Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 12 U 110/19 -Urteil vom 22.10.2019
Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das am 12. Juni 2019 verkündete Einzelrichterurteil des Landgerichts Stendal teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst wie folgt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten 50 % der Kosten der Trockenlegung der Giebelwand zwischen den Gebäuden B. Straße 40 und B. Straße 41 in A. im nicht unterkellerten Bereich zu tragen haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der im selbständigen Beweisverfahren des Amtsgerichts Stendal zum Geschäftszeichen 3 H 8/17 entstandenen Kosten.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wird auf die Darstellung des Sachverhalts verzichtet.
II.
Die Berufung hat nur mit dem Hilfsantrag Erfolg.
1. Zutreffend hat die Kammer einen Anspruch auf Zahlung eines hälftigen Kostenvorschusses für die Instandsetzung der die Gebäude der Parteien trennenden Giebelwand verneint.
Zwar regelt die Vorschrift des § 13 Abs. 3 NbG LSA, dass die Nachbarn verpflichtet sind, die Unterhaltungskosten der Grenzwand zu gleichen Teilen zu tragen, wenn der eine Nachbar ohne eigene Grenzwand an die Grenzwand des Nachbarn anbaut. Diese Vorschrift begründet allerdings keinen Kostenvorschussanspruch hinsichtlich der anstehenden Unterhaltungskosten einer Grenzwand gegen den Nachbarn, der an die fremde Grenzwand angebaut hat. Ein solcher Vorschussanspruch wird in der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten. Auch der Senat kann aus § 13 NbG LSA einen solchen Vorschussanspruch nicht ableiten, denn dieser hätte ausdrücklich geregelt werden müssen. Der Landesgesetzgeber hat dies bei § 13 Abs. 3 NbG offenbar nicht gewollt, wie bei der speziellen, hier nicht einschlägigen Konstellation des § 12 Abs. 3 NbG LSA abzulesen ist. Dort sieht das Gesetz ausdrücklich einen Kostenvorschuss vor.
Ein Kostenvorschussanspruch kann auch nicht aus allgemeinen Billigkeitserwägungen abgeleitet werden. Anders als die Klägerin meint, ist es nicht billig, die hälftige Kostentragungspflicht des § 13 Abs. 3 NbG LSA in einen Kostenvorschussanspruch münden zu lassen.
Der Verweis auf eine vergleichbare Regelung in § 922 Satz 2 BGB rechtfertigt auch keinen Vorschussanspruch. Anders als eine gemeinsame Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB führt ein Anbau an eine Grenzwand nicht zu einer Gemeinschaft im Sinne von §§ 741 ff. BGB, die weitergehende Rechte und Pflichten seiner Mitglieder begründet.
Ob ein allgemeiner Befreiungsanspruch nach § 257 BGB, wie von der Klägerin in den Raum gestellt, überhaupt in Betracht kommt, kann dahinstehen. Dieser ist nämlich nicht Gegenstand des Verfahrens. Ein Befreiungsanspruch unterscheidet sich rechtlich auch erheblich von einem Vorschussanspruch, er hätte etwa weitergehende Anforderungen zu erfüllen, so muss der Gläubiger der Schuld, von der befreit werden soll, konkret bezeichnet sein.
Da der geltend gemachte Kostenvorschussanspruch schon grundsätzlich nicht in Betracht kommt, muss nicht geklärt werden, ob die behaupteten Instandsetzungskosten durch das Gutachten des Sachverständigen Sch. bewiesen worden sind.
2. Aber hilfsweise ist festzustellen, dass die Beklagten gemäß § 13 Abs. 3 NbG LSA 50 % der Kosten der Trockenlegung der Giebelwand im nicht unterkellerten Bereich zu tragen haben.
Für diese Feststellung besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Die Beklagten sind zwar grundsätzlich bereit, sich an den Kosten zu beteiligen. Konkret haben sie sich allerdings einer Kostenbeteiligung unter Verweis darauf verweigert, dass für den Feuchtigkeitsschaden in der Giebelwand auch Ursachen verantwortlich sein könnten, die an anderer Stelle des Hauses der Klägerin ihren Ausgang genommen hätten.
Die begehrte Feststellung – von der Klägerin mit ihrem Antrag auf den nicht unterkellerten Bereich beschränkt – ist auch begründet, denn gemäß § 13 Abs. 3 NbG LSA tragen nach dem Anbau beide Nachbarn die Unterhaltungskosten der Grenzwand zu gleichen Teilen. Diese uneingeschränkte hälftige Teilung soll Streit vermeiden. Daher kommt es auch nicht darauf an, inwieweit die seinerzeitige Nässe auf außerhalb der Bausubstanz der Giebelwand liegende Umstände zurückzuführen ist, wie die Beklagten meinen. Wer an eine Grenzwand anbaut oder ein solcherart angebautes Haus erwirbt, trägt eben das Risiko, uneingeschränkt für Kosten einzustehen, die auf den Erhalt der Grenzwand zielen, und zwar grundsätzlich unabhängig von der Ursache des Schadens.
Dass die Giebelwand nass ist und daher trockengelegt werden muss, steht auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Sch. vom 19. Juli 2018 im beigezogenen selbständigen Beweisverfahren des Amtsgerichts Stendal – 3 H /17 – fest.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.