AG Hamburg-Barmbek – Az.: 822 C 182/10 – Urteil vom 15.07.2011
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 383,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 sowie 37,80 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin vier Fünftel und die Beklagte ein Fünftel.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
(teilweise abgekürzt nach § 313b Abs. 1 ZPO)
Die Klagabweisung betrifft von der Klägerin begehrten Schadensersatz nach vorzeitiger Kündigung eines Mobilfunkvertrags.
Die Parteien schlossen am 28.08.2009 einen Vertrag über Mobilfunk nach dem Tarif „Vodafone SuperFlat Internet 60/1“ mit Mindestlaufzeit von 24 Monaten (Anlage K1). Die Beklagte geriet mit der Zahlung der Rechnungen in Verzug. Nach Mahnungen und Androhung der Kündigung erklärte am 29.01.2010 die Klägerin die fristlose Kündigung des Vertrages. Sie berechnete der Beklagten eine Schadensersatzforderung von 885,19 Euro für die restliche Vertragslaufzeit. Der Betrag ergibt sich aus einer restlichen Laufzeit von 18 Monaten multipliziert mit dem vereinbarten Grundentgelt ohne Umsatzsteueranteil von 50,38 Euro abzüglich 1,00 Euro je Monat für ersparte Aufwendungen, nämlich Druck- und Portokosten; das Ergebnis ist mit 3 % abgezinst.
Die Klägerin hatte zunächst 1.317,24 Euro nebst Zinsen und weitere Nebenforderungen von 309,20 Euro verlangt. Sie beantragt nach teilweiser Rücknahme der Klage, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.260,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 sowie 37,80 € Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
Soweit das Gericht die Beklagte verurteilt hat, beruht das auf ihrer Säumnis. In Höhe von 885,19 Euro nebst Zinsen Schadensersatz war die Klage abzuweisen. Sie ist zulässig, aber insoweit nicht begründet. Die Klägerin hat einen von der Beklagten zu erstattenden Schaden infolge der fristlosen Kündigung nicht substantiiert dargelegt. Ausreichende Grundlagen für eine Schätzung des nach §§ 249, 252 BGB zu ersetzenden entgangenen Gewinns hat sie nicht mitgeteilt.
Die Klägerin hat zwar eine Schadensberechnung vorgelegt. Diese ist aber gänzlich unplausibel. Die Klägerin legt zugrunde, dass sie dadurch, dass die Beklagte nach der Kündigung Telekommunikationsdienstleistungen nicht mehr in Anspruch genommen hat, keinerlei Vorteile hatte und nur dadurch Einsparungen von 1,00 Euro monatlich hatte, dass sie der Beklagten keine Rechnungen mehr schicken musste. Tatsächlich drängt sich aber auf, dass die Klägerin erhebliche Aufwendungen erspart hat, die sie sich anrechnen lassen muss. Der vereinbarte Tarif ist nämlich hinsichtlich bestimmter Dienstleistungen ein Pauschaltarif; er erlaubt der Beklagten für ein vergleichsweise hohes festes Entgelt die unbegrenzte Inanspruchnahme bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen. Das kann nicht außer Betracht bleiben.
Zwar muss sich nach der Rechtsprechung des BGH bei der Berechnung des entgangenen Gewinns der Anbieter auf den Vertragspreis im Grundsatz nur die besonderen Aufwendungen, die sogenannten Spezialunkosten, anrechnen lassen, welche die Inanspruchnahme der Leistungen durch den konkreten Vertragspartner erfordern; die Generalunkosten hingegen scheiden als Element der Schadensberechnung regelmäßig aus, weil sie unabhängig davon anfallen, ob es zur Vertragserfüllung kommt (BGH, Urteil vom 01.03.2001, III ZR 361/99). Die Aufwendungen, welche die Klägerin erspart hat, sind hier im Wesentlichen nicht dem einzelnen Vertragsverhältnis zuzuordnen. Dennoch können sie nicht unberücksichtigt bleiben. Insbesondere bei Telekommunikationsverträgen mit Pauschaltarifen mit längeren Laufzeiten ist zu berücksichtigen, dass der Anbieter seine Kapazitäten entsprechend der zu erwartenden Nutzung ausbauen muss. Es kann als allgemeinkundig gelten, dass Pauschaltarife insbesondere im Bereich der mobilen Telekommunikation für die Anbieter nur deshalb profitabel sein sollen, weil viele Kunden sie nur in eher geringem Ausmaß nutzen. Die Nutzung durch den einzelnen Kunden ist für den Anbieter aber deutlich spürbar. Wenn der Anbieter dem Kunden keine Leistung mehr bereitstellen muss, steht er deutlich besser, als wenn er das nicht müsste.
Zu den vom Grundentgelt des konkreten Vertrags abgedeckten Leistungen hat die Klägerin nicht im Einzelnen vorgetragen. Aus Anlage K1 ergibt sich aber, dass das Grundentgelt die mobile Nutzung des Internet bis zu einem Datenvolumen von 1 GB in der höchsten zur Verfügung stehenden Geschwindigkeit und danach offenbar mit unbegrenztem Datenvolumen mit einer reduzierten Geschwindigkeit beinhaltet, ohne dass Verbindungskosten anfallen. Weiter sollen offenbar Gespräche im selben Mobilfunknetz sowie ins Festnetz unbegrenzt kostenfrei sein. Hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, diese Leistungen unbegrenzt in Anspruch zu nehmen, wäre das für die Klägerin deutlich spürbar gewesen. Dafür spricht auch die Vertragsklausel, nach welcher die Klägerin berechtigt sein sollte, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn in einem Abrechnungszeitraum mehr als 15.000 Minuten für nationale Standardgespräche ins Netz der Klägerin und Festnetz genutzt werden. Wenn die Klägerin so hohe Netzkapazitäten hätte, dass für sie egal wäre, ob ihre Kunden die Pauschaltarife ausnutzen, wäre eine derartige Klausel unnötig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Auch die den Streitwert nicht erhöhenden Nebenforderungen waren hierbei auf Grund ihres nicht unerheblichen Umfangs zu berücksichtigen (Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 92 Rn. 11 m.w.N.). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 308 Nr. 2 und 11, 713 ZPO.