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Neuwagenkauf – erhebliche Motorminderleistung

OLG München

Az: 8 U 2223/09

Urteil vom 06.08.2009


1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 27. Januar 2009 abgeändert wie folgt:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.565,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein fabrikneues Kraftfahrzeug. Das Fahrzeug sei von Anfang an mangelhaft gewesen, weil weder die vertragsgemäße Höchstgeschwindigkeit, noch die vertragsgemäße Motorleistung erreicht worden sei.

Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Der Senat hat keine weiteren Feststellungen getroffen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage größtenteils stattgegeben. Der streitgegenständliche Pkw sollte unstreitig die vom Kläger angegebene Leistung und Geschwindigkeit erbringen. Der Sachverständige habe jedoch anstelle einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h nur eine solche von 192 km/h und anstelle einer Leistung von 85 KW nur eine solche von 78,5 KW ermittelt. Die Minderleistung des Motors in Höhe von 7,5 % liege über der von der Rechtsprechung angenommenen Erheblichkeitsschwelle. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Messung nicht mit der Serienbereifung durchgeführt worden sei, weil laut Sachverständigem die am Fahrzeug angebrachten Reifen ebenfalls zur Serienausstattung gehörten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte in vollem Umfang. Sie beruft sich darauf, eine Minderleistung – so eine solche überhaupt vorhanden sei – sei nicht erheblich i. S. v. § 323 V S. 2 BGB, weil nach den einschlägigen DIN-Vorschriften 5 % Abweichung zulässig seien und hier nur eine weitere Abweichung von 2 % vorliege. Bezüglich des Kraftstoffverbrauchs eines Pkws habe der BGH eine Abweichung von weniger als 10 % als nicht erheblich angesehen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige sei zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt, weil er die Messung nicht mit derjenigen Serienbereifung durchgeführt habe, für welche die Leistungsangabe Gültigkeit habe. Seine Ausführungen seien auch widersprüchlich, weil er einerseits von einer Rückrechnung der Leistung von der Geschwindigkeit unabhängig von der Bereifung ausgehe, die entsprechende graphische Darstellung jedoch gerade unterschiedliche Bereifungen enthalte. Im Übrigen habe der Sachverständige den Zustand der Reifen nicht dokumentiert. Schließlich stelle die Entscheidung des Landgerichts eine Überraschungsentscheidung dar. Mit Beschluss vom 13.6.2008 habe das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Höchstgeschwindigkeit im Toleranzbereich liege, nicht jedoch die Leistung. Daher müsse der Motor auf einem Prüfstand getestet werden. Diese Auffassung tauche in dem angefochtenen Urteil nicht mehr auf.

Die Beklagte beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts München I die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, wonach eine Abweichung der Motorleistung von mehr als 5 % erheblich sei, auch wenn eine andere Bereifung als diejenige der Serienausstattung vorliege. Für die Serienbereifung sei im Übrigen auf eine EWG-Richtlinie abzustellen. Da der Kläger das Fahrzeug mit größeren Reifen erworben habe, seien diese die Serienausstattung. Im Übrigen habe er den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil für das Fahrzeug damit geworben werde, es fahre mit Superbenzin, ohne Hinweis darauf, dass nur mit dem besonderen Superbenzin „ROZ 98“ die genannte optimale Leistung erreicht werden könne.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf deren Schriftsätze in 1. und 2. Instanz, insbesondere auf die Berufungsbegründung und -erwiderung sowie auf Anlagen und Protokolle Bezug genommen. Hinsichtlich des Sachverständigengutachtens wird auf die beigezogenen Akten des selbständigen Beweisverfahrens 20 OH 16806/06 des Landgerichts München I verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

1. Der Kläger hat nicht nachweisen können, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs dieses einen Mangel in einem Umfang aufwies, der zu einer erheblichen Pflichtverletzung i. S. v. § 323 V S. 2 BGB führen würde.

Der Senat geht hierbei zunächst – zu Gunsten des Klägers – von den vom Sachverständigen festgestellten Leistungswerten des Fahrzeugs aus. Es kann daher dahinstehen, ob der Sachverständige von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausging, etwa beispielsweise, ob er die Untersuchung mit Reifen durchführte, die nicht derjenigen Bereifung entspricht, für welche die Leistungszusage von der Beklagten abgegeben worden war. Es kann auch dahinstehen, ob die Art und Weise der Begutachtung mangelhaft ist, etwa deshalb, weil der Sachverständige den Zustand der Reifen (Abnutzungszustand, Druck) nicht dokumentiert hätte, oder weil er ausweislich seines Gutachtens zwar die Windgeschwindigkeit und Windrichtung festgestellt hat, nicht jedoch angegeben hat, in welcher Fahrtrichtung er das zu untersuchende Fahrzeug bewegte.

Denn die Begutachtung durch den Sachverständigen erfolgte ausweislich von Seite 3 der Anlage 1 zu seinem Gutachten vom 18.5.2007 am 14.5.2007. Der Kläger übernahm das Fahrzeug am 22.9.2004, mithin über zweieinhalb Jahre zuvor. Zwar hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 1.4.2008 vor dem Landgericht (Bl. 40 d. A.) ausgeführt, es sei – wenn Wartungen etc. ordnungsgemäß durchgeführt worden sind – aus seiner Sicht sehr unwahrscheinlich, dass bei der Fahrleistung des Fahrzeugs seit der Auslieferung Leistungsabfälle entstanden seien. Damit hat der Sachverständige jedoch nicht ausgeschlossen, dass solche Leistungsverschlechterungen eingetreten sind.

Der Senat ist in Anbetracht der gesamten Umstände nicht davon überzeugt, dass solche Leistungsverschlechterungen tatsächlich nicht eingetreten sind. Hierfür spricht zum einen der lange Zeitraum zwischen der Übernahme des Fahrzeugs durch den Kläger und der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen (Zeitraum vom 22.9.2004 bis zum 14.5.2007), zum zweiten die erhebliche Fahrleistung des Fahrzeugs in diesem Zeitraum von geschätzten 75.000 km (Juli 2006: ca. 60.000 km – Anlage K 2; 27.8.2007: 84.700 – Klageschrift S. 4 unten).

Zum dritten spricht dafür die Feststellung des Klägers eingangs der Klagebegründung, wonach das streitgegenständliche Fahrzeug zwar bereits seit Beginn der Ingebrauchnahme einen Leistungsverlust aufgewiesen habe, im Laufe der Zeit sei es jedoch „zu einem immer größer werdenden Leistungsabfall“ gekommen (Klageschrift S. 2, Bl. 2 d. A.).

Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger diese Behauptung „ins Blaue hinein“ gemacht hätte, mit anderen Worten: Dass sie nicht der Wahrheit entsprechen würde. Zwar wird im weiteren Vortrag des Klägers behauptet, „die Abweichung von der zugrunde gelegten Beschaffenheit bestand bereits bei Übergabe des Fahrzeugs“ (Schriftsatz vom 7.12.2007, dort S. 3 unten, Bl. 18 d. A.). Jedoch lässt diese Feststellung nicht zweifelsfrei erkennen, dass damit die vom Sachverständigen festgestellte Abweichung gemeint ist, im Übrigen wäre eine entsprechende Behauptung erklärungsbedürftig in Anbetracht der zunächst vom Kläger geäußerten Behauptung, die Leistung des Fahrzeugs habe sich im Laufe der Zeit verschlechtert. Diese Behauptung ist im Übrigen auch enthalten in der Mängelanzeige des Klägers an die Beklagte vom 7.8.2006, Anlage K 2.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der vom Kläger geschilderte zeitliche Ablauf für seine in der Klageschrift zunächst gewählte Schilderung spricht. Er hat das Fahrzeug nämlich erst nach beinahe 2 Jahren, nämlich am 19.7.2006, in einer Werkstatt untersuchen lassen. Die Tatsache, dass hierbei nach den Angaben des Klägers an der Motorleistung von nur 73 KW bei ausgeschalteter Klimaanlage und eine Leistung von 62 KW bei eingeschalteter Klimaanlage festgestellt worden sei, ist zwar ein Indiz für die vom Kläger nun vorgetragene Sachverhaltsdarstellung, wonach die gravierenden Leistungsschwächen bereits von Anfang an gewesen seien; dieses Indiz vermag indes die Zweifel des Senats nicht auszuräumen, zumal Einzelheiten über die Qualität dieser Untersuchung nicht bekannt sind. Im Übrigen wird diese Untersuchung mit etwa derselben Gewichtigkeit entwertet durch die von der Beklagten am 6.9.2006 durchgeführte Überprüfung, die nach deren Behauptung keinerlei Leistungsschwächen des streitgegenständlichen Fahrzeugs erbracht habe.

Da die vom Sachverständigen im Rahmen des Beweisverfahrens festgestellte Minderleistung sich in einem Grenzbereich dessen bewegt, was nach der Rechtsprechung als erheblich bzw. unerheblich i. S. d. § 323 V S. 2 BGB beurteilt wird (abgesehen von der Frage, welche Rolle hier DIN-Normen zur zulässigen Abweichung der Motorleistung von Pkws spielen), ist der Senat in Anbetracht der geschilderten Umstände und Gesichtspunkte nicht davon überzeugt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übernahme durch den Kläger derartige Mängel aufwies, die ihn nach der genannten gesetzlichen Vorschrift zum Rücktritt berechtigen würden.

2. Mit der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dringt der Kläger nicht durch: die Beklagte hat ihren, die Anfechtungserklärung auslösenden Sachvortrag im Schriftsatz vom 27.5.2008, wonach Auslegungskraftstoff für die Leistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs super plus (ROZ 98) sei, mit Schriftsatz vom 4.9.08 korrigiert.

Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen der Revisionszulassung sind nicht gegeben, § 543 II ZPO. Es handelt sich gerade wegen des zeitlichen Ablaufs und der übrigen Umstände um einen besonderen Einzelfall.

 

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