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Wettbewerbsverbot – nachvertragliche Karenzentschädigung

Bundesarbeitsgericht

Az: 10 AZR 198/10

Urteil vom 14.09.2011


In Sachen hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September für Recht erkannt:

1.

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. November 2009 – 2 Sa 449/09 – wird zurückgewiesen.

2.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.

2

Der Kläger war für die Beklagte als Außendienstmitarbeiter tätig. Die Parteien schlossen 2003 eine Wettbewerbsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:

„1. GELTUNGSBEREICH

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist.

Diese Wettbewerbsvereinbarung gilt für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

2. ENTSCHÄDIGUNG

Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50% der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen. Die Entschädigung wird jeweils am Schluss eines Monats gezahlt.

Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb sowie böswillig unterlassener Erwerb nach Maßgabe des HGB anzurechnen….“

Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 29. Februar 2008. Die zuletzt bezogene Leistung iSv. Ziff. 2 der Wettbewerbsvereinbarung betrug 3.215,00 Euro.

Der Kläger erhielt seit dem 1. März 2008 Arbeitslosengeld iHv. monatlich 1.659,90 Euro bzw. ab 1. Juli 2008 iHv. monatlich 1.486,50 Euro. Die Beklagte rechnete auf die Karenzentschädigung das um fiktive Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung erhöhte Arbeitslosengeld des Klägers an, soweit es zusammen mit der Hälfte der letzten Bruttovergütung den Betrag von 3.536,50 Euro (110% der letzten Bruttovergütung) überstieg. Sie brachte demnach für die Monate März bis Juni 2008 je 219,77 Euro und für die Monate Juli bis Dezember 2008 je 37,92 Euro, insgesamt 1.106,60 Euro, in Abzug.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die volle Karenzentschädigung zu. Unabhängig davon, ob überhaupt eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf eine Karenzentschädigung zulässig sei, sei allenfalls der tatsächliche Zahlbetrag, nicht aber ein hochgerechneter Bruttobetrag anrechenbar.

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.106,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 219,77 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008 und 1. Juli 2008 sowie auf jeweils weitere 37,92 Euro ab dem 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008 und 1. Januar 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Arbeitslosengeld sei mit einem hochgerechneten Bruttobetrag anzurechnen. Anderenfalls erziele der arbeitslose Empfänger einer Karenzentschädigung insgesamt höhere Bezüge als derjenige, der unter Beachtung der Wettbewerbsvereinbarung ein neues Arbeitsverhältnis begründet habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision in Höhe des noch streitigen Betrags zugelassen. Mit der Revision begehrt die Beklagte in diesem Umfang Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus Ziff. 2 der Wettbewerbsvereinbarung Anspruch auf Zahlung der vollen Karenzentschädigung.

I. Der Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung ist dem Grunde nach entstanden.

1. Wettbewerbsverbote iSv. § 74 HGB beruhen auf gegenseitigen Verträgen. Der Arbeitnehmer schuldet die Unterlassung von Wettbewerb und der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung. Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Arbeitnehmer durch die Einschränkung seines Erwerbslebens entstehen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung setzt allein voraus, dass der Arbeitnehmer den ihm verbotenen Wettbewerb unterlässt (BAG 22. Oktober 2008 – 10 AZR 360/08 – Rn. 14, AP HGB § 74 Nr. 83 = EzA HGB § 74 Nr. 71; 23. November 2004 – 9 AZR 595/03 -zu A I 2 der Gründe, BAGE 112, 376).

2. Der Kläger hat sich nach Ziff. 1 der Wettbewerbsvereinbarung verpflichtet, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Wettbewerb zu der Beklagten zu treten. Er hat sich im Streitzeitraum des Wettbewerbs enthalten und damit seine geschuldete Leistung erbracht. Ihm steht deshalb eine Karenzentschädigung zu.

II. Die Beklagte war nicht berechtigt, das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB auf die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung anzurechnen.

1. Es begegnet Bedenken, ob nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB Arbeitslosengeld überhaupt auf den Anspruch auf Karenzentschädigung angerechnet werden kann.

a) Nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.

b) Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG 16. November 2005 – 10 AZR 152/05 – zu II 2 a a.A. der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 7. November 1989 – 3 AZR 796/87 – zu 3 a der Gründe, BAGE 63, 206). Anzurechnen sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. BAG 16. November 2005 – 10 AZR 152/05 – zu II 2 a a.A. der Gründe, a.a.O.). Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (BAG 25. Juni 1985 – 3 AZR 305/83 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 49, 109).

c) Zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a AFG hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13. November 1918 (RGBl. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 187) sei nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse (BAG 25. Juni 1985 – 3 AZR 305/83 – zu II 2 c der Gründe, BAGE 49, 109). Beziehe der zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe.

d) Durch Ergänzung von § 128a AFG um Satz 3 (Siebtes Gesetz zurÄnderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war (BVerfG 10. November 1998 – 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 – BVerfGE 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 SGB III) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30% des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen musste. Durch die Abzugsmöglichkeit sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 SGB III ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).

e) Nach der Aufhebung von § 148 SGB III ist nach verbreiteter Auffassung (vgl. Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74c Rn. 11; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 74c HGB Rn. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 5. Aufl. Rn. 532; Münch-KommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74c Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 AFG vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge (Weber a.a.O.). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen (BAG 16. November 2005 – 10 AZR 152/05 – Rn. 20, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 23. November 2004 – 9 AZR 595/03 – zu A II der Gründe, BAGE 112, 376).

f) Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 SGB III noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten „planwidrigen“ Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 SGB III nur 30% des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.

Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des Wettbewerbs enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Wertungswidersprüche zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines Wettbewerbsverbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des Wettbewerbsverbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des Wettbewerbsverbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. BGH 28. April 2008 – II ZR 11/07 – Rn. 5, DB 2008, 1558; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 74c Rn. 2).

2. Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Die Einkünfte des Klägers aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld erreichen die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nicht. Selbst wenn zugunsten der Beklagten eine Anrechnungsmöglichkeit unterstellt wird, besteht der geltend gemachte Anspruch, weil der Arbeitgeber allenfalls den tatsächlichen Auszahlungsbetrag, nicht jedoch einen fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag anrechnen kann (zur Rechtslage vor Aufhebung des § 148 SGB III: BAG 23. November2004 – 9 AZR 595/03 – zu A II der Gründe, BAGE 112, 376; zur früheren Rechtslage nach § 128a Satz 3 AFG: 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 -zu B III 2 der Gründe, BAGE 69, 119; zur jetzigen Rechtslage: LAG München 14. August 2007 – 4 Sa 189/07 – zu II 2 b bb der Gründe; ErfK/Oetker § 74c HGB Rn. 4; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 55 Rn. 82; Weber in Großkomm. HGB § 74c Rn. 12; a.A. Bauer/Diller Rn. 534 ff.; Diller BB 2008, 1680, 1682 f.).

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a) Anderweitige Einkünfte aus unselbstständiger Beschäftigung sind zwar mit dem Bruttoarbeitslohn anzusetzen. Das Sozialversicherungsrecht kennt aber weder ein „Netto“- noch ein „Brutto“-, sondern nur ein sozialversicherungsrechtlich ausgestaltetes Arbeitslosengeld. Bemessungsgrundlage ist das durchschnittlich auf einen Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt (§§ 131, 132 SGB III), das um eine Sozialversicherungspauschale und um die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag vermindert wird. Daraus resultiert das Leistungsentgelt gemäß § 133 SGB III, aus dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld prozentual ermittelt wird. Der Auszahlungsbetrag ist steuerfrei (§ 3 Nr. 2 EStG), die Beiträge zur Sozialversicherung trägt die Bundesagentur für Arbeit allein (§ 251 Abs. 4a SGB V, § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, § 59 Abs. 1 SGB XI). Der Anspruch des Arbeitslosen besteht (nur) auf den Auszahlungsbetrag.

b) Diese Besonderheiten des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisses rechtfertigen keine an Sinn und Zweck von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB orientierte Auslegung, ein auf die Karenzentschädigung anrechenbares Arbeitslosengeld auf einen fiktiven Bruttobetrag hochzurechnen. Die Anrechnung ist ein Eingriff in das vereinbarte Leistungsprogramm der Parteien; dass Leistungen Dritter innerhalb eines gegenseitigen Vertrags überhaupt auf die Gegenleistung angerechnet werden können, ist eine Ausnahme (ErfK/Oetker § 74c HGB Rn. 1). Die Beschränkung der Anrechnung auf den Auszahlungsbetrag kann zwar bewirken, dass der Arbeitslose während der Bezugsdauer höhere Nettoeinkünfte erzielt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der für die Zeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einer konkurrenzfreien Tätigkeit nachgeht; dies rechtfertigt es aber nicht, die Sozialleistung des Arbeitslosengelds ohne gesetzliche Grundlage wie Nettoarbeitsentgelt zu behandeln. Durch die Inanspruchnahme des Arbeitslosengelds wird der Anspruch nach Maßgabe der §§ 127, 128 SGB III verbraucht. Der vormalige Arbeitgeber und die Solidargemeinschaft der Versicherten werden nach den gesetzlichen Bestimmungen auch vor missbräuchlichem Verhalten geschützt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen. Bei unzureichenden Eigenbemühungen oder Arbeitsablehnung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III für die Dauer einer Sperrzeit. Der frühere Arbeitgeber kann böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen, wenn der Arbeitnehmer eine ihm mögliche und nach den gesamten Umständen zumutbare Tätigkeit nicht aufnimmt (vgl. BAG 13. November 1975 – 3 AZR 38/75 – zu IV 1 der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 7 = EzA HGB § 74c Nr. 16). Nur in diesem Fall besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit der Anrechnung fiktiver Bruttobezüge. Bei bestehender Arbeitslosigkeit und der durch das Wettbewerbsverbot bedingten erschwerten Wiedereingliederung des Arbeitslosen in das Erwerbsleben besteht kein Anlass, zum Schutz des Arbeitgebers die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung durch extensive Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB zu mindern. Nach dem Schutzzweck von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dient die Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbs auch nicht der Entlastung des Arbeitgebers; diese ist bloßer Reflex der Regelung (BGH 28. April 2008 – II ZR 11/07 – Rn. 5, DB 2008, 1558).

III. Die Klage ist der Höhe nach begründet. Die Karenzentschädigung des Klägers beträgt 1.607,50 Euro monatlich. Sie übersteigt zusammen mit dem monatlichen Arbeitslosengeld iHv. 1.659,90 Euro (1. März bis 30. Juni 2008) bzw. iHv. 1.486,50 Euro (ab 1. Juli 2008) das frühere Einkommen (3.215,00 Euro brutto) nicht um mehr als ein Zehntel. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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