Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit am Gartenzaun: Wer zahlt die Anwaltskosten, wenn der Streit plötzlich endet?
- Der Weg vor Gericht: Vom Briefwechsel zum Eilantrag
- Eine unerwartete Wendung und die entscheidende Frage
- Die Entscheidung der ersten Instanz: Warum die Kläger zahlen sollten
- Die Beschwerde und die Prüfung durch das Landgericht
- Das Kernargument des Gerichts: Die fehlende „Veranlassung zur Klage“
- Das endgültige Urteil: Wer zu schnell klagt, trägt das Risiko
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer zahlt die Kosten, wenn ein Gerichtsverfahren ohne Urteil endet?
- Wann ist es wirklich nötig, vor Gericht zu ziehen?
- Muss ich meinen Streitpartner immer zuerst auffordern, bevor ich klage?
- Was sollte ich über eine einstweilige Verfügung wissen, bevor ich sie beantrage?
- Wie wirkt sich das Einlenken der Gegenseite auf die Kosten eines Gerichtsverfahrens aus?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 14 T 46/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Lübeck
- Datum: 12.02.2025
- Aktenzeichen: 14 T 46/24
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilprozessrecht (Kostenentscheidung, Einstweilige Verfügung)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Grundstücksnachbarn, die einen gerichtlichen Antrag gestellt hatten, um der Nachbarin zu untersagen, einen Jägerzaun zu entfernen. Sie legten Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ein.
- Beklagte: Eine Grundstücksnachbarin, die die Kläger ursprünglich zur Zaunentfernung aufgefordert hatte, später aber erklärte, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Beklagte forderte ihre Nachbarn, die Kläger, auf, einen Zaun zu entfernen. Daraufhin beantragten die Kläger eine einstweilige Verfügung, um den Abbau zu verhindern. Kurz nach der Antragstellung erklärte die Beklagte, den Zaun doch nicht zu entfernen, woraufhin das Verfahren für beendet erklärt wurde.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, wer die Kosten für das beendete Verfahren tragen muss, nachdem die Beklagte ihre ursprüngliche Absicht geändert hatte und die Kläger ohne vorherige Abmahnung einen gerichtlichen Antrag gestellt hatten.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht wies die Beschwerde der Kläger zurück und bestätigte, dass diese die Kosten des gesamten Verfahrens tragen müssen.
- Begründung: Das Gericht sah keinen ausreichenden Anlass für die Kläger, sofort gerichtliche Schritte einzuleiten. Die Beklagte hatte zwar eine Aufforderung geschickt, aber kurz darauf, nach der Antragstellung, ihren Willen zum Ausdruck gebracht, von der Zaunentfernung Abstand zu nehmen. Die Kläger hätten nach Ansicht des Gerichts zuerst versuchen müssen, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären oder eine Stellungnahme der Beklagten abzuwarten.
- Folgen: Die Kläger tragen sowohl die Kosten des ursprünglichen Verfahrens vor dem Amtsgericht als auch die Kosten des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht.
Der Fall vor Gericht
Streit am Gartenzaun: Wer zahlt die Anwaltskosten, wenn der Streit plötzlich endet?
Jeder, der ein Grundstück oder auch nur einen Balkon neben einem Nachbarn hat, kennt es: Meinungsverschiedenheiten sind fast unvermeidlich. Ein besonders häufiger Streitpunkt ist der Zaun, der zwei Grundstücke voneinander trennt. Was passiert aber, wenn ein solcher Streit eskaliert, vor Gericht landet und dann plötzlich von einer Seite beigelegt wird? Wer muss dann für die bereits entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten aufkommen? Genau diese Frage musste das Landgericht Lübeck in einem Fall klären, der mit einem einfachen Jägerzaun begann.
Der Weg vor Gericht: Vom Briefwechsel zum Eilantrag

Die Geschichte beginnt mit zwei benachbarten Grundstücken, getrennt durch einen Jägerzaun. Die Eigentümer, nennen wir sie die klagenden Nachbarn, und ihre Nachbarin, die beklagte Nachbarin, hatten darüber unterschiedliche Ansichten. Die Situation spitzte sich zu, als die beklagte Nachbarin den klagenden Nachbarn am 4. August 2024 einen Brief schrieb. Darin forderte sie die Nachbarn auf, den Zaun zu entfernen, da sie vorhatte, im September einen neuen Zaun auf die Grenze zu setzen.
Nur zwei Tage später, am 6. August, folgte ein zweiter Brief. Darin bat die beklagte Nachbarin um eine Stellungnahme zu ihrem Vorhaben bis zum Ende des Monats. Doch anstatt zu antworten, entschieden sich die klagenden Nachbarn für einen drastischen Schritt. Am 26. August, also noch vor Ablauf der von der Nachbarin gesetzten Frist, gingen sie zum Amtsgericht Schwarzenbek. Dort stellten sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Eine einstweilige Verfügung ist eine Art gerichtliches Eilverfahren. Sie soll eine schnelle Entscheidung ermöglichen, um eine unmittelbar drohende Handlung – hier den Abriss des Zauns – zu verhindern, bevor ein langwieriges Hauptverfahren abgeschlossen ist.
Eine unerwartete Wendung und die entscheidende Frage
Kurz nachdem der Gerichts-Antrag gestellt war, kam die überraschende Reaktion der beklagten Nachbarin. Mit einem Schreiben vom 2. September erklärte sie, dass sie von ihrem Plan, den Jägerzaun abzubauen, nun doch Abstand nehmen werde. Plötzlich war der Grund für den Streit vom Tisch. Was bedeutet das für das laufende Gerichtsverfahren?
In so einem Fall können beide Seiten das Verfahren für „übereinstimmend erledigt“ erklären. Das bedeutet, sie sind sich einig, dass der Anlass für den Streit nicht mehr existiert und das Gericht nicht mehr über die eigentliche Sache – den Zaun – entscheiden muss. Genau das taten die Parteien hier auch. Doch damit war nur der Streit um den Zaun beendet, nicht der Streit um die Kosten. Denn Anwälte und Gericht waren bereits tätig geworden, und jemand musste ihre Rechnungen bezahlen. Die entscheidende Frage lautete also: Wer trägt die Kosten für ein Verfahren, das beendet wurde, bevor es überhaupt richtig angefangen hat?
Die Entscheidung der ersten Instanz: Warum die Kläger zahlen sollten
Das Amtsgericht Schwarzenbek fällte eine klare Entscheidung: Die klagenden Nachbarn, also diejenigen, die das Verfahren eingeleitet hatten, sollten die gesamten Kosten tragen. Aber warum? Das Gericht argumentierte, die beklagte Nachbarin habe keinen „Anlass zur Klage“ gegeben. Dieser juristische Begriff ist hier von zentraler Bedeutung. Er beschreibt, ob das Verhalten einer Person es wirklich notwendig gemacht hat, sie zu verklagen. Das Gericht war der Meinung, dass die klagenden Nachbarn zu voreilig gehandelt hatten. Sie hätten erst auf die Bitte um Stellungnahme reagieren sollen, anstatt sofort den Weg zum Gericht zu wählen.
Die Beschwerde und die Prüfung durch das Landgericht
Mit dieser Entscheidung waren die klagenden Nachbarn natürlich nicht einverstanden. Sie legten eine sogenannte „Sofortige Beschwerde“ ein, eine Art schnelles Rechtsmittel gegen eine solche Kostenentscheidung. Damit landete der Fall eine Stufe höher, beim Landgericht Lübeck. Dieses musste nun prüfen, ob die Entscheidung des Amtsgerichts richtig war. Hatten die klagenden Nachbarn doch im Recht gehandelt, weil die Drohung, den Zaun abzureißen, aus ihrer Sicht real war? Oder waren sie tatsächlich zu voreilig und müssen deshalb die Kosten tragen?
Das Kernargument des Gerichts: Die fehlende „Veranlassung zur Klage“
Das Landgericht Lübeck bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Beschwerde zurück. Die klagenden Nachbarn müssen die Kosten zahlen. Um zu verstehen, warum, müssen wir uns die juristische Logik dahinter genau ansehen.
Die Richter stützten sich auf eine Regel im Gesetz, den Paragrafen 91a der Zivilprozessordnung (dem Regelbuch für Gerichtsverfahren). Diese Regel besagt, dass das Gericht bei einer übereinstimmenden Erledigung nach „billigem Ermessen“ über die Kosten entscheidet. Das ist keine willkürliche Entscheidung, sondern eine Abwägung, die gerecht und vernünftig sein soll. Dabei orientiert sich das Gericht vor allem daran, wer den Prozess wahrscheinlich gewonnen hätte, wenn er normal weitergelaufen wäre.
Zusätzlich zog das Gericht den bereits erwähnten Gedanken der fehlenden „Klageveranlassung“ heran, der in einem anderen Paragrafen (§ 93 ZPO) geregelt ist. Dieser Grundsatz soll verhindern, dass Menschen vorschnell vor Gericht ziehen und damit unnötige Prozesse verursachen. Eine Klageveranlassung liegt nur dann vor, wenn man vernünftigerweise davon ausgehen muss, dass man ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommt.
Abmahnung vs. Eilverfahren: Ein schmaler Grat
Das Gericht führte aus, dass man in der Regel, bevor man jemanden verklagt, weil er etwas tun will, was er nicht darf, ihn zunächst abmahnen muss. Eine Abmahnung ist eine formelle Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Sie gibt der Gegenseite die Chance, einzulenken, ohne dass sofort die teure Maschinerie der Justiz in Gang gesetzt wird.
Ein Alltagsvergleich macht dies verständlich: Wenn Ihr Nachbar eine laute Party feiert, rufen Sie nicht sofort die Polizei. Normalerweise klingeln Sie erst einmal und bitten darum, die Musik leiser zu stellen. Erst wenn das nichts nützt, wäre ein Anruf bei der Polizei – oder eben eine Klage – gerechtfertigt. Die Klage der Nachbarn war in den Augen des Gerichts wie der sofortige Anruf bei der Polizei, ohne vorher geklingelt zu haben. Die beklagte Nachbarin hatte in ihrem zweiten Brief ja sogar ausdrücklich um eine Antwort gebeten – sie hatte sozusagen die Tür für ein Gespräch geöffnet.
Die klagenden Nachbarn hätten argumentieren können, dass eine Abmahnung hier nicht nötig war, weil sie den Überraschungseffekt eines Eilverfahrens nutzen mussten. Das ist manchmal erlaubt, wenn man befürchten muss, dass die andere Seite Fakten schafft, bevor man reagieren kann. Doch das Gericht sah das hier anders.
Die Bedeutung des Timings: Warum die Reaktion der Nachbarin entscheidend war
Der entscheidende Punkt für das Gericht war das Verhalten der beklagten Nachbarin, nachdem der Antrag gestellt wurde. Sie hat sofort erklärt, dass sie den Zaun doch nicht abreißt. Dieses schnelle Einlenken zeigte dem Gericht, dass sie keineswegs fest entschlossen war, ihren Plan gegen jeden Widerstand durchzuziehen. Hätten die klagenden Nachbarn einfach auf den Brief geantwortet und klargemacht, dass sie mit dem Abriss nicht einverstanden sind, hätte die Nachbarin womöglich genauso reagiert – ganz ohne teures Gerichtsverfahren.
Da die klagenden Nachbarn diesen Schritt der direkten Kommunikation übersprungen haben und die beklagte Nachbarin sofort nachgab, als sie vom gerichtlichen Antrag erfuhr, sah das Gericht keine zwingende Notwendigkeit für die Klage zu diesem Zeitpunkt.
Das endgültige Urteil: Wer zu schnell klagt, trägt das Risiko
Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck macht deutlich: Der Weg zum Gericht sollte immer die letzte Option sein. Wer seinen Gegner nicht zunächst zur Unterlassung auffordert und ihm eine Chance gibt, ohne gerichtlichen Zwang einzulenken, läuft Gefahr, am Ende auf den Kosten sitzen zu bleiben – selbst wenn er in der Sache eigentlich im Recht gewesen wäre. Die beklagte Nachbarin hatte zwar mit dem Abriss gedroht, aber durch ihre Bitte um eine Stellungnahme auch Gesprächsbereitschaft signalisiert. Weil die klagenden Nachbarn diese Gesprächsbereitschaft ignorierten und stattdessen sofort klagten, wurde ihr Verhalten als voreilig eingestuft. Sie tragen somit das finanzielle Risiko für diesen vorschnellen Schritt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt klar: Wer zu schnell vor Gericht zieht, ohne vorher das direkte Gespräch zu suchen, muss mit finanziellen Konsequenzen rechnen. Die Richter entschieden, dass die klagenden Nachbarn alle Anwalts- und Gerichtskosten tragen müssen, obwohl sie in der Sache möglicherweise im Recht waren – nur weil sie den Kommunikationsweg übersprungen hatten. Eine einfache Antwort auf den Brief der Nachbarin hätte den teuren Rechtsstreit wahrscheinlich verhindert, da diese sofort einlenkte, als sie vom gerichtlichen Verfahren erfuhr. Das Urteil macht deutlich, dass Gerichte erwarten, dass Bürger erst versuchen, Streitigkeiten außergerichtlich zu lösen, bevor sie die Justiz bemühen – andernfalls tragen sie das Kostenrisiko selbst bei einem eigentlich berechtigten Anliegen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer zahlt die Kosten, wenn ein Gerichtsverfahren ohne Urteil endet?
Auch wenn ein Gerichtsverfahren ohne ein richterliches Urteil abgeschlossen wird, entstehen in der Regel Anwalts- und Gerichtskosten. Diese Kosten fallen an, weil bereits Leistungen erbracht wurden, sei es durch die juristische Beratung und Vertretung durch Anwälte oder durch die Bearbeitung des Falls seitens des Gerichts. Für Sie bedeutet das: Die Kosten verschwinden nicht einfach, nur weil kein Urteil ergeht.
Es gibt verschiedene Wege, wie ein Gerichtsverfahren ohne Urteil enden kann, und die Art der Beendigung beeinflusst, wer die Kosten trägt:
1. Einigung durch Vergleich
Der häufigste Weg ist ein Vergleich. Dabei einigen sich die beteiligten Parteien außergerichtlich oder während des laufenden Verfahrens auf eine Lösung des Streitfalls. Wenn sich die Parteien auf einen Vergleich einigen, wird in der Regel auch festgelegt, wer welche Kosten trägt. Dies ist oft Teil der Verhandlung und kann eine beliebige Aufteilung sein, zum Beispiel jeder trägt seine eigenen Kosten, oder eine Partei übernimmt einen bestimmten Anteil der Gesamtkosten. Stellen Sie sich vor, Sie und die Gegenseite einigen sich darauf, dass jeder 50% der Anwaltskosten und Gerichtskosten trägt. Diese Vereinbarung wird dann vom Gericht bestätigt.
2. Klagerücknahme oder Erledigung der Hauptsache
Eine weitere Möglichkeit ist die Rücknahme der Klage durch die klagende Partei. Zieht die klagende Partei ihre Klage zurück, trägt sie grundsätzlich die vollen Gerichtskosten und die Anwaltskosten beider Seiten.
Der Fall kann sich auch „erledigen“, das heißt, der Grund für den Rechtsstreit fällt weg. Das passiert beispielsweise, wenn der Beklagte die geforderte Leistung erbringt, bevor das Urteil gesprochen wird, oder wenn der streitgegenständliche Gegenstand zerstört wird. In solchen Fällen entscheidet das Gericht über die Kostenverteilung. Das Gericht orientiert sich dabei an dem mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens, also daran, wer bei einem Urteil voraussichtlich gewonnen hätte. Es verteilt die Kosten dann „nach billigem Ermessen“ (§ 91a Zivilprozessordnung). Das bedeutet, das Gericht trifft eine faire Entscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände und der Erfolgsaussichten, die der Fall zum Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung hatte. Wenn das Gericht zum Beispiel annimmt, dass die beklagte Partei wahrscheinlich verloren hätte, könnte es ihr die Kosten auferlegen, auch wenn sie die Leistung erst nach Klageerhebung erbracht hat.
Wichtige Information: Die Gerichtskosten entstehen in Deutschland in der Regel schon bei Einreichung der Klage als Vorschuss. Die Anwaltskosten fallen ebenfalls mit der Beauftragung und den erbrachten Leistungen an. Daher sind diese Kosten bereits vorhanden, wenn ein Verfahren ohne Urteil endet.
Wann ist es wirklich nötig, vor Gericht zu ziehen?
Gerichte sehen den Gang zum Gericht in der Regel als letzten Ausweg, wenn eine Auseinandersetzung nicht anders beigelegt werden kann. Das Konzept der „Klageveranlassung“ ist dabei zentral. Es besagt, dass ein Gerichtsverfahren nur dann als notwendig und gerechtfertigt angesehen wird, wenn es keinen anderen zumutbaren Weg gab, Ihr Recht durchzusetzen. Wenn Sie eine Klage einreichen, obwohl der Streit auch außergerichtlich hätte gelöst werden können, kann dies Auswirkungen auf die Verteilung der Prozesskosten haben, selbst wenn Sie in der Sache Recht bekommen.
Wann ein Gerichtsverfahren als notwendig gilt
Ein Gerichtsverfahren gilt in der Regel als notwendig, wenn alle anderen zumutbaren Versuche gescheitert sind oder von vornherein aussichtslos erscheinen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn:
- Eine Leistung eindeutig verweigert wird: Die Gegenseite weigert sich trotz klarer und begründeter Aufforderung, eine geschuldete Leistung (z.B. eine Zahlung, eine Lieferung oder die Beendigung einer Störung) zu erbringen.
- Keine Reaktion erfolgt: Auf Ihre wiederholten und dokumentierten Versuche, eine außergerichtliche Lösung zu finden (z.B. durch Mahnungen oder Gesprächsangebote), erhalten Sie keine oder eine unzureichende Antwort.
- Ein Sachverhalt geklärt werden muss: Zwischen den Parteien besteht eine grundlegende Meinungsverschiedenheit über einen Sachverhalt oder eine Rechtsfrage, die nur durch eine gerichtliche Entscheidung verbindlich geklärt werden kann.
- Rechtliche Fristen drohen: Um eine Verjährung oder den Verlust von Ansprüchen zu verhindern, ist es manchmal notwendig, gerichtliche Schritte einzuleiten.
Wann ein Vorgehen als „voreilig“ eingestuft werden könnte
Ein Gericht kann ein Vorgehen als „voreilig“ bewerten und die Notwendigkeit der Klage verneinen, wenn:
- Keine ausreichende Vorwarnung erfolgte: Sie haben die Gegenseite nicht klar und unmissverständlich zur Leistung aufgefordert und ihr keine angemessene Frist zur Erfüllung gegeben, bevor Sie Klage eingereicht haben.
- Bereitschaft zur Erfüllung bestand: Die Gegenseite war vor der Klageerhebung grundsätzlich bereit, die Forderung zu erfüllen oder hat dies sogar angeboten, aber es kam zu keiner Einigung über die Modalitäten.
- Fehlende Kommunikationsversuche: Es wurden keine ernsthaften und dokumentierbaren Versuche unternommen, den Konflikt außergerichtlich zu lösen, beispielsweise durch direkte Gespräche, schriftliche Mahnungen oder den Vorschlag einer Mediation.
Bedeutung für Sie
Für Sie bedeutet das, dass es wichtig ist, vor einem möglichen Gang vor Gericht zu prüfen, ob alle außergerichtlichen Wege ausgeschöpft wurden. Dokumentieren Sie Ihre Kommunikationsversuche stets, beispielsweise schriftliche Mahnungen, E-Mails oder Gesprächsprotokolle. Dies kann später vor Gericht belegen, dass Sie versucht haben, eine gütliche Einigung zu erzielen und die Klage erst als letzten Schritt notwendig wurde. Ein bewusstes Abwägen hilft, unnötige Kosten und Risiken zu vermeiden.
Muss ich meinen Streitpartner immer zuerst auffordern, bevor ich klage?
Nein, Sie müssen Ihren Streitpartner nicht immer zwingend zuerst schriftlich auffordern oder abmahnen, bevor Sie gerichtliche Schritte einleiten. Oft ist es jedoch sehr ratsam und kann entscheidend für die Kosten eines möglichen Gerichtsverfahrens sein.
Im deutschen Recht ist der Begriff des „Verzugs“ von großer Bedeutung. Verzug bedeutet, dass jemand seine Leistung (z.B. eine Zahlung oder Lieferung) nicht erbringt, obwohl er dazu verpflichtet wäre und die Leistung fällig ist. Damit der Streitpartner in Verzug gerät, ist in vielen Fällen eine vorherige Aufforderung oder Mahnung notwendig.
Warum eine Aufforderung sinnvoll ist
Der wichtigste Grund für eine vorherige Aufforderung liegt im Kostenrisiko eines Gerichtsverfahrens. Stellen Sie sich vor, Sie klagen sofort, ohne dem Streitpartner zuvor die Möglichkeit gegeben zu haben, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Wenn der Streitpartner die Forderung dann umgehend vor Gericht anerkennt und die Klage damit sofort erledigt ist, könnten Sie unter Umständen die Gerichts- und möglicherweise auch Ihre eigenen Kosten tragen müssen.
Der Hintergrund ist der gesetzliche Gedanke, dass ein Rechtsstreit vermieden werden soll, wenn der Streitpartner die Forderung bei Kenntnis der Klageabsicht auch außergerichtlich erfüllt hätte. Eine vorherige, klare Kommunikation Ihrer Forderung kann also dazu beitragen, unnötige Verfahren zu verhindern und das Kostenrisiko für Sie zu minimieren.
Wenn der Streitpartner durch Ihre Aufforderung in Verzug gerät, kann dies außerdem die Geltendmachung weiterer Kosten ermöglichen, die Ihnen durch die verspätete oder ausbleibende Leistung entstehen. Hierzu gehören beispielsweise Verzugszinsen oder Kosten, die Sie zur Durchsetzung Ihrer Forderung aufwenden mussten.
Wann keine explizite Aufforderung für den Verzug nötig ist
Es gibt bestimmte Situationen, in denen der Streitpartner auch ohne eine explizite Aufforderung in Verzug gerät, wodurch eine Klage ohne vorherige Mahnung nicht zwangsläufig zu Kostenproblemen führen muss, obwohl eine Kommunikation dennoch empfehlenswert ist:
- Feste Termine: Wurde für eine Leistung ein fester Kalendertermin vereinbart (z.B. „Zahlung bis zum 31. Dezember“), tritt der Verzug automatisch ein, wenn dieser Termin überschritten wird.
- Ernsthafte und endgültige Verweigerung: Wenn der Streitpartner klar und unmissverständlich mitteilt, dass er die Leistung auf keinen Fall erbringen wird, ist eine weitere Aufforderung ebenfalls nicht notwendig.
- Besondere Umstände: In Ausnahmefällen kann sich Verzug auch aus besonderen Umständen ergeben, die eine sofortige Reaktion erfordern, etwa wenn der Streitpartner durch sein Handeln absichtlich einen Schaden verursacht oder eine andauernde Störung unzumutbar ist.
Für Sie bedeutet das: Auch wenn es nicht immer eine zwingende rechtliche Voraussetzung ist, vor einer Klage aufzufordern, ist es in den meisten Fällen sinnvoll. Eine klare Kommunikation Ihrer Forderung an den Streitpartner gibt diesem die Möglichkeit, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Dies kann dazu beitragen, den sogenannten Verzug zu begründen, wodurch Sie unter Umständen bestimmte Kosten für die Durchsetzung Ihrer Forderung geltend machen können. Vor allem aber hilft es, einen Rechtsstreit von vornherein zu vermeiden und das Kostenrisiko im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu minimieren.
Was sollte ich über eine einstweilige Verfügung wissen, bevor ich sie beantrage?
Eine einstweilige Verfügung ist ein gerichtlicher Beschluss, der eine schnelle und vorläufige Entscheidung in besonders dringenden Fällen ermöglicht. Ihr Hauptzweck ist es, einen drohenden Nachteil abzuwenden oder einen bestehenden Zustand vorläufig zu sichern, wenn die normale Dauer eines Gerichtsverfahrens zu lange wäre und irreversible Schäden verursachen könnte. Für Sie bedeutet das: Es geht darum, rasch eine vorläufige Lösung zu bekommen, nicht um eine endgültige Klärung des gesamten Sachverhalts.
Wann kommt eine einstweilige Verfügung in Frage?
Eine einstweilige Verfügung wird nur erlassen, wenn zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sind:
- Dringlichkeit (der „Verfügungsgrund“): Es muss eine Situation vorliegen, die so eilig ist, dass ein Abwarten eines regulären Gerichtsverfahrens nicht zumutbar wäre. Stellen Sie sich vor, es droht ein unwiederbringlicher Schaden oder ein unhaltbarer Zustand soll sofort beendet werden. Ein Beispiel könnte sein, dass jemand dringend eine bestimmte Veröffentlichung stoppen möchte, die seine Rechte verletzt, bevor sie sich weiter verbreitet.
- Anspruch (der „Verfügungsanspruch“): Sie müssen glaubhaft machen können, dass Ihnen ein rechtlicher Anspruch zusteht, der durch die einstweilige Verfügung gesichert oder durchgesetzt werden soll. Es geht hier nicht darum, den Anspruch bereits vollumfänglich zu beweisen, sondern ihn so überzeugend darzulegen, dass das Gericht ihn für wahrscheinlich hält.
Besondere Merkmale eines Eilverfahrens
Ein Verfahren für eine einstweilige Verfügung unterscheidet sich stark von einem normalen Gerichtsverfahren:
- Schnelligkeit: Gerichte entscheiden oft innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden.
- Vorläufigkeit: Die Entscheidung ist nicht endgültig. Sie regelt eine Situation nur vorläufig, bis in einem eventuellen Hauptsacheverfahren eine abschließende Klärung erfolgt.
- Oft ohne mündliche Verhandlung: Das Gericht kann die einstweilige Verfügung oft nur auf Basis der schriftlichen Anträge und Unterlagen erlassen, ohne dass eine mündliche Anhörung stattfindet.
Welche Risiken und Kosten birgt ein solcher Antrag?
Das Beantragen einer einstweiligen Verfügung ist mit erheblichen Risiken und Kosten verbunden, die Sie kennen sollten:
- Kostenrisiko bei Misserfolg: Wenn Ihr Antrag auf einstweilige Verfügung abgelehnt wird, weil das Gericht die Dringlichkeit oder den Anspruch nicht gegeben sieht, müssen Sie in der Regel die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Dazu gehören Gerichtskosten und mögliche Anwaltskosten.
- Kostenrisiko bei späterer Aufhebung: Auch wenn die einstweilige Verfügung zunächst erlassen wird, kann sie von der Gegenseite angefochten werden. Wird sie später vom Gericht aufgehoben, weil sich die Sachlage geändert hat oder weil sie im Nachhinein als unbegründet angesehen wird (etwa in einem Hauptsacheverfahren), können Sie ebenfalls auf den Kosten sitzen bleiben.
- Änderung der Situation: Wenn sich der Sachverhalt, auf dem die Dringlichkeit beruht, schnell ändert oder die Eilbedürftigkeit nachträglich entfällt, kann die Verfügung ihre Grundlage verlieren und aufgehoben werden. Dies führt ebenfalls dazu, dass Sie die Kosten tragen müssen.
- Schadensersatzpflicht: Ein besonders hohes Risiko ist, dass Sie der Gegenseite unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet sein können, falls sich die einstweilige Verfügung später als ungerechtfertigt herausstellt und der Gegenseite durch die Verfügung ein Schaden entstanden ist. Dies kann finanzielle Belastungen verursachen.
Wie wirkt sich das Einlenken der Gegenseite auf die Kosten eines Gerichtsverfahrens aus?
Wenn die Gegenseite während eines Gerichtsverfahrens einlenkt und die Forderung erfüllt oder ihr Verhalten ändert, spricht man im juristischen Sinne oft von einer „Erledigung der Hauptsache„. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Kostenentscheidung eines Verfahrens.
Was bedeutet „Erledigung der Hauptsache“?
Eine „Erledigung der Hauptsache“ tritt ein, wenn der Streitgegenstand einer Klage nach Beginn des Gerichtsverfahrens wegfällt. Das bedeutet: Das, worum gestritten wurde, ist nicht mehr strittig. Dies geschieht typischerweise, weil die beklagte Partei die Klageforderung nach Erhebung der Klage anerkennt und erfüllt, oder die ursprüngliche Situation, die zur Klage führte, sich anderweitig erledigt hat (z.B. eine unerlaubte Handlung wurde eingestellt, eine Sache wurde zurückgegeben).
Stellen Sie sich vor, Sie verklagen jemanden auf Zahlung einer Rechnung. Nachdem Sie die Klage eingereicht haben, aber bevor das Gericht ein Urteil sprechen konnte, zahlt die beklagte Partei plötzlich den vollen Betrag. Die Klageforderung ist damit erfüllt, der ursprüngliche Streitgegenstand ist „erledigt“.
Die Kostenentscheidung bei Erledigung
Hat sich die Hauptsache erledigt, entscheidet das Gericht nicht mehr über die ursprüngliche Klageforderung selbst, sondern nur noch darüber, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die rechtliche Grundlage hierfür ist in Deutschland § 91a der Zivilprozessordnung (ZPO).
Das Gericht prüft für die Kostenentscheidung, wer den Prozess voraussichtlich gewonnen hätte, wenn es nicht zur Erledigung gekommen wäre. Es wird also eine Art „hypothetisches Urteil“ darüber gefällt, welche Partei zum Zeitpunkt der Erledigung voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.
Dabei sind folgende Aspekte entscheidend:
- Der „Anlass zur Klage“: Hat die beklagte Partei durch ihr Verhalten vor der Klage einen ausreichenden Grund für die Klage gegeben? Wenn sie beispielsweise eine berechtigte Forderung erst nach Klageeinreichung erfüllt hat, obwohl sie vorher zur Zahlung aufgefordert wurde, bestand ein Anlass zur Klage. In diesem Fall muss die beklagte Partei, obwohl sie eingelenkt hat, in der Regel die Kosten des Verfahrens tragen.
- Das Timing des Einlenkens: Wenn die beklagte Partei sofort nach Zustellung der Klage einlenkt und die Forderung erfüllt, kann dies ihre Position bei der Kostenentscheidung verbessern. Das Gericht bewertet, ob die beklagte Partei überhaupt Anlass zur Klage gegeben hat. Wenn zum Beispiel eine Forderung sofort nach der Mahnung bezahlt worden wäre, aber erst nach Klageeinreichung, ist die Kostenfolge meist eindeutig zulasten der beklagten Partei. Ein schnelles Einlenken nach Klageerhebung kann jedoch zeigen, dass der Streit nicht unnötig in die Länge gezogen werden sollte.
- Das Verhalten der Parteien insgesamt: Das Gericht berücksichtigt das gesamte Verhalten beider Parteien während des Verfahrens, einschließlich der Motivation und des Zeitpunkts des Einlenkens.
Für Sie bedeutet das: Wenn die Gegenseite nach Klageerhebung einlenkt, ist es entscheidend, ob die Klage berechtigt war und ob die Gegenseite vor Klageerhebung Anlass zur Klage gegeben hat. War die Klage von Anfang an berechtigt und hat die Gegenseite erst nach Klageerhebung nachgegeben, trägt sie in den meisten Fällen die Prozesskosten.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Einstweilige Verfügung
Eine einstweilige Verfügung ist ein gerichtlicher Beschluss, der in dringenden Fällen eine schnelle, vorläufige Entscheidung ermöglicht, bevor ein normales Gerichtsverfahren abgeschlossen ist. Sie dient dazu, einen drohenden Schaden abzuwenden oder den bestehenden Zustand vorläufig zu sichern, zum Beispiel um den Abriss eines Zauns sofort zu verhindern. Im Gegensatz zum Hauptsacheverfahren ist sie zeitlich begrenzt und ersetzt keine endgültige Klärung des Rechtsstreits. Wird der Antrag abgelehnt oder später aufgehoben, können erhebliche Kosten oder sogar Schadensersatzpflichten entstehen.
Beispiel: Wenn Ihr Nachbar unmittelbar dabei ist, einen Zaun abzureißen, können Sie mit einer einstweiligen Verfügung schnell stoppen, bevor ein langes Gerichtsverfahren beginnt.
Klageveranlassung
Die Klageveranlassung beschreibt, ob ein Verhalten der Gegenseite tatsächlich so problematisch oder rechtswidrig ist, dass es vernünftig und notwendig ist, deswegen vor Gericht zu ziehen. Nur wenn Sie ohne eine Klage nicht zu Ihrem Recht kommen können, besteht eine Klageveranlassung. Fehlt diese, etwa weil man vorher hätte auffordern oder mit der Gegenseite kommunizieren können, gilt die Klage als voreilig, was negative Folgen für die Kostenverteilung haben kann (§ 93 ZPO). Ziel ist es, unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Beispiel: Wenn Ihr Nachbar Ihnen schreibt, er wolle den Zaun entfernen, bittet aber um Ihre Stellungnahme, wäre es klug, zunächst zu antworten, bevor Sie klagen. Wegen fehlender Klageveranlassung könnten Sie sonst die Verfahrenskosten tragen müssen.
Erledigung der Hauptsache
Die Erledigung der Hauptsache tritt ein, wenn der Streitgegenstand eines Gerichtsverfahrens nach dessen Beginn wegfällt, etwa weil die beklagte Partei ihre Forderung erfüllt oder einen Rechtsverstoß einstellt. In diesem Fall entscheidet das Gericht nicht mehr über das eigentliche Streitproblem, sondern nur noch darüber, wer die bereits entstandenen Kosten zu tragen hat (§ 91a ZPO). Dafür wird geprüft, wer den Prozess voraussichtlich gewonnen hätte, wenn er weitergeführt worden wäre.
Beispiel: Wenn Sie ein Gerichtsverfahren wegen Zaunstreitigkeit beginnen und die Nachbarin danach erklärt, sie baue den Zaun doch nicht ab, ist die Hauptsache erledigt. Das Gericht bestimmt dann, wer die Anwalts- und Gerichtskosten trägt.
Sofortige Beschwerde
Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsmittel, mit dem man gegen Entscheidungen eines Gerichts zweiter Instanz (z. B. Kostenentscheidungen eines Amtsgerichts) zeitnah vorgeht, um diese überprüfen zu lassen. Sie ermöglicht es, dass ein übergeordnetes Gericht, hier das Landgericht, die Entscheidung auf Rechtsfehler oder Fehler in der Beurteilung hin überprüft (§§ 567 ff. ZPO). Dabei wird nicht der gesamte Fall neu verhandelt, sondern die Rechtsfrage eingeschränkt geprüft.
Beispiel: Wenn Ihnen das Amtsgericht sagt, Sie müssen die Prozesskosten tragen, obwohl Sie sich das nicht erklären können, können Sie mit einer sofortigen Beschwerde diese Entscheidung vom Landgericht überprüfen lassen.
Billiges Ermessen (§ 91a ZPO)
Das billige Ermessen ist eine gesetzliche Regel, nach der Gerichte bei der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache eine faire und angemessene Abwägung aller Umstände treffen müssen. Es bedeutet, dass das Gericht nicht starr nach festen Regeln entscheidet, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände – insbesondere der Erfolgsaussichten – eine gerechtfertigte Lösung sucht. So soll vermieden werden, dass eine Partei ungerechtfertigt belastet wird.
Beispiel: Wenn ein Streit durch Einlenken beendet wird, schaut das Gericht, wer vermutlich Recht gehabt hätte, und verteilt die Kosten dann „nach billigem Ermessen“, also vernünftig und fair.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 91a ZPO: Dieser Paragraph regelt die Kostenverteilung in einem Gerichtsverfahren, wenn sich der Hauptstreitpunkt erledigt hat, bevor ein Urteil ergangen ist. Das Gericht entscheidet dann nach „billigem Ermessen“ über die Kosten, wobei es den bisherigen Sach- und Streitstand berücksichtigt, insbesondere wer den Prozess voraussichtlich gewonnen hätte. Dabei wird eine gerechte und vernünftige Abwägung vorgenommen, die auf dem mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens basiert. Ziel ist es, eine faire Lösung für die Kostentragung zu finden, auch wenn es kein Urteil zur Sache gibt. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph ist die zentrale Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Landgerichts Lübeck. Die Parteien erklärten den Zaunstreit als „übereinstimmend erledigt“, sodass das Gericht gemäß § 91a ZPO über die entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten entscheiden musste.
- Zivilprozessordnung (ZPO), § 93 ZPO (Grundsatz der Klageveranlassung): Obwohl dieser Paragraph primär die Kostenverteilung regelt, wenn ein Beklagter eine Klage sofort anerkennt, ist der dahinterstehende Gedanke der „Klageveranlassung“ von großer Bedeutung. Er besagt, dass derjenige die Prozesskosten tragen muss, der durch sein Verhalten Anlass zu einer Klage gegeben hat, obwohl er keinen Widerstand gegen den Anspruch geleistet hätte. Dieses Prinzip zielt darauf ab, überstürzte oder unnötige Klagen zu verhindern. Eine Klage ist nur dann veranlasst, wenn man vernünftigerweise davon ausgehen muss, ohne sie sein Recht nicht durchsetzen zu können. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat diesen Grundsatz des § 93 ZPO angewendet, um zu beurteilen, ob die beklagte Nachbarin die klagenden Nachbarn zur sofortigen Einleitung eines Eilverfahrens veranlasst hat. Hierbei wurde geprüft, ob die Beklagte die Klage durch ihr Verhalten objektiv notwendig gemacht hatte.
- Allgemeine Grundsätze zur Notwendigkeit einer außergerichtlichen Aufforderung (Abmahnung) vor Klageerhebung: Im Zivilrecht ist es ein wichtiger Grundsatz, dass man eine Gegenseite, bevor man Klage erhebt – insbesondere bei Unterlassungsansprüchen – zunächst außergerichtlich zur Stellungnahme oder zur Unterlassung auffordern sollte. Eine solche „Abmahnung“ gibt der anderen Partei die Möglichkeit, das Problem ohne gerichtliches Zutun zu lösen und vermeidet unnötige Prozesskosten. Dieser Grundsatz fördert die Deeskalation und die Selbstregulierung von Konflikten. Nur wenn diese Aufforderung nicht fruchtet oder eine Dringlichkeit dies nicht zulässt, ist der Gang zum Gericht gerechtfertigt. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht legte Wert darauf, dass die klagenden Nachbarn diese grundsätzliche Abmahnung bzw. das Abwarten der von der Nachbarin gesetzten Frist versäumt hatten. Dies ließ ihre Eilklage als voreilig erscheinen und trug zur Kostenentscheidung bei.
- Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 935 ZPO und 940 ZPO (Regelungen zur Einstweiligen Verfügung): Diese Paragraphen regeln die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, einem gerichtlichen Eilverfahren im Zivilrecht. Sie dient dazu, eine drohende Rechtsverletzung schnell abzuwenden oder einen bestehenden Zustand zu sichern, wenn ein sofortiges Handeln unumgänglich ist und ein Hauptsacheverfahren zu lange dauern würde. Für den Erfolg einer einstweiligen Verfügung müssen ein Verfügungsanspruch (der zugrundeliegende materielle Anspruch) und ein Verfügungsgrund (die Eilbedürftigkeit) glaubhaft gemacht werden. Das Verfahren ist auf schnelle, vorläufige Klärung ausgerichtet und darf nicht für eine umfassende Rechtsdurchsetzung missbraucht werden. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die klagenden Nachbarn wählten den Weg der einstweiligen Verfügung, um den Abriss des Zauns zu verhindern. Die Dringlichkeit dieser Maßnahme stand im Zentrum der gerichtlichen Prüfung, ob überhaupt ein Anlass zur Klage gegeben war, bevor die Nachbarin Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.
Das vorliegende Urteil
LG Lübeck – Az.: 14 T 46/24 – Beschluss vom 12.02.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz