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Neuwagenkaufvertrag – Schadenspauschalierung bei Nichtabnahme des Fahrzeugs

LG Aachen – Az.: 12 O 206/18 – Urteil vom 08.11.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt einen Fahrzeughandel und macht Ansprüche aus einem Kaufvertrag geltend. Der Beklagte betreibt ein Bestattungsunternehmen.

Der Beklagte bestellte für das Bestattungsunternehmen bei der Klägerin am 27.10.2017 ein Fahrzeug der Marke Mercedes Benz, Modell Vito 114 CDI zzgl. eines Bestattungswagenaufbaus zu einem Preis von 42.850,00 EUR netto bzw. 50.981,50 EUR brutto. Am 07.11.2017 bestätigte die Klägerin das Kaufvertragsangebot des Beklagten und gab in dieser Auftragsbestätigung als auch auf dem Kaufvertragsformular an, dass ausschließlich ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, die bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden können (Bl. 26 GA). In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es unter Ziffer 5.7:

„Verzögert der Käufer den Liefertermin, nimmt er den Liefergegenstand nicht zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt ab oder kommt er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht rechtzeitig nach, so ist KC berechtigt, nach Ablauf einer angemessenen Frist vom Vertrag zurückzutreten und Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 25% des Kaufpreises geltend zu machen […].“ (Bl. 24 GA)

Der Beklagte wollte die Finanzierung des Kaufvertrages über die T-Bank als Leasinggeber realisieren. Auf eine Anfrage des Beklagten reagierte die T-Bank nicht. Mit Schreiben vom 10.11.2017 erklärte der Beklagte die Kündigung des Kaufvertrages. Die Klägerin wies die Kündigung mit Schreiben vom 17.11.2017 zurück und forderte den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises unter Frist bis zum 01.12.2017 auf.

Die Klägerin behauptet, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mittlerweile zum Bestattungswagen umgebaut worden sei. Ferner sei der Klägerin ein hoher Schaden aufgrund des nicht durchgeführten Kaufvertrages entstanden. Das Fahrzeug verfüge nur über eine maue Ausstattung und ließe sich nur schwer verkaufen. Sie ist der Ansicht dass ihr nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 25% des Brutto-Kaufpreises, mithin 12.747,87 EUR zustehe. Die Ziffer 5.7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei auch wirksam, da hier ein Bestattungswagen verkauft wurde, bei dem eine erheblich höhere Gewinnspanne zu erzielen sei.

Die Klägerin beantragt,

1.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 12.747,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen,

2.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass Voraussetzungen für den Kaufvertrag die Finanzierung über einen Leasinggeber gewesen sei. Zwischen den Parteien sei vereinbart gewesen, dass der Kaufvertrag ohne eine solche Finanzierung nicht zustande kommen solle. Der Beklagte habe bereits im Jahre 2015 bei der Klägerin ein Fahrzeug unter identischen Voraussetzungen erwerben wollen. Auch damals sei die Finanzierung über ein Leasinggeschäft gescheitert, sodass auch damals der Kaufvertrag aus diesem Grunde beendet worden sei. Der Beklagte ist zudem der Ansicht, dass der Schadensersatzanspruch der Höhe nach unberechtigt sei. Eine Pauschale von 25% würde nicht dem tatsächlichen Gewinn der Klägerin entsprechen. Die Klägerin habe zudem dem Beklagten einen Nachlass von 11.139,00 EUR gewehrt, sodass auch ihr zu erwartender Gewinn geringer gewesen sei. Ferner seien Kosten für eine Vorfracht in Höhe von 990,00 EUR nicht entstanden und auch die Mehrwertsteuer sei nicht einzubeziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung vom 27.09.2018, Bl. 81 ff. GA, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs.1 BGB in Verbindung mit Ziffer 5.7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Neuwagenkaufvertrag - Schadenspauschalierung bei Nichtabnahme
(Symbolfoto: Andrii Medvednikov/Shutterstock.com)

Die Klausel Ziffer 5.7 der Allgemeinen Geschäftsbedingung der Klägerin, welche einen pauschalen Schadensersatz von 25% des Kaufpreises vorsieht, ist nach §§ 307 Abs. 1, 310 Abs. 1 BGB unwirksam. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Für die Beurteilung der Angemessenheit von allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es in erster Linie auf eine sorgfältige und alle Umstände des Falles in Betracht ziehende Ermittlung der Interessen an. Zu prüfen ist also zunächst, welches Interesse der Verwender an der Aufrechterhaltung der Klausel hat und welches die Gründe sind, die umgekehrt aus der Sicht des Kunden für den Wegfall der Klausel bestehen (vgl. Palandt/Grüneberg BGB 77. Aufl. § 307 Rn. 12).

Dabei hat das Gericht bei seiner Bewertung den Grundgedanken des § 309 Nr. 5 lit. a BGB zugrunde gelegt. Diese Vorschrift ist auch im Verkehr zwischen Unternehmern im Rahmen der gemäß §§ 307, 310 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Inhaltskontrolle zu berücksichtigen (vgl. BGH Urt. V. 22.10.2015 – VII ZR 58/15 m.w.N.). Nach § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt. Selbst eine unwesentliche Überschreitung führt zur Unwirksamkeit der Schadenspauschale.

Das Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung der Klausel liegt an der an § 252 Satz 2 BGB orientierten erleichterten Darlegung eines Schadens in Form einer Pauschale. Das Interesse des Beklagten am Wegfall der Klausel liegt in dem Umstand, sich nicht pauschal einem Schaden in Höhe von 25 % des Kaufpreises ausgesetzt zu sehen.

Als Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Interessen ist festzustellen, dass eine unangemessene Benachteiligung der Käufer vorliegt. Zur Vornahme der Abwägung ist zunächst der objektive, also tatsächliche Gehalt der Klausel zu ermitteln und der Beurteilung zugrunde zu legen. Auf die Handhabung der Bestimmung im Einzelfall kommt es dabei nicht an, weshalb es nicht maßgeblich ist, ob wie von der Klägerin vorgetragen, hier ein Sonderfall des Bestattungswagens vorliegt, welcher die die Unwirksamkeit der Klausel begründenden Bedenken entkräften könnte. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie ausschließlich mit Bestattungswagen handelt.

Die Schadenspauschale von 25 % ist nach Ansicht des Gerichts unangemessen. Sie übersteigt den im Neuwagenhandel branchentypischen Durchschnittsgewinn. Grundsätzlich ist in der  Rechtsprechung und Rechtsliteratur bei Neuwagenkaufverträgen eine Schadenspauschale von 15 % anerkannt (vgl. BGH Bes. v. 27.06.2012 – VIII ZR 165/11). Dies verdeutlicht aber gerade, dass Pauschalen, die deutlich über diese grundsätzliche Zulässigkeit hinausgehen, besondere Umstände aufweisen müssen. Diese Umstände sind im vorliegenden Fall aber nicht durch die Klägerin dargetan. Mithin ist aus Sicht des Gerichts die Entwicklung im Neuwagenhandel bezüglich des zu erwartenden Gewinns kritisch zu betrachten. Die Herstellermargen wurden in den letzten Jahren deutlich gekürzt. Zum Rückgang der Gewinne hat außerdem wesentlich beigetragen, dass der Handel erhebliche Preisnachlässe auf Neufahrzeuge gewähren muss, da die Konkurrenz erheblich gestiegen ist (vgl. Reinking/Eggert, 13. Aufl. Der Autokauf Rdnr. 378 f.). Mithin ist aus Sicht des Gerichts eine erhebliche Steigerung der Gewinnmarge gegenüber den anerkannten 15% nicht erkennbar.

Unterstellt, die Klägerin würde ausschließlich mit Bestattungswagen handeln, ergäbe sich jedoch auch dann keine abweichende Beurteilung. Es ist aus Sicht des Gerichts nicht durch die Klägerin dargetan, dass auch in einer solchen Konstellation ein durchschnittlicher branchenüblicher Gewinn bei 25% des Kaufpreises gelegen hätte. Die bloße Behauptung der Klägerin, im Bereich der Verkäufe von Bestattungswagen seien deutlich höhere Gewinnmargen zu erwarten, genügt unter den vorgenannten Grundsätzen nicht. Die Klägerin konnte lediglich darlegen, dass aufgrund interner Kalkulation, eine Pauschale von 25% gewählt worden sei. Die Kalkulation wurde jedoch nicht näher präzisiert. Auf welcher Grundlage diese Kalkulation somit erfolgte oder wie sich anhand dieser Kalkulation der branchenübliche Gewinn bei Verkäufen von Bestattungswagen darstellt, konnte das Gericht nicht beurteilen.

Die Klägerin trägt den prozessualen Nachteil dafür, dass ihr der Nachweis der Branchenüblichkeit der Pauschale nicht gelungen ist. Die Beweislast für einen dem pauschalierten Betrag nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden trägt der Klauselverwender (BGHZ 67, 312, 319 = NJW 1977, 381, 382; Palandt/Grüneberg BGB 77. Aufl. § 309 Rn. 29 mwN). Zwar ist die Regelung in § 309 Abs. 1 Nr. 5 lit. a BGB an § 252 Satz 2 BGB orientiert und eröffnet dem Klauselverwender eine entsprechende Beweiserleichterung dahingehend, dass der Schaden nicht in jedem konkreten Fall erreicht werden muss. Der Verwender muss aber nachweisen, dass der vereinbarte Betrag dem typischen Schadensumfang entspricht (vgl. BGH Urt. v. 18.12.2015 – XII ZR 199/13, Palandt/Grüneberg BGB 77. Aufl. § 309 Rn. 26, 29 mwN).

Mithin ist es der Klägerin auch nicht gelungen, einen konkreten Schaden vorzutragen. Die Vorlage konkreterer Nachweise in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug blieb sie schuldig, sodass das Gericht auch keinen konkreten Schaden nachzuvollziehen vermochte.

Der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 10.10.2018 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die Voraussetzungen des § 156 ZPO liegen nicht vor. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war vorliegend nicht geboten, da es sich ausschließlich um Rechtsfragen handelte.

Damit kann es auch dahin stehen, ob der Kaufvertrag, wie vom Beklagten vorgetragen, unter der auflösenden Bedingung des Gelingens der Finanzierung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB stand.

Mangels Hauptanspruch waren auch die Nebenforderungen abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 12.747,87 EUR festgesetzt (§ 4 ZPO [Klageantrag Ziff. 1: 12.747,87 EUR, § 4 ZPO], [Klageantrag Ziff. 2: 0,00 EUR, § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO]).

 

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