ausgesprochen worden sein soll, ist angesichts der obigen Ausführungen und der eindeutigen Fotos vom fraglichen Bereich nicht haltbar. Insoweit kommt es auf den vom Kläger bestrittenen Wahrheitsgehalt der Aussage der Vollzugsbediensteten der Beklagten nicht an.
2.2 Offen bleiben kann, da vom Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht mehr in Frage gestellt, ob die auf der Grundlage der in der Behördenakte befindlichen Unterlagen und Fotos sowie der Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung vom 9.1.2009 vorgenommene Würdigung des Gerichts zutrifft, schon aus den tatsächlichen Umständen ergebe sich ein eindeutiger Vorrang des eingeschränkten Halteverbots im fraglichen Bereich vor dem sonst grundsätzlich zugelassenen Parken, so dass es nicht mehr darauf ankomme, ob das stationäre Schild unleserlich gemacht worden sei oder nicht.
Angesichts der vorgelegten Fotos, des in der Behördenakte enthaltenen, der Anordnung gemäß §§ 44, 45 StVO vom 27.11.2007 beigefügten Verkehrszeichenplans (vgl. AS 9) und des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme spricht im Übrigen auch viel dafür, dass die hier in Rede stehende Beschilderung den nachfolgenden gesetzlichen Maßgaben an die Eindeutigkeit der Regelung gerecht geworden ist, ohne dass es noch auf die Frage ankam, ob das stationäre Schild durch Zuhängen oder auf andere Weise „unsichtbar“ gemacht worden war.
Die Wirksamkeit einer zeitlich befristeten Außerkraftsetzung einer Dauerbeschilderung durch eine mobile Beschilderung setzt voraus, dass das Zeichen von demjenigen, der mit seinem Fahrzeug in den Wirkungsbereich des Verkehrszeichens gelangt, bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabs ohne weiteres wahrgenommen werden kann. Die zuständige Behörde muss die vorübergehende Außerkraftsetzung einer entgegenstehenden Dauerbeschilderung für den Verkehrsteilnehmer daher durch entsprechende Hinweise so deutlich machen, dass dieser über die jeweils geltende Rechtslage nicht im Ungewissen bleibt. Solche Hinweise sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine mobile Beschilderung – jedenfalls unter Zugrundelegung der Rechtslage bis zum 1.9.2009 (vgl. aber nunmehr ausdrücklich Erläuterung Nr. 2 [lfd. Nr. 61] zu Abschnitt 8 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO i. d. F. seit dem 1.9.2009 [Art. 1 VO v. 5.8.2009, BGBl. I S. 2631]) – ohne weiteres Geltungsvorrang vor einer Dauerbeschilderung hätte (vgl. hierzu OVG NRW, Beschl. v. 7.12.2005 – 5 A 5109/04 -; jüngst VG Köln, Urt. v. 21.1.2010 – 20 K 6900/08 -, jeweils zitiert nach juris; OVG Hamburg, Urt. v. 30.6.2009, DVBl. 2009, 1125).
Da mehrere mobile Halteverbotsschilder mit dem Zusatzschild – wie sich aus den Fotos ergibt, die sowohl der Kläger als auch die die Beklagte vorgelegt haben – in den Parkbuchten aufgestellt waren und diese – wie sich auch aus dem Verkehrszeichenplan ergibt – den gesamten Haltebereich zwischen der Walther-Rathenau-Straße sowie der August-Bebel-Straße erfassten, musste es sich für den ortskundigen Kläger, der seinen PKW direkt neben einem der mobilen Haltverbotsschilder abgestellt hatte, aufdrängen, dass das sonst für diesen Bereich zugelassene Parken auf dem Seitenstreifen zeitweilig aufgehoben war. Anhaltspunkte dafür, dass die Verbotsbeschilderung gegenstandslos geworden war, etwa weil vergessen wurde, sie nach Abschluss der Baumschnittarbeiten abzuräumen, sind vom Kläger nicht vorgetragen.
Ob das stationäre Schild „unleserlich“ gemacht worden war, ist daher schon angesichts der der vom Gericht auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse festgestellten, vom Kläger im vorliegenden Verfahren auf Zulassung der Berufung nicht bestrittenen eindeutigen vorläufigen Aufhebung dieser Parkerlaubnis nicht streitentscheidend gewesen; die vom Kläger hiergegen erhobenen Zweifel sind daher unerheblich. Da alle anderen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Kostenpflicht zugrunde liegenden Ersatzvornahme im vorliegenden Verfahren nicht in Streit stehen, ist die verwaltungsgerichtliche Entscheidung daher nicht zu beanstanden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung kann mithin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert bemisst sich nach den Kosten für das Umsetzen des PKW, zu denen die Beklagte den Kläger herangezogen hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).