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Kündigung trotz Mutterschutzes nach § 9 Abs. 3 MuSchG

Hessisches Landesarbeitsgericht

Aktenzeichen: 3 Sa 2169/99

Verkündet am 26.10.2000

Vorinstanz: ArbG Offenbach am Main – Az.: 4 Ca 286/98


Im Namen des Volkes!

Urteil

Das Hessische Landesarbeitsgericht Kammer 3 in Frankfurt am Main hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2000 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 11. November 1999 – AZ.: 4 Ca 286/98 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.1998 ausgesprochenen Kündigung, die der Klägerin am 07.11.1998 zugegangen ist. Das Kündigungsschreiben hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

… Hiermit kündigen wir Ihnen … mit sofortiger Wirkung zum 05. November 1998 …

Wie Sie aus dem mittlerweile auch Ihnen zugegangenen Bescheid … ersehen können, wurde die von uns beantragte Kündigung zum Zeitpunkt der Einstellung der Zeitschrift … erteilt. Die neueste Ausgabe erschien bereits nachweislich in einem anderen Verlag, so dass Ihre bisher inne gehabte Position … nicht mehr gegeben ist. Die Kündigung besteht somit zu Recht

Dazu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.12.1998 vorgetragen:

„… Mit Schreiben des Prozessvertreters vom 02.12.1998 wurde der Klägerin gegenüber klargestellt, dass die Kündigung als eine solche zum 31.12.1998 zu deuten sei …“

Der Kündigung vom 06.11.1998 liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die verheiratete Klägerin arbeitete aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 25.08.1997 (siehe BI. 7, 8, 117 119 d.A.) bei der Beklagten als Redakteurin. Der Arbeitsvertrag vom 25.08.1997 enthält u.a. folgende Regelungen:

„1. Die Einstellung erfolgt als Redakteurin für die Zeitschrift Made in Germany und als persönliche Mitarbeiterin des Herausgebers.

2. Es ist vorgesehen, dass Frau zum bald möglichsten Termin die Position einer Chefredakteurin über

nimmt, vorausgesetzt, dass sie alle Aufgaben der jetzigen Chefredakteurin übernehmen kann.

3. Zu den Aufgaben gehören, u.a.: Das Verfassen und Redigieren von Beiträgen in englischer Sprache, Computereingabe und Umbruch, Drucküberwachung, Besuch und Teilnahme an Pressekonferenzen (in Absprache mit dem Herausgeber), usw . …“

Am 08.11.1998 wurde die Klägerin von einem Kind entbunden. Die Beklagte stellte am 04.09.1998 den Antrag, die Entlassung der Klägerin gem. § 9 Abs. 3 MuSchG zuzulassen. Dies geschah durch den Bescheid des Regierungspräsidenten vom 02.11.1998 (siehe Bl. 11, 12, 113, 116 d.A.). In der Begründung des Bescheides heißt es:

„… Durch die beabsichtigte Einstellung der Herausgabe der Zeitschrift wird der seitherige Arbeitsplatz von Frau

wegfallen. Eine Umsetzungsmöglichkeit ist nicht vorhanden. Unter diesen Voraussetzungen ist eine wesens- und sinngerechte Fortsetzung der Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien dann nicht länger möglich. Einer Kündigung muss daher im Falle der tatsächlichen Einstellung der Herausgabe der Zeitschrift zugestimmt Werden . …“

Der Klägerin teilte der Regierungspräsident im Bescheid vom 02.11.1998 u.a. mit:

„… Wie Sie dem Bescheid entnehmen können, musste ich eins Kündigung Ihnen gegenüber für zulässig erklären, damit habe ich die Kündigungssperre des Gesetzes aufgehoben. Die Zulässigkeitserklärung bezieht sich jedoch ausdrücklich darauf dass die Herausgabe der Zeitschrift auch tatsächlich eingestellt wurde.“

Mit dem an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gerichteten Schreiben vom 05.01.1999 (siehe BI. 29 d.A.) hat die Beklagte weiter den Briefkopf Made in Germany verwendet und als „Business Address“ ihre Firma und ihre Anschrift angegeben.. Dies geschah gleichlautend mit Schreiben der Beklagten an die (siehe BI. 55 d.A.). Dieses Schreiben enthält die Sätze:

„… Wir sind immer an Beiträgen aus der Praxis interessiert. Bevor wir aber darüber eine Entscheidung treffen können, müssten wir den von Ihnen angebotenen Beitrag erst einmal prüfen. Dabei kommt es uns auf den Inhalt an, redaktionell würden wir ihn ohnehin überarbeiten, damit er sich von unserem Konzept nicht allzu sehr abhebt . …“

Im ersten Rechtszug hat sich die Beklagte dazu wie folgt eingelassen:

Schriftsatz vom 31.05.1999:

„… Zum Beispiel ist das von dieser mit dem letzten Schriftsatz überreichte Schreiben an eine Firma der Beklagten ebenso unbekannt wie diese Firma selbst . …“

Schriftsatz vom 24.10.1999:

„… Erstaunlich ist weiterhin das Festhalten der Klägerin an dem Inhalt des Schreibens an eine Firma y. Eine solche ist der Beklagten nicht bekannt, insbesondere ist ein an diese gerichtetes Schreiben nicht vom Geschäftsführer der Beklagten unter zeichnet worden . …“

Im zweiten Rechtszug trägt sie dazu vor:

Schriftsatz vom 17.10.2000:

„.. Was das sogenannte Angebotsschreiben der Beklagten vom 15.01.1999 … angeht, so handelt es sich hierbei um ein Schreiben, das in seinem Inhalt nicht über das hinausgeht, was als Ansprechpartner des neuen Herausgebers und gleichzeitigen Sammlers von Beiträgen,für die Zeitschrift geboten ist . …“

In einem Informationsdruck der Beklagten für das Jahr 1999, das die Überschrift Made in Germany trägt (siehe BI. 57 d.A.), ist unter „Redaktion und Werbung“ der Text enthalten:

„… Für Produkt-, Projekt- und Firmenbeschreibungen schicken Sie uns entsprechendes Pressematerial … mit Farbfotos. Die Redaktion ist darauf bedacht, auch für Ihr Unternehmen auf dem internationalen Markt positive Akzente zu setzen . …

… Wir liefern Ihnen die redaktionellen Beschreibungen der Produkt- und Leistungsankündigungen Ihres Unternehmens und Sie gewähren uns gelegentliche Werbeinsertionen . …

… Für weitere Auskünfte stehen wir jederzeit zur Verfügung. Die Media Informationen und ein Ansichtsexemplar schicken wir Ihnen gerne zu.

Für die Redaktion: YX Für die Werbung:. XX

Ein weiteres Werbeschreiben für Made in Germany (siehe BI. 58 d.A.) ist für die „Redaktion“ von der Zeugin XY und für den „Anzeigenvertrieb“ vom Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten unterzeichnet worden.

Hinsichtlich der Zeugin XX hat die Beklagte im ersten Rechtszug vorgetragen (Schriftsatz vom 24.10.1999, siehe Bl. 73 d.A.):

“ Aus den Darlegungen wird zugleich deutlich, dass die Einschränkung des Tätigkeitsfeldes der Beklagten kein weiteres Personal als den derzeit tätigen Firmeninhaber und eine vom Lizenzunternehmen beschäftigte Teilzeitkraft mit drei halben Tagen pro Woche erfordert . …“

In ihrer Berufungsbegründung vom 15.02.2000 legt sie dazu dar:

„… Frau die seit Herbst 1998 wieder für die Beklagte arbeitet, übt insoweit nicht die Funktion einer Redakteurin aus. Frau ist an drei Tagen in der Woche für einen halben Tag für die Beklagte tätig. Sie verdient im Monat DM 1.500,00 brutto und plant gegen Ende des Jahres, sobald ein neuer Eigentümer für die Zeitschrift in Deutschland gefunden worden ist, wieder in den Ruhestand zurückzukehren . …“

Das Impressum der sechs mal jährlich erscheinenden Zeitschrift

“ … . . machte in den nachfolgend bezeichneten

Ausgaben u.a. folgende Angaben:

5/97:

Publisher: XX

Editor in Chief: YY : (Mädchenname der Klägerin)

Outgoing Editor in Chief: ZZ;

2/98:

Publisher: XX

Editor in Chief: YY

International Relations: ZZ

3/98:

Publisher: XX

International Relations: YY

4/98:

Advertising and Publisher’s Liaison: XX

Editor in Chief: YY

1 /99:

Advertising and Publishers’s Liaison: XX

Editor in Chief: YY

Wegen der sonstigen inhaltlichen Einzelheiten der vorgenannten Ausgaben der Zeitschrift wird auf Bl. 43, 44, 122, 124, 126, 154 und 157 d.A. verwiesen.

Im Schriftsatz der Beklagten vom 24.10.1999 ist der Vortrag enthalten:

„… Das Entgegenkommen dem Lizenzgeber gegenüber, bis zur Übernahme durch einen neuen Lizenznehmer oder einen … Käufer zumindest die Kontakte zur deutschen Industrie aufrecht zu erhalten und damit das Fortbestehen der Zeitschrift überhaupt erst zu ermöglichen, ist somit keineswegs einer Fortsetzung des Geschäftsbetriebes … gleichzusetzen. Derzeit und bis auf weiteres werden daher Pressemitteilungen und Redaktionsmaterial an die Adresse der Beklagten geleitet, von ihr gesichtet und selektiv an die Redaktion des Lizenzinhabers zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Diese Tätigkeit schließt eine redaktionelle Einflussnahme auf den Inhalt der Zeitschrift aus. Unabhängig davon wird der mittelbare Einfluss der Beklagten aufgrund ihrer Kontakte und ihrer Präsenz vom Lizenzinhaber schon im Interesse der Kontinuität geschätzt und gewürdigt ….“

Der Lizenzgeber hat dem Arbeitsgericht mit Schreiben vom 05.11.1999 (siehe Bl. 88, 120 d.A.) in deutscher Übersetzung u.a. mitgeteilt:

„… Zugunsten eines fehlerlosen Wechsels haben wir allerdings Herrn XX gebeten, seine Tätigkeit vorübergehend als freier Berater in Angelegenheiten der Herausgabe in einer Verbindungsposition zur deutschen Industrie fortzusetzen und in unserem Interesse als ein Werbeagent zu handeln bis wir uns mit einem deutschen Verlag hinsichtlich der Übernahme des Made in Germany Magazins geschäftlich geeinigt haben ….“

Von Geschäftsfreunden bzw. Werbekunden erhielt der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten die aus Bl. 127 – 129 d.A. ersichtlichen Schreiben, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Mit ihrer seit dem 25.11.1998 anhängigen, am 03.12.1998 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die im Bescheid des Regierungspräsidenten vom 02.11.1998 enthaltene Voraussetzung für die Zulassung ihrer Entlassung sei nicht erfüllt worden. Die Kündigung verstoße daher gegen § 9 Abs. 1 MuSchG und sei unwirksam. Hinsichtlich der Einzelheiten der Klagebegründung wird ergänzend auf die Schriftsätze der Klägerin vom 25.11.1998 (siehe Bl. 4 – 6 d.A.), 20.01.1999 (siehe Bl. 31 – 34 d.A.), 26.04.1999 (siehe Bl. 50 – 54 d.A.) und 27.07.1999 (siehe Bl. 67 – 70 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 06. November 1998 zum 05. November 1998, zugegangen am 07. November 1998, nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 05. November 1998 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet: Es stehe fest, dass die Zeitschrift Made in Germany nicht mehr von der Beklagten herausgegeben werde (siehe Bl. 21 d.A.). Sie habe die Lizenz an den Lizenzgeber zurückübertragen (siehe Bl. 41 d.A.). Dies bedeute nicht, dass die Beklagte auch ihren sonstigen Geschäftsbetrieb aufgegeben habe. Bei dessen Fortsetzung werde der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten von seiner Ehefrau und von der Zeugin. als Aushilfskraft unterstützt (siehe Bl. 21 d.A.). Die Rückgabe der Lizenz habe zur Folge gehabt, dass die Ausgaben Nr. 5 und 6 des Jahrgangs 1998 nicht mehr erschienen seien (siehe Bl. 42 d.A.). Die Tätigkeit der Beklagten beschränke sich auf das Anzeigengeschäft und darauf, als Anlaufadresse für den Herausgeber in Deutschland zu fungieren (siehe Bl. 65 dA.). Daraus folge, dass die von der Klägerin bei der Beklagten ausgeübten Tätigkeiten nicht mehr vorhanden seien (siehe Bl. 72 d.A.). Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Inhalts der Klageerwiderung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 15.12.1998 (siehe Bl. 20 – 21 d.A.), 11.01.1999 (siehe Bl. 26 d.A.), 15.03.1999 (siehe Bl. 41 – 42 d.A.), 31.05.1999 (siehe Bl. 65, 66 d.A.) und 24.10.1999 (siehe Bl. 71 – 74 d.A.) verwiesen.

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Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 01.11.1999 stattgegeben. Gegen dieses der Beklagten am 15.11.1999 zugestellte und inhaltlich hiermit in Bezug genommene Urteil (siehe Bl. 80 – 85 d.A.) wendet sich die Beklagte mit dem am 15.12.1999 eingelegten, innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist am 17.02.2000 begründeten Rechtsmittel der Berufung. Die Beklagte bleibt dabei, dass die Herausgabe der Zeitschrift eingestellt worden sei (siehe Bl. 99 d.A.). Die Klägerin habe die Herausgebertätigkeit der Beklagten in Gestalt der auf BI. 101 d.A. beschriebenen Aufgaben umgesetzt.

Mit ihrer Entlassung sei diese Tätigkeit weggefallen. Sie sei durch andere nicht fortgesetzt worden (siehe BI. 100, 102 d.A.). Die Tätigkeit der Zeugin umfasse die aus Bl. 102 d.A. ersichtlichen Aufgaben. Das Sammeln von Pressemitteilungen und Redaktionsmaterial, die von Unternehmen an die Adresse der Beklagten gesandt worden sind, von dieser gesichtet werden und an die Redaktion in Kanada zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet werden, stelle keine redaktionelle Tätigkeit mehr dar. Es fehle Frau XX der für die redaktionelle Tätigkeit charakteristische Gestaltungsspielraum bezüglich des konkreten Inhalts der Zeitschrift. Sie präge mit ihrer Tätigkeit nicht mehr das Bild der Zeitschrift Made in Germany.

Es handele sich um eine zuarbeitende, also um eine bloße Hilfstätigkeit, die im Auftrag der XX Ltd. ausgeübt werde. Der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten sei in seiner Tätigkeit für die Beklagte auf das Gebiet der Anzeigenvermittlung beschränkt (siehe BI. 104 d.A.). Aus dem Impressum der Hefte 3/98 und 4/98 könne entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts kein anderes Bild abgeleitet werden (siehe BI. 105 d.A.). Dies gelte auch für Januar 1999. Nach dem Bescheid des Regierungspräsidenten vom 02.11.1998 werde die Einstellung der Herausgabe der Zeitschrift bis zum 31.12.1998 unterstellt. Die Hefte 5/98 und 6/98 seien -unstreitig – nicht erschienen. Das Schreiben des Lizenzgebers vom 05.11.1999 stehe dem Bescheid vom 02.11.1998 nicht entgegen. Denn es berechtige die Beklagte zur Herausgabe nur bis zum 31.12.1998 (siehe BI. 106 d.A.). Die Bezeichnung der Zeugin XY als „Editor in Chief“ in den Heften 4/98 und 1/99 sei unerheblich. Dabei habe es sich nur um eine Titulatur gehandelt, die allein den Zweck gehabt habe, die Zeugin Walshe als kompetenten Ansprechpartner zu präsentieren. Die Diskrepanz zwischen Titel und Aufgabenstellung sei offensichtlich (siehe BI. 107 d.A.). Die Lizenz sei irr August 1998 zurückgegeben worden (siehe BI. 108 d.A.). Hinsichtlich sonstiger Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beklagten vom 15.02.2000 (siehe Bl. 98 – 112 d.A.) und vom 17.10.2000 (siehe Bl. 144 – 153 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit der im Einzelnen aus Bl. 136 – 140 d.A. ersichtlichen Begründung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Kündigung der Beklagten vom 06.11.1998 mit § 9 Abs. 1 MuSchG nicht vereinbar und deshalb unwirksam ist. Die durch den Bescheid des Regierungspräsidenten vom 02.11.1998 auf der Grundlage des § 9 Abs. 3 MuSchG gegebene Zustimmung zur Entlassung der Klägerin ist rechtlich unbeachtlich, da die Voraussetzungen, an die die Zulassung der Kündigung geknüpft waren, durch die Beklagte nicht erfüllt worden sind. Auch insoweit folgt das Berufungsgericht dem Arbeitsgericht. Aus seiner Sicht ist ergänzend anzumerken:

Nach § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG muss die behördlich zugelassene Kündigung der schwangeren Arbeitnehmerin schriftlich erfolgen und den zulässigen Kündigungsgrund angeben. Nach dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 06.11.1998 sollte der zugelassene Kündigungsgrund die „Einstellung der Zeitschrift“ sein. Demgegenüber bezeichnet der Bescheid des Regierungspräsidenten vom 02.11.1998 die „tatsächliche Einstellung der Herausgabe der Zeitschrift“ als Kündigungsgrund. Eine Einstellung der Zeitschrift im Sinne ihres Verschwindens vom Zeitschriftenmarkt ist niemals erfolgt, wie die Beklagte noch in der Berufungsbegründung betont (siehe BI. 100 d.A.). Selbst wenn also angenommen würde, dass die tatsächliche Einstellung der Herausgabe der Zeitschrift durch die Beklagte auch deren gänzliche Einstellung umfasst, hätte sich das Kündigungsschreiben auf einen gar nicht vorhandenen Kündigungsgrund berufen. Die Kündigung vom 06.11.1998 war aber auch deshalb rechtlich nicht wirksam, weil sie auf den 05.11.1998 zurückwirken sollte. Überdies lag zur Zeit des Zugangs der Kündigung offensichtlich kein Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. Denn selbst der vom Bescheid. vom 02.11.1998 allein zugelassene Kündigungsgrund war nach der Beurteilung der Beklagten (siehe Bl. 106 d.A.) frühestens ab 01.01.1999 gegeben. Nach Nr. 4 des Arbeitsvertrages der Parteien kam daher allenfalls eine ordentliche Kündigung zum 31.12.1998 in Betracht, was die Beklagte immerhin nachträglich noch erkannt hat (siehe Bl. 20, 21 d.A.).

Aber auch dann, wenn die fehlerhafte Bezeichnung des zugelassenen Kündigungsgrundes und das objektive Nichtvorhandensein des im Kündigungsschreiben angegebenen Kündigungsgrundes rechtlich für unschädlich gehalten werden, scheitert die Kündigung vom 06.11.1998 jedenfalls deshalb, weil der durch den Bescheid vom 02.11.1998 allein zugelassene Kündigungsgrund zur Zeit des Zugangs der Kündigung vom 06.11.1998 und auch am 31.12.1998 nicht vorlag. Die Behörde ist im Bescheid vom 02.11.1998, ersichtlich davon ausgegangen, dass es für die Klägerin mit Ablauf des Jahres 1998 überhaupt keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr – auch keine Umsetzungsmöglichkeit – geben werde, weil die Beklagte die Herausgabe der Zeitschrift tatsächlich einstellt. Es dürfen daher für die Klägerin spätestens ab 01.01.1999 keinerlei Arbeitsmöglichkeiten mehr verblieben sein (vgl. BVerwG AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG 1968).

An dieser Voraussetzung fehlt es nach dem unstreitigen und dem von der Beklagten selbst vorgetragenen Sachverhalt.

Da es auf die tatsächliche und völlige Einstellung der Herausgabe der Zeitschrift durch die Beklagte ankommt, ist es rechtlich unerheblich, ob die Beklagte ihre Lizenz im Monat August 1998 zurückgegeben hat und seit der Ausgabe 4/98 formell nicht mehr als der Herausgeber, sondern als die Verbindungsstelle des Herausgebers in Erscheinung getreten ist. Entscheidend kommt es allein darauf an, ob spätestens ab 01.01.1999 tatsächlich sämtliche Arbeiten entfallen waren; die mit der Herausgabe der Zeitschrift im Betrieb der Beklagten verbunden waren. Das ist jedoch nicht der Fall:

Die Beklagte hat in ihrem Schriftverkehr weiterhin den Namen der Zeitschrift im Briefkopf verwendet und ihre Anschrift als die Adresse der Zeitschrift angegeben (siehe Bl. 29 d.A.). Dabei hat es sich nicht lediglich um eine zu vernachlässigende Äußerlichkeit gehandelt. Denn schon im Schreiben vom 15.01.1999 (siehe BI. 55 d.A.), dessen Urheberschaft die Beklagte nicht mehr bestreitet (siehe Bl. 146 d.A.), ist die Rede davon, dass die Beklagte („wir“) ihr angebotene Firmenbeiträge „prüfen und „redaktionell … überarbeiten“ müsse. Dem entspricht der Inhalt des Informationsdruckes Bl. 57 d.A. unter der Überschrift „Redaktion und Werbung“, dem jeder Leser entneh men musste, dass es im Betrieb der Beklagten eine durch die Zeugin repräsentierte Redakteurin gibt, die darauf bedacht ist, im Hinblick auf die veröffentlichten Beiträge auf dem internationalen Markt positive Akzente zu setzen und zu diesem Zweck „redaktionelle Beschreibungen der Produkt- und Leistungsankündigungen“ liefert. Folgerichtig ist das weitere Werbeschreiben Bl. 58 d.A. für die „Redaktion“ von der Zeugin XX, unterzeichnet worden. Letztere war auch keine „vom Lizenzunternehmen beschäftigte Teilzeitkraft“, wie die Beklagte erstinstanzlich behauptet hat (siehe Bl. 73 d.A.), sondern jedenfalls seit der Ausgabe 3/98, d.h. längst vor dem 31.12.1998, zuständig für internationale Beziehungen (siehe Bl. 122 d.A.) und seit der Ausgabe 4/98 als „Chefherausgeberin“ tätig (siehe BI. 124 d.A.) und damit voll an die Stelle der Klägerin getreten, die in dieser Funktion zuletzt in der Ausgabe 2/98 (siehe Bl. 157 d.A.) genannt worden war. Dass es sich im Falle der Klägerin um eine durch redaktionelle Aufgaben getragene zutreffende Funktionsbezeichnung gehandelt haben soll, wie die Beklagte entgegen ihrer erstinstanzlichen Einschätzung (siehe BI. 20 d.A.) in ihrer Berufungsbegründung vorträgt (siehe Bl. 100, 101 d.A.), im Hinblick auf die Zeugin XY aber nur um „eine reine Titulatur“, ist mit dem sonstigen Vortrag der Beklagten und den unstreitigen Tatsachen nicht zu vereinbaren. Denn die Zeugin sollte – obwohl angeblich reine Titelträgerin – andererseits „als kompetenter Ansprechpartner auftreten“ (siehe BI. 107 d.A.). Sie hatte zudem tatsächlich die aus den vorbezeichneten Werbeschreiben ersichtlichen redaktionellen Aufgaben. Von ihr als Arbeitnehmerin der Beklagten (siehe Bl. 21, 102, 103 d.A.) wurden „Pressemitteilungen und Redaktionsmaterial“ … „gesichtet und selektiv an die Redaktion des Lizenzgebers zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet“ (siehe Bl. 72 d.A.). Ihr oblag also nicht nur eine „Sichtung“ (siehe BI. 103 d.A.), sondern in Gestalt der „Selektion“ eine beurteilende, bewertende und auswertende Tätigkeit, wie sie für eine Redakteurin typisch ist. Aus alle dem kann in Verbindung mit der Tätigkeitsdarstellung der Zeugin XY; (siehe BI. 102 d.A.) lediglich geschlossen werden, dass jedenfalls ein Restbestand von redaktionellen Arbeiten über den 31.12.1998 hinaus weiter existiert hat und im Betrieb der Beklagten erledigt worden ist. Dies wird durch den Schriftsatz der Beklagten vom 24.10.1999 zusätzlich dadurch bestätigt, dass sich der Geschäftsführer ihrer Komplementärin seines fortdauernden „mittelbaren Einflusses“ berühmt. Hierauf hat er sich ausweislich der Schreiben vom 29.03.1999 (siehe BI. 127 d.A.) und vom 06.10.1999 (siehe Bl. 129 d.A.) offenbar auch Werbekunden gegenüber als „Berater“ berufen, dessen „Ratschläge“ man seitens des Herausgebers folgt. Nichts anderes kann schließlich sogar dem Schreiben des Herausgebers vom 05.11.1999 entnommen werden. Dort wird der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten „als freier Berater in Angelegenheiten der Herausgabe“ dargestellt.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund muss festgestellt werden, dass die Beklagte sowohl nach dem 07.12.1998 als auch nach dem 31.12.1998 in ihrem Betrieb Tätigkeiten ausgeführt hat, die der Herausgabe und Redaktion der Zeitschrift gewidmet waren. Mit diesen Arbeiten, die immerhin Anlass gaben, eine mit einem Monatsgehalt von DM 1.500,00 eingesetzte Teilzeitkraft in Person der Zeugin zu beschäftigen, hätte die Beklagte die Klägerin einsetzen können. Eine Beendigungskündigung aus dem behördlich ausschließlich zugelassenen Kündigungsgrund des ersatzlosen Wegfalls jeder Herausgebertätigkeit war ihr somit versagt. Es wäre allenfalls eine Änderungskündigung in Betracht gekommen, wobei hier offen bleiben kann, ob eine solche Kündigung aufgrund des § 9 Abs. 3 MuSchG hätte zugelassen werden dürfen.

Da das Rechtsmittel der Beklagten ohne Erfolg geblieben ist, hat die Beklagte die Kosten der Berufung zu tragen (siehe § 97 Abs. 1 ZPO).

Für die Zulassung des Rechtsmittels der Revision bestand keine gesetzlich begründbare Veranlassung.

 

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