Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wenn auf der Baustelle etwas schiefgeht: Wer zahlt für Schäden am Nachbarhaus?
- Beton auf dem Solardach: Der Vorfall auf der Baustelle
- Der Weg durch die Gerichte: Vom ersten Urteil zur Berufung
- Die Kernfrage: Kann die Versicherung das Geld vom Bauunternehmen zurückfordern?
- Schritt 1: Warum die Bauherrin für den Schaden haften musste
- Schritt 2: Der Anspruch geht auf die Versicherung über
- Schritt 3: Warum das Bauunternehmen letztlich verantwortlich ist
- Die Entscheidung des Gerichts: Das Bauunternehmen muss zahlen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wer trägt die Kosten, wenn mein Eigentum durch Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück beschädigt wird?
- Wann habe ich Anspruch auf einen nachbarrechtlichen Ausgleich, wenn meine Immobilie durch Bauarbeiten beeinträchtigt wurde?
- Welche Rolle spielen Versicherungen bei Schäden durch Nachbarbauarbeiten an meinem Eigentum?
- Muss der Bauherr für Schäden haften, die von einem beauftragten Bauunternehmen oder dessen Subunternehmen verursacht wurden?
- Was kann ich tun, wenn der Bauherr oder das Bauunternehmen den Schaden nicht anerkennt oder eine Zahlung verweigert?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 21 U 193/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Kammergericht, 21. Zivilsenat
- Datum: 27.05.2025
- Aktenzeichen: 21 U 193/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Bauherrenhaftpflichtversicherer, der einen Schaden am Nachbargrundstück reguliert hat und diesen Betrag nun vom beauftragten Rohbauunternehmen zurückfordert.
- Beklagte: Das beauftragte Rohbauunternehmen, das die Rohbauarbeiten ausführte und dessen Subunternehmer den Schaden verursachte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Während der Dachaufstockung eines Gebäudes fielen flüssiger Beton von einer Kranschaufel auf das Dach eines Nachbargebäudes und beschädigten dessen Photovoltaikanlage. Der Bauherrenhaftpflichtversicherer des Bauherrn regulierte diesen Schaden gegenüber dem Nachbarn.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der Bauherrenhaftpflichtversicherer, der den Schaden am Nachbargrundstück reguliert hatte, diesen Betrag im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs von dem beauftragten Rohbauunternehmen zurückfordern kann. Der Schaden war durch einen missglückten Betontransport eines Subunternehmers des Rohbauunternehmens verursacht worden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht gab der Berufung des Bauherrenhaftpflichtversicherers statt und änderte das Urteil der Vorinstanz. Das beklagte Rohbauunternehmen wurde verurteilt, den regulierten Schadenbetrag von 19.558,22 Euro zuzüglich Zinsen sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten an den Versicherer zu zahlen.
- Begründung: Der Anspruch des Versicherers auf Rückforderung des gezahlten Betrages ist begründet, da der ursprüngliche Anspruch des Bauherrn auf den Versicherer übergegangen ist. Die Bauherrin haftete dem Nachbarn für den Schaden nachbarrechtlich, da die Beton-Einwirkung von ihrem Grundstück ausging und vom Nachbarn nicht abgewehrt werden konnte. Die Bauherrin hatte wiederum einen vertraglichen Ersatzanspruch gegen das Rohbauunternehmen, da dieses seine Pflichten aus dem Bauvertrag verletzte und auch für Fehler seiner Subunternehmer einzustehen hat.
- Folgen: Das beklagte Rohbauunternehmen muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Revision des Urteils wurde nicht zugelassen, wodurch die Entscheidung endgültig ist.
Der Fall vor Gericht
Wenn auf der Baustelle etwas schiefgeht: Wer zahlt für Schäden am Nachbarhaus?
Jeder, der neben einer Baustelle wohnt, kennt den Lärm, den Staub und die Unannehmlichkeiten. Doch was passiert, wenn nicht nur Dreck, sondern handfester Schaden am eigenen Eigentum entsteht? Wenn zum Beispiel Baumaterial auf das eigene Dach fällt und etwas zerstört? Ein solcher Fall landete vor dem Kammergericht Berlin. Das Gericht musste eine komplexe Kette von Verantwortlichkeiten entwirren, um zu klären, wer am Ende für den Schaden aufkommen muss: Der Bauherr, das von ihm beauftragte Bauunternehmen oder dessen Versicherung?
Beton auf dem Solardach: Der Vorfall auf der Baustelle

Auf einem Grundstück in Berlin ließ die Eigentümerin, eine Firma, die wir hier „die Bauherrin“ nennen, eine Dachaufstockung durchführen. Dafür beauftragte sie ein spezialisiertes „Bauunternehmen“. Dieses wiederum setzte für bestimmte Arbeiten, wie den Transport von Beton, ein weiteres Unternehmen ein, ein sogenanntes „Subunternehmen“. An einem Märztag sollte flüssiger Beton mit einem Kran auf das Dach des Gebäudes gehoben werden. Dabei geschah das Unglück: Teile des Betons fielen aus der Kranschaufel und landeten direkt auf dem Dach des Nachbargebäudes.
Dort trafen sie auf eine Fotovoltaikanlage und beschädigten 15 Solarpaneele. Die Eigentümerin des Nachbarhauses, nennen wir sie „die Nachbarin“, hatte nun einen erheblichen Schaden. Die Versicherung der Bauherrin, eine spezielle Bauherrenhaftpflichtversicherung (eine Versicherung, die den Bauherrn vor Ansprüchen Dritter wegen Schäden durch das Bauvorhaben schützt), sprang zunächst ein. Sie bezahlte die Reparatur der Solaranlage in Höhe von rund 19.000 Euro und zusätzlich 300 Euro für den entgangenen Stromgewinn. Insgesamt leistete die Versicherung also eine Zahlung von 19.558,22 Euro an die geschädigte Nachbarin.
Der Weg durch die Gerichte: Vom ersten Urteil zur Berufung
Obwohl die Versicherung der Bauherrin den Schaden reguliert hatte, war die Sache damit für sie nicht erledigt. Die Versicherung war der Meinung, dass nicht ihre Kundin, die Bauherrin, die eigentliche Verantwortung für den Fehler trug, sondern das ausführende Bauunternehmen. Daher verklagte die Versicherung das Bauunternehmen auf Rückzahlung des Betrages. Doch die erste Instanz, das Landgericht Berlin II, wies die Klage ab. Es entschied zugunsten des Bauunternehmens.
Mit dieser Entscheidung gab sich die Versicherung nicht zufrieden. Sie legte Berufung ein. Das bedeutet, sie beantragte bei der nächsthöheren gerichtlichen Instanz, dem Kammergericht, das erste Urteil zu überprüfen und zu ändern. Damit lag der Fall nun auf dem Tisch der Richter des Kammergerichts.
Die Kernfrage: Kann die Versicherung das Geld vom Bauunternehmen zurückfordern?
Das Kammergericht musste eine entscheidende Frage klären: Hat die Versicherung das Recht, das Geld, das sie an die geschädigte Nachbarin gezahlt hat, vom Bauunternehmen zurückzuverlangen? Um das zu beantworten, mussten die Richter eine Kette von rechtlichen Beziehungen und Verantwortlichkeiten prüfen. Die Argumentation ist wie eine Reihe von Dominosteinen: Fällt der erste Stein, fallen auch die anderen. Aber fällt er nicht, bleibt die ganze Reihe stehen. Die Richter mussten also prüfen, ob jeder einzelne Schritt in dieser Kette rechtlich haltbar war.
Schritt 1: Warum die Bauherrin für den Schaden haften musste
Zuerst stellte sich die Frage: Warum musste die Bauherrin (bzw. ihre Versicherung) überhaupt für den Schaden bei der Nachbarin aufkommen? Die Bauherrin hatte den Beton ja nicht selbst fallen lassen. Hier kommt ein spezieller Rechtsgrundsatz ins Spiel: der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch. Das ist ein Anspruch auf Entschädigung, der entsteht, wenn von einem Grundstück eine rechtswidrige Einwirkung auf ein anderes Grundstück ausgeht, der Nachbar diese aber nicht verhindern kann.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch: Eine Haftung ohne direktes Verschulden
Man kann sich das so vorstellen: Wenn von Ihrem Grundstück aus eine erhebliche Störung ausgeht – zum Beispiel durch Bauarbeiten –, die das Nachbargrundstück beeinträchtigt, sind Sie unter Umständen verantwortlich. Sie gelten dann als sogenannter Störer. Störer ist nicht nur, wer aktiv etwas Schädliches tut, sondern auch derjenige, auf dessen Willen die störende Tätigkeit zurückgeht. Die Bauherrin wollte die Dachaufstockung; die damit verbundenen Risiken, wie ein Betontransport per Kran, gehen daher auf ihren Willen zurück. Sie hatte eine „Sicherungspflicht“, also die Pflicht, dafür zu sorgen, dass von ihrem Bauvorhaben keine Gefahren für andere ausgehen.
Die Nachbarin konnte das herabfallende Betonteil unmöglich abwehren. Sie hatte keine Chance, die Beschädigung ihrer Solaranlage zu verhindern. Deshalb stand ihr ein Entschädigungsanspruch gegen die Bauherrin als Störerin zu, auch wenn diese kein direktes Verschulden traf. Die Zahlung der Versicherung an die Nachbarin war also rechtens. Der erste Dominostein war damit gefallen.
Schritt 2: Der Anspruch geht auf die Versicherung über
Nun kommt der zweite Schritt, der für die Versicherung entscheidend ist. Im Gesetz gibt es eine Regelung, die sich gesetzlicher Forderungsübergang nennt (§ 86 des Versicherungsvertragsgesetzes). Dieser Begriff klingt kompliziert, die Idee dahinter ist aber einfach: Wenn eine Versicherung einen Schaden bezahlt, für den eigentlich eine andere Person verantwortlich ist, dann geht der Anspruch des Versicherten gegen diese Person automatisch auf die Versicherung über.
Ein Alltagsbeispiel: Stellen Sie sich vor, ein Bekannter beschädigt Ihr Fahrrad. Ihre Eltern kaufen Ihnen ein neues. Durch den gesetzlichen Forderungsübergang hätten Ihre Eltern nun das Recht, von dem Bekannten das Geld für das Fahrrad zurückzufordern. Sie treten sozusagen in Ihre rechtlichen Fußstapfen. Genau das ist hier passiert: Die Versicherung hat den Schaden der Bauherrin bezahlt. Dadurch hat sie das Recht „geerbt“, vom eigentlichen Verursacher – dem Bauunternehmen – das Geld zurückzuverlangen, genau so, wie es die Bauherrin selbst hätte tun können. Der zweite Dominostein war also ebenfalls gefallen.
Schritt 3: Warum das Bauunternehmen letztlich verantwortlich ist
Jetzt fehlte nur noch der letzte und entscheidende Schritt: Hatte die Bauherrin denn überhaupt einen Anspruch gegen das von ihr beauftragte Bauunternehmen? Ja, entschied das Gericht, und zwar aus zwei Gründen. Erstens stand bereits im Bauvertrag zwischen der Bauherrin und dem Bauunternehmen, dass das Unternehmen für alle Schäden haftet, die bei der Ausführung seiner Arbeit entstehen. Dies schloss auch Schäden bei Dritten ein, für die die Bauherrin geradestehen muss.
Zweitens gibt es selbst ohne eine solche Klausel eine vertragliche Schutzpflicht. Das bedeutet, jeder Vertragspartner muss dafür sorgen, dass er dem anderen keinen Schaden zufügt. Dazu gehört auch die Pflicht, den Auftraggeber vor Ansprüchen Dritter zu schützen, die durch die eigene Arbeit verursacht werden. Indem der Beton auf das Nachbardach fiel, verletzte das Bauunternehmen diese Schutzpflicht.
Haftung für Helfer: Die Verantwortung für Subunternehmer
Aber was ist mit dem Argument, dass ja gar nicht das Bauunternehmen selbst, sondern dessen Subunternehmen den Beton fallen ließ? Hier greift eine weitere wichtige Regel des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 278 BGB). Sie besagt, dass ein Unternehmen für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen haftet. Ein Erfüllungsgehilfe ist jeder, den man einsetzt, um eine vertragliche Pflicht zu erfüllen – also auch ein Subunternehmen.
Das ist so, als ob Sie eine Umzugsfirma beauftragen und einer ihrer Mitarbeiter eine Kiste fallen lässt. Sie halten sich an die Umzugsfirma, nicht an den einzelnen Mitarbeiter. Die Firma muss für die Fehler ihrer Leute geradestehen. Genauso musste das Bauunternehmen für den Fehler seines Subunternehmers haften, als wäre es sein eigener gewesen. Der dritte und letzte Dominostein war somit gefallen.
Die Entscheidung des Gerichts: Das Bauunternehmen muss zahlen
Da alle drei Schritte der juristischen Kette schlüssig waren, kam das Kammergericht zu einer klaren Entscheidung. Es änderte das Urteil der Vorinstanz und verurteilte das Bauunternehmen zur Zahlung des vollen Betrags von 19.558,22 Euro an die Versicherung. Zusätzlich musste das Bauunternehmen die Zinsen, die seit der Zahlungsaufforderung aufgelaufen waren, und einen Großteil der Anwaltskosten der Versicherung übernehmen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden ebenfalls dem Bauunternehmen auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Versicherung die Zahlung sofort verlangen kann, auch wenn theoretisch noch weitere Rechtsmittel möglich wären. Eine Revision, also eine weitere Überprüfung durch den Bundesgerichtshof, ließ das Gericht aber nicht zu, da es den Fall als nicht grundsätzlich bedeutsam für die Rechtsentwicklung ansah.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei Bauschäden am Nachbargrundstück eine klare Verantwortungskette besteht: Auch wenn der Bauherr den Schaden nicht selbst verursacht hat, haftet er zunächst gegenüber dem geschädigten Nachbarn, da das Bauvorhaben auf seinen Willen zurückgeht. Die Versicherung des Bauherrn kann jedoch das gezahlte Geld vom ausführenden Bauunternehmen zurückfordern, weil dieses vertraglich verpflichtet ist, den Auftraggeber vor solchen Schäden zu schützen. Entscheidend ist dabei, dass Bauunternehmen auch für Fehler ihrer Subunternehmer vollumfänglich haften müssen. Für Bauherren bedeutet dies, dass eine Bauherrenhaftpflichtversicherung zwar wichtig ist, aber letztendlich die Verantwortung beim ausführenden Unternehmen liegt, wenn dieses einen Fehler macht.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer trägt die Kosten, wenn mein Eigentum durch Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück beschädigt wird?
Wenn Ihr Eigentum durch Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück beschädigt wird, stellt sich für Sie die drängende Frage, wer für die entstandenen Kosten aufkommt. Grundsätzlich ist die Person oder das Unternehmen verantwortlich, die den Schaden verursacht hat. Dies kann in erster Linie die Baufirma sein, die die Arbeiten durchführt, oder der Bauherr, der diese Bauarbeiten beauftragt hat.
Die Haftung aus Verschulden
Für eine Schadensersatzpflicht muss in vielen Fällen ein sogenanntes Verschulden vorliegen. Das bedeutet, dass der Verursacher die Schäden vorsätzlich (absichtlich) oder fahrlässig (unachtsam) herbeigeführt haben muss. Wenn zum Beispiel eine Baufirma durch unsachgemäße oder nicht sorgfältig ausgeführte Arbeiten Schäden an Ihrem Eigentum verursacht, wie etwa durch Erschütterungen, die Risse in Ihrer Hauswand entstehen lassen, dann liegt in der Regel ein solches Verschulden vor. Die Kosten für die Behebung des Schadens muss dann der Verursacher tragen.
Die Bedeutung der „Störerhaftung“
Es gibt jedoch eine wichtige Besonderheit im deutschen Recht, die Ihnen als Geschädigtem zusätzliche Möglichkeiten eröffnet: die sogenannte „Störerhaftung“. Diese Regelung ermöglicht es Ihnen, auch den Eigentümer des Nachbargrundstücks in Anspruch zu nehmen, auf dem die Bauarbeiten stattfinden, selbst wenn dieser die Schäden nicht direkt selbst verursacht hat und ihm auch kein eigenes Verschulden (im Sinne von Vorsatz oder Fahrlässigkeit) vorliegt.
Ein „Störer“ ist eine Person, von deren Grundstück oder durch deren Handlungen eine Beeinträchtigung für das Nachbargrundstück ausgeht. Man unterscheidet hierbei zwischen:
- Handlungsstörer: Dies ist die Person, die durch ihr aktives Tun die Beeinträchtigung verursacht hat (im Falle von Bauarbeiten oft die Baufirma).
- Zustandsstörer: Dies ist die Person, die für einen Zustand auf ihrem Grundstück verantwortlich ist, von dem eine Beeinträchtigung ausgeht, auch wenn sie selbst nicht aktiv handelt. Der Eigentümer des Nachbargrundstücks kann hier ein Zustandsstörer sein. Dies gilt auch, wenn die Bauarbeiten von einer beauftragten Firma durchgeführt werden. Die Begründung ist, dass die Störung von seinem Eigentum ausgeht und er die Möglichkeit hat, diese Störung zu beseitigen oder künftige Störungen zu verhindern.
Für Sie als Geschädigter bedeutet das, dass Sie unter Umständen nicht nur die Baufirma, sondern auch den Eigentümer des Nachbargrundstücks für die Beseitigung der Schäden oder den Ersatz der Kosten in Anspruch nehmen können.
Welche Kosten können ersetzt werden?
Grundsätzlich können alle Kosten ersetzt werden, die Ihnen durch den Schaden an Ihrem Eigentum entstanden sind. Dazu gehören unter anderem:
- Reparaturkosten: Die Kosten für die vollständige Instandsetzung des beschädigten Eigentums.
- Wertminderung: Ein eventueller Wertverlust Ihres Eigentums, der durch den Schaden entstanden ist und auch nach der Reparatur noch bestehen bleiben könnte.
Es ist in jedem Fall wichtig, den Schaden umgehend und ausführlich zu dokumentieren. Dazu gehören Fotos, Videos und eine detaillierte Beschreibung der entstandenen Schäden. Dies dient als Nachweis für die Beeinträchtigungen und ist für die Geltendmachung Ihrer Ansprüche von großer Bedeutung.
Wann habe ich Anspruch auf einen nachbarrechtlichen Ausgleich, wenn meine Immobilie durch Bauarbeiten beeinträchtigt wurde?
Wenn Ihre Immobilie durch Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück beeinträchtigt wird, ohne dass der Verursacher dies direkt verschuldet hat, kann unter bestimmten Umständen ein Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entstehen. Dieser Anspruch ist eine spezielle Regelung im deutschen Nachbarrecht, die darauf abzielt, einen fairen Ausgleich zu schaffen, wenn Sie eine eigentlich unzumutbare Störung hinnehmen müssen.
Dieser Anspruch kommt ins Spiel, wenn von einem Nachbargrundstück Immissionen ausgehen. Das sind Störungen wie Lärm, Staub, Erschütterungen, Gase, Gerüche, Licht oder sogar der Entzug von Luft und Licht. Solche Einwirkungen können durch Bauarbeiten verursacht werden und Ihre Immobilie erheblich beeinträchtigen. Das Besondere an diesem Anspruch ist, dass der Verursacher der Störung sie nicht absichtlich oder fahrlässig herbeigeführt haben muss, um einen Ausgleich leisten zu müssen.
Wann ein Anspruch auf Ausgleich besteht
Ein Anspruch auf diesen nachbarrechtlichen Ausgleich entsteht, wenn Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück Ihr Eigentum so beeinträchtigen, dass Sie die Störungen zwar dulden müssen, aber nicht ohne eine Entschädigung. Das ist der Fall, wenn die folgenden Punkte zusammenkommen:
- Störung von außen: Die Beeinträchtigung muss von einem anderen Grundstück ausgehen und Ihr Eigentum betreffen.
- Erhebliche Beeinträchtigung: Die Störung muss erheblich sein. Das bedeutet, sie geht über das hinaus, was in Ihrer Umgebung gewöhnlich hingenommen werden muss, und wirkt sich spürbar auf Ihr Eigentum oder dessen Nutzung aus. Es geht nicht um geringfügige, alltägliche Unannehmlichkeiten, sondern um spürbare und bedeutsame Einwirkungen.
- Nicht abwendbar: Sie können die Beeinträchtigung nicht durch zumutbare eigene Maßnahmen verhindern. Das heißt, selbst wenn Sie sich vernünftig verhalten und versuchen, den Schaden zu minimieren, können Sie die Störung nicht unterbinden. Sie sind quasi gezwungen, die Einwirkung zu dulden.
- Unzumutbarkeit ohne Ausgleich: Obwohl Sie die Störung dulden müssen (da sie nicht abwendbar ist), wäre es für Sie unzumutbar, dies ohne einen finanziellen Ausgleich zu tun. Hier setzt der Gedanke des Ausgleichs ein: Wenn Sie eine besondere Last tragen, weil dies für das Nachbargrundstück notwendig ist, sollen Sie dafür entschädigt werden.
- Kein Verschulden notwendig: Ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass derjenige, der die Bauarbeiten durchführt, die Störung nicht verschuldet haben muss. Selbst wenn alle Bauvorschriften eingehalten und größte Sorgfalt angewendet wurde, kann ein Ausgleichsanspruch entstehen, wenn die oben genannten Punkte zutreffen.
Welche Schäden können ausgeglichen werden?
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch zielt darauf ab, Ihnen den finanziellen Nachteil zu ersetzen, der Ihnen durch die zu duldenden Störungen entsteht. Dies kann sich auf verschiedene Arten von Schäden beziehen:
- Sachschäden an Ihrer Immobilie: Dies betrifft direkte physische Beschädigungen, wie beispielsweise Risse im Mauerwerk durch Erschütterungen oder Schäden an der Bepflanzung durch übermäßigen Staub.
- Vermögensschäden: Hierunter fallen finanzielle Nachteile, die direkt aus der Beeinträchtigung resultieren. Beispiele sind Mietausfälle, wenn eine Wohnung wegen des anhaltenden Baulärms nicht vermietet werden kann, oder Kosten für notwendige, aber über das normale Maß hinausgehende Reinigungen.
- Kosten für Abwehrmaßnahmen: Auch die Kosten für Maßnahmen, die Sie selbst ergreifen mussten, um die Störungen zu mindern oder abzuwehren, können im Rahmen des Zumutbaren erstattet werden.
Dieser Anspruch sorgt dafür, dass ein gerechter Ausgleich stattfindet, wenn Sie Lasten tragen müssen, die über das normale Maß hinausgehen, auch wenn der Verursacher keine Schuld an den Beeinträchtigungen trägt.
Welche Rolle spielen Versicherungen bei Schäden durch Nachbarbauarbeiten an meinem Eigentum?
Wenn Ihr Eigentum durch Bauarbeiten Ihres Nachbarn beschädigt wird, können verschiedene Versicherungen eine Rolle spielen, um den entstandenen Schaden zu regulieren. Es ist für Sie als Betroffener wichtig, die Funktionen der beteiligten Versicherungen zu verstehen.
Welche Versicherungen könnten relevant sein?
In solchen Fällen kommen primär zwei Arten von Versicherungen ins Spiel, wobei die Zuständigkeit von der Art des Schadens und den jeweiligen Versicherungsverträgen abhängt:
- Bauherrenhaftpflichtversicherung des Nachbarn:
- Diese Versicherung schützt den Bauherrn (Ihren Nachbarn) vor Ansprüchen Dritter, wenn durch seine Bauarbeiten Schäden an deren Eigentum entstehen oder Personen verletzt werden.
- Für Sie bedeutet das: Wenn die Bauarbeiten Ihres Nachbarn die direkte Ursache für den Schaden an Ihrem Eigentum sind, ist die Bauherrenhaftpflichtversicherung Ihres Nachbarn der primäre Ansprechpartner für die Regulierung Ihres Schadens. Sie deckt in der Regel die gesetzliche Haftpflicht des Nachbarn ab.
- Ihre eigene Wohngebäudeversicherung:
- Ihre Wohngebäudeversicherung schützt Ihr Gebäude und fest verbundene Teile vor bestimmten Schäden, zum Beispiel durch Brand, Leitungswasser, Sturm oder Hagel.
- Für Sie bedeutet das: Je nach Art des Schadens (z.B. Erschütterungen führen zu Rissen, eine Baugrube untergräbt das Fundament, oder ein Bauunfall verursacht einen Rohrbruch in Ihrer Wand) könnte Ihre eigene Wohngebäudeversicherung unter Umständen den Schaden zunächst übernehmen. Dies ist besonders dann relevant, wenn die genaue Ursache noch unklar ist oder eine schnelle Schadensbeseitigung notwendig ist.
Was bedeutet der Forderungsübergang?
Ein wichtiger rechtlicher Mechanismus in solchen Fällen ist der sogenannte Forderungsübergang (oder auch Subrogation).
- Erklärung des Konzepts: Wenn Ihre eigene Versicherung (z.B. Ihre Wohngebäudeversicherung) einen Schaden an Ihrem Eigentum bezahlt, für den eigentlich eine andere Partei (hier: Ihr Nachbar oder dessen Bauherrenhaftpflichtversicherung) verantwortlich ist, gehen Ihre ursprünglichen Ansprüche gegen diese schadenverursachende Partei auf Ihre Versicherung über.
- Praktische Auswirkung für Sie: Ihre Versicherung tritt in Ihre Fußstapfen und kann den entstandenen Schaden nun von dem Nachbarn oder dessen Versicherung zurückfordern. Das bedeutet, dass Ihre eigene Versicherung den Verursacher des Schadens in Regress nehmen kann, um die ausgezahlte Leistung wiederzuerlangen.
- Ziel des Forderungsübergangs: Dieser Mechanismus stellt sicher, dass der tatsächliche Verursacher des Schadens letztendlich die Kosten trägt und verhindert, dass der Geschädigte doppelt entschädigt wird (einmal von seiner eigenen Versicherung und einmal vom Verursacher). Für Sie als Geschädigten bedeutet dies, dass Sie in der Regel nicht selbst gegen den Nachbarn vorgehen müssen, wenn Ihre eigene Versicherung den Schaden bereits reguliert hat. Ihre Versicherung klärt die Haftungsfrage dann direkt mit dem Nachbarn oder dessen Bauherrenhaftpflichtversicherung.
Muss der Bauherr für Schäden haften, die von einem beauftragten Bauunternehmen oder dessen Subunternehmen verursacht wurden?
Auch wenn ein Bauherr Bauunternehmen oder Subunternehmen mit der Ausführung von Arbeiten beauftragt, kann er unter bestimmten Umständen für Schäden haftbar gemacht werden, die diese Unternehmen verursachen. Die Verantwortung des Bauherrn entfällt nicht automatisch, nur weil er Dritte eingeschaltet hat.
Wenn der Bauherr vertraglich verantwortlich ist (Erfüllungsgehilfe)
Stellen Sie sich vor, Sie als Bauherr haben einen Vertrag mit einer Person, zum Beispiel verkaufen Sie ein Grundstück mit einem darauf zu bauenden Haus. Sie beauftragen dann ein Bauunternehmen, dieses Haus zu errichten. Das Bauunternehmen wird in diesem Fall zu Ihrem „Erfüllungsgehilfen“. Das bedeutet: Es hilft Ihnen dabei, Ihre eigenen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Käufer zu erfüllen.
Wenn dieses Bauunternehmen oder seine Subunternehmen bei der Ausführung der Arbeiten Schäden verursachen, die sich auf Ihre verträge mit Dritten auswirken (z.B. Mängel am Haus, die den Käufer schädigen), dann haften Sie als Bauherr gegenüber Ihrem Vertragspartner für diese Schäden. Rechtlich wird es so behandelt, als hätten Sie den Fehler selbst gemacht. Das liegt daran, dass der Bauherr die Erfüllung der vertraglichen Pflichten durch den Erfüllungsgehilfen zugerechnet bekommt.
Wenn die Baustelle eine Gefahr darstellt (Verkehrssicherungspflicht)
Jeder Bauherr hat eine sogenannte „Verkehrssicherungspflicht“ für seine Baustelle. Das bedeutet, Sie sind als Bauherr dafür verantwortlich, dass von Ihrer Baustelle keine unnötigen Gefahren für Dritte ausgehen – beispielsweise für Passanten, Nachbarn oder Besucher. Hierzu gehören Maßnahmen wie die Absicherung von Baugruben, das Anbringen von Warnschildern oder das Sichern von Gerüsten.
Diese Pflicht können Sie nicht einfach auf das Bauunternehmen abwälzen. Zwar ist das Bauunternehmen für die fachgerechte und sichere Durchführung der Arbeiten verantwortlich, der Bauherr hat aber immer noch eine grundlegende Verantwortung zur Kontrolle und Überwachung. Wenn Sie als Bauherr beispielsweise ein offensichtlich ungeeignetes oder unzuverlässiges Unternehmen beauftragen, oder wenn Sie gravierende Mängel in der Baustellensicherung bemerken und nichts dagegen unternehmen, können Sie für Schäden haften, die durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht entstehen. Es geht hierbei um Ihre eigene Pflicht, für Sicherheit auf der Baustelle zu sorgen.
An wen sich der Geschädigte wenden kann
Für einen Geschädigten ist es oft möglich, sich direkt an den Bauherrn zu wenden und diesen für die entstandenen Schäden zur Rechenschaft zu ziehen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Schäden im Zusammenhang mit vertraglichen Pflichten des Bauherrn stehen oder eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt. Der Bauherr hat dann wiederum die Möglichkeit, seine Ansprüche gegenüber dem schädigenden Bauunternehmen oder Subunternehmen geltend zu machen, basierend auf den zwischen ihnen geschlossenen Verträgen.
Was kann ich tun, wenn der Bauherr oder das Bauunternehmen den Schaden nicht anerkennt oder eine Zahlung verweigert?
Wenn ein festgestellter Schaden am Bauprojekt nicht anerkannt oder eine geforderte Zahlung verweigert wird, ist ein strukturiertes Vorgehen von Bedeutung, um die eigenen Ansprüche geltend zu machen.
Die Bedeutung der Beweissicherung
Der erste und entscheidende Schritt ist die umfassende Dokumentation des Schadens. Stellen Sie sich vor, Sie müssten den Schaden einer dritten, unbeteiligten Person detailliert erklären. Dafür sind präzise und nachvollziehbare Beweismittel unerlässlich.
- Fotos und Videos: Halten Sie den Schaden aus verschiedenen Perspektiven fest. Achten Sie auf Datum und Uhrzeit der Aufnahmen. Detailaufnahmen sind ebenso wichtig wie Übersichtsaufnahmen.
- Detaillierte Beschreibung: Verfassen Sie eine schriftliche Beschreibung des Schadens. Notieren Sie genau, wann und wie der Schaden entdeckt wurde, wo er sich befindet und wie er sich auswirkt.
- Schriftverkehr und Dokumente: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen wie Bauverträge, Baupläne, Korrespondenz (E-Mails, Briefe) mit dem Bauherrn oder Bauunternehmen sowie Protokolle von Baubesprechungen. Diese Dokumente können wichtige Informationen über die vertraglichen Vereinbarungen und den Baufortschritt enthalten.
- Zeugen: Wenn Personen den Schaden oder die Umstände seiner Entstehung miterlebt haben, kann deren Aussage als Zeugenbeweis von Bedeutung sein. Halten Sie die Kontaktdaten und eine kurze Notiz zu deren Beobachtungen fest.
Formelle Geltendmachung und Fristsetzung
Nachdem Sie den Schaden umfassend dokumentiert haben, ist es wichtig, den Bauherrn oder das Bauunternehmen schriftlich und nachweisbar über den Mangel in Kenntnis zu setzen. Dies geschieht in der Regel durch eine sogenannte Mängelanzeige oder Mängelrüge.
- Inhalt der Mängelanzeige: Beschreiben Sie den Schaden präzise und fordern Sie zur Nachbesserung (Beseitigung des Mangels) oder zur Zahlung einer Entschädigung auf.
- Fristsetzung: Setzen Sie eine angemessene Frist für die Behebung des Schadens. Eine angemessene Frist hängt von der Art und dem Umfang des Schadens ab. Für kleinere Mängel können wenige Wochen ausreichend sein, bei komplexeren Schäden kann eine längere Frist erforderlich sein.
- Nachweis der Zustellung: Senden Sie die Mängelanzeige so zu, dass Sie den Zugang nachweisen können, beispielsweise per Einschreiben mit Rückschein. Dies ist entscheidend, falls der Empfang später bestritten wird.
Die Einschätzung durch unabhängige Sachverständige
Wenn der Schaden weiterhin bestritten oder eine Zahlung verweigert wird, kann die Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens ein wichtiger nächster Schritt sein. Ein Sachverständiger kann den Schaden objektiv beurteilen, die Ursache feststellen und die voraussichtlichen Kosten für die Behebung schätzen.
- Beweiswert: Ein fundiertes Sachverständigengutachten hat einen hohen Beweiswert und kann maßgeblich dazu beitragen, die eigenen Forderungen zu untermauern.
- Kosten: Die Kosten für ein solches Gutachten können erheblich sein, sind aber oft eine lohnende Investition, um eine solide Grundlage für die weitere Durchsetzung des Anspruchs zu schaffen.
Möglichkeiten der weiteren Durchsetzung
Sollten alle Versuche einer außergerichtlichen Einigung scheitern, kann die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs der nächste Schritt sein.
- Außergerichtliche Klärung: Vor einem Gerichtsverfahren wird oft versucht, eine außergerichtliche Lösung zu finden. Dies kann durch weitere Verhandlungen oder auch durch Mediation geschehen, bei der eine neutrale dritte Person die Parteien bei der Lösungsfindung unterstützt.
- Klageverfahren: Wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann, besteht die Möglichkeit, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Dies bedeutet, dass eine Klage bei Gericht eingereicht wird. Das Gericht prüft dann die Sachlage anhand der vorgelegten Beweismittel und trifft eine Entscheidung.
- Beweislast im Prozess: Im gerichtlichen Verfahren ist es oft die Aufgabe der Person, die den Schaden geltend macht, den Schaden selbst, dessen Ursache und die Verantwortlichkeit des Bauherrn oder Bauunternehmens zu beweisen. Hier zeigt sich die Wichtigkeit der sorgfältigen Beweissicherung und des Sachverständigengutachtens.
- Ziel des Verfahrens: Ziel eines solchen Verfahrens ist ein Urteil, das den Bauherrn oder das Bauunternehmen zur Nachbesserung oder zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.
Die Durchsetzung von Ansprüchen bei Baumängeln oder verweigerten Zahlungen kann komplex sein. Ein methodisches Vorgehen und die Sammlung belastbarer Beweise sind dabei von zentraler Bedeutung.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist ein Anspruch auf Entschädigung, wenn von einem Grundstück eine erhebliche rechtswidrige Beeinträchtigung (z. B. durch Bauarbeiten) auf ein Nachbargrundstück ausgeht, die der Nachbar nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindern kann. Wichtig ist, dass dieser Anspruch auch ohne Verschulden des Verursachers entsteht, also unabhängig davon, ob der Schaden absichtlich oder fahrlässig verursacht wurde. Er dient dazu, einen Ausgleich zu schaffen, wenn der Nachbar besondere Lasten zu tragen hat, die über das normale Maß hinausgehen. Das Recht auf Ausgleich ergibt sich aus dem Nachbarrecht und schützt Eigentümer vor unzumutbaren Einwirkungen durch Nachbargrundstücke.
Beispiel: Wenn bei Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück Staub oder Lärm entsteht, der Ihre Wohnnutzung erheblich beeinträchtigt und Sie die Störung nicht selbst abwenden können, können Sie einen Ausgleich für diese Einwirkungen verlangen.
Gesetzlicher Forderungsübergang (§ 86 Versicherungsvertragsgesetz)
Der gesetzliche Forderungsübergang beschreibt, dass die Ansprüche eines Versicherungsnehmers gegen den Schädiger automatisch auf die Versicherung übergehen, sobald diese den Schaden ersetzt hat. Das bedeutet: Bezahlt die Versicherung für einen Schaden, den eigentlich ein Dritter verursacht hat, kann sie den gezahlten Betrag von diesem Dritten zurückfordern. Dieser Anspruch entsteht ohne weitere vertragliche Vereinbarungen und sichert der Versicherung den sogenannten Regress gegenüber dem Verursacher. Diese Regelung verhindert, dass der Versicherte Schadenersatz doppelt erhält und entlastet ihn von der Rückforderung.
Beispiel: Wenn Ihre Versicherung Ihr beschädigtes Auto bezahlt, kann sie den Schaden, den ein anderer Fahrer verursacht hat, von dessen Versicherung oder direkt von ihm zurückverlangen.
Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB)
Ein Erfüllungsgehilfe ist eine Person oder ein Unternehmen, das ein anderer zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten hinzuzieht und unter dessen Kontrolle steht. Nach § 278 Bürgerliches Gesetzbuch haftet der Auftraggeber für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen so, als hätte er den Fehler selbst begangen. Dabei ist es unerheblich, ob der Fehler vom Erfüllungsgehilfen absichtlich oder fahrlässig verursacht wurde. Diese Haftung dient dazu, Vertragspartner vor Risiken zu schützen, die durch die Hinzuziehung Dritter entstehen.
Beispiel: Beauftragen Sie eine Firma mit Renovierungsarbeiten und verletzt ein deren Mitarbeiter Ihr Eigentum, sind Sie als Auftraggeber gegenüber dem Geschädigten verantwortlich – nicht nur die Firma als Auftragnehmer.
Schutzpflicht im Vertragsrecht
Die Schutzpflicht ist eine vertragliche Pflicht, nach der jede Vertragspartei darauf achten muss, dem anderen keinen Schaden zuzufügen und ihn vor nachteiligen Folgen zu bewahren, die aus der Vertragserfüllung entstehen können. Diese Pflicht besteht selbst dann, wenn keine ausdrückliche Haftung vereinbart wurde. Sie soll verhindern, dass eine Vertragspartei durch die Erfüllung des Vertrages unzumutbar belastet wird und schützt vor Schäden, die durch schuldhafte Verletzungen dieser Verpflichtung entstehen.
Beispiel: Wenn ein Bauunternehmen Arbeiten auf Ihrem Grundstück ausführt, muss es dafür sorgen, dass keine Gefahren oder Schäden für Sie und angrenzende Grundstücke entstehen – etwa durch unsachgemäßen Umgang mit Baumaterialien.
Vorläufig vollstreckbares Urteil
Ein Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn es ermöglicht, die im Urteil festgelegten Ansprüche sofort durchzusetzen, auch wenn es noch gegen das Urteil Rechtsmittel wie Berufung oder Revision gibt. Dies dient dazu, längere Verzögerungen bei der Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen zu vermeiden. Die Vollstreckbarkeit kann aber unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt werden, wenn beispielsweise Sicherheitsleistungen erbracht werden oder das spätere Urteil widerrufen wird.
Beispiel: Wenn ein Gericht gegen ein Bauunternehmen entscheidet und es zur Zahlung verurteilt, kann die Versicherung die Zahlung bereits einfordern, selbst wenn das Bauunternehmen noch Berufung einlegt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch) i.V.m. nachbarrechtlichen Sondervorschriften: Dieses Gesetz regelt, dass der Eigentümer eines Grundstücks Eingriffe beseitigen oder unterlassen kann, wenn das Nachbargrundstück durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von der Grundstücksnutzung ausgehen. Die Haftung entsteht hier auch ohne Verschulden, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Bauherrin haftet als Störerin, weil von ihrem Grundstück störende Einwirkungen (Beton auf dem Nachbarhaus) ausgingen, die die Nachbarin nicht verhindern konnte, was die Grundlage für den Ausgleichsanspruch darstellt.
- § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – Gesetzlicher Forderungsübergang: Sobald die Versicherung den Schaden reguliert, geht der Anspruch des Versicherten gegen den Schädiger automatisch auf die Versicherung über. Dies sichert die Rückforderung der gezahlten Beträge vom tatsächlich Verantwortlichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung der Bauherrin darf den von ihr bezahlteten Schaden von 19.558,22 Euro vom Bauunternehmen zurückfordern, weil ihr dadurch die Rechte der Bauherrin gegen das Bauunternehmen direkt zustehen.
- § 278 BGB – Haftung für Erfüllungsgehilfen: Ein Schuldner haftet für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen so, als ob er selbst gehandelt hätte. Erfüllungsgehilfen sind Personen, die der Schuldner zur Erfüllung seiner Verpflichtung verwendet, etwa Subunternehmer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Bauunternehmen haftet für das Verschulden seines Subunternehmens, das den Beton auf das Nachbarhaus fallen ließ, was die Verantwortung des Bauunternehmens begründet.
- Vertragliche Haftung und Schutzpflichten aus dem Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB): Ein Werkunternehmer haftet vertraglich für Schäden, die im Rahmen der Ausführung des Werks entstehen. Dazu zählt auch die Pflicht, den Auftraggeber vor Schäden Dritter zu schützen, die durch die Leistungserbringung verursacht werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Bauvertragsklausel und die Schutzpflicht des Bauunternehmens verpflichten dieses zur Haftung gegenüber der Bauherrin und damit auch gegenüber der Versicherung für entstandene Schäden.
- Zivilprozessrechtliche Regeln zur Berufung (§§ 511 ff. ZPO): Das Berufungsverfahren dient der Überprüfung und gegebenenfalls Änderung von Urteilen der ersten Instanz durch ein höheres Gericht und erlaubt eine umfassende Sachprüfung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung konnte durch die Berufung die Entscheidung des Landgerichts überprüfen lassen und letztlich das Bauunternehmen erfolgreich auf Rückzahlung verklagen.
Das vorliegende Urteil
KG – Az.: 21 U 193/24 – Urteil vom 27.05.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz