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MPU-Gutachten bei Alkoholmissbrauch

Verwaltungsgericht des Saarlandes

Az: 10 L 1007/11

Beschluss vom 11.10.2011


Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert beträgt 2.500,– Euro.

Gründe

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22.07.2011 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 06.07.2011, durch den unter Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr entzogen und ihm unter Androhung von Zwangsmitteln die Ablieferung des Führerscheins aufgegeben wurde, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Auch die hilfsweise beantragte teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung für Fahrten von und zur Arbeit scheidet aus. Gleiches gilt für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 VwGO i. V. m. § 20 AGVwGO hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid ergangenen Vollstreckungsmaßnahmen sowie der Gebührenfestsetzung.

Zunächst genügt die Begründung des Sofortvollzuges der Entziehungsverfügung den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Die zu treffende gerichtliche Entscheidung richtet sich gem. § 80 Abs. 5 VwGO danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen behördlichen Entscheidung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs schwerer wiegt. Im Rahmen dieser vom Gericht selbst vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Dabei ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; bestehen indes offensichtlich Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

Dies zugrunde gelegt, kann der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht beanspruchen, denn die Verfügung des Antragsgegners vom 06.07.2011 erweist sich im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 FeV. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV liegt eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann vor, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und damit die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Bezüglich des Alkohols wird in Nr. 8 der Anlage 4 zu FeV ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1) und bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3) grundsätzlich nicht besteht. Alkoholmissbrauch liegt vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht sicher getrennt werden können. Nach Beendigung des Alkoholmissbrauchs ist die Fahreignung regelmäßig nur dann wieder gegeben, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2).

Gegen die Rechtmäßigkeit der nicht selbständig anfechtbaren Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehen keine Bedenken. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass dem entsprechenden Schreiben vom 12.04.2011 entgegen § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV der dort vorgeschriebene Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die der Begutachtungsstelle zu übersendenden Unterlagen nicht ausdrücklich zu entnehmen ist,

vgl. dazu VG Osnabrück, Beschluss vom 07.03.2011, 6 B 19/11, NJW 2011, 2986 f., m. w. N.

nachdem der Antragsteller im Schreiben vom 12.04.2011 (S. 3 unten) ebenso wie in der angefügten „Erklärung A“ über die „Führerscheinakte“ als maßgeblichem Vorgang, dessen Übersendung – beschränkt auf die Eignungszweifel aufwerfenden Teile (vgl. „Erklärung A“) – an die Gutachtenstelle angekündigt wird, informiert worden ist und er sich mit der von ihm am 10.05.2011 unterschriebenen „Erklärung A“ (Bl. 35 Behördenakte) ausdrücklich mit der Vorlage an die Gutachter einverstanden erklärt und schließlich das Gutachten in Auftrag gegeben hat. Von daher stellt sich das Fehlen des entsprechenden Hinweises auf die Möglichkeit der Einsichtnahme vorliegend als unschädlich dar.

Zu Recht geht der Antragsgegner davon aus, dass beim Antragsteller aufgrund der beiden Verurteilungen wegen Blutalkoholkonzentrationen von 1,58 Promille (am 30.04.2005) und von 1,37 Promille (am 01.04.2010) genügende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei ihm ein Alkoholmissbrauch innerhalb einer gewissen Dauer regelmäßigen Alkoholkonsums mit Überschreiten hoher Blutalkoholwerte anzunehmen ist, bei dem die Fähigkeit, Trinken und Fahren zu trennen, nicht mehr gewährleistet ist.

Vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.09.2000, 9 W 5/00; Beschluss der Kammer vom 29.09.2008, 10 L 721/08, m. w. N.

Die angesichts dieser Umstände veranlasste Überprüfung des Trennungsvermögens des Antragstellers im Wege der Anforderung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung, der der Antragsteller unter Vorlage des Gutachtens der G. vom 31. Mai 2011 nachgekommen ist, bestätigt die bereits durch die beiden Trunkenheitsfahrten geweckten Eignungsbedenken. Die den Gutachtern gestellte entscheidende Frage, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, wurde von den Gutachtern bejaht, auch wenn die weitere Frage, ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums keine Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen von führerscheinpflichtigen Fahrzeugen in Frage stellen, positiv bewertet worden ist. Die Kammer teilt die Bewertung des Antragsgegners, dass Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens und die daraus hervorgehende Feststellung fehlenden Trennungsvermögens von Fahren und Alkoholgenuss beim Antragsteller nicht zu beanstanden ist. Demgegenüber vermögen die vom Antragsteller gegen die Verwendung des Gutachtens vorgebrachten Einwendungen nicht zu überzeugen.

Zwar ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, dass die Gutachter in ihrer Bewertung der medizinischen Befunde (Seite 11 f. des Gutachtens) davon ausgehen, dass sich bei dem Antragsteller „eine Alkoholproblematik entwickelt hat, die konsequenten Alkoholverzicht“ erfordere, und schließlich darauf hinweisen, dass der Antragsteller „bislang keinen dauerhaften Alkoholverzicht anstrebe“ und den von ihm „seit gut einem Jahr reklamierten Alkoholverzicht nicht belegen“ könne, während auffällige Leberwerte am Untersuchungstag nicht hätten festgestellt werden können. Ungeachtet der sich hieraus ergebenden medizinischen Empfehlung eines konsequenten Alkoholverzichts haben die Gutachter – zutreffender Weise – hieraus eine Alkoholabhängigkeit des Antragstellers gerade nicht hergeleitet, wenn am Ende der Bewertung der medizinischen Befunde zusammenfassend gesagt wird, dass sich aus den medizinischen Feststellungen „grundsätzliche Bedenken im Sinne der behördlichen Fragestellung“ ergäben. Von daher kommt es auf die den Ausführungen darüber hinaus zu entnehmende medizinische Empfehlung zu konsequentem Alkoholverzicht nicht an, zumal es dem Antragsteller freisteht, seine Gesundheit – insbesondere auch angesichts einer bestehenden Insulinpflicht – auf Dauer nachhaltig zu schädigen, solange er, und das ist im vorliegenden Falle alleine relevant, nicht medizinisch nachweisbar in Alkoholabhängigkeit verfällt und er die Sicherheit bietet, auch bei bestehendem Alkoholmissbrauch Trinken und Fahren trennen zu können. Das Letztere aber ist dem Antragsteller nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachtens eben nicht gelungen. Die hierzu von ihm vermisste Feststellung der Gutachter, inwieweit für die Zukunft zu besorgen sei, dass er Alkoholkonsum und Führen von Fahrzeugen zuverlässig zu trennen vermag, beantwortet das Gutachten eindeutig und überzeugend dahingehend, dass weiter zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Maßgebend hierzu ist die Bewertung und Einstufung des früheren Alkoholkonsums durch den Antragsteller selbst, die nach dessen Selbsteinschätzung geprägt ist „von der Verdrängung der positiven oder negativen Konsumfolgen“, wobei „die Verselbständigung der Konsumentscheidungen“ von ihm nicht in Frage gestellt wird. Das wird insbesondere deutlich an der Angabe des Antragstellers, keinen Therapeuten aufgesucht zu haben, „da seine BAK nicht so hoch gewesen sei: Das sei es erst, wenn er wie tot daliegen würde“ (Seite 6 des Gutachtens). Nichts anderes gilt für die Bewertung der Problembewältigung, nachdem es dem Antragsteller nicht gelungen ist, eine hinreichend realistische Schilderung seines Umgangs mit Alkohol abzugeben und das überwiegende Bild seiner Angaben dafür spricht, dass er insbesondere angesichts des von ihm „selbst noch als moderat“ erlebten (Seite 14 des Gutachtens) Alkoholkonsums seine Verstrickung in die Missbrauchssituation unterschätzt mit der Folge, dass von einer gefestigten Änderung des Trinkverhaltens i. S. v. Nr. 8.2 der Begutachtungsleitlinien gepaart mit der Erkenntnis, dass Trinken und Fahren aus Gründen der Verkehrssicherheit strikt zu trennen sind, nicht nachgewiesen ist. Nach allem ist davon auszugehen, dass der Widerspruch nach Maßgabe der Bewertung im Widerspruchsverfahren unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 06.10.2011 dargelegten Begründungselemente nach summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Soweit der Antragsteller hilfsweise eine teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Hinblick auf die von ihm zu bewältigenden Fahrten zur Arbeitsstelle begehrt, bleibt dem Antrag ebenfalls der Erfolg versagt. Ist nämlich von der fehlenden Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeuges auszugehen und erweist sich dementsprechend die Entziehung der Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung als rechtmäßig, so ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Das Interesse des Antragstellers, wonach er auf seine Fahrerlaubnis zum Erreichen eines Arbeitsplatzes angewiesen ist, muss hinter dem überwiegenden öffentlichen Interesse zurücktreten.

Vgl. etwa den Beschluss der Kammer vom 03.04.2008, 10 L 53/08

Die im Weiteren ausgesprochene Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins nach den §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV und die auf den §§ 13 Abs. 1 Nr. 2, 19, 21 SVwVG berührende Androhung der Ersatzvornahme sind nicht zu beanstanden.

Da auch die Festsetzung der Gebühren und Auslagen gemäß (§ 6 a Abs. 2 StVG i. V. m.) den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sowie Gebührennummer 206 der hierzu ergangenen Anlage zu Recht erfolgt ist, ist der Antrag insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in DVBl. 2005, 1525), wobei in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des Hauptsachewertes maßgeblich ist.

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