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Mobilfunkvertrag – Höhe des Schadensersatzes bei vorzeitiger Kündigung

LG Hildesheim, Az.: 3 T 13/19, Beschluss vom 09.07.2019

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 26.04.2019 – 33 C 727/18 (XVII) – teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe für die I. Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt, soweit er sich gegen eine über den Betrag von 1.474,16 € hinausgehende Hauptforderung, gegen Inkassokosten von mehr als 89,70 € und gegen Auskunftskosten in Höhe von 1,40 € verteidigt. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte begehrt Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen eine Klage auf Zahlung von Entgelt und Schadensersatz aus zwei Mobilfunkverträgen.

Mobilfunkvertrag - Höhe des Schadensersatzes bei vorzeitiger Kündigung
Symbolfoto: Von Bartolomiej Pietrzyk / Shutterstock.com

Die Klägerin ist Betreiberin eines Mobilfunknetzes. Am 09.01.2017 unterzeichnete der Beklagte in dem …-Shop … zwei schriftliche Anträge über den Abschluss von Mobilfunkverträgen für die Rufnummern … und … . Vereinbart wurden jeweils ein monatlicher Basispreis von 46,21 € netto und eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten. Die Klägerin nahm die Anträge durch Freischaltung der Mobilfunknummern an.

Weil die monatlich in Rechnung gestellten Zahlungen des Beklagten in der Folge jedenfalls zum Teil ausblieben, kündigte die Klägerin am 05.03.2018 die Mobilfunkverträge und stellte unter dem 20.03.2018 eine Abschlussrechnung über 1.965,97 € (Anlage K 13, Bl. 94 ff. d.A.). Der Rechnungsbetrag enthält für beide Mobilfunkverträge jeweils eine Position „Schadenersatz für Basispreis/Paketpreis“ über je 455,75 €. Zur Berechnung des Schadensersatzes zog die Klägerin den monatlichen Basistarif von 46,21 € heran, subtrahierte hiervon den Betrag von 1,00 € für ersparte Druck- und Portokosten ab und multiplizierte die Differenz mit der verbleibenden Restvertragslaufzeit von noch 10 Monaten. Den solchermaßen errechneten Betrag zinste sie mit 3 % ab. Insgesamt errechnete sie auf diese Weise eine Schadensersatzforderung von 815,37 € (Rechnung Anlage K 13, Bl. 96 d.A.)

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung von 1.953,07 € (zusammengesetzt aus 1.137,70 € offenen Mobilfunkentgelten und 815,37 € Schadensersatz) sowie über verschiedene Nebenforderungen, u.a. Inkassokosten, erwirkt, der dem Beklagten am 03.11.2018 zugestellt worden ist. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, welches am 05.11.2018 beim Mahngericht eingegangen ist, hat der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt, woraufhin die Sache zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das Amtsgericht Gifhorn abgegeben worden ist.

Der Beklagte verteidigt sich mit dem Einwand, die abgeschlossenen Verträge seien nichtig, weil sie nicht sämtliche nach § 43a TKG notwendigen Pflichtangaben enthalten würden. Insbesondere seien die Verbindungspreise in das außereuropäische Ausland nicht angegeben. Der Beklagte sei als Flüchtling aus … nach Deutschland gekommen und habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses so gut wie kein Wort Deutsch verstanden. Er habe lediglich monatliche Leistungen in Höhe von ca. 300,00 € nach dem Asylbewerbergesetz erhalten und sei deshalb zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten nicht dauerhaft in der Lage gewesen. Dies sei der Klägerin bzw. ihren Mitarbeitern im …-Shop bekannt gewesen, die verpflichtet gewesen wären, den Beklagten vor einer unbewussten Selbstschädigung durch Abschluss der beiden Verträge zu schützen. Der Beklagte habe die Leistungen der Klägerin nie in Anspruch genommen. Jedenfalls betrage der zu zahlende Schadensersatz nach Kündigung der Verträge allenfalls 10 % des monatlichen Basisentgelts. Die Klägerin müsse sich insofern die durch die vorzeitige Vertragsbeendigung ersparten Aufwendungen anrechnen lassen.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26.04.2019, der dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 03.05.2019 zugestellt worden ist, mit der Begründung fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverteidigung abgelehnt. Mit am 03.06.2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat dieser mit Beschluss vom 06.06.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg und führt insoweit zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

1.

Zu Unrecht wendet sich der Beklagte allerdings gegen die Klageforderung auf Zahlung rückständiger Entgelte in Höhe von – nach der Teilklagerücknahme über 114,30 € aus dem Schriftsatz vom 06.02.2019 – noch 1.023,40 €. Seine Rechtsverteidigung hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg, weil der Klägerin in dieser Höhe ein Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1, 2. Alt. BGB in Verbindung mit den geschlossenen Mobilfunkverträgen zusteht.

a)

Die Mobilfunkverträge sind nicht gemäß § 43a Nr. 5 und 6 TKG in der bis zum 03.07.2017 geltenden Fassung (nachfolgend: TKG a.F.) nichtig. Ob ein Verstoß gegen diese Vorschriften vorliegt, kann an dieser Stelle dahinstehen, weil die Wirksamkeit der Verträge als solche dadurch nicht berührt würde. § 43a TKG a.F. erlegt den Anbietern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste Informationspflichten auf, deren Missachtung gemäß § 44 TKG Ansprüche der Betroffenen auf Unterlassung und Schadensersatz auslösen kann. Zur Nichtigkeit des Telekommunikationsvertrages führt sie hingegen nicht (Staudinger/Sack/Seibl, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 Rn. 297, zit. nach juris; Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich/Scholz, TKG, 2. Aufl. 2015, § 43a Rn. 30; LG Lüneburg, Urteil vom 10.03.2015 – 5 S 77/14, juris Rn. 28). Auch die von dem Beklagten zitierte Rechtsprechung des AG Winsen (Urteile vom 11.11.2014 – 16 C 835/14 und vom 02.02.2015 – 16 C 1206/14, beide zit. nach juris) geht nicht von einer Nichtigkeit der Verträge, sondern lediglich von einer Unwirksamkeit der Preisvereinbarung aus.

Der vom AG Osnabrück mit Urteil vom 15.04.2015 – 47 C 244/14 – vertretenen Gegenauffassung, der Zweck des § 43a Abs. 1 Nr. 5 TKG, nämlich der Schutz des Kunden vor unklaren Preisgestaltungen, könne nur dadurch erreicht werden, dass im Falle eines Verstoßes der Vertrag als nichtig angesehen werde, vermag die Kammer nicht zu folgen. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit ist durch das TKG nicht angeordnet. Auch handelt es sich bei § 43a TKG Abs. 1 Nr. 5 und 6 a.F. nicht um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach dieser Vorschrift liegt vor, wenn das betreffende Gesetz den Inhalt oder die Vornahme eines Rechtsgeschäfts untersagt, also das Rechtsgeschäft als solches missbilligt (Staudinger/Sack/Seibl, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 Rn. 20). Betrifft das Verbot nur einen der Vertragsbeteiligten, führt ein Verstoß in der Regel nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn das gesetzliche Verbot nur eine Seite der Beteiligten in ihre Handlungen beeinflussen und vom Abschluss eines Vertrages abhalten soll. Nur ausnahmsweise kann die Folgerung gerechtfertigt sein, ein Rechtsgeschäft sei nach § 134 BGB nichtig, wenn es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14, juris Rn. 10). Bereits der Gesetzeswortlaut von § 43a TKG Abs. 1 Nr. 5 und 6 a.F. spricht gegen die Annahme eines Verbotsgesetzes. Denn die Vorschrift richtet sich nicht gegen einen Vertragsschluss als solchen oder gegen Verträge mit einem bestimmten Inhalt, sondern begründet lediglich Informationspflichten des Anbieters gegenüber dem Verbraucher. Auch ist nicht ersichtlich, dass Sinn und Zweck der Vorschrift eine Nichtigkeit des Vertrages erfordern würden. Vielmehr wird auch der Verbraucher regelmäßig ein Interesse am Fortbestand des geschlossenen Vertrages und der Bereitstellung der Telekommunikationsdienstleistungen haben. Vor einer unzureichenden Information durch den Anbieter über seine Preisgestaltung wird er über §§ 305 ff. BGB in Verbindung mit § 612 Abs. 2 BGB ausreichend geschützt.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die beiden Verträge jeweils monatlich zu zahlende Basispreis aus den Antragsunterlagen selbst. Ob die Preise für die darüber hinaus ggf. zu zahlenden verbindungsabhängigen Entgelte wirksam vereinbart worden sind, kann dahinstehen, weil die Klägerin die Klage hinsichtlich der entsprechenden Rechnungspositionen wirksam zurückgenommen hat. Die Kammer merkt allerdings insoweit an, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob der Verweis auf ein im Internet abrufbares Preisverzeichnis (Seite 4 der Antragsunterlagen Anlagen K 1 und K 2) den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügt (vgl. Erman/Roloff, BGB, 15. Aufl. 2017, § 305 Rn. 35, zit. nach juris). Dass die Preisliste dem Beklagten bei Vertragsschluss ausgehändigt worden wäre, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen.

b)

Einem wirksamen Vertragsschluss stehen auch nicht die nach seinem – streitigen – Vorbringen mangelhaften Sprachkenntnisse des Beklagten entgegen. Er legt bereits nicht dar, inwieweit sich diese auf den Abschluss des Vertrages oder seine Vorstellung von dessen Inhalt ausgewirkt haben sollen.

c)

Der Beklagte kann der Klägerin auch nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB entgegenhalten. Sie hat keine Nebenpflicht verletzt, den Beklagten vor der Entstehung unerwarteter, exorbitanter Kosten zu schützen. Die vorliegende Konstellation ist den von dem Beklagten angeführten Entscheidungen (OLG Schleswig, MMR 2011, 836 und LG Bonn, MMR 2010, 749) nicht vergleichbar. Der vorliegend monatlich zu zahlende Basispreis war in den Antragsunterlagen eindeutig ausgewiesen. Die Beurteilung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die durch den Vertragsschluss entstehenden Zahlungspflichten oblag allein dem Beklagten und nicht der Klägerin.

2.

Aussicht auf Erfolg hat die Rechtsverteidigung des Beklagten allerdings, soweit sie sich gegen die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs von 815,37 € infolge der vorzeitigen Kündigung der Mobilfunkverträge richtet.

Mangels einer vertraglichen Vereinbarung zu dem Umfang des Schadensersatzes, den ein Kunde im Falle einer von ihm verursachten vorzeitigen Vertragskündigung zu leisten hat, richtet sich dieser nach der gesetzlichen Regelung gemäß §§ 628Abs. 2, 611,252 BGB. Dem Grunde nach liegen die Anspruchsvoraussetzungen ohne weiteres vor. Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung beruht auf dem mehrmonatigen Rückstand des Beklagten mit der Zahlung der vertraglich geschuldeten Vergütung, also auf einem objektiv vertragswidrigen Verhalten. Ein zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund im Sinne des § 626 BGB lag damit vor.

Die Schadenshöhe bemisst sich nach dem monatlichen Basispreis, der für die Verträge bis zu ihrer planmäßigen Beendigung (hier: Ablauf von 24 Monaten nach Vertragsbeginn) angefallen wäre abzüglich der von der Klägerin ersparten Aufwendungen. Die Höhe der ersparten Aufwendungen ist zwischen den Parteien streitig. Auch in der – überwiegend amtsgerichtlichen – Rechtsprechung ist umstritten, ob und in welcher Höhe ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten durch die vorzeitige Beendigung eines Flatrate-Mobilfunkvertrags Aufwendungen erspart.

a)

Ein Teil der Rechtsprechung, der sich auch das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss angeschlossen hat, vertritt die Ansicht, der Mobilfunkanbieter erspare durch die Beendigung allenfalls geringfügige individuelle Aufwendungen, z.B. für die Erstellung und den Versand von Rechnungen. Kosten für Ausbau, Wartung und Unterhaltung des Mobilfunknetzes oder für den Kundendienst seien hingegen mangels Zuordnung zu einem individuellen Vertrag nicht abzugsfähig (so etwa: LG Hamburg, Urteil vom 21.05.2015 – 413 HKO 47/14; AG Recklinghausen, Urteil vom 06.08.2014 – 51 C 159/14; LG Arnsberg, Urteil vom 18.12.2012 – 3 S 108/12, alle zit. nach juris).

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b)

Nach der Gegenansicht sei hingegen zu berücksichtigen, dass der Mobilfunkanbieter Aufwendungen erspare, indem er dem Flatrate-Kunden nach der Kündigung die Nutzung von Telefon- und Internetdiensten nicht mehr zur Verfügung stellen müsse. Auch sei der Anteil an der Grundgebühr, der kalkulatorisch auf Erhalt und Ausbau des Mobilfunknetzes entfalle, in Abzug zu bringen (AG Sondershausen, Urteil vom 30.03.2017 – 4 C 11/17; AG Münster, Urteil vom 30.10.2015 – 48 C 2904/15; AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 04.12.2014 – 23 C 120/14; AG Hamburg, Urteil vom 24.10.2014 – 36a C 459/13; AG Horb, Urteil vom 28.10.2014 – 1 C 257/14; AG Stuttgart, Urteil vom 03.07.2014 – 1 C 1490/14; AG Bremen, Urteil vom 08.01.2014 – 10 C 358/14; AG Bad Urach, Urteil vom 29.11.2013 – 1 C 440/13; AG Bremen, Urteil vom 22.11.2013 – 25 C 215/13; AG Kassel, Urteil vom 03.09.2013 – 435 C 595/13; AG Euskirchen, Urteil vom 10.07.2013 – 33 C 749/12; AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 05.09.2012 – 24 C 107/12; AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 15.07.2011 – 822 C 82/10; jurisPK-BGB/Diep, 8. Aufl. 2017, § 648 Rn. 19).

c)

Die Kammer schließt sich im Grundsatz der zuletzt genannten Auffassung an, wobei allerdings hinsichtlich der abzuziehenden Aufwendungen zu differenzieren ist: Nach der höchstrichterlichen und der obergerichtlichen Rechtsprechung sind im Rahmen der ersparten Aufwendungen für die Berechnung des entgangenen Gewinns lediglich die Spezialunkosten zu berücksichtigen, d.h. jene Kosten, die für die Erbringung der vertraglichen Leistung gerade gegenüber dem Kunden, dessen Vertrag gekündigt wurde, anfallen. Die Generalunkosten hingegen scheiden als Element der Schadensberechnung regelmäßig aus, weil sie unabhängig davon entstehen, ob es zur Vertragserfüllung kommt oder nicht (BGH, Urteil vom 01.03.2001 – III ZR 361/99, juris Rn. 27; Urteil vom 22.02.1989 – VIII ZR 45/88, juris Rn. 18 f.; OLG Hamm, Urteil vom 24.01.2019 – 18 U 57/09, juris Rn. 71; ebenso: Böse, MMR-Aktuell 2012, 340082, zit. nach beck-online; AG Bad Urach, a.a.O.). Es kommt nicht darauf an, ob die Generalunkosten/Fixkosten Gegenstand der Preiskalkulation der Klägerin waren oder sein mussten. Denn die Klägerin ist im Rahmen des Schadensersatzanspruchs so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung durch den Beklagten gestanden hätte. Die Fixkosten wären bei unterbliebener Kündigung nicht höher gewesen, wenn der Klägerin ausreichende Netzkapazitäten zur Verfügung standen, um ohne zusätzliche Investitionen die vertraglich geschuldeten Leistungen gegenüber dem Beklagten zu erbringen (BGH, Urteil vom 22.02.1989 – VIII ZR 45/88, juris Rn. 18).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Preisbestandteile, die für Ausbau und Erhalt des Mobilfunknetzes in den Gesamtpreis einkalkuliert sind, nicht in Abzug zu bringen sind, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass entsprechende Kosten in Bezug auf den konkret mit dem Beklagten geschlossenen Vertrag bei dessen Erfüllung angefallen wären. Die Annahme, die Klägerin hätte im Falle des Fortbestehens des Vertrags in ihr Mobilfunknetz investieren müssen, um ihre vertraglichen Pflichten gerade gegenüber dem Beklagten zu erfüllen, ist fernliegend.

Anders ist dies im Hinblick auf die Kosten zu beurteilen, die für die Bereitstellung und Nutzung von in dem Flatrate-Tarif enthaltenen Inklusivleistungen im konkreten Einzelfall entstehen. Dies betrifft in erster Linie die von der Bundesnetzagentur regulierten Terminierungsentgelte, die dem Mobilfunkbetreiber für Telefongespräche in andere Mobilfunknetze oder in das Festnetz entstehen (vgl. AG Bad Urach, Urteil vom 29.11.2013 – 1 C 440/13). Beispielsweise fielen für Sprachverbindungen in das Mobilfunknetz der Deutschen Telekom GmbH bis zum 30.11.2017 1,10 Eurocent/Minute und bis zum 30.11.2018 1,07 Eurocent/Minute an (https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Service-Funktionen/Beschlusskammern/1_GZ/BK3 GZ/2017/2017_0001bis0099/BK3-17-0030/BK3-17-0030_Tenor_des_Beschlusses.html?nn=350468, aufgerufen am 04.07.2019). Diese Kosten wären gewinnmindernd zu berücksichtigen, weil der zwischen den Parteien vereinbarte Tarif eine Flatrate für Telefon- und SMS-Dienste in alle deutschen Netze vorsieht. Die Klägerin müsste insoweit zur näheren Substantiierung des beanspruchten Schadens ihre diesbezügliche Kalkulation offenlegen. Dies könnte etwa durch Angaben zum durchschnittlichen Nutzungsaufkommen von Kunden vergleichbarer Tarife und den dadurch entstehenden nutzungsabhängigen Kosten geschehen (Böse, MMR-Aktuell 2012, 340082, beck-online). An entsprechendem Vortrag fehlt es bislang, so dass die Kammer derzeit nur einen Mindestschaden gemäß § 287 ZPO schätzen kann. Es erscheint sachgerecht, diesen mit 50 % des monatlichen Grundentgelts von 46,21 €, also mit 23,105 €, zu bemessen. Der Kammer ist bekannt, dass andere Anbieter von Telefondienstleistungen in ihren AGB eine Schadenspauschale von 50 % des bis zur regulären Vertragsbeendigung zu zahlenden monatlichen Entgelts berechnen, wenn der Vertrag aus einem von dem Kunden zu vertretenden wichtigen Grund vorzeitig gekündigt wird (so etwa die Deutsche Telekom in Nr. 11.4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Festnetz- und Mobilfunk-Anschlüsse, abrufbar unter https://www.telekom.de/dlp/agb/pdf/45529.pdf, abgerufen am 04.07.2019).

d)

Ausgehend von einer Restlaufzeit von 10 Monaten zum Zeitpunkt der Kündigung errechnet sich hieraus ein Schadensbetrag von 231,05 € je Vertrag, insgesamt also 462,10 €. Dieser Betrag ist mit 3 % abzuzinsen, wobei zur Berechnung die Formel für vorschüssige Rentenbarwertberechnung (OLG Frankfurt/M., VersR 1995, 53; Böse, a.a.O.) heranzuziehen ist:

…………………

v errechnet sich wie folgt:

Dabei gilt:

LR = Nettomonatszahlung

p = Zinssatz

n = Anzahl der Monate

Abgezinst mit 3 % über 10 Monate errechnet sich damit ein Betrag von 450,76 €, den die Klägerin nach derzeitigem Vortragsstand als Schadensersatz beanspruchen kann. Hinsichtlich der Differenz von 364,61 € zu dem geforderten Betrag von 815,37 € hat die Rechtsverteidigung des Beklagten somit Aussicht auf Erfolg.

3.

Die von der Klägerin geltend gemachten Nebenforderungen sind teilweise überhöht oder unschlüssig, so dass Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Beklagten nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen bestehen:

a)

Inkassokosten können nur in Höhe einer Gebühr von 0,65 gemäß RVG nach einem Gegenstandswert von bis zu 1.500,00 €, zuzüglich der Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG verlangt werden. Gemäß § 4 Abs. 5 RDGEG ist die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten der Höhe nach durch die Gebührensätze des RVG begrenzt. Inkassokosten sind daher lediglich in Höhe von 0,65 einer Geschäftsgebühr ersatzfähig, weil bei sofortiger Beauftragung eines Rechtsanwalts eine Verrechnung der Geschäfts- mit der Verfahrensgebühr erfolgen würde (Palandt/Grüneberg, 78. Aufl, § 286 Rn. 46 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 22.06.2016 – 20 U 171/16, juris). Nutzt der Gläubiger die Bereitschaft der Rechtsanwälte zum Inkasso nicht, sondern entscheidet er sich für die teurere Beauftragung eines Inkassodienstleisters, hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (Palandt/Grüneberg, a.a.O.).

Demnach ergibt sich ein ersatzfähiger Betrag von 89,70 €. Da von einer Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug auszugehen ist, wird sie die Umsatzsteuer nicht mit Erfolg geltend machen können.

b)

Nicht ersatzfähig sind auch die Kosten für die Einholung der Auskunft aus der Schuldnerdatei in Höhe von 1,40 €. Kosten für Bonitätsauskünfte gehören nicht zu den vom Schutzbereich der Haftung im Verzug umfassten ersatzfähigen Schadenspositionen. Das Risiko, dass der in Anspruch genommene Schuldner nicht zahlungsfähig ist (Insolvenzrisiko), fällt in den Risikobereich des klagenden Gläubigers. Die Bonitätsauskunft betrifft die Frage, ob die Durchführung eines Rechtsstreits im Hinblick auf die finanzielle Situation des Schuldners wirtschaftlich sinnvoll ist. Kosten für Bonitätsauskünfte wendet der Gläubiger allein im eigenen Interesse auf. Sie sind daher keine notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung und können nicht auf den beklagten Schuldner abgewälzt werden (LG Magdeburg, Urteil vom 28.10.2016 – 11 O 405/16; LG Berlin, Urteil vom 14.07.2015 – 14 O 505/14; AG Bremen, Urteil vom 23.10.2014 – 10 C 0148/14, 10 C 148/14; AG Bad Segeberg, Urteil vom 12.03.2014 – 17a C 209/13; OLG Bamberg, Beschluss vom 06.12.2001 – 4 W 128/01).

III.

Eine Kostenentscheidung war gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

IV.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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