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Nachweis eines manipulierten Verkehrsunfalls durch Indizien

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 119/17 – Beschluss vom 02.07.2018

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. November 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2 Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.167,77 € festgesetzt.

Zusammenfasung

In dem vorliegendem Fall geht es um eine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Lübeck, in dem es um die Klage einer Person auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geht. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen, da es der Ansicht war, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und keine mündliche Verhandlung notwendig ist. Die Begründung für diese Entscheidung ist, dass das Landgericht zu Recht die Klage auf Schadensersatz abgewiesen hat, da kein Unfall im Sinne eines plötzlichen Ereignisses zwischen den beteiligten Fahrzeugen stattgefunden hat. Das Berufungsgericht stützt sich dabei auf Indizien, die für einen manipulierten Unfall sprechen, da der Beklagte den Unfallhergang bestritten hat. Das Berufungsgericht kommt zu dem Schluss, dass es eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass die Klägerin in die Manipulation des Unfalls eingewilligt hat. Ein wichtiges Indiz dafür ist die fehlende Dokumentation bezüglich An- oder Verkauf des Fahrzeugs.

Gründe

Nachweis eines manipulierten Verkehrsunfalls durch Indizien
Die Berufung auf Schadensersatz nach einem angeblichen Verkehrsunfall wurde zurückgewiesen, da keine Aussicht auf Erfolg bestand. Es gab Indizien für einen manipulierten Unfall, da der Beklagte den Unfallhergang bestritten hatte. Das Berufungsgericht kam zu dem Schluss, dass es eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür gab, dass die Klägerin in die Manipulation des Unfalls eingewilligt hatte. (Symbolfoto: Southworks/Shutterstock.com)

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 17.11.2017, Aktenzeichen 2 O 139/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 29. Mai 2018 Bezug genommen. In diesem hat der Senat ausgeführt:

„Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen. Beides liegt nicht vor. Denn das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

Berufungsgründe liegen nicht vor. Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin gemäß §§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 115 VVG verneint.

Denn ein Unfall im Sinne eines plötzlichen, von außen kommenden Ereignisses im Straßenverkehr zwischen dem PKW der Klägerin und dem beim Beklagten versicherten Fahrzeug liegt nicht vor. Der Beklagte hat den behaupteten Unfallhergang bestritten.

Der Beklagte trägt die Beweislast für das von ihm behauptete manipulierte Unfallgeschehen und die Einwilligung der Klägerin. Da dem verklagten Haftpflichtversicherer der Einblick in die Motivation und das Verhalten des Anspruchsstellers regelmäßig fehlt, kann der Beweis eines manipulierten Unfalles im Einzelfall durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von Indiztatsachen, die für einen manipulierten Unfall sprechen, erbracht werden. Diese Indiztatsachen sind im Rahmen einer Gesamtschau zu würdigen. Der Einwilligungsnachweis ist bereits dann geführt, wenn sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten feststellen lässt, was sich aus einer ungewöhnlichen Häufung von Umständen und Beweiszeichen ableiten lässt, die in ihrer Gesamtschau auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten (vgl. Röttger, ZfS 2018, 184 – 194 m. w. N.). Voraussetzung der durch Indizien gewonnenen Überzeugungsbildung ist keine mathematisch lückenlose Gewissheit – insoweit dürfen die Anforderungen an den Indizienbeweis nicht überspannt werden -, vielmehr ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit ausreichend, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 19.03.2013, Beck RS 2013, 07675).

Diesen Beweis hat das Landgericht im vorliegenden Fall als geführt angesehen. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) berechtigt das Gericht, die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten, wobei der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und sonstigen Erfahrungssätze gebunden ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. § 286, Rn. 13). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht erkennbar. Im Übrigen steht die Wiederholung der Beweisaufnahme außerdem gem. §§ 529, 531 ZPO nicht mehr im reinen Ermessen des Berufungsgerichts. Sie ist im Sinne eines gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen und eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand mehr haben werden, sich also ihre Unrichtigkeit herausstellt (Zöller/Heßler, a.a.O. § 529, Rn. 3). Solche konkreten Anhaltspunkte werden mit der Berufung jedoch nicht vorgetragen. Es genügt nicht, wenn die Berufungsklägerin lediglich ihre Beweiswürdigung anstelle derjenigen des Landgerichts setzt.

Die von der Klägerin mit der Berufung vorgebrachten Umstände können die Beweiswürdigung nicht mit Erfolg angreifen. Die Verständigung der Polizei durch den Fahrer des beim Beklagten versicherten Fahrzeugs ist (vgl. Röttger, a. a. O. S. 191: das Merkmal ist ambivalent) kein entscheidendes Indiz. Es ist allgemein bekannt, dass die Polizei bei bloßen Blechschäden in Schleswig-Holstein in vielen Fällen gar nicht erst zur Unfallaufnahme erscheint oder jedenfalls keine aktenkundige Unfallaufnahme durchführt. Da dieses Wissen auch bei einem unredlichen Antragsteller als bekannt vorausgesetzt werden kann (so bereits Senat, Beschluss vom 5. Januar 2018, Az. 7 U 35/17), ergibt sich aus der Verständigung der Polizei kein Indiz gegen die Unfallmanipulation. Im Übrigen dürfte die Verständigung der Polizei hier lediglich der Vermeidung des Vorwurfs einer Verkehrsunfallflucht gedient haben.

Das entscheidende Indiz ist für den Senat die vom Landgericht festgestellte unplausible Unfallsituation. Das zweimalige Anfahren des Fahrzeugs der Klägerin durch den Versicherungsnehmer des Beklagten ist äußerst ungewöhnlich, zumal es sich ausweislich der Lichtbilder um nicht ganz unwesentliche Anstöße gehandelt hat. Ein redlicher Unfallbeteiligter hätte eine solche Unfallkonstellation bereits in seinen schriftlichen Angaben gegenüber der Versicherung kundgetan. Aber weder in der ersten Erklärung vom 24. Januar 2013 (vgl. Anlage B7) noch in der weiteren Erklärung vom 20. Februar 2013 (vgl. Anlage B3) ist von einem doppelten Anfahren die Rede. Mit diesem Indiz, welches maßgeblich für einen manipulierten Unfall streitet, setzt sich die Berufungsbegründung nicht eingehend auseinander. Der Unfallhergang ist hiernach – entgegen der Berufungsbegründung – gerade nicht durchgängig so geschildert worden, wie er der Klage zugrunde liegt. Außerdem ist das behauptete Fahrverhalten technisch und verkehrspsychologisch unplausibel.

Das Verschweigen eines zweifachen Anstoßes ist auch keineswegs, wie die Berufung meint, ein Indiz gegen eine Unfallmanipulation. Denn bei Schilderung eines derart ungewöhnlichen Unfallhergangs hätte die beteiligte Versicherung unverzüglich Prüfungen bezüglich eines manipulierten Unfallgeschehens veranlasst. Hinzu kommen die bereits vom Landgericht erwähnten Indiztatsachen: Art des Schadens, fiktive Abrechnung, lukrativer Blechschaden, typisches „Schädigerfahrzeug“, widersprüchliche Angaben zum Unfallhergang und Unfallort.

Der Senat sieht nach alledem eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin in die Manipulation des Unfalls eingewilligt hat. Maßgebliches Indiz hierfür ist, dass weder die Klägerin noch der Zeuge M irgendeine Dokumentation bezüglich An- oder Verkauf des Fahrzeugs vorweisen können. Der Vertrag über den Ankauf des Fahrzeugs soll verloren gegangen sein (vgl. Angabe der Klägerin Bl. 163 d. A.). Der Verkauf sei an einen nicht mehr namentlich bekannten Transporthändler erfolgt und der Kaufpreis in bar entrichtet worden (vgl. 165 d. A.). In dieser auffälligen Detailarmut sieht der Senat auch insoweit ein Indiz für die mangelnde Glaubhaftigkeit der Schilderung der Klägerin.“

Auf den Hinweis ist keine Gegenäußerung der Klägerin erfolgt. Nach alledem war die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

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