OLG Zweibrücken, Az.: 1 OWi 1 Ss Bs 3/16, Beschluss vom 20.01.2016
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 24. September 2015 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Landau in der Pfalz zurückverwiesen.
Gründe
Das Polizeipräsidium Rheinpfalz hat die Betroffene mit Bußgeldbescheid vom 21. November 2014 u.a. wegen eines am 5. Oktober 2014 begangenen Verstoßes gegen die 0,5 Promille-Grenze mit einer Geldbuße von 500 € belegt und ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat angeordnet. Gegen den Bußgeldbescheid hat die Betroffene fristgemäß Einspruch eingelegt und diesen nachträglich auf die Rechtsfolgen beschränkt. In der Hauptverhandlung vom 24. September 2015, in der das Verfahren hinsichtlich zwei anderer Ordnungswidrigkeiten gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden ist, hat das Amtsgericht die Betroffene zu einer Geldbuße von 200 € verurteilt und eine Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat ausgesprochen. Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgemäß eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Betroffenen.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache mit der zulässig ausgeführten Aufklärungsrüge Erfolg.
Die Aufklärungsrüge betrifft folgenden Sachverhalt: Anlässlich der Kontrolle am frühen Morgen des 5. Oktober 2014 haben die Polizeibeamten der Betroffenen erklärt, dass sie bis zur richterlichen Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis keine fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeuge führen dürfe, obwohl ihr Führerschein nicht sichergestellt oder beschlagnahmt worden war. Nach mehr als zwei Wochen soll die Betroffene mitgeteilt bekommen haben, dass „die Beschlagnahme“ des Führerscheins aufgehoben worden sei.
Dieser Sachverhalt wird in den Urteilsgründen nicht erwähnt. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass er bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht berücksichtigt worden ist. Dies wäre rechtsfehlerhaft.
Eine Anrechnung des von den Polizeibeamten ausgesprochenen „Fahrverbots“ findet hier in der Vollstreckung nicht statt. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 6 StVG liegen nicht vor. Der Betroffenen ist die Fahrerlaubnis nicht gem. § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Ihr Führerschein war auch nicht gem. § 94 StPO verwahrt, sichergestellt oder beschlagnahmt. Dies erfordert die Wegnahme der Fahrerlaubnis, die hier nicht erfolgt ist; die polizeiliche Anordnung der Beschlagnahme genügt nicht. Ein von einem Polizeibeamten in seiner Eigenschaft als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft ausgesprochenes mündliches Fahrverbot ohne Wegnahme des Führerscheins sieht die Strafprozessordnung nicht vor. § 94 Abs. 1 StPO findet auf Führerscheine keine Anwendung, soweit die Vorschrift die Sicherstellung in anderer Weise als durch Verbringung in amtlichen Gewahrsam zulässt (Hauck, Löwe-Rosenberg, StPO, § 111a, Rn. 65).
Aufgrund dieser Rechtslage war das mündlich ausgesprochene polizeiliche Fahrverbot bei der Rechtsfolgenentscheidung – aus den Urteilsgründen erkennbar – zu berücksichtigen. Die Maßnahme war zwar nicht geeignet bei Zuwiderhandlung eine Strafbarkeit wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG zu begründen (OLG Stuttgart VRS 97, 303, 304); es liegt aber nahe, dass sich die Betroffene an das ausgesprochene Fahrverbot gehalten hat. Dafür spricht insbesondere auch, dass der Verteidiger in seinem an die Staatsanwaltschaft Landau gerichteten Schreiben vom 10. Oktober 2014 darauf hingewiesen, dass unklar sei, ob eine Führerscheinbeschlagnahme vorliege und um kurzfristige Klärung gebeten hat. Danach ist nachvollziehbar, dass die Betroffene – wie in der Rechtsbeschwerdebegründung behauptet – mehr als zwei Wochen von einem wirksamen Fahrverbot ausging. Laut dem Vermerk von POK G… vom 12. Januar 2015 soll die Betroffene sogar erst am 11. Januar 2015 über das Ergebnis der Blutprobe in Kenntnis gesetzt worden sein.
Das Urteil kann auch auf der mangelnden Berücksichtigung dieses Sachverhaltes beruhen. Zwar darf das Amtsgericht die Mindestdauer von einem Monat bei Anordnung eines Fahrverbots nicht unterschreiten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Dezember 2010, 3 RBs 210/10, zit. nach juris); trotz der Regel des § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG kann das Amtsgericht aber insbesondere dann, wenn die Betroffene einen Monat oder sogar noch länger von einem wirksamen Fahrverbot ausgegangen sein sollte, von der Anordnung eines Fahrverbots absehen.
Die danach erforderliche Urteilsaufhebung war auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch zu erstrecken. Sollte das Amtsgericht erneut zur Anordnung eines Fahrverbotes kommen, könnte auch ein Nachteilsausgleich durch eine weitere Verminderung der Geldbuße in Betracht kommen.
Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Es sind ergänzende Feststellungen insbesondere dazu zu treffen, ob und wie lange die Betroffene von dem Bestehen eines wirksamen Fahrverbots ausgegangen ist.