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Namensänderung gem. Transsexuellengesetzt (TSG)

Oberlandesgericht Schleswig

Az.: 2 W 190/02

Beschluss vom 16.01.2003

Vorinstanz: LG Kiel, Az.: 3 T 144/00


In der Transsexuellensache hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde des Betroffenen vom 29.10.2002 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 10.10.2002 am 16.01.2003 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Am 2.08.1999 hat der Betroffene beantragt, seinen Vornamen nach dem Transsexuellengesetz (TSG) in „Bärbel“ zu ändern. Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 17.08.1999 angehört und ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. V… vom 10.12.1999 eingeholt. Sodann hat es den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat der Betroffenen Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat zunächst ein weiteres schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W… vom 29.11.2000 eingeholt. Es hat den Betroffenen und die beiden Sachverständigen am 6.03.2001 angehört. Nach Verstreichen eines halben Jahres – um eine eventuelle Entwicklung des Betroffenen abzuwarten – hat Prof. Dr. Dr. W… auf Veranlassung des Landgerichts ein weiteres schriftliches Gutachten vom 10.01.2002 erstattet. Nach erneuter Anhörung des Betroffenen am 1.10.2002 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, auf den zu weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Band II Bl. 389 – 393 d. A.) richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen.

Die nach §§ 4 Abs. 1 TSG, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat Erfolg. Die angefochten Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Soweit das Landgericht in erster Linie die Voraussetzungen der beantragten Namensänderung verneint hat, weil das TSG zwei den Transsexualismus bestätigende Gutachten verlange und jedenfalls Prof. Dr. Dr. W… einen Transsexualismus verneint habe, hält der Senat diese Rechtsauffassung schon im Ausgangspunkt für rechtsfehlerhaft. Nach § 4 Abs. 3 TSG darf das Gericht einem Antrag nach § 1 TSG nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat. Dafür, dass diese beiden Gutachten hinsichtlich der Annahme des Transsexualismus übereinstimmen müssen, gibt das Gesetz schon nach dem Wortlaut keinen Anhaltspunkt. Wegen seiner großen Bedeutung hätte es sehr nahe gelegen, dass der Gesetzgeber dieses Erfordernis in die Bestimmung aufgenommen hätte, wenn er es zur Voraussetzung einer positiven Entscheidung hätte machen wollen. Dies gilt umso mehr, als er im übrigen einzelne konkretisierende Bestimmungen getroffen hat, so zur Qualifikation der Sachverständigen, zur Unabhängigkeit ihrer Tätigkeit und zum Gegenstand ihrer Gutachten. Angesichts dieser Erwägungen tritt der Gedanke, dass zwei übereinstimmende Gutachten zum Schutz des Betroffenen eine höhere Gewähr ihrer Richtigkeit bieten würden, zurück. Das Gericht ist ohnehin gehalten, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach §§ 4 Abs. 1 TSG, 12, 15 FGG die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen und sorgfältig zu würdigen, insbesondere nach seinem pflichtgemäßen Ermessen eine neue Begutachtung durch denselben oder einen anderen Sachverständigen (Obergutachter) anzuordnen (Keidel / Schmidt, FGG, 14. Aufl., § 15 Rn. 46).

Allerdings hat sich das Landgericht – hilfsweise – die hier vertretene Auffassung zu eigen gemacht und ist nach Beweiswürdigung der eingeholten Gutachten – insbesondere des letzten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W vom 10.01.2002 – zu einem sachlichen Ergebnis gelangt. Hierin liegt nach Auffassung des Senats ein Verstoß gegen § 12 FGG, weil die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. V… vom 10.12.1999 einerseits und des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W… vom 10.01.2002 andererseits hinsichtlich möglicherweise entscheidender zu Grunde zu legender Tatsachen zeitlich und inhaltlich nicht „auf gleicher Höhe“ sind. In der Anhörung am 6.03.2001 haben beide Sachverständige das Ergebnis ihrer Begutachtung dahin zusammengefasst, sie seien übereinstimmend der Meinung, dass der Betroffene möglicherweise auf dem Wege zu einem Transsexuellen, aber jedenfalls dort noch nicht angekommen sei, wobei Prof. Dr. V… hinzugefügt hat, nach seiner Einschätzung sei der Betroffenen vielleicht schon ein kleines Stückchen weiter auf diesem Wege, als von Prof. Dr. Dr. W… angenommen werde. Dies hat die Kammer zum Anlass genommen, das Verfahren für ein halbes Jahr ruhen zu lassen, um die Entwicklung des Betroffenen abzuwarten. Sie hat nach Ablauf dieser Zeit aber nur den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W… mit dem Ergänzungsgutachten beauftragt. Wenn aber das Gesetz die Einholung zweier Gutachten erfordert, wird damit bei einer Konstellation wie der vorliegenden auch vorausgesetzt, dass beide Sachverständige im wesentlichen identische Sachverhalte beurteilen, weil sonst die Begründungen und die Ergebnisse der Gutachten nicht verglichen werden können und eine erschöpfende Beweiswürdigung nicht möglich ist. Diese Voraussetzung war vorliegend nicht gewährleistet. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß beruht. Dafür spricht, dass der Sachverständige Prof. Dr. V… den Betroffenen in dessen Entwicklung zum Transsexuellen schon weiter gesehen hat, so dass deren Abschluss nach Ablauf des vorgesehenen Zeitabschnitts nach seinem Gutachten möglicherweise in Betracht gekommen wäre. Desgleichen ist ungewiss, wie dieser Sachverständige das Auftreten des Betroffenen im Internet gewertet hätte, denn auch hierzu hatte er keine Gelegenheit. Möglicherweise hätte er hieraus andere Schlüsse gezogen, als der Sachverständige Prof. Dr. W… .

Nach allem wird das Landgericht den Sachverständigen Prof. Dr. V… nach dieser Maßgabe mit der Ergänzung seines Gutachtens zu beauftragen haben. Da nach § 4 Abs. 3 Satz 2 TSG die beiden Sachverständigen unabhängig voneinander tätig werden müssen, darf Prof. Dr. V… das letzte Gutachten des Prof. Dr. Dr. W… nicht bekannt gemacht werden, wohl aber muss er Gelegenheit bekommen, die verwertete Internetseite einzusehen. Nach Vorliegen des fehlenden Gutachtens wird zu prüfen sein, ob eine weitere Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W… – möglicherweise im Rahmen einer weiteren mündlichen Erläuterung der Gutachten – erforderlich wird. Ferner ist bisher anscheinend unbeachtet geblieben, dass der Betroffene gemäß seinem Schriftsatz vom 4.01.2001 insbesondere Seite 3 Absätze 3 bis 5 vom Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W… möglicherweise verwertete Tatsachen bestritten hat. Dieses Bestreiten hat er unter Vorlage einer Eidesstattlichen Versicherung seiner geschiedenen Ehefrau H… G… in der Rechtsbeschwerde wiederholt (Schriftsatz vom 18.11.2002 nebst Anlage – Band III Bl. 425 ff. d.A.). Auch insoweit wird zu prüfen sein, ob dieses Bestreiten erheblich ist und diesem nachgegangen werden muss.

Ob in der kurzen Zeitspanne zwischen der Übersendung des umfangreichen Gutachtens vom 10.01.2002 an die Verfahrensbevollmächtige des Betroffenen am 2.10.2002 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses schon am 10.10.2002 eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen ist und die angefochtene Entscheidung darauf beruht, kann offen bleiben, da das weitere Vorbringen des Betroffenen ohnehin zu berücksichtigen sein wird.

 

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