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Motorsportveranstaltung – gesetzliche Unfallversicherung für Streckenposten

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Az: L 10 U 2292/04

Urteil vom 22.02.2007


Tatbestand

Umstritten ist, ob der Kläger bei dem Unfall vom 13.11.1999 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der am 1961 geborene Kläger ist seit 1980 Mitglied im Allgemeinen Deutschen Automobil-Club e.V. mit Sitz in München (ADAC), der im Jahre 1999 rund eine Million Mitglieder hatte. Der ADAC gliedert sich in Gaue/Regionalclubs in Form von Vereinen mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 8 Satzung ADAC Stand 1999). Jedes Mitglied des ADAC gehört demjenigen Gau an, in dessen Bereich es seine Hauptwohnung hat (§ 3 Nr. 3 Satzung ADAC). Für den Kläger war und ist dies der ADAC Württemberg e.V. Innerhalb des Gaues können sich die ADAC-Mitglieder nach § 9 Satzung ADAC bzw. § 4 Satzung ADAC Württemberg in örtlichen Kraftfahrer-Vereinigungen mit eigener Rechtspersönlichkeit zusammenschließen (ADAC-Ortsclubs), wobei jeder Ortsclub die Zugehörigkeit zum ADAC durch Beifügung der Bezeichnung „im ADAC“ zum Ausdruck zu bringen hat (§ 9 Nr. 3 Satz 1 Satzung ADAC; § 5 Abs. I Satz 1 Satzung ADAC Württemberg). Nach § 4 Abs. I Satz 3 Satzung ADAC Württemberg können ordentliche Mitglieder des ADAC-Ortsclubs nur ADAC-Mitglieder sein. Einer dieser Ortsclubs ist der Motorsportklub G. e.V. im ADAC (M. ) mit etwa 400 Mitglieder, darunter seit 1997 der Kläger. Besondere Funktionen, insbesondere im Vorstand oder sonst förmlich und dauerhaft übertragen, übte der Kläger jedenfalls bis zum Unfall in diesen Vereinen nicht aus.

Zweck und Ziele dieser Vereine ist auch die Förderung des Motorsports (§ 2 Nr. 1 Satzung ADAC, § 2 Abs. I, Abs. II Buchst. c Satzung ADAC Württemberg, § 2 Abs. I Satz 2 der Satzung M. ). Die Aufgaben des ADAC Württemberg werden demgemäß insbesondere und unter anderem als Pflege und Förderung des Motorsports und in Zusammenhang damit Durchführung und Überwachung motorsportlicher Veranstaltungen aller Art definiert (§ 2 Abs. II Buchst. c Satzung ADAC Württemberg). Der Motorsportclub G. e.V. fördert den Motorsport, indem er insbesondere selbst Motorsportveranstaltungen durchführt oder seinen Mitgliedern die Teilnahme an Motorsportveranstaltungen ermöglicht (§ 2 Abs. I Satz 2 der Satzung M. ). Zur weiteren Feststellung wird auf die in den Akten enthaltenen jeweiligen Satzungen Bezug genommen.

Auf dieser Grundlage führte und führt der M. diverse Wochenendveranstaltungen, wie beispielsweise Cart- und Mountain-Bike-Rennen durch, bei denen der Kläger schon vor dem Unfallereignis etwa zwei- bis dreimal im Jahr für zwei bis fünf Stunden täglich als Streckenposten tätig war. Ein Entgelt wurde hierfür nicht gezahlt, die ehrenamtlichen Helfer erhielten Verpflegungsgutscheine und Fahrtkosten ersetzt.

Auch der ADAC Württemberg führte und führt Motorsportveranstaltungen durch, unter anderem jährlich (seit mindestens 1983) eine Moto-Cross-Veranstaltung in der S.. Dabei war und ist der ADAC Württemberg auf ehrenamtliche Helfer angewiesen, die Sportwarte genannt werden. Er rekrutiert sie für die einzelnen Veranstaltungen regelmäßig über die Ortsclubs, denen er die Termine mitteilt, woraufhin diese ihre Mitglieder informieren und nach ihrer Bereitschaft zur Mitwirkung befragen. Hin und wieder kommen durch Vermittlung der Ortsclubs auch ehrenamtliche Helfer wegen ihrer besonderen Kenntnisse zum Einsatz, die weder Mitglied im ADAC noch im Ortsclub sind. Auf diese Art und Weise beteiligten sich regelmäßig auch Mitglieder des M. an den Moto-Cross-Veranstaltungen des ADAC Württemberg. Bezüglich der Einzelheiten des Einsatzes der Helfer wird auf die in der Niederschrift über Erörterungstermin vom 06.07.2006 dokumentierten Angaben des Zeugen Schmid verwiesen. Im Rahmen eines erleichterten Beitragseinzuges meldete der ADAC Württemberg die an die ehrenamtlichen Helfer gezahlten Aufwandsentschädigung als Entgelt an die Beklagte und entrichtete hierfür Beiträge.

Auch im Jahre 1999 wandte sich der Zeuge Schmid, damals Rennleiter, u. a. an den M. und fragte nach freiwilligen Helfern für das Rennen im November. Über den Jugendsportleiter des M. erfuhr der Kläger von der Moto-Cross-Veranstaltung und bot seine Hilfe an. Er wurde ab Donnerstagabend zunächst zum Aufbau und dann als Streckenposten eingesetzt und erhielt einen auf seinen Namen für dieses Rennen ausgestellten Sportwartausweis als Zugangsberechtigung. Zu seinen Aufgaben als Streckenposten gehörte insbesondere, nachfolgende Fahrer im Falle von Stürzen vor Hindernissen zu warnen. Die Anweisungen zu den einzelnen Tätigkeiten (Verteilung von Strohballen entlang der Strecke, Erledigung von Feinheiten am Streckenaufbau, Streckenposten) wurden dem Kläger von dem Jugendsportleiter des M. bzw. dem Zeugen Schmid erteilt. Die Aufwandsentschädigung (50 DM zuzüglich einem Zuschuss zu den Fahrtkosten) erhielt der Kläger vom ADAC Württemberg über den Motorsportclub G. e.V. ausgezahlt. Insgesamt waren bei diesem Motorsportrennen ca. 110 freiwillige Helfer (allein 30 vom M. ), davon 25 als Streckenposten, und ca. 20 bezahlte Arbeitskräfte, vor allem im Ordnungsdienst oder als Fahrer von Baustellenfahrzeugen, im Einsatz.

In der Nacht des 13.11.1999 (Samstag) wurde der Kläger im Rahmen dieser Veranstaltung und bei seiner Tätigkeit als Streckenposten von einem ins Rutschen gekommenen Motorrad erfasst und erlitt eine Tibiakopfmeiselfraktur, eine proximale Fibulafraktur rechts sowie einen Außenmeniskusabriss, wobei keine wesentlichen Folgen verblieben sind.

Mit Bescheid vom 27.10.2000 und Widerspruchsbescheid vom 20.6.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 13.11.1999 mit der Begründung ab, der Kläger sei bei dem Unfall nicht versichert gewesen, insbesondere nicht als Beschäftigter und auch nicht wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Der Kläger sei allgemein verpflichtet gewesen, die unfallbringende Tätigkeit als Ausfluss der Mitgliedschaft im Verein zu übernehmen.

Dagegen hat der Kläger am 18.07.2002 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben und geltend gemacht, Mitglied im ADAC sei er wegen der Pannendienste dieses Vereins geworden. Gegenüber dem ADAC bestehe für ihn keine Verpflichtung, eine Tätigkeit als Streckenposten zu übernehmen.

Mit Urteil vom 19.03.2004 hat das Sozialgericht die o.g. Verletzungen als Folgen des Unfalls vom 13.11.1999 festgestellt. Der Kläger sei als „Wie-Beschäftigter“ tätig gewesen. Als Ausfluss der Mitgliedschaft im ADAC bestehe keine Verpflichtung, in aktiver Form an Motorsportveranstaltungen teilzunehmen. Auch aus der aktiven Mitgliedschaft beim M. ließen sich keine Verpflichtungen, als Streckenposten tätig zu sein, ableiten, insbesondere weil der Veranstalter des Rennens der ADAC gewesen sei.

Gegen das am 19.05.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.06.2004 Berufung eingelegt. Die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag sei dem M. zuzurechnen. Sie habe dem Vereinszweck des M. entsprochen und er sei im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Verpflichtungen tätig geworden.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat schriftliche Auskünfte des ADAC Württemberg und des M. eingeholt sowie den Zeugen Schmid vernommen. Bezüglich dessen Angaben wird auf den Inhalt des Protokolls verwiesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalles nicht versichert.

Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben und das Vorliegen eines Arbeitsunfalles feststellen lassen. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Die vom Sozialgericht vorgenommene Feststellung gar nicht mehr vorhandener Unfallfolgen begegnet deshalb und auch im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG Bedenken. Doch kann dies dahingestellt bleiben. Das Urteil des Sozialgerichts ist jedenfalls deshalb aufzuheben, weil das Ereignis vom 13.11.1999 kein Arbeitsunfall war.

Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Der Kläger stand bei der Tätigkeit, die zum Unfall führte, weder nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII noch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder nach § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, die bei der vorliegenden Sachlage allein in Betracht kommen, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VI ist der Kläger nicht versichert, da diese Vorschrift auf Vereine privaten Rechts nicht anwendbar ist.

Der Kläger war bei der Tätigkeit als Streckenposten am Unfalltag auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter des ADAC Württemberg oder des M. tätig. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung, die nicht selbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BSG, Urteil vom 19.08.2003 in SozR 4-2700 § 2 Nr. 1). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum ADAC Württemberg bzw. zum M. im obigen Sinne lag nicht vor. Keine der beteiligten Personen hatte einen auf ein Beschäftigungsverhältnis gerichteten Willen, vielmehr erfolgte die Tätigkeit des Klägers gerade als freiwilliger, vor allem ehrenamtlicher Helfer, was ein Beschäftigungsverhältnis ausschließt. Anderes behauptet auch der Kläger nicht.

Nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 des SGB VII sind Personen versichert, die wie Beschäftigte tätig werden. Ein Versicherungsschutz als „Wie-Beschäftigter“ setzt voraus (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N. und Urteil vom 31. Mai 2005, B 2 U 35/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 m.w.N.), dass es sich um eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz), die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und nicht auf einer Sonderbeziehung z.B. als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruht. Eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen ist nicht erforderlich. Ohne Bedeutung für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII ist auch, ob der Verletzte gegen ein Entgelt oder unentgeltlich handelte.

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Die positiven Kriterien für eine „Wie-Beschäftigung“ erfüllt die Tätigkeit des Klägers als Streckenposten im Verhältnis zum ADAC Württemberg als Veranstalter des Rennens. Der Kläger wollte den ADAC Württemberg, wie von diesem gewünscht, bei der Durchführung des Rennens unterstützen und tat dies auch. Ohne den Kläger hätte der ADAC Württemberg eine bezahlte Arbeitskraft für diese Tätigkeit einstellen müssen.

Gleichwohl war der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nicht wie ein Beschäftigter versichert. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG schließt die Mitgliedschaft in einem Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zwar nicht von vornherein und damit auch nicht schlechthin eine versicherte Tätigkeit wie ein Beschäftigter aus (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 13.08.2002, B 2 U 29/01 R). Es ist aber zu unterscheiden zwischen Arbeitsleistungen, die nur auf Mitgliedschaftspflichten beruhen, und Arbeitsleistungen, die außerhalb dieses Rahmens verrichtet werden. Letzteres setzt voraus, dass die Verrichtung über das hinausgeht, was Vereinssatzung, Beschlüsse der Vereinsorgane oder allgemeine Vereinsübung als Arbeitsverpflichtungen der Vereinsmitglieder festlegen.

Zu den auf allgemeiner Vereinsübung beruhenden Mitgliedspflichten zählen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Allgemeinen Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden. Hebt der Verein bestimmte Personen dadurch aus dem Kreis seiner Mitglieder heraus, dass er ihnen ehrenamtliche Vereinsfunktionen überträgt, so treffen diese Funktionäre auch qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als „einfache“ Vereinsmitglieder Gleiches gilt dann, wenn der Verein von bestimmten „einfachen“ Mitgliedern die Ausführung gefährlicher und besondere Fachkunde erfordernde Arbeiten verlangt. Daraus ergibt sich, dass hinsichtlich der Vereinsübung allein wesentlich ist, ob der Verein erwarten kann, dass bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitgliedern wahrgenommen werden und geeignete Mitglieder regelmäßig der Erwartung des Vereins auch nachkommen (BSG, Urteil vom 24.03.1998, B 2 U 13/97 R in SozR 3-2200 § 539 Nr. 41).

So liegt der Fall hier.

Allerdings bleibt offen, ob der rechtlichen Konstruktion der Beklagten gefolgt werden kann. Der Kläger war zwar im M. Mitglied, wenn auch – damals noch – „einfaches“ und er wurde auf Grund seiner freiwilligen Meldung und weil ihn der Jugendsportwart des M. für geeignet hielt, gegenüber dem ADAC Württemberg als Helfer für die Veranstaltung des ADAC Württemberg benannt. Diese Helfertätigkeit entsprach den in § 2 der Satzung des M. festgelegten Zwecken und Zielen des Clubs. So ist dort niedergelegt, dass der Club den Motorsport fördert. Er betätigt sich dabei im Rahmen der motorsportlichen Regeln des ADAC. Auf Grund dieser in der Satzung niedergelegten Ziele und Aufgaben durfte der M. erwarten, dass Helfertätigkeiten bei eigenen Veranstaltungen und bei den Motorsportrennen des ADAC von geeigneten Mitgliedern wahrgenommen werden. Der Kläger und andere Mitglieder des M. kamen dieser Erwartung auch nach. So wirkten allein an der hier in Rede stehenden Veranstaltung ca. 30 Mitglieder des M. als freiwillige, ehrenamtliche Helfer mit. Damit stellt sich die Tätigkeit des Klägers gegenüber dem M. in der Tat als Erfüllung von Vereinspflichten dar. Ob dies indessen ausreicht, den Versicherungsschutz als „Wie-Beschäftigter“ auszuschließen, wie dies die Beklagte meint, erscheint fraglich. Insoweit wenden Kläger und Sozialgericht zutreffend ein, dass ein „Wie-Beschäftigungs-Verhältnis“ ausschließlich zum ADAC Württemberg als Veranstalter, nicht aber zum M. in Frage kommt. Die Auffassung der Beklagten würde dazu führen, dass eine Tätigkeit als „Wie-Beschäftigter“ immer ausscheidet, wenn irgendwelche Pflichten aus einem Vereinsverhältnis erfüllt werden, selbst wenn die Tätigkeit selbst nicht dem Verein, sondern einem Dritten dienen soll und dient.

Der Versicherungsschutz als Wie-Beschäftigter ist jedenfalls auf Grund der Erfüllung mitgliedschaftlicher Pflichten gegenüber dem ADAC Württemberg zu verneinen.

Veranstalter des Rennens war der ADAC Württemberg. Der Kläger war zum Zeitpunkt dieser Veranstaltung Mitglied im ADAC Württemberg. In dessen Satzung ist in § 2 als Zweck und Ziel des Vereines u. a. die Pflege und Förderung des Motorsports und in Zusammenhang damit die Durchführung und Überwachung motorsportlicher Veranstaltungen aller Art genannt. Die Veranstaltung des Rennens war somit vom Vereinszweck umfasst.

Ein Verein darf von seinen Mitgliedern grundsätzlich eine entsprechende Mitwirkung bei der Durchsetzung der Ziele des Vereins erwarten, der ADAC Württemberg damit eine Mitwirkung bei der Durchführung entsprechender Veranstaltungen. Hiervon ging der ADAC Württemberg auch selbst aus. Denn er wandte sich als Veranstalter des Rennens über die Ortsclubs gerade an seine – des ADAC Württemberg – Mitglieder, weil er – so der Zeuge – davon ausging, dass in diesen Ortsclubs an Motorsportveranstaltungen besonders interessierte Mitglieder des ADAC Württemberg organisiert sind. Die gleichzeitige Mitgliedschaft im ADAC Württemberg stellt § 4 Abs. I Satz 3 Satzung ADAC Württemberg sicher, wonach ordentliche Mitglieder des ADAC-Ortsclubs nur ADAC-Mitglieder sein können. Dementsprechend hat der M. gegenüber dem Senat bestätigt, dass alle seine aktiven Mitglieder auch Mitglied im ADAC sind. Wenn – so die weitere Auskunft – der M. auch Mitglieder hat, die nicht zugleich Mitglied im ADAC sind, ändert sich an dieser grundsätzlichen Organisationsstruktur nichts. Denn zum einen darf der ADAC Württemberg grundsätzlich von der Einhaltung der Satzungsbestimmungen durch die Ortsclubs ausgehen, zum anderen setzt auch der M. diese Regelung für aktive Mitglieder – und nur solche wollte der ADAC Württemberg für sein Rennen als Helfer gewinnen – ausnahmslos um.

Auch die vom Sozialgericht in den Vordergrund gestellte Tatsache, dass die meisten Mitglieder des ADAC Württemberg passiv sind und sie mit ihrer Mitgliedschaft vor allem in den Genuss der Serviceleistungen des ADAC Württemberg kommen wollen, spielt dabei keine Rolle. Denn diese Serviceleistungen stehen in § 2 Abs. II Buchst. a, d, e und f der Satzung ADAC Württemberg gleichberechtigt neben der Pflege und Förderung des Motorsports. Wenn sich der Kläger als „einfaches“ Vereinsmitglied nach entsprechendem Aufruf des ADAC Württemberg zur Hilfeleistung bei derartigen Motorsportveranstaltungen meldete, vom ADAC Württemberg wegen seiner Eignung auch als Helfer herangezogen und eingesetzt wurde, beteiligte er sich unmittelbar an der Durchsetzung des Vereinszwecks und kam er der grundsätzlichen Erwartung des ADAC Württemberg, Mitglieder würden sich als ehrenamtliche Helfer für die Veranstaltung zur Verfügung stellen, ebenso nach, wie dies auch andere ehrenamtlich helfende Vereinsmitglieder bei den Sportveranstaltungen des ADAC Württemberg regelmäßig taten und tun. Durch die Heranziehung und Übertragung der Aufgaben bei der Sportveranstaltung durch den ADAC Württemberg wurde der Kläger aus dem Kreis der „einfachen“ Mitglieder herausgehoben und ihm die ehrenamtliche Funktion eines Sportwarts mit den Aufgaben Mithilfe beim Aufbau und eines Streckenposten übertragen. Von einem bisher passiven Mitglied ist er dadurch zum aktiven Mitglied geworden. Gerade bei Erfüllung dieser übertragenden Aufgaben und damit der Erfüllung seiner Vereinspflichtenwurde der Kläger verletzt.

Dabei spielt es keine Rolle, dass der ADAC Württemberg bei derartigen Motorsportrennen in seltenen Fällen auch geeignete Nichtmitglieder als ehrenamtliche Helfer heranzog, die – mangels Ausschlusstatbestand Vereinsmitgliedschaft> – gemäß § 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 des SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung standen. Denn die Organisation war durch den ADAC Württemberg – wie dargelegt – von vornherein auf die Rekrutierung von eigenen Vereinsmitgliedern als freiwillige Helfer angelegt. Der ADAC Württemberg wollte sich seiner Vereinsmitglieder bedienen, ihnen die Funktionen des Sportwarts für diese konkrete Veranstaltung übertragen und sie so zur Durchsetzung der Vereinsziele heranziehen. Es war damit gerade nicht dem bloßen Zufall überlassen, ob die Aufgaben auf Vereinsmitglieder oder Vereinsfremde übertragen werden. Gelegentliche Ausnahmen bei der Übertragung der Funktionen auf Nichtmitglieder als freiwillige Helfer ändern hieran ebenso wenig etwas, wie die vom ADAC Württemberg zumindest in Betracht gezogene Beauftragung bezahlter Helfer (Arbeitnehmer) im Falle unzureichender Meldungen freiwilliger, ehrenamtlicher Helfer für die Tätigkeit als Streckenposten.

Ebenso irrelevant wäre es, wenn der Kläger seine Tätigkeit ausschließlich der Mitgliedschaft im M. zugeordnet, sich selbst also – zu Unrecht – nicht als aktives ADAC-Mitglied gesehen hätte. Denn insoweit, also für die Frage, ob bzw. welche mitgliedschaftlichen Pflichten erfüllt werden, kommt es allein auf die objektiven Umstände an, hier also darauf, dass der Kläger tatsächlich Mitglied im ADAC Württemberg war und diesen Verein unterstützte. Eine rechtliche Fehlbewertung durch den Kläger kann an diesen Tatsachen nichts ändern. Wie zu entscheiden wäre, wenn der Kläger von seiner Mitgliedschaft im Verein oder von der Tatsache, dass der Verein Veranstalter war, keine Kenntnis gehabt hätte, bleibt offen. Denn der Kläger war über beides informiert. Aber selbst wenn auch auf subjektive Elemente abzustellen wäre: Die Handlungstendenz des Klägers ließe sich nicht in einen Teil zur Begründung einer „Wie-Beschäftigung“ im Verhältnis zum ADAC Württemberg und in einen anderen, hiervon unabhängigen Teil zur Erfüllung von Vereinspflichten allein gegenüber dem M. aufteilen. Derartige Überlegungen hatte der Kläger ohnehin nicht angestellt. Seine Handlungstendenz war einheitlich auf die Unterstützung des Veranstalters des Rennens, also des ADAC Württemberg gerichtet.

Der Kläger unterfällt der gesetzlichen Unfallversicherung auch nicht auf Grund einer Formalversicherung. Formalversicherung bezeichnet ein von der Rechtsprechung entwickeltes Versicherungsverhältnis. Es kommt ohne oder gegen das Gesetz zustande, wenn der Unfallversicherungsträger durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, und zwar je nach seinem Inhalt hinsichtlich der Annahme von Versicherungsschutz, seiner Zuständigkeit oder beidem. Die vertrauensschaffenden Maßnahmen müssen keine Verwaltungsakte sein. So kann es zu einer Formalversicherung mit sonst nicht bestehendem Versicherungsschutz besonders kommen in Fällen, in denen Beiträge für nichtversicherte Personen oder Personengruppen gefordert oder angenommen werden (Ricke, Kasseler Kommentar, Vor §§ 2 bis 6 SGB VII Rdnr. 3 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG).

Die Beklagte hat weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber dem ADAC Württemberg einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Helfer bei dem Motorsportrennen unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz stehe. Ein Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten bezüglich eines etwaigen Versicherungsschutzes während seiner Teilnahme als Helfer an dem Motorsportrennen im November 1999 bestand nicht und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Auch aus dem vom ADAC Württemberg im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegten Schriftwechsel zwischen der Beklagten und dem ADAC Württemberg insbesondere aus den Jahren 1990 und 1993 kann ein Vertrauensschutz nicht hergeleitet werden. Zwar erklärte die Beklagte damals ihr Einverständnis mit einem erleichterten Beitragseinzug, in der Form, dass der ADAC Württemberg die Entgelte der bei Sportveranstaltungen gegen Entgelt tätigen Mitglieder nur unter einer Kundennummer melden muss. Auch meldete der ADAC Württemberg in der Folgezeit die Aufwandsentschädigungen der ehrenamtlichen Helfer auf dieser Grundlage als Entgelt und entrichtete aus diesen Aufwandsentschädigungen folglich Beiträge. Doch hatte die Beklagte mit Schreiben vom 01.08.1990 auch darauf hingewiesen, dass Vereinsmitgliederbei ehrenamtlicher Tätigkeit für den Verein grundsätzlich nicht unfallversichert sind und Ausnahmen in jedem Einzelfall zu prüfen seien, sodass eine grundsätzliche Zusage von Versicherungsschutz nicht gegeben werden könne. Vertrauensschutz konnte damit nicht entstehen. Die Tatsache, dass der ADAC Württemberg durch diese Meldung generell und zu Unrecht auf die Aufwandsentschädigungen Beiträge entrichtete, beruhte somit allein auf seiner fehlerhaften Beurteilung des Begriffs Entgelt, nicht aber auf Handlungen der Beklagten. Es bedarf daher auch keiner Überlegungen zu der Frage, inwieweit ein Vertrauensschutz auf Seiten des ADAC Württemberg dem Kläger zugute käme.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

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