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Nachbarrecht – Nutzungsentschädigung für einen Überbau durch die Errichtung einer Veranda

LG Rostock, Az.: 3 O 319/10, Urteil vom 23.05.2014

1. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung, hilfsweise Überbaurente, wegen der Nutzung eines Grundstückes durch die Klägerin.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstückes, eingetragen im Grundbuch von R. Blatt …, Gemarkung in …, Flur., Flurstück …, mit einer Größe von 205 m2, belegen … in W. Das Grundstück ist bebaut mit einem Gebäude, in dem heute die Gaststätte „…“ betrieben wird. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude verfügt über einen straßenseitigen Vorbau (im Folgenden: der Vorbau), der Gegenstand des Streites ist.

Die Beklagte ist Eigentümerin des Straßengrundstückes … in W. gebucht im Grundbuch von R. Blatt …, Flurstück …, mit einer Größe von 29.707 m2. Sie macht geltend, der Vorbau stehe auf ihrem Grundstück.

Im Jahr 1920 wurden zwischen dem damaligen Eigentümer des Klägergrundstückes, der Ortsverwaltung W… und dem Rat der Stadt Rostock Verhandlungen über den Ankauf des vor dem Grundstück Nr. … belegenen sogenannten Verandaterrain mit einer Fläche von 23 m2 geführt. Ein etwaiger Grundstückskaufvertrag wurde jedenfalls grundbuchlich nicht vollzogen.

1987 erwarb die Klägerin ihr Grundstück. Danach erfolgte eine umfassende Rekonstruktion des Gebäudes. Der Vorbau wurde abgerissen und neu errichtet. Über Einzelheiten hierzu streiten die Parteien.

Mit Schreiben vom 11.12.2008 (Anlage K 4, Bd. I, Bl. 18 d.A = Anlage B 1, Bd. I, Bl. 47 d.A) bot die Beklagte der Klägerin an, die mit dem Vorbau bebaute Fläche von 21 m2 für 32.760,00 EUR zu verkaufen, alternativ für ca. 191,00 EUR monatlich zu vermieten, was die Klägerin ablehnte.

Mit Schreiben vom 29.01.2010 (Anlage K 5, Bd. I, Bl. 20 d.A = Anlage B 2, Bd. I, Bl. 49 d.A.) vertrat die Beklagte gegenüber der Klägerin unter Berufung auf eine Rechtsprechung des OLG Rostock die Auffassung, der Nutzung des Grundstückes der Beklagten mit dem Vorbau liege ein Leihverhältnis zu Grunde. Zugleich kündigte die Beklagte dieses Leihverhältnis mit sofortiger Wirkung, verbunden mit der Aufforderung, dass die Klägerin für die Nutzung für die nunmehr ca. 24 m2 große Teilfläche eine Nutzungsentschädigung von 386,11 EUR für die Zeit vom 03.02. bis 31.03.2010 zu zahlen habe. Alternativ wurden der Abschluss eines Miet- oder Kaufvertrages angeboten.

Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, der Vorbau stehe auf ihrem Grundstück.

Die Klägerin behauptet, das Gebäude sei einschließlich des Vorbaus 1888 auf einem einheitlichen Fundament errichtet worden, nachdem zuvor der damalige Eigentümer eine Baugenehmigung beantragt und erhalten habe. In der nach 1987 durchgeführten Rekonstruktion des Vorbaus seien weder das Fundament, noch der Grundriss verändert worden. Wenigstens ein Teil des Vorbaus stehe auf klägerischem Grundstück. Die Trennlinie zwischen Vorbau und Haupthaus entspreche nicht der Grundstücksgrenze. Aus den Verhandlungen über den Ankauf der Teilfläche im Jahr 1920 ergebe sich, dass die Beklagte Kenntnis von der Überbauung gehabt habe, woraus zu schlussfolgern sei, dass die Überbauung zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes von der Beklagten bewilligt worden sei. Die Beklagte habe deshalb weder Anspruch auf Nutzungsentschädigung, noch auf Zahlung einer Überbaurente.

Die ursprüngliche Klage in der Fassung des Schriftsatzes vom 10.06.2011, festzustellen, dass der Beklagten ein Nutzungsentgelt, Überbaurente oder sonstiges Entgelt gegenüber der Klägerin für die Nutzung eines Teilgrundstückes, gelegen vor dem Grundstück „…“ in … R… der Gemarkung W. Flur., Flurstück … in einer Größe von 6,77 m x 3,47 m in dem Aufmaß der Grundfläche, Anlage A 1, rot umrandet und straffiert seit dem 01.01.2009 nicht zusteht, haben die Parteien zu Protokoll vom 17.07.2012 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt im Wege der Widerklage,

1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 4.233,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. hilfsweise,

a.) die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 4.657,50 EUR (rückständige Überbaurente) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

b.) die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres, erstmals zum 01.01.2014 im voraus einen Betrag in Höhe von 1.189,15 EUR/jährlich (Überbaurente) zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Vorbau sei nicht zusammen mit dem Haupthaus errichtet worden. Im Rahmen der durchgeführten Rekonstruktion sei der Vorbau komplett neu errichtet worden. Sockel und Fundament seien verändert bzw. erneuert worden. Vorbau und Haupthaus hätten deshalb kein einheitliches Fundament. Der Vorbau stehe vollständig auf dem Grundstück der Beklagten. Die Trennlinie zwischen Vorbau und Haupthaus sei mit der Grundstücksgrenze identisch. Bei Errichtung des Gebäudes sei eine Billigung der Grenzüberbauung nicht erfolgt. Es sei auch kein Besitzrecht vereinbart worden. Die Nutzung beruhe auf einem Leihvertrag, der von der Beklagten mit Schreiben vom 29.01.2010 mit sofortiger Wirkung gekündigt worden sei, weshalb die Klägerin für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.05.2014 die geltend gemachte Nutzungsentschädigung von 151,00 EUR monatlich (Berechnung gem. Schriftsatz vom 01.06.2012, Bd. I, Bl. 122 d.A.), hilfsweise eine Überbaurente schulde.

Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Widerklage ist mit Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet.

1.

Nachbarrecht - Nutzungsentschädigung für einen Überbau durch die Errichtung einer Veranda
Symbolfoto: Von goodluz /Shutterstock.com

Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis.

Allerdings steht der Vorbau auf dem Grundstück der Beklagten. Das Flurstück … der Beklagten ist sehr groß und erstreckt sich über die ganze Länge der Straße „…“ in W., wie sich aus dem von der Beklagten eingereichten Auszug aus der Liegenschaftskarte (Bd. I, Bl. 98 d.A.) ergibt. Der von der Klägerin eingereichte Auszug aus der Liegenschaftskarte (Anlage K 13, Bd. I, Bl. 87 d.A) zeigt die Verhältnisse am klägerischen Grundstück. Nach den zeichnerischen Eintragungen gehört die Fläche, auf welcher der Vorbau steht, nicht zum klägerischen Flurstück … . Die Flurstücksgrenzen werden durch die dickeren Striche und die Grenzpunkte markiert. Nach den zeichnerischen Darstellungen in der Anlage K 13 gehört demnach die streitige Fläche zum im Eigentum der Beklagten stehenden Straßengrundstück.

Die streitige Teilfläche ist auch nicht durch Verkauf an den damaligen Eigentümer des klägerischen Grundstücks im Jahr 1920 dem klägerischen Grundstück zugeschrieben worden. Der Erwerb mag beabsichtigt gewesen sein, dass er vollzogen worden ist, ist hingegen nicht substantiiert dargetan. Jedenfalls fehlt es an der nach §§ 873, 925 BGB erforderlichen Auflassung und Eintragung in das Grundbuch.

1.1.

Ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Nutzungsentschädigung nach § 987 BGB besteht gleichwohl nicht.

Ein etwaiger Herausgabeanspruch der Beklagten hinsichtlich der streitigen Teilfläche nach § 985 BGB ist nicht rechtshängig. Zudem hat die Klägerin hinsichtlich eines durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Grundstücksleihvertrages möglicherweise weggefallenen Besitzrechtes jedenfalls keine positive Rechtskenntnis (§ 990 Abs. 1 S. 2 BGB).

1.2.

Die Beklagte hat auch keinen Anspruch auf Nutzungsersatz nach § 988 BGB, selbst wenn die Klägerin den Besitz an der streitigen Teilfläche unentgeltlich erlangt hat. Die Klägerin ist nämlich zum Besitz der Teilfläche berechtigt, da insoweit ein rechtmäßiger Überbau vorliegt.

Liegt sachenrechtlich ein Überbau nach § 912 Abs. 1 BGB vor und hat der beeinträchtigte Grundstückseigentümer diesem zugestimmt (rechtmäßiger Überbau), fallen dem Überbauenden erst recht weder Vorsatz, noch Fahrlässigkeit zur Last, so dass der jeweilige Eigentümer des überbauten Grundstücks analog § 912 BGB den Überbau stets zu dulden hat und dem jeweiligen Eigentümer des Stammgrundstücks das Eigentum am überbauten Gebäudeteil und ein Recht zum Besitz an der überbauten Fläche zustehen. Darin liegt eine Verdinglichung der obligatorischen Zustimmung in Ansehung der Duldungspflicht (BGH, Urteil vom 16.01.2004, V ZR 243/03; Roth in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2009, § 912 BGB, Rn. 69, 71).

Voraussetzung für einen Überbau im Sinne von § 912 Abs. 1 BGB ist, dass ein einheitliches Gebäude über die Grenze gebaut wird. Ob ein einheitliches Gebäude vorliegt, muss unter Würdigung aller Umstände des Sachverhaltes beantwortet werden. Neben der körperlichen bautechnischen Beschaffenheit kommt es auf die funktionelle Einheit an (BGH, Urteil vom 02.06.1989, V ZR 167/88).

Im vorliegenden Fall legt das Gericht zu Grunde, dass das Gebäude einschließlich des Vorbaus im Jahr 1888 auf einem einheitlichen Fundament errichtet worden ist. Nach Art. 181 EGBGB sind für einen bereits im Jahr 1888 erfolgten Überbau die Vorschriften der §§ 912 f. BGB anzuwenden (Roth in Staudinger, aaO, § 912 BGB, Rn. 82).

Bereits die Bauweise des Hauses, wie sie sich aus den Abbildungen Anlage K 2 und K 3 (Bd. I, Bl. 16 und 17) ergibt, spricht dafür, dass bei Errichtung des Gebäudes bereits der Vorbau errichtet worden ist. Anders ais in den sog. Verandafällen, in denen es ursprünglich um Wohnhäuser ging, bei denen man Mitte des 19. Jahrhunderts damit begann, vor den Häusern verglaste Veranden zu bauen, welche die einfachen Leinwandzelte ersetzten und den Badegästen die Möglichkeit gaben, auch bei schlechtem Wetter „im Freien“ zu sitzen, wie sich sowohl aus dem von der Beklagten eingereichten Verkehrswertgutachten vom 13.12.2011, Anlage B 18 (Bd. II, Bl. 120 d.A.), dort aus der Anlage 4, als auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Hansestadt Rostock vom 24.04.2012 (Anlage B 7, Bd. I, Bl. 125 d.A) ergibt, handelt es sich im vorliegenden Fall erkennbar und unbestritten um ein Geschäftshaus, bei dem die Gründe, die bei den sogenannten Verandagrundstücken zur nachträglichen Errichtung der Veranda führten, nicht greifen. Deshalb ist auch die Argumentation der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 07.03.2013, Seite 3, verfehlt, weil sie auf die Entwicklung sog. Verandagrundstücke abstellt.

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Die Klägerin hat mit Anlage K 24 (Bd. II, Bl. 167 d.A.) eine Abbildung vorgelegt, auf der auf der rechten Bildseite das streitgegenständliche Gebäude um 1900 abgebildet wird. Dort ist der massive Vorbau deutlich erkennbar. Der Schriftzug an der Fassade „…“ entspricht den Abbildungen der Anlagen K 2 und K 3, was den Rückschluss darauf zulässt, dass insbesondere die Abbildung Anlage K 2, die in dem straßenseitigen Mauerwerk die Innschrift „Erbaut 1888“ aufweist, den Zustand des Gebäudes zum Zeitpunkt der Errichtung 1888 richtig wiedergibt. Die von der Beklagten vorgelegten Abbildungen des Gebäudes aus dem Jahr 1956 (Anlage B 16, Bd. II, Bl. 118 d.A.) und dem Jahr 1990 (Anlage B 17, Bd. II, Bl. 119 d.A.) widersprechen dem nicht, sondern bestärken die Annahme, dass der Vorbau bereits bei Errichtung des Gebäudes dessen konstruktiver Bestandteil war. Insbesondere ein Vergleich zwischen dem Bild Anlage B 16 und dem Bild Anlage K 24 ergibt, dass der Vorbau keine wesentliche konstruktive Veränderung erfahren hat. Die Fensterfront, vor der auf Anlage K 24 eine heruntergelassene Markise zu sehen ist, ist offenkundig durch ein Mauerwerk mit Tür und Fenstern ersetzt worden. Der Schriftzug „…“ ist nur noch schwach im Putz zu erkennen, aber eben zu erkennen, was dafür spricht, dass diese konstruktiven Teile nicht verändert worden sind. Die Seitenwände und der Anschluss des Vorbaus an das Gebäude sind offenkundig nicht verändert worden. Das Geländer und die Seitenteile auf der Terrasse des Vorbaus sind auf beiden Abbildungen noch zu erkennen.

Ist deshalb davon auszugehen, dass der Vorbau bereits bei Errichtung des Gebäudes im Jahr 1888 miterrichtet worden ist, ergibt sich daraus zugleich, dass die Errichtung auf einem einheitlichen Fundament erfolgte. Es gibt keine plausiblen Gründe anzunehmen, dass angesichts der baulichen Gestaltung, wie sie den Anlage K 2 und K 3 entnommen werden kann, der Vorbau auf einem getrennten Fundament errichtet worden sein sollte. Die optische Gestaltung als Vorbau darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Vorbau baulich-konstruktiv Bestandteil des Erdgeschosses des Gebäudes ist und lediglich das erste Geschoss und das Dachgeschoss nach hinten versetzt errichtet worden sind, so dass über dem Vorbau eine Terrasse entstanden ist.

Durch die Rekonstruktionsarbeiten nach 1987 ist die Einheitlichkeit des Gebäudes nicht aufgehoben worden, sondern lediglich der Vorbau unter Erhaltung der Fundamente neu errichtet worden. Dass das Fundament des Vorbaus beseitigt worden sei, ergibt sich selbst aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen nicht Die Zustimmung zur Errichtung oder Veränderung eines Bauwerkes (Anlage B 9, Bd. II, Bl. 9 d.A.) sah die „Instandsetzung der Veranda ohne Veränderung der Fassade“ vor. Aus der statischen Berechnung Anlage B 10 (Bd. II, Bl. 11 d.A.), insbesondere dem beigefügten bautechnischen Erläuterungsbericht (Anlage B 10, ab Bd. II Bl. 23 d.A.), ergibt sich gemäß 1.0 Vorbemerkung des Erläuterungsberichtes, dass die Veranda bis Fundament abgerissen und neu aufgebaut werden soll. Danach sollte offensichtlich das Fundament erhalten bleiben. Dies wird bestätigt durch Ziffer 3.0 Reko-Veranda des Erläuterungsberichtes, wonach nach Abbruch der Veranda eine Einschätzung der „vorhandenen Fundamente“ erfolgen solle. Auch daraus ergibt sich, dass die Fundamente grundsätzlich erhalten bleiben sollten, sofern nicht bauliche Gründe dagegen sprechen.

Funktionell und optisch gehört der Vorbau zum Hauptgebäude. Er ist integraler Bestandteil des Hauptgebäudes, wird nicht separat genutzt und könnte nicht vom Hauptgebäude getrennt werden, ohne dass der eine oder der andere Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, so dass ein einheitliches, auf einem durchgehenden Fundament errichtetes Gebäude vorliegt.

Das Gericht legt ferner zu Grunde, dass die Errichtung des Gebäudes über die Grenze mit ausdrücklicher Zustimmung der damaligen Stadt Rostock erfolgte. Die Klägerin hat vorgetragen, dass für die Errichtung des Gebäudes eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Schon dieser Umstand spricht dafür, dass der damaligen Stadt Rostock die Überbauung bekannt war und mit ihrer Zustimmung erfolgte. Die allgemeine Grundstückssituation des Straßenzuges „Am Strom“ in Warnemünde war offenkundig dergestalt, dass Grundstückseigentümer unter Inanspruchnahme von Teilflächen städtischen Grundbesitzes bauten, insbesondere um auf Teilflächen des städtischen Grundstückes Veranden zu errichten. Die Beklagte erwähnt in ihrem Schriftsatz vom 07.03.2013 etwas mehr als 200 Fälle mit Verandagrundstücken in W. Zwar geht es hier nicht um eine Veranda, aber um die Inanspruchnahme einer Teilfläche städtischen Grundbesitzes, die typischerweise mit einer Veranda bebaut wurde. In den Urkunden über die Verkaufsverhandlungen im Jahr 1920 wurde ebenfalls den Begriff Verandaterrain verwendet, obwohl es um einen Vorbau und keine Veranda ging. Unstreitig ist der gesamte bauliche Bestand unter Denkmalschutz gestellt, was ferner für eine gewollte städtebauliche Entwicklung spricht. Dafür, dass bei Errichtung bereits die Zustimmung der Stadt Rostock vorlag, sprechen zudem die Verhandlungen im Jahre 1920. Es handelt sich um städtische Urkunden. Es ist nicht dargetan, dass die Stadt Rostock seinerzeit die Rechtswidrigkeit der Nutzung städtischen Grundes gerügt hat, es sollte allein eine grundbuchliche Bereinigung stattfinden. Für eine seinerzeit erfolgte Zustimmung spricht auch, dass die Beklagte die Nutzung bis in das Jahr 2008 widerspruchslos geduldet hat, ohne auch nur den Einwand rechtswidriger Nutzung zu erheben. Sie stellt sich im Übrigen selbst auf den Standpunkt, dass ein Leihvertrag zu Grunde liege. In ihrem Schreiben vom 29.01.2010 (Anlage K 5) spricht sie von dem „zwischen ihnen und uns bestehenden Leihvertrag“. Behauptet die Beklagte jedoch einen Leihvertrag, geht sie davon aus, dass sie die in ihrem Eigentum stehende Teilfläche wissentlich und willentlich dem seinerzeitigen Eigentümer des klägerischen Grundstückes zur Nutzung zur Verfügung gestellt hat.

Zusammenfassend liegt demnach ein mit Zustimmung der Stadt Rostock und damit rechtmäßiger Überbau vor, der der Klägerin nach § 986 Abs. 1 BGB ein Recht zum Besitz gibt, weshalb sie Nutzungsersatz nicht zu leisten hat.

2.

Die Klägerin schuldet der Beklagten keine Überbaurente gem. §§ 912Abs. 2, 913 BGB.

Fehlt im Falle des rechtmäßigen Überbaus eine Entschädigungsregelung, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Überbaurente nicht gezahlt werden soll. Anderenfalls ist anzunehmen, dass die Beteiligten jedenfalls die gesetzliche Rechtsfolge des § 912 Abs. 2 BGB gewollt haben (Roth in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2009, § 912 BGB, Rn. 68).

Im vorliegenden Fall haben die Beklagte bzw. ihre Gesamtrechtsvorgängerin und der damalige Eigentümer des Streitgrundstückes aus den ausgeführten Gründen entweder ausdrücklich oder konkludent Unentgeltlichkeit für die Nutzung der streitigen Teilfläche vereinbart. Dementsprechend wurde seit 1888 bis zur Kündigung des Leihvertrages im Januar 2010, mithin über einen Zeitraum von 122 Jahren, die Angelegenheit gehandhabt. Damit wurde zu Gunsten des Überbauenden und seiner Sonderrechtsnachfolger (Käufer des Stammgrundstückes) die Zahlung einer Überbaurente abbedungen. Hieran sind der damalige Eigentümer des überbauten Grundstückes und seine Gesamtrechtsnachfolger gebunden.

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 a, 91 Abs. 1,709 ZPO. Da die Widerklage unbegründet ist, wäre die ursprüngliche negative Feststellungsklage erfolgreich gewesen, so dass die Beklagte auch den darauf entfallenden Kostenanteil zu tragen hat.

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