AG Osnabrück, Az.: 47 C 244/14, Urteil vom15.04.2015
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Bezahlung offener Gebührenrechnungen aus fünf Mobilfunkverträgen sowie Schadensersatz wegen vorzeitiger Beendigung derselben jeweils aufgrund fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass in den Jahren 2004 bis 2013 insgesamt fünf Verträge aufgrund schriftlichen Antrags der Beklagten zustande gekommen seien, die sie jeweils konkludent durch Freischaltung der SIM – Karten angenommen habe.
Streitgegenständlich sind folgende Rechnungen:
Rechnung vom 31. 07. 2013 (Anlage K 5) 241,54 €
Rechnung vom 29. 08. 2013 (Anlage K 6) 233,06 €
Rechnung vom 01. 10. 2013 (Anlage K 7) 244,95 €
Rechnung vom 30. 10. 2013 (Anlage K 8) 247,95 €
Rechnung vom 29. 11. 2013 (Anlage K 9) 1.787,90 €.
2,755,40 €

In der Rechnung vom 29. 11. 2013 sind Schadensersatzforderungen wegen Kündigung aller Mobilfunkverträge enthalten. Die Klägerin hat alle Mobilfunkverträge mit der Beklagten am 06. 11. 2013 gekündigt, da die Beklagte sich für alle Verträge über mehrere Monate im Zahlungsverzug befunden habe.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.755,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. 01. 2014 sowie 150,65 € Inkassokosten und 1,40 € Auskunftskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet einen wirksamen Vertragsschluss aller Mobilfunkverträge. In keinem der Verträge seien die vom Kunden für die gewählten Telekommunikationsdienstleistungen zu zahlenden Preise genannt. Auch sei bei Abschluss der Verträge eine gültige Preisliste weder überreicht worden, noch habe sie im Ladenlokal ausgehangen.
Auch die Schadensersatzforderung sei nicht nachvollziehbar. Während sie dem Kunden im Rahmen ihrer Schadensberechnung lediglich einen Betrag von 1,00 € pro Monat für eine Rechnung in Papierform zugute schreibe, berechne sie selbst in ihrer aktuellen Preisliste hierfür einen Betrag von 1,50 € zu ihren Gunsten.
Die Beklagte bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes auch deshalb, weil die Höhe des entgangenen Gewinns nicht dargelegt sei. Dazu fehle jeder Vortrag zu den ersparten Aufwendungen der Klägerin. Für das Erfassen der von den Kunden abgerufenen Leistungen fielen grundsätzlich Kosten an, die im Fall einer Kündigung wegfielen.
Die Beklagte erklärt ferner den Widerruf der Verträge zu den Rufnummern … und …. Diesen Verträgen liege der Kauf eines Handys zugrunde. Da die Mobilfunkanbieter diese durch günstige Preise subventionierten, liege insoweit eine Finanzierungshilfe vor, die zur Anwendung des Verbraucherdarlehnsrechts führe.
Die Klägerin behauptet, durch den Ausfall eines einzelnen Kunden keinerlei Ersparnisse zu haben, da die Abrechnung der erbrachten Telekommunikationsleistungen automatisch erfolge, ohne dass weiterer Personal- oder Kostenaufwand anfiele.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen weder die geltend gemachten monatlichen Grundgebühren noch ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
I.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf die geltend gemachten vertraglichen Basispreise zu, da die streitgegenständlichen Telekommunikationsverträge nichtig sind.
1.
Die Verträge verstoßen gegen die Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikationsdiensten, in den mit den Kunden geschlossenen Verträgen diesen die für die gewählten Telekommunikationsleistungen zu zahlenden Entgelte mitzuteilen. Für die ab dem 10. 05. 2012 abgeschlossenen Verträge ergibt sich diese Verpflichtung aus § 43 a Abs. 1 Ziff. 5 TKG in der Fassung vom 03. 05. 2012, für die ab dem 24. 02. 2007 bis zum 09. 05. 2012 geschlossenen Verträge aus § 43 a Abs. 1 Ziff. 5 TKG in der Fassung vom 18. 02. 2007.
Der Vertrag zur Rufnummer … beruht auf dem Verlängerungsvertrag vom 13. 12. 2013 (Anlagenband Anlage K5). Dieser enthält keinerlei Informationen der Beklagten über die für den gewählten Vertragstarif zu zahlenden Preise.
Der Vertrag zur Rufnummer … (und gleichzeitig zur Rufnummer …) soll am 20. 07. 2013 geschlossen worden sein. Die Vertragsurkunde selbst ist für diesen Vertrag seitens der Klägerin nicht vorgelegt worden. Die vorgelegte Anlage K1 ist lediglich eine seitens der Klägerin ausgestellte Bestätigung des Vertrags ohne jede Unterschrift. Ihr kommt insoweit keinerlei Beweiswert für einen entsprechenden Vertragsschluss zu. Die Klägerin ist darüber hinaus auch der Behauptung der Beklagten nicht entgegen getreten, dass auch dieser Vertrag keine Informationen über die für den gewählten Tarif zu zahlenden Preise enthält.
Beide Verträge werden damit den Anforderung nach § 43 a Abs. 1 Ziff. 5 TKG in der Fassung vom 03. 05. 2012 nicht gerecht.
Die Verträge zu den Rufnummern … (Anlagenband K2) und … (Anlagenband K4) wurden am 07. 11. 2009 bzw. am 14. 12. 2011 geschlossen. Auch sie enthalten keinerlei Angaben zu den für die jeweils gewählten Tarife zu zahlenden Entgelten. Sie verstoßen damit gegen § 43 a Abs. 1 Ziff. 5 TKG in Fassung vom 18. 02. 2007.
Keiner der streitgegenständlichen Verträge weist irgendeine Preisangabe auf. Die Frage, ob sich die zu zahlenden Entgelte aus den jeweils gültigen Preislisten der Klägerin ermitteln lassen, kann dahinstehen. Das Gesetz verlangt ab dem 24. 02. 2007, dass die Einzelheiten zu den Preisen der Telekommunikationsdienstleistungen seitens des Anbieters dem Kunden im Vertrag selbst mitgeteilt werden. Dass eine bloße Inbezugnahme auf neben der Vertragsurkunde existierende Preislisten nicht ausreicht, um die Anforderung des § 43 a Abs. 1 Ziff. 5 TKG zu erfüllen, folgt bereits aus § 43 a Abs. 1 Ziff. 6 TKG, wonach der Telekommunikationsanbieter neben den Preisen im Vertrag auch eine Fundstelle seiner allgemeinen Preisliste mitzuteilen hat.
Die Änderung des TKG in der Fassung vom 18. 02. 2007 hat den Kundenschutz erweitert, indem es einen zwingenden Mindestinhalt für Telekommunikationsverträge eingeführt hat. Verträge ohne diese Mindestangaben sind den Telekommunikationsanbietern verboten. Gleichwohl ohne diesen Mindestinhalt geschlossene Verträge sind nach § 134 BGB als nichtig anzusehen.
Zweck der Regelung in § 43 a Abs. 1 Ziff. 5 TKG ist der Schutz des Kunden, der angesichts der bestehenden Vielfalt der Telekommunikationstarife der einzelnen Anbieter in einfacher und klarer Form über die ihn nach dem abgeschlossenen Vertrag treffende Zahlungspflicht aufgeklärt werden soll. Da die Telekommunikationsunternehmer dieser Verpflichtung vielfach zu entgehen versuchen, indem diese Verpflichtung zum klaren und eindeutigen Vertrag mit einem bestimmten Mindestinhalt ignoriert wird – wie auch der vorliegende Fall ausweist – kann der gesetzgeberische Zweck nur dadurch erreicht werden, dass die Anbieter zur Einhaltung der Form gezwungen werden, indem Verträge ohne Einhaltung der Form als nichtig angesehen werden.
§ 44 TKG steht dieser Ansicht nicht entgegen. Die in § 44 TKG enthaltene Schadensersatzpflicht jedenfalls ist keine ausreichende Sanktion für einen Verstoß gegen die Verpflichtung in § 43 a Abs. 1 TKG, da eine Schadensersatzpflicht ins Leere läuft. Durch einen Verstoß gegen § 43 a Abs. 1 Nr. 5 TKG entsteht dem Kunden generell kein nachweisbarer Schaden. Verstöße der Telekommunikationsanbieter gegen die gesetzliche Verpflichtung wären weitestgehend sanktionslos. Das Gesetz würde damit seinen Zweck nicht erfüllen, sondern offenkundig ins Leere laufen.
Da die Verträge nichtig sind, steht der Klägerin kein vertraglicher Anspruch auf die geltend gemachten monatlichen Basisbeiträge zu.
2.
Soweit man die geschlossenen Verträge nicht nach § 134 BGB als nichtig ansieht, folgt eine Nichtigkeit jedenfalls daraus, dass keine Einigung der Parteien über das seitens der Klägerin zu zahlende Entgelt erzielt worden ist.
Im Vertrag selbst sind die Entgelte nicht angeführt.
Eine wirksame Einigung ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Hinweis auf die Preislisten der Klägerin. Die Beklagte hat die Einbeziehung der Preislisten zwar in den Verträgen formularmäßig durch Unterschrift bestätigt. Da die Beklagte indes geltend macht, dass entgegen den Bestätigungen die Preisliste weder ausgehändigt wurde noch im Ladenlokal aushing, verstößt die Passagen in den Verträgen über die Bestätigung der Einbeziehung der Preislisten gegen § 309 Nr. 12 b BGB. Danach ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, durch die der Verwender die Beweislast ändert, indem er sich bestimmte Tatsachen bestätigen lässt, unwirksam.
Die Einbeziehung der Preisliste in den Vertrag steht damit keineswegs aufgrund der geleisteten Unterschrift der Beklagten nicht fest. Da die Klägerin dafür sonst keinerlei Beweis angeboten hat, ist sie insoweit beweisfällig.
Mangels nachgewiesener Einigung über die von der Beklagten zu zahlenden Entgelte liegt somit kein wirksamer Vertrag vor. Die genaue Bestimmung von Leistung und Gegenleistung gehört zu den zwingenden und unverzichtbaren Voraussetzungen eines Vertragsschlusses (sog. essentialia negotii). Fehlt es daran, kommt kein Vertrag zustande.
II.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch gem. § 612 Abs. 2 BGB auf das übliche Entgelt für die erbrachten Telekommunikationsleistungen. Hierzu fehlt jeder Vortrag der Klägerin zur Üblichkeit.
III.
Dasselbe gilt für einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Wertes der ihrerseits erbrachten Leistungen aus den §§ 812I S. 1 1. Alt. 1, 818 II BGB.
IV.
Da die geschlossenen Verträge nichtig sind, steht der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch auf Ersatz der infolge der fristlosen Kündigung bis zum Ablauf der regulären Vertragszeit nicht mehr anfallenden vertraglichen Entgelte zu.
Die Klage ist deshalb insgesamt abzuweisen.
V.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11,711 ZPO.