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Nachweis der Unrichtigkeit eines Sparbuchs durch bankinterne Unterlagen

OLG Karlsruhe – Az.: 17 U 151/21 – Urteil vom 20.12.2022

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 4. März 2021 – 4 O 161/20 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für die Beklagte auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Zusammenfassung

Die Klägerin hat bei der Beklagten im Jahr 1992 ein Sparkonto eröffnet und fordert nun die Auszahlung ihres Sparbetrags. Das Sparbuch ist nicht entwertet und enthält Einträge für verschiedene Zeiträume mit unterschiedlichen Zinssätzen. Die Beklagte behauptet, dass das Sparguthaben am 16. April 1998 auf telefonische Weisung des Ehemannes der Klägerin aufgelöst und auf das Girokonto der Klägerin als Bareinzahlung verbucht wurde. Das Geld sei dann für Festgeldanlagen für die Klägerin und ihren Ehemann verwendet worden und später zurück auf das Girokonto der Klägerin überwiesen worden.

Nachweis der Unrichtigkeit eines Sparbuchs durch bankinterne Unterlagen
(Symbolfoto: create jobs 51/Shutterstock.com)

Die Klägerin bestreitet dies und behauptet, dass sie das Sparguthaben nicht abgehoben hat und dass die Bareinzahlung keine Verbindung zum Sparbuch hat. Sie fordert die Auszahlung des Sparguthabens mit Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte die Auszahlung des Sparguthabens auf das Girokonto der Klägerin nachgewiesen hat. Die Klägerin hat dagegen Berufung eingelegt und behauptet, dass die Indizien nicht ausreichend sind und dass die Tabelle zur Berechnung der Forderungshöhe falsch ist. Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts […]

Weiterführende Informationen

Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs kann nur in Ausnahmefällen nachgewiesen werden. Es bedarf konkreter Anhaltspunkte dafür, dass das Sparguthaben ohne Buchvorlage ausgezahlt wurde. Bankinterne Unterlagen können als Beweis für die Unrichtigkeit eines Sparbuchs herangezogen werden, wenn weitere Umstände hinzukommen, die dafür sprechen, dass die Auszahlung des Sparbetrags bereits erfolgt ist. Es ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Unrichtigkeit eines Sparbuchs nicht mit bankinternen Unterlagen, die dem Kunden nicht zur Kenntnis gebracht wurden, nachgewiesen werden kann. In diesem konkreten Fall hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, dass eine Bankkundin trotz Vorlage eines Sparbuchs keine Auszahlung der Spareinlage von 70.100 Euro mehr verlangen konnte, da bankinterne Unterlagen sowie weitere Umstände dafür sprachen, dass die Auszahlung des Sparbetrags bereits erfolgt war. Es sollte jedoch beachtet werden, dass die Beweiskraft des Sparbuchs grundsätzlich als hoch angesehen wird und eine Erschütterung dieser Beweiskraft hohe Anforderungen erfordert.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank die Auszahlung einer Spareinlage.

Im Jahr 1992 eröffnete die Klägerin bei der Beklagten ein Sparkonto mit der Nr. …. Diesem lag folgende Vereinbarung zugrunde:

„(…)

2. Zinsvereinbarung

Die Spareinlage wird vom Tag der Einzahlung mit dem auf der Innenseite aufgeführten Zinssatz verzinst. Die Zinsfestschreibungsdauer ist ebenfalls auf der Innenseite dieses Sparbuchs aufgeführt. (…)

4. Spareinlage nach Ablauf der Zinsfestschreibungsdauer

Wird über die Fortführung des Sparguthabens nach Ablauf der Zinsfestschreibungsdauer keine gesonderte Vereinbarung getroffen, wird das Guthaben mit den dann für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist geltenden Zinssatz verzinst. (…)“

Das von der Klägerin der Beklagten im Jahr 2019 vorgelegte Sparbuch ist nicht entwertet und enthält mehrere Eintragungen:

In der Rubrik „Zinsfestschreibungs-Dauer“ ist u.a. für den Zeitraum vom 18. März 1996 bis zum 18. März 1997 ein Anlagebetrag von 64.165,87 DM zu einem Zinssatz von 4,0 % eingetragen, für den Zeitraum vom 21. März 1997 bis zum 21. März 1998 ist ein Anlagebetrag von 100.000 DM zu einem Zinssatz von 3,25 % ausgewiesen. In der Rubrik „Geschäftsvorfall-Nr.“ ist u.a. unter dem 18. März 1996 ein Guthaben von 64.165,87 DM eingetragen. Unter dem 21. März 1997 ist eine Zinsgutschrift von 2.639,72 DM zum 30. Dezember 1996, eine Bareinzahlung von 33.193,41 DM sowie ein Guthaben von 100.000 DM ausgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sparbuchs wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Die Klägerin unterhielt in dem hier in Rede stehenden Zeitraum bei der Beklagten auch das Girokonto Nr. …. Auf dem Konto ist am 16. April 1998 ein Betrag von 103.961,17 DM eingegangen. In einem Kontoauszug vom 30. Juni 1998 (Anlage K 3) sind für den 16. April 1998 in einer Zeile nebeneinander Soll-Umsätze von 51.980,59 DM („Festgeld U“) sowie 51.980,58 DM („Festgeld U“) aufgeführt, in der darunter liegenden Zeile ein Haben-Umsatz von 103.961,17 DM („Bareinzahl“). Der Saldo belief sich am 16. April 1998 – gegenüber dem 14. April 1998 unverändert – auf 6.370,66 DM Soll.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Kontoauszuges wird auf die Anlage K 3 verwiesen.

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 26. Januar 2020 (Anlage K 5) kündigte die Klägerin das Sparbuch.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 70.100 Euro nebst Zinsen in Höhe nebst 5% Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Zur Begründung hat sie ua vorgetragen, sie habe das zuletzt ausgewiesene Sparguthaben nicht abgehoben. Von ihr oder ihrem Ehemann unterzeichnete Ein- oder Auszahlungsbelege lägen nicht vor, mit den ohnehin nur als Kopien vorgelegten bankinternen Unterlagen lasse sich ein Nachweis der Auszahlung nicht führen. Die in der Kontoübersicht des Girokontos vermerkte Bareinzahlung von 103.961,17 DM weise keinen Bezug zu dem Sparbuch auf. Das Sparguthaben hätte bei Zugrundelegung des vereinbarten Zinssatzes von 3,25 % am 16. April 1998 103.430 DM betragen und decke sich daher nicht mit der Bareinzahlung. Sie vermute, dass die Bareinzahlung aus gesammelten Bareinnahmen des damals von den Eheleuten betriebenen Obsthandels mit über fünftausend eigenen Obstbäumen gestammt habe. Selbst wenn das Sparguthaben – wie von der Beklagten vorgetragen – auf ihr Girokonto zwischengebucht und sodann auf zwei Tagesgeldkonten angelegt worden sein sollte, liege darin eine Verletzung des Sparvertrages. Eine Erfüllungswirkung sei allenfalls hinsichtlich der auf den Namen der Klägerin als Termingeld angelegten Hälfte des Sparguthabens eingetreten. Ihr Ehemann sei selbst auf Basis der von der Beklagten vorgelegten Vollmacht (I 163 f.), „über alle bei irgendeiner Stelle der Bank vorhandenen Konten und Depots (…) zu verfügen (…)“, nicht von dem Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB befreit gewesen. Über einen etwaigen Zahlungseingang auf ihrem Girokonto hätte sie nicht selbst verfügen können, sie sei insoweit nicht bereichert.

Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt.

Das streitgegenständliche Sparguthaben habe am 16. April 1998 103.961,17 DM betragen. An diesem Tag habe der damalige Filialleiter E. Sch. das Sparbuch auf telefonische Weisung des dazu bevollmächtigten Ehemannes der Klägerin aufgelöst, das Guthaben auf dem Girokonto der Klägerin als Bareinzahlung verbucht (vgl. Anlagen B 3 und B 4) und für die Klägerin (51.980,59 DM auf dem Konto-Nr.: …) und ihren Ehemann (51.980,58 DM auf dem Konto-Nr.: …) als Festgeld angelegt (Anlagen B 8 und B 9). Die Festgeldanlagen seien am 18. Oktober 1999 wieder auf das Girokonto der Klägerin ausbezahlt worden. Damals sei es banktechnisch nicht möglich gewesen, Auflösungen von Sparguthaben unbar vorzunehmen. Das Sparguthaben und die Einzahlung auf dem Girokonto stimmten „pfenniggenau“ überein. Im Hinblick auf etwaige Ansprüche aus Verletzung des Sparvertrages erhebt sie die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Forderung der Klägerin aus der Sparbucheinlage sei durch Erfüllung erloschen. Die Beklagte habe die Auszahlung auf das Girokonto der Klägerin nachgewiesen. Es lägen nicht nur bankinterne Unterlagen, sondern Buchungsbelege, die Aussagen der beiden Zeugen und ausreichend Indizien für die Erfüllung vor. Auf dem Girokonto der Klägerin sei am 16. April 1998 unstreitig eine Bareinzahlung von 103.961,17 DM eingegangen. Dieser Betrag entspreche bis auf eine Rundungsdifferenz von einem Pfennig exakt dem Sparguthaben zum 16. April 1998. Die Klägerin sei der Berechnung der Beklagten in der Anlage B 12 nicht entgegengetreten. Der Zahlungseingang von 103.961,17 DM stamme entgegen der Vermutung der Klägerin nicht aus Barmitteln aus dem Obstbaubetrieb der Eheleute V. Zwar fehle auf den Ein- und Auszahlungsbelegen (Anlagen B 3 und B 4) jeweils eine Unterschrift des Verfügungsberechtigten. Allerdings habe der Zeuge Sch. glaubhaft und nachvollziehbar angegeben, dass kein Geld in bar geflossen, sondern lediglich auf telefonische Anweisung des Herrn V. eine Umbuchung von dem streitgegenständlichen Sparkonto über das Girokonto der Klägerin auf zwei Festgeldkonten der beiden Eheleute erfolgt sei. Eine solche Vorgehensweise sei zwar nicht normal gewesen, allerdings habe man für die 20 bis 25 km entfernt wohnenden Eheleute V. eine Ausnahme gemacht. Der Zeuge B. habe die genannten Buchungen nach Recherche in den Handelsbüchern der Beklagten überzeugend bestätigt, sie folgten auch aus dem Girokontoauszug der Klägerin. Soweit die Klägerin meine, dass ihr Ehemann keine Vollmacht für die Anlage des hälftigen Betrages auf sich selbst als Insichgeschäft gehabt habe, komme es darauf nicht an. Ein eventueller Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch wäre ein anderer Streitgegenstand und längst verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre bisherigen Anträge unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Die von dem Landgericht herangezogenen Indizien reichten nicht aus. Es habe zu Unrecht angenommen, dass der am 16. April 1998 auf das Konto einbezahlte Betrag exakt dem Sparbuchguthaben in Höhe von 100.000,00 DM zzgl. Zinsen bis zu diesem Tag entspricht. Ihren Antrag auf Sachverständigenbegutachtung zur Verzinsung und Forderungshöhe habe das Gericht unberücksichtigt gelassen. Die von der Beklagten nur zum Zwecke der Berechnung der aktuellen Forderungshöhe vorgelegte Tabelle (Anlage B 12) sei rechnerisch falsch. Bei einer Anwendung der Methode 360/360 lägen zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 21. März 1998 insgesamt 80 Zinstage, in der Anlage seien für diesen Zeitraum lediglich 79 Zinstage mitberechnet worden. Darüber hinaus sei die Begründung des Gerichts nicht nachvollziehbar, dass der auf das Konto der Klägerin einbezahlte Betrag (103.961,17 DM) von dem angeblichen Sparbuchguthaben (103,961,16 DM) wegen einer vermeintlichen Rundung abweichen soll. Weiter habe das Gericht die Widersprüche in der Aussage des Zeugen Sch. unberücksichtigt gelassen. Die Klägerin habe nicht 25 km, sondern lediglich je nach Route 10 bis 15 km von der Bankfiliale entfernt gelebt. Auch habe ihr Ehemann üblicherweise nie mit der Bank telefoniert. Schließlich seien die Angaben des Zeugen Sch. zu angeblich nie erfolgten Bareinzahlungen von mehr als 30.000 DM falsch.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts und beantragt, die Berufung unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie ua aus:

Die Zinsgutschrift von 3.960,17 DM bis zum 16. April 1998 setze sich wie folgt zusammen:

  • 571,56 DM für den Zeitraum vom 31. Dezember 1996 bis zum 17. März 1997 (Kapital: 66.805,69 DM, Zinssatz 4,00 %, 77 Zinstage),
  • 9,74 DM bis zum 20. März 1997 (Kapital: 66.805,69 DM, Zinssatz 1,75 %, 3 Zinstage),
  • 9,03 DM für den 21. März 1997 (Kapital: 100.000,00 DM, Zinssatz 3,25 %, 1 Zinstag),
  • 2.518,75 DM bis zum 31. Dezember 1997 (Kapital: 100.000,00 DM, Zinssatz 3,25 %, 279 Zinstage),
  • 744,68 DM bis zum 21. März 1998 (Kapital: 103.109,08 DM, Zinssatz 3,25 %, 80 Zinstage),
  • 107,41 DM bis zum 16. April 1998 (Kapital: 103.109,08 DM, Zinssatz 1,5 %, 25 Zinstage).

Dies sei exakt der dem Girokonto der Klägerin gutgebrachte Betrag, es gebe auch keine Rundungsdifferenz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens aus § 700 Abs. 1 Satz 1, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.

Zwar belief sich das Sparguthaben am 21. März 1997 unstreitig auf 100.000,00 DM und nach richtiger Berechnung der Beklagten am 16. April 1998 auf 103.961,17 DM (dazu unten II. 1. a) bb)).

Der Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens ist jedoch durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

a) Wird ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt und ist – wie hier – nur streitig, ob der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens von dem Kreditinstitut bereits erfüllt worden ist, trägt das Kreditinstitut die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des Auszahlungsanspruchs (BGH, Beschluss vom 21. September 1989 – III ZR 55/89 -, juris Rn. 2; Urteile vom 4. Juni 2002 – XI ZR 361/01, BGHZ 151, 47, 49 und vom 18. Januar 2022 – XI ZR 380/20 –, BGHZ 232, 215-227 Rn. 31 mwN). Eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Auszahlung kommt nicht allein deshalb in Betracht, weil der Inhaber des Sparbuchs über Jahrzehnte keine Eintragungen vornehmen ließ oder – jedenfalls nach dem Vorbringen des Kreditinstituts – die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist (BGH, Urteil vom 18. Januar 2022 – XI ZR 380/20 –, BGHZ 232, 215-227 Rn. 31 mwN). Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs kann insoweit nicht alleine mit bankinternen Unterlagen nachgewiesen werden (OLG Köln, Urteil vom 9. Juli 2003 – 13 U 133/02 –, juris Rn. 16; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 22. Dezember 1988 – 1 U 216/87 –, NJW-RR 1989, 1517, 1518; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 31. Mai 1989 – 5 U 74/89 –, juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 25. November 2020 – 7 U 82/18 –, juris Rn. 36). Bankinterne Unterlagen gewinnen allerdings ein anderes, größeres Gewicht, wenn weitere Umstände hinzutreten, zu denen auch ein erheblicher Zeitablauf gehören kann (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Zweibrücken, aaO).

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte die Auszahlung des Sparguthabens bewiesen. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Zeuge E. Sch. am 16. April 1998 das damals von der Beklagten errechnete Sparbuchguthaben von 103.961,17 DM auf Weisung des dazu bevollmächtigten Ehemannes auf das Girokonto der Klägerin gebucht und unmittelbar anschließend auf ein Festgeldkonto der Klägerin (in Höhe von 51.980,59 DM) und ihres Ehemannes (in Höhe von 51.980,58 DM) überwiesen hat. Diese Feststellungen sind für den Senat bindend.

aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Gleiches gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat.

Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können sich aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 403/14 –, juris Rn. 10 f. mwN).

bb) Gemessen hieran bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

(1) Die Buchungsvorgänge lassen sich zunächst aus bankinternen Unterlagen nachvollziehen. Die Auszahlung von dem Sparkonto folgt aus dem unstreitig von dem Zeugen Sch… handschriftlich ausgefüllten Auszahlungsbeleg über 103.961,17 DM, der einen maschinellen Aufdruck mit dem Datum 16. April 1998 enthält (Anlage B 3), sowie einer dahingehenden Sparumsatzverdichtung der Bank (Anlage B 1). Für den entsprechenden Eingang auf dem Girokonto spricht ein ebenfalls unstreitig von dem Zeugen Sch. handschriftlich ausgefüllter Einzahlungsbeleg, der einen maschinellen Aufdruck mit dem Datum 16. April 1998 enthält (Anlage B 4), sowie der Kontoauszug des Girokontos (Anlagen K 3, B 2). Die Eingänge auf den Festgeldkonten folgen aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Kontoauszügen (Anlage K 7) und den entsprechenden Kundenaufträgen (Anlagen B 8 und B 9). Ebenso hat das Landgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindend festgestellt, dass der Zeuge B., der Bereichsleiter der internen Revision der Beklagten, die Auflösung des Sparbuches, die Einzahlung des Guthabens auf das Girokonto der Klägerin und die am gleichen Tag veranlasste Weiterleitung jeweils des hälftigen Betrages als Termingeldeinlagen für jeden der beiden Eheleute in den Handelsbüchern der Beklagten nachvollzogen hat. Die Kategorisierung als „Bareinzahlung“ auf dem Girokonto spricht dabei nicht notwendig gegen die Auszahlung des Sparguthabens. Denn der Zeuge B. hat nachvollziehbar angegeben, dass damals ein Sparguthaben nur bar aufgelöst werden konnte und deshalb ein Barauszahlungsbeleg und ein Bareinzahlungsbeleg geschrieben werden musste. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Aussagekraft der bankinternen Unterlagen dadurch beeinträchtigt ist, dass weder die Ein- und Auszahlungsbelege (Anlagen B 3 und B 4) noch die Kundenaufträge für die Termingeldeinlagen (Anlagen B 8 und B 9) die dort vorgesehene Unterschrift des Kunden enthalten, sondern lediglich einen handschriftlichen Vermerk, dies sei auf telefonischen Auftrag des Herrn V. erfolgt.

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(2) Die hierfür gegebene Erklärung des Zeugen Sch., das habe man damals bei weiter entfernt wohnenden Kunden schon gemacht, vermutlich sei die Vorlage des Sparbuchs später vergessen worden, kann zwar allein einen Nachweis der Auszahlung nicht begründen, erscheint aber plausibel. Soweit die Klägerin dagegen vorbringt, die Behauptung, ihr Ehemann habe eine telefonische Anweisung erteilt, sei realitätsfern, weil er üblicherweise nie mit der Bank telefoniert habe und nie Anweisungen ohne sie erteilt hätte, erscheint dies bereits deshalb nicht zwingend, weil die Klägerin von Januar bis Mai 1998 wegen einer Bandscheibenoperation in einer Reha-Einrichtung gewesen ist, selbst wenn sie von dort aus auch gearbeitet haben sollte, wie sie vor dem Senat erklärt hat.

(3) Ein gewichtiges Indiz für die Auszahlung des Sparguthabens stellt der unstreitige Zahlungseingang in Höhe von 103.961,17 DM auf dem Girokonto der Klägerin am 16. April 1998 dar. Dieser Betrag entspricht dem von der Beklagten errechneten Sparguthaben zum 16. April 1998. Die von der Beklagten zuletzt im Schriftsatz vom 22. September 2021 (II 40 f., Anlage BB 3) dargelegte, auf den korrekten Zinssätzen und Zeiträumen beruhende Berechnung, nach der für den Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 16. April 1998 Zinsen von insgesamt 3.961,17 DM angefallen sind, ist bei Zugrundelegung der sog. 30/360-Methode rechnerisch nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann für den Zeitraum zwischen dem 18. und 20. März 1997 kein vereinbarter Zinssatz angenommen werden, sondern es gilt nach Ziffer 4 der dem Sparbuch zugrundeliegenden Vereinbarung der für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist geltende Zinssatz, den die Beklagte nach Überzeugung des Senats zutreffend mit 1,75 % angegeben hat (vgl. die Übersicht zur Entwicklung des durchschnittlichen Zinssatzes für Spareinlagen mit Grundverzinsung, Anlage K 8: 1,7 % im Jahr 1997; vgl. auch die Übersicht der Deutschen Bundesbank zu den Habenzinsen der Banken in Deutschland für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist: 1,79 % im März 1997). Die Zinsen von insgesamt 3.961,17 DM setzen sich danach wie folgt zusammen:

  • 571,56 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 17. März 1997 (66.805,59 DM Kapital (64.165,87 DM + 2.639,72 DM Zinsen, vgl. Anlage K 1) * 77 Zinstage * 4,00 % Zinsen),
  • 9,74 DM für den Zeitraum vom 18. März 1997 bis zum 20. März 1997 (Kapital 66.805,59 DM * 3 Zinstage * 1,75 % Zinsen),
  • 2.527,78 DM für den Zeitraum vom 21. März 1997 bis zum 31. Dezember 1997 (Kapital 100.000,00 DM * 280 Zinstage * 3,25 % Zinsen),
  • 744,68 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 20. März 1998 (Kapital 103.109,08 DM * 80 Zinstage * 3,25 % Zinsen)
  • 107,41 DM für den Zeitraum vom 21. März 1998 bis zum 15. April 1998 (Kapital 103.109,08 DM * 25 Zinstage * 1,5 % Zinsen).

Der ständig mit Bankrechtsfällen und in diesem Zusammenhang mit Zinsberechnungen befasste Senat kann die Berechnung der Bank aus eigener Sachkunde nachvollziehen, der Einholung eines von der Klägerin beantragten Sachverständigengutachtens zur Höhe des Guthabens am 16. April 1998 bedurfte es daher nicht.

(4) Hinzu kommt der erhebliche Zeitablauf zwischen der letzten Eintragung im Sparbuch von 1997 und der Rückforderung des Guthabens im Dezember 2019. Es erscheint dem Senat wenig überzeugend, dass die Klägerin, die sich (jedenfalls auch über ihren Ehemann) vor und nach dem 16. April 1998 jeweils zeitnah um die Wiederanlage von abgelaufenen Sparguthaben kümmerte, ein hohes Guthaben so lange unbeachtet gelassen hat und dies zudem widersprüchlich begründet (vgl. S. 7 der Klageschrift = I 7: „bei Aufräumarbeiten in ihrem Haus wiedergefunden“ bzw. S. 3 des Schriftsatzes vom 30. August 2021 = II 39: „Die Klägerin hat auch nicht vergessen, dass sie das Geld auf dem Sparbuch hat. Sie hat es in einem Tresor in ihrem Haus zusammen mit wichtigen Unterlagen aufbewahrt.“).

(5) Angesichts dieses sehr fundierten Gesamtbildes bestehen auch beim Senat keine Zweifel, dass das Sparguthaben zunächst auf das Girokonto der Klägerin gebucht und unmittelbar anschließend auf Festgeldkonten der beiden Eheleute weitergeleitet worden ist. Die durch keine objektiven Umstände gestützte Vermutung der Klägerin, der Zahlungseingang von 103.961,17 DM müsse aus über Monate gesammelten, möglicherweise buchhalterisch nicht vollständig erfassten Bareinnahmen aus dem Obstbaubetrieb der Eheleute stammen, kann daran keine Zweifel mehr begründen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte durch den Zeugen Sch. oder eine andere Person nachträglich den Auszahlungsbeleg (Anlage B 3) erstellt und die Kundenaufträge für die Termingeldeinlagen (Anlagen B 8 und B 9) mit den darauf ersichtlichen handschriftlichen Vermerken („lt. telef. Auftrag d. Herrn V.“) versehen hat.

cc) Diese Buchungsvorgänge führten zur Erfüllung des Anspruchs auf Auszahlung des Sparguthabens (§ 362 Abs. 1 BGB).

(1) Die Weisung ihres Ehemannes, das Sparguthaben zunächst auf das Girokonto der Klägerin zu verbuchen und anschließend als Termingeldeinlagen für die Klägerin (in Höhe von 51.980,59 DM) und für ihn selbst (in Höhe von 51.980,58 DM) anzulegen, wirkte für und gegen die Klägerin (§ 164 Abs. 1 BGB). Der Ehemann verfügte dabei über eine wirksame Vollmacht der Klägerin (§ 167 Abs. 1 BGB).

Das Landgericht hat für den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend festgestellt, dass die Klägerin ihren Ehemann gegenüber der Beklagten bevollmächtigt hat, über alle bei irgendeiner Stelle der Bank vorhandenen Konten und Depots zu verfügen (vgl. die Vollmacht, I 163 f.). Dagegen wendet sich die Berufung nicht.

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Vertretungsmacht ihres Ehemannes nicht gemäß § 181 BGB ausgeschlossen, soweit er die Weiterleitung eines Betrages von 51.980,58 DM auf ein eigenes Festgeldkonto veranlasst hat, ohne dass es darauf ankommt, ob dies die Erfüllung noch hindern könnte.Da der Überweisungsvertrag mit der Beklagten als Überweisungsbank, nicht aber mit dem Ehemann als Überweisungsempfänger zu schließen ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich des § 181 BGB. Diese Vorschrift gilt für Überweisungen des Vertreters des Kontoinhabers auf ein Konto des Vertreters weder unmittelbar noch analog (BGH, Urteil vom 15. Juni 2004 – XI ZR 220/03 –, juris Rn. 15 mwN).

(3) Es liegt auch kein objektiv evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht vor, der zur Folge hätte, das die Klägerin den Überweisungsauftrag nicht gegen sich gelten lassen müsste und erneut die Auszahlung des Sparguthabens an sich verlangen könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Juni 2004 – XI ZR 220/03 –, juris Rn. 16 mwN). Hierzu fehlt jeder Vortrag.

2. Mangels Anspruchs in der Hauptsache stehen der Klägerin auch keine Prozesszinsen zu.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Berufungsurteil orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

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