AG Lichtenberg, Az.: 7 C 114/16, Urteil vom 07.12.2016
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 06.02.2015, mit welchem sie von der Beklagten eine neue Couchgarnitur des Modells „Mondial“ zum Kaufpreis von 3.500,00 EUR erwarb.
Nach Lieferung der Couchgarnitur und Zahlung des Kaufpreises verlangte die Klägerin durch Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2015 unter Verweis auf verschiedene Mängel Nacherfüllung (Anlage K 2). Die Beklagte veranlasste daraufhin „aus Kulanz“ am 15.03.2016 den Austausch der ersten gelieferten, der hier streitbefangenen Couchgarnitur, ebenfalls Modell „Mondial“, bestehend aus einem 1-Sitzer, einem 3-Sitzer, einem Eckelement und einem 2-Sitzer.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2016 rügte die Klägerin verschiedene Mängel dieser zweiten Couchgarnitur (Anlage K 4). Mit Fristsetzung bis 30.03.2016 verlangte sie von der Beklagten Nacherfüllung. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Besichtigung der Couchgarnitur durch einen Mitarbeiter der … am 05.04.2016. Wegen des Ergebnisses der Untersuchung wird auf den Besuchsbericht (Blatt 57 bis 58 der Akte) Bezug genommen.
Nachdem eine weitere, mit Schreiben vom 07.04.2016 (Anlage K 8) gesetzte Frist fruchtlos verstrichen war, erklärte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 13.04.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag (Anlage K 9). Sie forderte die Beklagte zur Rückabwicklung bis zum 22.04.2016 auf. Mit Schreiben vom 21.04.2016 lehnte die Beklagte den Rücktritt ab.
Angebote für eine vergleichsweise Regelung des Rechtsstreites lehnte die Klägerin ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Couchgarnitur sei mangelhaft.
Sie behauptet, die Eckgarnitur sowie der Sessel seien nicht sauber und ordnungsgemäß gearbeitet. Das Lederimitat weise an den Seiten zu viele Falten auf. Ferner seien die Abstände zwischen den Elementen teilweise zu groß. Wegen der Einzelheiten der Beanstandungen wird auf die Klageschrift verwiesen (Blatt 3 bis 4 der Akte).
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2016 Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Couch-Garnitur gemäß Rechnung 3090-90266214 vom 19.06.2015 bestehend aus
- einem Mondial 1-Sitzer PU/Cat. 6 (Produktnummer: 297844)
- Mondial 3 Sitzer (Produktnummer: 298034)
- Mondial Eck Element PU/Cat. 6 (Produktnummer: 298034)
- Mondial Zweisitzer 1 Arm rechts PU/Cat.6 (Produktnummer: 298640)
zu zahlen, festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der oben genannten Gegenstände in Verzug befindet.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Couchgarnitur habe sich bei der Auslieferung in einwandfreiem Zustand befunden. Die Abweichungen würden sich innerhalb der zulässigen und warentypischen Toleranzen bewegen.
Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 10.08.2016 (Blatt 66 bis 67 der Akte) Beweis erhoben durch Einholung des Sachverständigengutachtens von Dipl. Ing. H K vom 07.10.2016 (Blatt 75 bis 109 der Akte).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung der Couchgarnitur zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus kaufrechtlicher Gewährleistung gemäß §§ 346 Abs. 1, 323 Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB.
Die Klägerin ist mit der Erklärung vom 13.04.2016 nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Für das Vorliegen eines Rücktrittsgrundes gemäß § 323 Abs. 1 BGB fehlt es an einer nicht vertragsgemäßen Leistung. Die Beklagte hat die nach dem Kaufvertrag geschuldete Leistung – die Übergabe und Übereignung der Couchgarnitur – vertragsgemäß erbracht.
Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat den Nachweis nicht zu führen vermocht, dass die Couchgarnitur bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB aufwies.
Die Sachmangelfreiheit richtet sich nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, da die Parteien bezüglich der Couchgarnitur keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen und keine spezifische vertragliche Verwendung nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vorausgesetzt haben. Nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache nur frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Maßgeblich ist eine objektive Standardbestimmung (Westermann in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 434 Rn. 24). Die Soll-Beschaffenheit bemisst sich nach dem Erwartungshorizont eines „vernünftigen“ Durchschnittskäufers (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 214).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme entspricht die streitbefangene Couchgarnitur diesen Anforderungen.
Der vom Gericht bestellte Sachverständige Diplom Ing. H K hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.10.2016 schlüssig und fachkundig ausgeführt, dass die Couchgarnitur der Sollbeschaffenheit entspricht und sich für die gewöhnliche Verwendung eignet. Nach Durchführung einer Ortsbesichtigung ist der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die Couchgarnitur einen harmonischen Gesamteindruck vermittelt. Die von der Klägerin gerügten Spalten, Fehlstellungen sowie Ungleichmäßigkeiten bei der Verarbeitung führen nicht zu von der üblichen Beschaffenheit negativen Abweichungen. Dieser Beurteilung schließt sich das Gericht an.
Als Vergleichsmaßstab für die Qualitätsbewertung dienen gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB „Sachen der gleichen Art“. Maßgeblich ist das der Markterwartung entsprechende Niveau. Dieses ergibt sich aus einem herstellerübergreifenden Vergleich von Couchgarnituren mit ähnlicher Qualitätsgruppierung (vgl. AG Brandenburg, Urteil vom 18. 06. 2012, 31 C 133/10, juris Rn. 26; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. 8. 2006, 10 U 84/06, NJW-RR 2006, S. 1720 ff.).
Für die Beurteilung hat der Sachverständigen in für das Gericht nachvollziehbarer Weise die Prüfbestimmungen der Deutschen Gütergemeinschaft Möbel e.V., RAL-GZ 430/4 herangezogen. Diese Prüfbestimmungen orientieren sich an dem Stand der Technik und den aktuellen Verbrauchererwartungen. Sie können deshalb bei der Bestimmung der bei Polstermöbeln zu erwartenden Beschaffenheit herangezogen werden (AG Saarlouis, Urteil vom 21.02.2014, 27 C 100/13, BeckRS 2016, 03483. Bezüglich der Bedeutung von DIN-Normen, vgl. AG Brandenburg, Urteil vom 18.0.6.2012, 31 C 133/10, juris Rn. 34). Der Maßstab der RAL-GZ 430 ist vorliegend nicht streng anzuwenden. Vielmehr sind geringe Negativabweichungen zu tolerieren. Ein Mangel liegt nur vor, wenn Abweichungen erheblich sind und sich auf Funktion, Langlebigkeit oder Sicherheit des Polstermöbels negativ auswirken oder den Gesamteindruck negativ beeinflussen.
Gütebestimmungen wie die RAL-GZ 430 geben keine abschließende Auskunft über die im Rahmen des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB maßgeblichen Qualitätsanforderungen (LG Stuttgart, Urteil vom 15.12.2014, 27 O 324/13, BeckRS 2014, 235). Das gilt insbesondere wenn, wie im Fall der streitbefangenen Couchgarnitur, der Hersteller gerade kein Mitglied der Deutschen Gütergemeinschaft Möbel e.V. ist. Er sichert seinen Kunden nicht zu, den Prüfkriterien eines Gütezeichens in vollem Umfang zu entsprechen. Der Sachverständige hat die streitbefangene Couchgarnitur als industriell gefertigtes Serienprodukt mittlerer Qualitätsklasse eingruppiert. Der aufwendige Herstellungsprozess eines Polstermöbels erfolgt in verschiedenen Fertigungsstufen und erfordert Handarbeit in großem Umfang. Es werden flexible Materialien verwendet. Im Rahmen der industriellen Serienproduktion sind deshalb – anders als bei deutlich teureren Einzelstücken – Fertigungstoleranzen unvermeidbar.
Auch soweit die Couchgarnitur in ihrer Qualität vorliegend von den Maßstäben der RAL-GZ 430 abweicht, hält sie sich demnach im Rahme der in § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB maßgeblichen üblichen Beschaffenheit.
Der Gutachter hat zunächst durch Betrachtung der Couchgarnitur aus einer Entfernung von zwei bis drei Metern aus unterschiedlichen Positionen den Gesamteindruck überprüft und mit den Fotos dokumentiert. Somit kommt er überzeugend zu dem Ergebnis, dass die Couchgarnitur einen harmonischen Gesamteindruck vermittelt. Insbesondere fallen keine Spalten zwischen Sitzkissen und einzelnen Couchelementen auf.
Ferner hat der Sachverständige durch umfangreiche Vermessungen festgestellt, dass die Abstände warentypisch sind und keine Abweichung von der für eine Couchgarnitur dieser Art zu erwartenden Beschaffenheit begründen. Nach den strengen Standards der RAL-GZ 430/4 liegt die zulässige Toleranz für Abweichungen einzelner Polsterelemente untereinander bei = 1 cm. Die streitgegenständliche Couchgarnitur weist hiervon nur wenige Abweichungen in jeweils geringem Maße auf: Bei der 3-er Couch wurden an drei Messpunkten ein Versatz von 2 cm bzw. 2,5 cm gemessen. Bei dem Sessel wurde eine Abweichung im Vorderkantenbereich von 1,5 cm gemessen. Eine Beeinträchtigung der Funktion oder Sicherheit ist hierdurch nicht gegeben.
Auch die Sesseloberfläche entspricht der üblichen Beschaffenheit. Bezüglich der gerügten Faltenbildung am Sessel hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Couchgarnitur in legerer Polstertechnik gefertigt ist. Bei diesem weichen Polsteraufbau sind Faltenbildungen der Bezüge warentypisch. Hinsichtlich der Ungleichmäßigkeiten des Leders hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, dass nur geringfügige Strukturunterschiede vorliegen. Diese ergeben sich daraus, dass unterschiedliche Lederteile verarbeitet wurden.
Die Frage, ob das derzeitige Erscheinungsbild der Couchgarnitur demjenigen bei Gefahrübergang (§ 446 BGB entspricht) und der Klägerin insoweit die Vermutung nach § 476 BGB zukommt, erübrigt sich, da schon kein Mangel vorliegt.
Ebenso folgt aus dem Fehlen einer mangelbedingten Pflichtverletzung der Beklagten, dass es auf die Ausführungen der Klägerin zu deren Erheblichkeit gemäß § 323 Abs. 5 BGB nicht ankommt.
Da der Rücktritt nicht wirksam ist, ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.
Mangels begründeter Hauptforderung hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verzugszinsen.?
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den § 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.