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Motorsegler – arglistiges Verschweigen von Mängeln

Oberlandesgericht Hamm

Az: 28 U 147/01

Urteil vom 07.03.2002


Die Berufung des Beklagten gegen das am 24.07.2001 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten beträgt € 6.903,67.

Von der Darstellung des T a t b e s t a n d e s wird nach § 540 Abs. 1 ZPO n.F. abgesehen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von DM 13.502,40 Schadensersatz aus § 463 S. 2 BGB wegen arglistigen Verschweigens eines Fehlers des verkauften Motorseglers verurteilt.

I.

1.

Das Holzdeck war fehlerhaft. Die Haftung gemäß § 463 S. 2 BGB wegen des Verschweigens eines Fehlers setzt das Vorhandensein eines Fehlers im Sinn von § 459 BGB voraus (Palandt-Putzo, BGB, 61. Aufl., § 463 BGB, Rz. 11). Dass Schäden des Teakdecks bei einem Schiff des Baujahrs 1971 zum Zeitpunkt des Verkaufs an den Kläger üblich waren, wie der Sachverständige C im Beweissicherungsverfahren festgestellt hat (Blatt 31), steht der Annahme eines Fehlers i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB nicht entgegen.

Zwar stellt das Alter von 31 Jahren eine lange Nutzungsdauer dar und läßt eine erhebliche, altersbedingte und insoweit normale Abnutzung erwarten. Das führt aber nicht dazu, einen bereits eingetretenen, die Auswechslung des funktionsunfähigen Teils erfordernden Schadenszustand (Reparaturbedüftigkeit) noch als einen dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch entsprechenden Zustand aufzufassen. Dass ein zur Weiterbenutzung gekaufter Gegenstand auch bestimmungsgemäß benutzt werden kann und nicht wegen schwerwiegender Mängel gebrauchsuntauglich ist, entspricht der Normalerwartung aller Partner eines Kaufvertrages (vgl. BGH in NJW 1984, 1452 ff.). Die Funktionstüchtigkeit schuldet der Verkäufer, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch beim Verkauf gebrauchter technischer Geräte als Normalbeschaffenheit (vgl. BGH in NJW 1995, 955 ff.). Dies führt dann aber nach der „Wellentheorie“ des Senates dazu, dass ein Verschleißgrad, der den normalen Nutzer unter gewöhnlichen Umständen zum Auswechseln des Verschleißteiles veranlasst, einen Mangel darstellt, wenn es ohne Austausch – und Hinweis auf die dringende Erneuerungsbedürftigkeit – verkauft wird. So liegt der Fall hier. Nicht nur nach den Feststellungen des Sachverständigen C (vgl. Bl. 32) und des vom Senat angehörten Sachverständigen C2, war die Neueindeckung des Decks insbesondere in Bezug auf die faulenden Spanplatten erforderlich. Auch der Beklagte hat im Anwaltsschreiben vom 2.10.00 (Blatt 20) eingeräumt, dass „das vorhandene Teakdeck seine Lebensdauer erreicht hatte“.

Die nur vorübergehend eine optische Abdeckung schaffende, keine dauernde Beseitigung des Mangels bewirkende Anbringung von Kunststoffdecksbelag ließ die Notwendigkeit eines Austausches des darunter liegenden Holzdecks nicht entfallen.

2.

Letztlich könnte sogar dahin stehen, ob der Zustand des Holzdecks einen Mangel i.S.d. § 459 BGB darstellte. Die wegen des Verschleißes eingetretene Notwendigkeit eines sofortigen Auswechselns des Teakdecks mit entsprechendem Kostenaufwand, stellt zumindest einen für den Kaufentschluss erkennbar wesentlichen Umstand dar. Wird dieser Umstand durch den Kunststoffdecksbelag bewusst optisch vertuscht, dann liegt darin eine arglistige Täuschung über einen nicht der Gewährleistungshaftung unterfallenden Umstand, der eine quasigewährleistungsrechtliche Haftung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung begründet (vgl. BGH in NJW 1993, 1323 ff.). Das Abdecken des Decks mit der Kunststofffolie war keine geeignete Reparaturmaßnahme, sondern hat das Teakdeck eher geschädigt, weil die unter der Folie befindliche Feuchtigkeit das Holz angreifen konnte. Der Senat hat keine Bedenken, insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C2 zu folgen, wonach das Teakdeck erneuerungsbedürftig war und das Boot ohne eine Reparatur des Decks ganz schlecht und zwar mit einem Preisnachlass von mehr als 10.000, eher DM 20.000,- bis DM 25.000,- zu verkaufen gewesen wäre, wohingegen der vereinbarte Kaufpreis von DM 47.000,- einem Boot mit einem reparierten, gebrauchsfähigen Dreck entsprach.

II.

Der Beklagte hat dem Kläger (nach eigenem Vortrag) die Reparaturbedürftigkeit des Decks arglistig verschwiegen. Der Beklagte war verpflichtet, den Kläger über ihm bekannte wesentliche Mängel aufzuklären, die ihm beim Betrieb bekannt geworden waren, aber bei der Besichtigung und bei den Kaufvertragsverhandlungen für den Kläger üblicherweise nicht erkennbar waren. Der Beklagte wusste, dass das Deck beschädigt und reparaturbedürftig war. Er wusste auch, dass der Beklagte den Zustand des Teakdecks unter der von ihm angebrachten Kunststofffolie nicht erkennen und auch wegen der vom Beklagten geäußerten mangelnden Erfahrung mit Segelbooten nicht beurteilen konnte.

1.

Eine Haftung wegen arglistigen Verschweigens trifft den Verkäufer, wenn er eine ihm obliegende Aufklärungspflicht hinsichtlich der Mängel verletzt hat, über die der Käufer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Aufklärung redlicherweise erwarten durfte (BGH NJW 1989, 764). Ein Aufklärungspflicht zwischen Vertragsparteien setzt im Allgemeinen voraus, dass zwischen ihnen ein Informationsgefälle über Umstände besteht, die von so gravierender Bedeutung sind, dass sie geeignet sind, den Vertragszweck zu vereiteln oder zumindest erheblich zu erschweren (Palandt-Heinrichs: § 123 BGB, Rz. 5a). Der Verkäufer ist zur Aufklärung jedenfalls in den Fällen verpflichtet, in denen der Käufer durch das Unterbleiben des Hinweises in einem wesentlichen Punkt, der den Kaufentschluss zu beeinflussen geeignet ist, getäuscht würde (vgl. BGH MDR 1999, 1079, 1080 = Anlage, MDR 1982, 640 = GRUR 1982, 374, 375 = WRP 1982, 266 – Ski-Auslaufmodelle; MDR 1997, 159 = GRUR 1996, 793, 795 = WRP 1996, 1027 – Fertiglesebrillen). Entscheidend ist die berechtigte Erwartungshaltung des Käufers und sein Bedürfnis, ungefragt über bestimmte Umstände aufgeklärt zu werden, das in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt oder sich sonst aus den Umständen des Vertragsabschlusses ergibt. Im Ergebnis hängt die Aufklärungspflicht eines Verkäufers im Rahmen des § 463 S. 2 BGB in ihrem Umfang von der Möglichkeit des Käufers zur Prüfung ab (BGH NJW 1965, 35); eine Aufklärung über Mängel, die einer Besichtigung zugänglich sind, kann der Käufer nach der Verkehrsauffassung nicht erwarten, weil er sie bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (BGH NJW-RR 1994, 907; NJW-RR 1997, 144 = NJW 1997, 938 LS; SchlHOLG, OLGR 1996, 129).

b)

An den vorstehenden Anforderungen gemessen, hat der Beklagte den Kläger arglistig über den Zustand des Teakdecks getäuscht.

Dem Beklagten waren die Mängel des Decks bekannt. Das hat er im Anwaltsschreiben vom 2.10.00 (Blatt 20) eingeräumt. Darin hat er lediglich bestritten, erklärt zu haben, dass das Deck neu geschliffen werden könne. Weitere Erklärungen hat er nicht behauptet. Diese waren aber zu der nach den Umständen gebotenen Information des Klägers erforderlich und vom Beklagten auch zu erwarten, denn er hat den Kunststoffbelag über das gesamte Deck in Anbetracht des Alters von 31 Jahren und weil das Deck „so nicht mehr der reparabel war“ aufgebracht. Er wußte, dass „das vorhandene Teakdeck seine Lebensdauer erreicht hatte“. ihm war auch der Reparaturstau bekannt, denn schließlich hatte sich nicht in der Lage gesehen, körperlich das Teakdeck in einen ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Über diese Umstände hätte er den Kläger auf jeden Fall aufklären müssen. Dies getan zu haben, hat er auch in seiner Anhörung vor dem Senat nicht behauptet. Insoweit hat er beschönigend angegeben, die Folie aufgebracht zu haben, um sich die jährliche Erneuerung der Fugen zu ersparen, zu der er sich wegen seines Alters von 74 Jahren nicht mehr in der Lage sah.

Dass der Beklagte davon ausging, dass Deck sei optisch gut gewesen und die Risse hätte man nur aus der Nähe erkennen können, wie er unter Beweisantritt behauptet hat, ist ebenso unerheblich, wie seine Vorstellung, die Hersteller der Folie würden diese für Decksreparaturen für geeignet halten. Abgesehen davon, dass eine Kunststofffolie nach der Auskunft des Sachverständigen C2 lediglich als Trittschutz und Dämmung auf das Stahldeck unmittelbar, nicht aber auf darüber liegendes Holz bei fachgerechter Ausführung aufgebracht wird, war den Beklagten genau bekannt, dass er hier eine „Billigreparatur“ vorgenommen hatte. Nach einer solchen Reparaturmöglichkeit hat er sich in Spanien nach seinen eigenen Angaben erkundigt und die Folie aufgebracht, nachdem sie ihm auch auf der Bootsmesse empfohlen worden sein soll. Demnach wusste der Beklagte, dass der im Vorvertrag versprochene „gute Zustand“ und in der Zeitungsanzeige angepriesene „Top-Zustand“ keinesfalls den Tatsachen entsprachen. Dass er trotzdem den Beklagten den Zustand des Bootes bei den Vertragsverhandlungen in E anhand von 10 Jahre alten Fotos erläutert hat, auf denen noch ein intaktes Teakdeck zu sehen war, belegt, dass er bewusst den Kläger über den maroden Zustand des Decks täuschen wollte und getäuscht hat. Auch sein Hinweis darauf, dass er den Belag aufgebracht habe, um sich das Ausfräsen der Fugen zu ersparen, zeigt, dass er den Beklagten bewusst über den wahren Zweck der Aufbringung der Kunststofffolie täuschen wollte.

III.

Der aus § 463 BGB folgende Schadensersatzanspruch ist gerichtet auf den Ersatz des Nichterfüllungsschadens.

1.

Im vorliegenden Fall macht der Kläger den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch geltend. Demnach ist er so zu stellen, wie er sich stünde, wenn ihn der Beklagte über die Erneuerungsbedürftigkeit des Decks aufgeklärt hätte. Da er in diesem Falle das Boot nur zu einem Kaufpreis erworben hätte, der üblicherweise auf dem Markt für Jachten mit einem sanierungsbedürftigen Deck zu erzielen ist, ist der Schadensersatzanspruch auf den Ausgleich der Differenz zwischen dem Wert eines solchen Fahrzeuges und dem gezahlten Kaufpreis gerichtet (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl, Rdnr. 18 zu § 463; Reinking/Eggert a.a.O., Rdnr. 1994). Diese Wertdifferenz ist grundsätzlich nicht identisch mit den Kosten der Mängelbeseitigung, auf die das Landgericht abgestellt hat. Der Schadensersatzanspruch kann aber anhand der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten berechnet werden (BGH NJW 1989, 2534, 2535; vgl. auch BGH NJW 1996, 584, 585). Die mögliche Berechnung des Mindestschadens unter Heranziehung der zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten dient der vereinfachten Form der Ermittlung des mangelbedingten Minderwertes (vgl. BGH NJW 1983, 1424 f). Damit können die dem Kläger entstandenen Kosten der Reparatur bei der Berechnung des Mindestschadens herangezogen werden. Diese betragen nach den Ausführungen der Sachverständigen C und C2 rund DM 21.500,-. Damit würde der Kläger aber mehr erhalten, als worauf er nach dem Kaufvertrag über ein Boot mit einem gebrauchten Deck Anspruch hat. Für ein vergleichbares Boot mit einem erneuerten Deck hätte er nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C2 rund DM 55.000,-, also DM 8.000,- mehr aufwenden müssen, als er tatsächlich gezahlt hat. Diesen Vorteil muss sich der Kläger anrechnen lassen, so dass im Ergebnis ein ersatzfähiger Schaden von rund DM 13.500,- verbleibt. Im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 Absatz 1 ZPO kann es daher bei dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von DM 13.502,40 verbleiben.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Absatz 1 Satz 1, 286, 288 Absatz 1 BGB n.F.. Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 25.8.00 (Bl. 15) in Verzug gesetzt, so dass gegen die vom Landgericht ausgeurteilte Verzinsung von 5 % über dem Basiszinssatz nichts einzuwenden ist.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 546 ZPO n.F. liegen nicht vor.

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