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Mündliche Verhandlung – Anordnung des persönlichen Erscheinens

Oberlandesgericht Naumburg

Az: 2 W 91/10

Beschluss vom 01.02.2011


In dem Rechtsstreit hier: wegen Beschwerde gegen Ordnungsmittelbeschluss gegen die Klägerin hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 1. Februar 2011 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 30. September 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

A. Das Rechtsmittel der Klägerin richtet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Nichtbefolgung einer Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin der mündlichen Verhandlung am 30. September 2010. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligten des Ordnungsmittelverfahrens hatten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme im Beschwerdeverfahren.

B. I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 141 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 380 Abs. 3, 567 Abs. 1 ZPO zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung lässt Fehler in der Ausübung des dem Gericht eingeräumten Ermessens nicht erkennen.

1. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses gegen die Klägerin als Partei des Rechtsstreits nach §§ 141 Abs. 3 i.V.m. § 380 ZPO lagen vor.

a) Für die Klägerin war im Termin der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2010 keiner ihrer gesetzlichen Vertreter erschienen, obwohl mit richterlicher Ladungsverfügung vom 23. August 2010 ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden war. Die Ladung einschließlich dieser Anordnung war der Klägerin zugegangen.

b) Durch das Nichterscheinen eines gesetzlichen Vertreters der Klägerin war die Durchführung des Termins beeinträchtigt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens diente, wie der Ladungsverfügung eindeutig zu entnehmen war, u.a. dem Ziel konsensualer Streitbeilegung nach Erörterung der spezifischen rechtlichen und tatsächlichen Aspekte des Streitfalles. Dieses Ziel wurde verfehlt.

c) Dem steht hier nicht entgegen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt hat, ihr sei eine Vollmacht zum Vergleichsabschluss erteilt worden.

aa) Zwar verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass die Anordnung eines Ordnungsgeldes gegen eine Partei nach § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn die nicht erschienene Partei einen Vertreter entsendet, der in der Lage ist, die nach dem Inhalt der Ladung und der Anordnung des persönlichen Erscheinens erkennbaren Zwecke zu erfüllen. Im vorliegenden Falle kam es danach insbesondere darauf an, dass der jeweilige Vertreter zu Vergleichsverhandlungen unter Berücksichtigung des Inhalts und des Verlaufs der Erörterungen im Termin zu führen ermächtigt war.

bb) Ein zum Vergleichsabschluss ermächtigter Vertreter einer Prozesspartei erfüllt die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nur dann, wenn er im funktionalen Sinne der durchzuführenden mündlichen Verhandlung wirklich ein gleichwertiger Gesprächs- und Ansprechpartner im Hinblick auf die vertretene Prozesspartei ist. Mit anderen Worten: Das Nichterscheinen der Partei muss durch den Vertreter vollständig kompensiert werden. Die Risiken, die damit verbunden sind, dass die Prozesspartei die Zwecke der sie betreffenden Anordnung des persönlichen Erscheinens fehlinterpretiert und den Vertreter unzureichend instruiert und bevollmächtigt bzw. dass der Vertreter im Termin trotz möglicherweise ausreichender Vorbereitung und Ausstattung seiner Funktion dennoch nicht gerecht wird, hat die vertretene Partei zu tragen. Für die Anordnung eines Ordnungsgeldes genügt auch ein fahrlässiger Verstoß gegen die Erscheinenspflicht.

cc) Nach diesen Maßstäben erfüllte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht. Das Landgericht hat sich dabei zu Recht allein auf diejenigen Angaben bezogen, welche die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum Umfang ihrer Kompetenzen im Termin der mündlichen Verhandlung gemacht hat und die in der Sitzungsniederschrift protokolliert sind. Sie war danach nicht ermächtigt, über die Höhe der offenen Restforderung zu verhandeln. Sie war lediglich bevollmächtigt worden, dem Beklagten eine Ratenzahlung anzubieten, wobei diese mindestens 500,00 € monatlich betragen sollte. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte keinerlei Handlungsvollmacht, auf die Erörterung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Beklagten, die sich im Übrigen bereits zuvor aus der Prozessakte ergeben hatte, in irgendeiner Weise zu reagieren. Zudem war ihre Ermächtigung zum Abschluss eines Vergleiches darauf beschränkt, allenfalls einem widerruflichen Vergleich zuzustimmen. Eine solche Ermächtigung war nicht geeignet, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung eine für die Zwecke des Termins ausreichende Entscheidungsfreiheit einzuräumen (vgl. zu ähnlichen Konstellationen OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27. September 2004, 15 W 3/4, in juris Tz. 13; Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 4. Juli 2003, 9 WF 64/03, zitiert nach juris; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 2. September 2009, L 11 KA 8708, zitiert nach juris, Tz. 10).

2. Der Einzelrichter hat ausweislich der Gründe des Ordnungsgeldbeschlusses als auch ausweislich der Begründung seiner Nichtabhilfeentscheidung sowohl hinsichtlich der Frage, ob er überhaupt einen Ordnungsgeldbeschluss erlässt, als auch hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes sein Ermessen ausgeübt. Er hat in eine Abwägung keine sachwidrigen Umstände einbezogen. Insbesondere hat er – natürlich – nicht zu Ungunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie letztlich keinen Vergleich schließen wollte. Die Vorschrift des § 141 Abs. 3 ZPO dient nicht dazu, die Entscheidungsfreiheit einer Prozesspartei im Hinblick auf eine nicht streitige Beendigung des Rechtsstreits zu beeinträchtigen. Das Ordnungsgeld wurde verhängt, weil der anberaumte Termin inhaltlich entwertet worden ist. Statt einer Erörterung der Möglichkeiten zur Schaffung von Rechtsfrieden unter Vermeidung künftiger weiterer Inanspruchnahme der Justiz konnte nach der „Offenbarung“ der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nur noch ein Vollstreckungstitel geschaffen werden, der die u.U. vorhandenen Probleme weiter in die Zukunft verlagert. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Einzelrichter bei der Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Klägerin und dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden, der Verfahrensbeschleunigung und der nachhaltigen Schaffung von Rechtsfrieden verpflichteten Rechtspflege dem letztgenannten Aspekt mehr Gewicht beigemessen hat. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, der letztlich von ihr missachteten gerichtlichen Anordnung im Rahmen der gesetzlich zulässigen Handlungsoptionen Folge zu leisten.

III. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Einer Festsetzung des Kostenwertes bedurfte es nicht, weil die Gerichtsgebühr nach Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, KV Nr. 1812 eine Pauschalgebühr ist.

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